Atrium | MTD und der Skandal von Nemi

  • Mitten in der Nacht hatte das Atrium ein schauriges Flair. Durch das Loch im Dach strahlten die Sterne auf das Impluvium, auf dessen Wasseroberfläche sich ihr Licht spiegelte. An den Wänden hingen vereinzelt Öllampen, um den wenigen Nachtaktiven den Weg zu leuchten.


    Stesichoros stellte den müden Boten mitten im Raum ab und versprach, den Dominus zu holen. Allerdings dauerte es ziemlich lange, ehe Fußgetrappel laut wurde und schließlich der Senator, gehüllt in sein Nachtgewand, gefolgt von einem Sklaven, der ihn stützte, sowie seinem Sekretär Lukios, der völlig verschlafen aus der Wäsche blickte, im Atrium eintrafen.


    "Was ist geschehen?"


    fuhr der Pontifex ihn mit strenger Stimme an.

  • Der Bote, der durch die Geschehnisse im Hain, den nächtlichen Gewaltritt und die Tatsache, dass er sich gerade im Haus eines Consulars und Pontifex aufhielt, ohnehin schon jenseits von Gut und Böse war, fuhr entsetzt zusammen, als plötzlich eine ehrfurchtgebietende Stimme durch das stille Atrium hallte.


    "Oh..äh....salve,...äh Pontifex Tiberius," begann er mit zitternder Stimme und starrte den eben Angekommenen mit einer Mischung aus Angst und Respekt an. Wer hatte auch damit rechnen können, dass ein so kleines Licht wie er diesem Mann einmal gegenüber stehen würde? "Der...Rex Nemorensis schickt mich. Es hat einen furchtbaren Frevel im Hain der Diana während der Opferzeremonie gegeben. Ein Mann wurde vermutlich ermordet, und man spricht auch von ....ähm....schwerer Unzucht, Herr."

  • Der Bote war offenbar tief beeindruckt von der zerzausten Gestalt des Senators, doch das löste offenbar nicht seine Zunge. Schwere Unzucht - was hatte das zu bedeuten?


    "Berichte genauer! Was für ein Mord? Was für eine Unzucht?"

  • Warum hatte es nur ausgerechnet ihn treffen müssen? schoss es dem Boten durch den Kopf, während er nervös mit den Füßen scharrte. Sein Kumpel Glaucus hätte diesen Job vermutlich wesentlich unbeeindruckender und souveräner gelöst. Aber der hatte ja ein paar Schritte weiter hinten gestanden und war dem Priester nicht direkt ins Auge gefallen...


    "Also.....ähm...da war diese Frau, die ...ähm...hat sich...wohl zuerst mit ihrem Liebhaber.....ähm....vergnügt, also...dort mitten im Hain. Und dann....äh....hat...also....so wie es aussieht...hat sie den dann danach umgebracht. Alles war voller Blut, Herr." Der Bote starrte den Boden der Villa Tiberia an und wünschte sich ganz weit weg.

  • Dem Boten waren seine Worte sichtbar peinlich und tatsächlich empörten sie den Pontifex aufs Stärkste. Unpassender konnte man wohl kaum sein: Ein Stelldichein am Festtag der ewig jungfräulichen Göttin in ihrem eigenen Hain? Durus wünschte der Frau, dass sie so fremd war, dass sie einfach nicht gewusst hatte, wo und was sie getan hatte - wobei ein Mord vermutlich international als illegal angesehen wurde!


    "Wurde die Frau gefasst? Gibt es Zeugen? Wurden die Riten zu ihrem Ende geführt?"


    Der Gedanke, von einer Frau zuerst verführt und dann getötet zu werden, gab dem Tiberier ein ganz schlechtes Gefühl...es wirkte fast ein wenig wie ein barbarischer Kult!

  • "Oh ja, ja, das wurde sie." bestätigte der Bote eifrig nickend. "Der Rex Nemorensis hat das getan, nachdem er sie bei dem Toten gefunden hat so ...äh...halbnackt. Und da waren noch Männer bei ihr, der eine sah aus wie ein Ägypter. Die haben vielleicht etwas gesehen." Er starrte den Pontifex aufgeregt an, um ja keine Frage zu verpassen oder gar misszuverstehen und schüttelte dann den Kopf.


    "Nein, Herr. Der Priester hatte gerade erst den Weihrauch entzündet und mit der Anrufung begonnen. Und dann hat diese Frau so furchtbar geschrien, dass es alle gehört haben, und da hat er das Opfer abgebrochen und ist zu ihr hingerannt."

  • Durus erschrak: Wenn etwas gefährlich war, dann das Auslassen eines Feiertags! Die Riten mussten unbedingt wiederholt werden - eine Iteratio war wohl das Mindeste!


    "Gut, dann kehre zurück! Die Frau, dieser Ägypter und alle Zeugen sollen sofort hierher nach Rom gebracht werden! Diese Angelegenheit muss untersucht werden - bringt sie alle vorerst zu mir, damit ich sie verhören kann!"


    Normalerweise würde so eine Sache natürlich an den Kaiser gehen - doch der weilte ja gemütlich im fernen Misenum!

  • Der Bote unterdrückte mit Mühe ein Stöhnen. Noch so ein Ritt, diesmal in die Gegenrichtung...Die Anwesenheit des Pontifex und ehemaligen Consuls schüchterte ihn jedoch so erfolgreich ein, dass er bereits nickte, bevor dieser mit seinen Anweisungen durch war.


    "Oja, natürlich Herr! Ich mach mich sofort auf den Weg, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob mein Pferd noch einen weiteren scharfen Ritt in einer Nacht überstehen wird."

  • "Du bekommst ein Wechselpferd."


    Er sah zu Lukios, der nur stumm nickte. Er würde sich darum kümmern! Dass es auch für den Boten anstrengend sein würde, kam ihm nicht einmal in den Sinn: Die Pax Deorum stand auf dem Spiel!

  • Während Stesichoros die Männer ins Atrium führte, gab er rasch einem weiteren Sklaven Bescheid, den Herrn zu holen. Dieser hatte sich vermutlich wieder hingelegt, soweit dies möglich gewesen war.


    Doch es dauerte nicht lange, da war hörte man sein Nahen durch das ständige Klopfen seines Stockes auf dem Mosaikboden. Dann kam er um die Ecke, überraschenderweise um diese Tageszeit vollständig mit einer Senatorentunica bekleidet, wenn auch ein wenig blass wirkend.


    "Rex Nemorensis, gut, dass du hier bist. Doch wer bewacht unterdessen den Hain der Diana?"


    fragte er zielstrebig den bärtigen Priester.

  • Okhaton war sonst ein fast zu hübscher Mann, aber jetzt sah er miserabel aus. Seine Tunika war halb zerlegt, und er hatte eine größere Anzahl von Kratzwunden, die er vom unsanften Kontakt mit einem Busch zurückbehalten hatte.


    Auf dem Weg hatte er versucht, aus den Gesprächen um ihn herum festzustellen, was eigentlich das verdammte Problem war. Irgendwas mit Göttern, toll. Und um Frieden sollte es gehen. Hatten die alle ein Loch in der Tunika? Nur weil Flavias Geliebter abgestochen wurde und ein paar Kühe ausrasteten, war das doch noch lang kein Krieg...jedenfalls nicht das, was sich Okhaton darunter vorstellte. Dieser bärtige Priester schaute die ganze Zeit so grimmig, dass Okhaton erwogen hätte, ihm vorsorglich ein paar zu klatschen, wenn er nicht verletzt und erschöpft gewesen wäre. Jetzt war es dafür auch viel zu spät. Es war vielleicht auch nicht die feine römische Art von Celerina, es nachts im Wald mit irgendeinem Typen zu machen, aber wo war die Verbindung zu den Göttern? Er verstand das Problem immer noch nicht...

  • Neben den beiden anderen Sklaven, hatte sich auch Cleomedes mit mir im Atrium engefunden. Direkt hinter dem Rex Nemorensis hatte er sich postiert und hielt mich dabei immer noch. Die immer stärker werdenden Schmerzen und die dazukommende Müdigkeit erfaßten mich. Ein Königreich für ein Bett, oder wenigstens eine Kline!

  • Áedán beäugte seine Herrin mit einem sehr betroffenen Gesichtsausdruck und blickte den Tiberius sehr ernst an. Musste das alles denn jetzt gleich und sofort sein? Domina Celerina brauchte dringend Ruhe. Irgendein Mann war niedergestochen worden und sie naja... äh... Moment!


    Der Gallier begann erst langsam zu verstehen, was da wirklich genau vorgefallen war und nun hörte er doch erst einmal aufmerksam zu, was da jetzt schief gelaufen sein sollte.


    "Entschuldigt bitte, Dominus, aber.... sie ist verletzt..." erhob der rotblonde Sklave sehr leise das Wort und klang dabei auch wirklich erstaunlich demütig und vorsichtig. "Es wäre wohl gut, wenn man sie irgendwo... ablegen könnte."


    Da er den Römer nicht kannte, war er erst einmal sehr vorsichtig.

    Fishing4Comments: Verbesserungsvorschläge sind durchaus erwünscht.

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    Artanes



    Wer jetzt den Hain bewachte? Artanes starrte den alten Tiberier ungläubig an, bis ihm plötzlich wieder einfiel, dass er den Boten vor der Ankunft der Rinder nach Rom geschickt hatte und der Pontifex somit noch gar nichts von den letzten Ereignissen wissen konnte. Die schonende Vermittlung von Wahrheiten gehörte leider nicht zu den besonderen Fähigkeiten des Rex Nemorensis, und dementsprechend unverblümt fiel auch seine jetzige Berichterstattung aus.


    "Salve, Pontifex Tiberius." begann er mit seiner dröhnenden Stimme, die nicht mehr wirklich daran gewöhnt war, sich an geschlossene Räume anzupassen. "Und verzeih mir meine Offenheit, aber am Lagus Nemi ist kaum noch etwas übrig, was sich zu bewachen lohnen würde. Fast unmittelbar auf den Frevel, von dem ich dir berichten ließ, ist der Zorn der Götter über uns gekommen, und der heilige Hain ist bedeckt von Toten und getränkt von deren Blut."

  • Die Stimme des Rex Nemorensis passte mehr zu einem sabinischen Bauern als einem Hohepriester der Diana, doch Durus hatte keine Zeit, auf den einfachen Mann herabzublicken, denn die Worte, die er fand, waren mehr als entsetzlich: Tote und Verletzte? Am Hain der Diana?


    Eigentlich hielt der alte Tiberier schon die Kultvorschriften ein und glaubte auch an die Götter - oder zumindest an eine höhere Macht - aber dass die Götter so etwas taten, konnte er sich doch nicht vorstellen! War Diana etwa leibhaftig erschienen und hatte die Feiernden mit ihrem Bogen niedergestreckt? Waren die Götter doch mächtiger, als er und die vielen intellektuellen Philosophen immer angenommen hatten?


    Es dauerte eine Weile, ehe ihm all diese Fragen durch den Kopf geschossen waren. Dann zwang er sich, wieder zu dem Gespräch zurückzukehren.


    "Was ist geschehen?"


    Diese Hiobsbotschaft ließ ihn sogar ganz die Frau vergessen, die noch immer gehalten wurde und dabei verdeckt war.

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    Artanes



    Was geschehen war? Das war eine gute Frage, so wirklich darüber im Klaren war sich Artanes nämlich immer noch nicht.
    "Nun...,"begann er nach kurzem Räuspern,"...ich hatte bei den Feierlichkeiten gerade mit dem Opferritus begonnen, als dieses Weib da...." er machte eine Bewegung mit dem Kopf in Richtung der scheinbar immer noch bewusstlosen Frau "...wie am Spieß geschrien und damit die Anrufung unterbrochen hat. Als ich sie zur Rede stellen wollte, fand ich sie halb nackt neben einer blutüberströmten Männerleiche. Für mich sah es so aus, als hätte sie es zuerst mit diesem Kerl getrieben und ihn dann anschließend umgebracht, aber sie behauptet, es nicht gewesen zu sein. Und dann..." jetzt musste der Rex Nemorensis doch schlucken und räusperte sich daher erneut, bevor er mit gewohnt kraftvoller Stimme weiter sprechen konnte,"...dann stürmte plötzliche eine riesige Rinderherde mitten in den Hain und hat alle niedergetrampelt, die nicht schnell genug fliehen konnten. Ich kann dir keine genauen Zahlen nennen, Pontifex, aber ich bin mir sicher, dass dort zwischen den Bäumen Dutzende von Toten liegen."

  • Am Anfang klang alles noch relativ unspektakulär: Natürlich war eine Störung eines Rituals eine Unverschämtheit, die auch die Pax Deorum gefährdete, doch dann wurde es gelinde gesagt erstaunlich: Eine Rinderherde! Mehrere Tote! Das konnte wirklich nichts Gutes bedeuten!


    Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Frau.


    "Und was ist mit ihr? Hat die Rinderherde sie erfasst?"

  • Cleomedes, der die domina die ganze Zeit über in seinen Armen hielt, hatte aufmerksam das Gespräch zwischen Pontifex und dem Rex Nemorensis verfolgt. Als nun der Tiberier ihm, respektive seiner Herrin zunickte, fühlte er sich angesprochen.
    "Sie ist von einem Baum gefallen, auf welchen sie sich gerettet hatte, dominus." Weitere Erklärungen ersparte er sich vorerst. Wobei er selbstverständlich Rede und Antwort stehen würde, sollte er noch befragt werden

  • Durus begutachtete das Bündel nun ein wenig genauer. Es war kein Blut auf ihrer Kleidung, soweit er das erkennen konnte. Wahrscheinlich war sie also nur ein wenig erschöpft - oder Diana hatte sie auf andere Weise niedergestreckt?


    "Und was ist mit ihr? Ist sie tot?"


    Die Verdeckung durch den Mantel deutete zumindest darauf hin. Andererseits - warum sollte man eine Tote so eilig nach Rom transportieren, wo sie doch ohnehin nicht mehr aussagen konnte?

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    Artanes


    "Als wir uns auf den Weg gemacht haben, war sie es auf jeden Fall noch nicht." antwortete Artanes, ebenfalls mit einem Blick auf die verhüllte Gestalt auf den Armen des Sklaven. Ein besonders mitfühlender Mensch war er ohnehin noch nie gewesen und hatte während der Jahre in den Minen und nicht zuletzt in der vergangenen Nacht derartiges Elend gesehen, dass ihn das elende Befinden seiner Gefangenen herzllch wenig rührte. Im Grunde war er nur froh, dass es ihm gelungen war, sie beim Pontifex abzuladen, und dass sich von nun an dieser Gedanken um das weitere Vorgehen würde machen müssen.

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