balneum | Stille Wasser

  • Man konnte es Marcus regelrecht ansehen, wie es in seinem Kopf zu arbeiten begann. Er zählte eins und ein zusammen und heraus kam genau das richtige Ergebnis. Nein, er hatte sich nicht geirrt. Und er sprach genau den richtigen Namen des Mannes aus, der ihn zutiefst beleidigt hatte, weil er es gewagt hatte, seine Gefühle zu zeigen.
    "Oh doch, das ist mein voller ernst! Nun ja, auch wenn Aulus nicht unbedingt mein Liebling in der Familie ist, so spricht nichts gegen ihn. Er hat alles, womit er Prisca ein angenehmes Leben bieten kann."
    Doch je mehr er sich dieser Tatsache bewußt wurde, umso aufgebrachter wurde er. Er konnte es einfach nicht verstehen, warum aulus so gehandelt hatte und wahrscheinlich ürde er es auch nie verstehen.
    "Ach, du nennst einen meiner Verwandten einen Blender! Ja? Das ist ja wohl nicht wahr! Er hat wenigstens den Mut gehabt, seine Gefühle für Prisca offen zu zeigen. Ich würde mich glücklich schätzen, hätte ich einen solchen Mann! Du glaubst wohl auch, nur jemand der so ist wie du, so eiskalt und gefühlstaub, sei der richtige für deine Nichte. Aber da hast du dich getäuscht, Marcus! Ich habe mit den beiden gesprochen und sie empfinden beide dasselbe füreinander. Und wenn man bedenkt, daß dies in unseren Kreisen eine Seltenheit darstellt, so kann man die beiden nur beglückwünschen. Doch du siehst darin gleich ein Kapitalverbrechen, wenn er sie küßt. Aber bitte, halte die beiden voneinander fern, verheirate deine Nichte mit einem alten Tattergreis, der ständig betrunken ist oder nach der Hochzeitsnacht an einen Herzinfarkt stirbt. Stürze sie ins Unglück und du wirst sehen, was du davon hast! Ja, Marcus du bist egoistisch, durch und durch!"
    So, das mußte einfach einmal gesagt werden!

  • Ich starrte Celerina nur an, unfähig, ihrer Schimpftirade Einhalt zu gebieten. Sie musste mir ansehen, dass ich nicht sonderlich erpicht darauf war, ihre Vorwürfe zu hören. Denn selbstverständlich nahm sie diese Angelegenheit auf, um mir selbst vorzuhalten, wie unzuläglich ich mich ihr gegenüber verhielt. Hätte ich sie doch nur nicht gefragt, ob sie dieses Bad mit mir teilen wollte! Ich atmete zunächst einmal tief durch. Um nichts auf der Welt wollte ich mir selbst diesen winzigen, kurzen, flüchtigen Moment der Entspannung vergällen. Celerina wollte provozieren, das war für mich eindeutig, nur was sie damit bezwecken wollte, erschloss sich mir nicht, auch wenn ich nach ihren Worten tatsächlich darüber nachdachte, was sie eigentlich von mir wollte. Es musste ihr doch aufgehen, dass sie auf diese Weise - indem sie mir Vorwürfe machte - ganz sicher nicht das erreichen würde, was sie offenbar erreichen wollte. Gänzlich abgesehen davon, dass ich, solange ich eine andere Wahl hatte, nicht ihrem Vorschlag entsprechen würde.


    So schwieg ich denn zunächst einmal und wandte den Blick ab von Celerina, um ihr nicht mit nicht minder scharfen Worten zu entgegnen. Erst einen Augenblick später sah ich mich in der Lage, auf ihre Worte angemessener zu reagieren, als dies vor dieser Besinnungszeit der Fall gewesen wäre. "Was glaubst du, hätte dein Verwandter Manius Gracchus gesagt, hätte ich mich erdreistet, nicht nur ungefragt in den Garten deiner Familie einzudringen, sondern dich gleichsam geküsst, während du selbst mit kaum bekleidet gewesen wärest als mit einem dünnen Tuch?" fragte ich sie ruhig, doch leicht gepresst. "Was denkst du, wäre passiert, wäre ich nicht rechtzeitig erschienen, um die beiden zu trennen? Und wie, glaubst du, hätte Flavius Gracchus reagiert, hätte man ihm statt einer reumütigen Entschuldigung eine Drohung entgegen geworfen? Ich möchte dich hierbei erinnern, dass er selbst von einem arglosen Besuch nicht begeistert war, nachdem ich mein Interesse an einer Ehe mit dir angemeldet hatte. Also, Celerina, werfe mir keinen Egoismus vor, nur weil ich das schütze, was mir das Teuerste ist." Ich schüttelte während des letzten Satzes langsam den Kopf. Gleichsam überlegte ich, ob ich nicht doch schon aufgeweicht genug war. Liebe, hah!

  • Schon kurz nachdem ich meinen letzten Satz beendet hatte, bedauerte ich bereits einige Passagen meiner Schimpftirade. Schließlich bot dieser Abend seit langem wieder eine Möglichkeit, sich ohne Streit und Kummer zu begegnen. doch genau dieses Thema schien uns erneut auseinanderbringen zu wollen. Natürlich hätte ich jetzt klein bei geben können, sein Denken über Aulus bestätigen und die ganze Sache als unwichtig deklarieren können. Aber das tat ich natürlich nicht. Das wäre ja noch schöner gewesen!
    Nun konterte er mit Gracchus! Was hätte Gracchus damals getan, wenn… Ja, genau wenn! Aber es gab kein wenn! Es hatte nie eines gegeben.
    "Ach, jetzt laß bloß Gracchus aus dem Spiel! Das damals war etwas völlig anderes! Jetzt fange nur nicht auch noch an, Birnen mit Äpfeln zu vergleichen!" Insgeheim mußte ich ihm natürlich zustimmen. Gracchus hätte sicher nichts anderes getan als er. Wahrscheinlich hätte er sich eher erweichen lassen, als es nun mein Mann tat, der einfach nur stur war. Ja, und glücklicherweise hatte er überall seine Augen und Ohren!
    "Was passiert wäre? Für wie dumm hältst du eigentlich deine Prisca und für wie abgebrüht Piso? Was hatte nach deiner Meinung denn noch passieren sollen? Glaubst du, er wäre über sie hergefallen? Piso ist ein anständiger junger Mann. Daß er dir gegenüber so reagiert hat, kann man ihm kaum verdenken, wenn man bedenkt, daß man ihn wie einen Lump vor die Tür gesetzt hat."
    Ich sah ihn noch eine Weile sehr eindringlich an, denn mir war es in dieser Sache sehr ernst. Und wenn er dachte, ich täte dies nur, um ihm eins auszuwischen, dann befand er sich im Irrtum.
    "Bitte entschuldige meine harten Worte von vorhin. Sie waren nicht sehr angemessen, weil sie aus dem Zorn heraus kamen. Aber bitte, ich appelliere an dich, überlege dir das noch einmal. Es geht hier um Priscas Zukunft," sagte ich schließlich, nachdem mich mein Ausdruck etwas gemildert hatte.

  • Ich fiel ihr fast ins Wort, als sie die Angelegenheit mit Gracchus herunterspielte und behauptete, es sei eine vollkommen andere Angelegenheit gewesen, die man mit der vorliegenden nicht vergleichen konnte. "Ja, ich stimme dir zu - die Angelegenheit war vollkommen anders. Ich bin nicht zudringlich geworden", entgegnete ich ihr säuerlich. Das hätte ich niemals gewagt, denn so viel Anstand und Weitsicht besaß ich durchaus, im Gegensatz zu gewissen anderen Männern. Ich empfand meine Ablehnung keineswegs als störrisch oder auch nur ungerechtfertigt, doch so war es nun einmal, wenn es um Prisca ging. Den gewissen Anflug von Irrationalität nahm ich gar nicht wahr, für mich war dies alles schlüssig und logisch.


    "Ich traue einem Mann alles zu, wenn er einer Frau wie Prisca so nahe kommt, wie es in besagter Situation der Fall gewesen ist", schnappte ich zurück und machte eine abrupte Bewegung, die ein einem Plätschern resultierte. Ich bohrte meinen Blick in ihren, bis sie schließlich weg sah und sich entschuldigte. Damit hatte ich nicht gerechnet, sie verblüffte mich damit, und einen Moment lang sah man mir das wohl auch an. Ich seufzte tief und wusste nicht, was ich darüber denken sollte. "Ja", brummte ich nach einer Weile als Entgegnung auf ihre Worte der Vernunft, auch wenn ich insgeheim gar nicht daran dachte. Ich schwieg daraufhin, unklar darüber, was ich noch sagen sollte. Dina fasste diese entstandene Pause als Aufforderung auf, sie näherte sich Celerina und mir. "Verzeiht, domini, aber ihr habt eine Einladung erhalten." Sie reichte Celerina die Wachstafel und wartete dann, während ich selbst meine Frau fragend ansah.

  • Lediglich ein ungehaltenes "Aaaah!" entwich mir. Ich konnte nicht mehr, nein ich wollte nichts mehr dazu sagen. Marcus würde sich kein bißchen ändern. Nicht in hundert Jahren. Die Situation war einfach zu festgefahren. Was sollte ich nun Prisca sagen? Wie sollte ich Aulus noch unter die Augen treten, dem ich so selbstsicher beteuert hatte, ich würde Marcus noch umstimmen können. Er war eben einfach ein unverbesserlicher Dickkopf, der von seiner Meinung, die er sich einmal gebildet hatte, nicht mehr so schnell abrückte.
    Jedoch meine Entschuldigung schien ihn verwirrt zu haben. Wie eindringlich er mich nun ansah und wie dann um einiges später nur ein gebrummtes Ja kam. Von da an schwiegen wir uns nur an. Die Stimmung des Abends, die so verheißungsvoll war, sie war dahin. Aufgelöst wie das Badesalz, welches man zuvor dem Badewasser zugesetzt hatte. In diese Stille trat nun die Sklavin auf den Plan, die vor einer Weile von einem anderen Sklaven eine Wachstafel in Empfang genommen hatte. Nun reichte sie mir diese Tafel mit den Worten, es handele sich hierbei um eine Einladung.
    Herrje, eine Einladung! Als hätten wir keine andere Sorgen! Ich nahm sie entgegen und öffnete sie schließlich unter Marcus fragenden Blicken und begann laut zu lesen.


    Zwecks Ausbau der Beziehungen lädt die gens Flavia, respektive der ehrenwerte Flavius Gracchus, zu einer cena ein: Marcus Aurelius Corvinus, nebst Gattin und zwar am NON SEP DCCCLX A.U.C. (5.9.2010/107 n.Chr.


    "Zwecks Ausbau der Beziehungen lädt die gens Flavia, respektive der ehrenwerte Flavius Gracchus, zu einer cena ein: Marcus Aurelius Corvinus, nebst Gattin und zwar am NON SEP DCCCLX A.U.C."Ich reichte die Tafel wieder der Sklavin und erwiderte Marcus Blick. "Offenbar teilt Manius deine Meinung nicht ganz," gab ich trocken zurück. Selbstverständlich würden wir diese Einladung annehmen, auch wenn Marcus davon wenig begeistert sein durfte. Dies gebot schon die Höflichkeit gegenüber meiner Familie.

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