Es war der Morgen nach Caelyns unglücklichem Einzug in die Casa Quintilia. Sermo war bei Sonnenaufgang aufgestanden und hatte allein gefrühstückt. Jetzt saß er, in seine Toga gewandet und bereit zum Aufbruch gen Tagewerk, im Officium und wartete auf Caelyn, die Diomedes zu ihm herschicken würde wie angewiesen.
Er war noch immer etwas verstimmt, was ihn jedoch nicht von logischem Denken abhielt. Klare Worte würde er haben, die keine Widerrede zulassen würden. Den Mund würde er ihr nicht verbieten, sollte sie Nörgeln wollen - bis zu einem gewissen Grad - doch er hatte nicht vor irgendwelche Änderungen in seinen Plänen vorzunehmen. Sie war seine rechtmäßig erworbene Sklavin und das würde auch noch lange so bleiben. Über alles andere wollte er nicht nachdenken. Sermo hatte genügend Probleme und Hürden zu überwinden, da musste er sich nicht auch noch großartig mit einer widerspenstigen Sklavin herumschlagen. Wieso auch? Wenn sie mehr Ärger als nutzen brachte, würde er sie letzten Endes einfach an ein Lupanar verschachern oder ähnliche profitable Wege finden, sie zu entsorgen. Ein Glück für sie, dass er zumindest davon absah, ihr kurzerhand den Hals umzudrehen, denn dafür war sie ihm eindeutig zu schade. Immerhin war sie ganz hübsch und gewiss auch zu irgendwas nutze, wenn schon ihre Ausdrucksweise nicht immer sonderlich gepflegt war. Verwunderlich eigentlich für eine Sklavin aus aurelischem Hause. Er hätte sich da mehr erwartet.
Letztendlich klopfte Diomedes an und wurde hereinbefohlen, wobei er daraufhin mit einem Nicken gleich wieder entlassen wurde. Caelyn hingegen sollte bleiben. Es gab einiges zu besprechen. Hoffentlich hatte die Mütze Schlaf sie etwas beruhigt und die Zeit zum Nachdenken geholfen, Logik in ihre Hirn zu bringen.
[Officium] Caelyns erster Tag
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Der Alte schob mich vor sich her und ich ließ mich schieben. Die Nacht war furchtbar gewesen. Das sah man mir auch an. Ich hatte mich in den Schlaf geheult und mitten in der Nacht auch noch ´ne Schale kalten Puls verdrückt, der den Rest der Nacht mit mir erzählt hatte, so dass ich das mit dem Schlafen knicken konnte. Erst heute Morgen, kurz bevor es hell wurde, hätte ich wieder schlafen können. Dann kam aber Diomedes und schmiss mich aus dem Bett. Dafür und auch weil er schnarchte, wie ein Holzfäller, hätte ich ihn echt kaltmachen können, wäre ich in besserer Stimmung gewesen.
Das war aber alles nichts gewesen, gegenüber dem, was jetzt noch kommen sollte. Der Grieche ließ mich doch jetzt tatsächlich mit diesem Ekelpaket alleine stehen. Na Klasse!
Nachdem ich ein Türklicken gehört hatte, sah ich verstohlen auf. In meinem Gesicht war nichts mehr übrig von der Aufmüpfigkeit des vorigen Tages. Ich war müde und einfach nur ernüchtert. Eigentlich hätte ich mich ja über mich selbst ärgern können, denn ich hatte mich mal wieder selbst in die Scheiße geritten.
Da saß er jetzt und sagte nix. Und ich? Ich sagte auch nix, was aber auf die Dauer ganz schön blöd war. Irgendwas musste ich doch sagen! Oder er. Aber er sagte nix. Na dann! "Morgen!", brummte ich dann. Ich hätte auch noch Schicke Toga sagen können, wenn man so was denn schick fand. Aber das schenkte ich mir. Denn Speichel lecken fand ich nicht so prickelnd. -
"Morgen," gab Sermo zurück, Caelyn mit einem beinahe mitleidigen Blick einschätzend. Die Kleine sah ja fürchterlich aus. Hatte sie überhaupt ein Auge zu getan letzte Nacht? Nicht, dass Sermo sorgenfrei geschlafen hätte, aber irgendwie musste man ja seine Erholung bekommen. Er jedenfalls war sofort ins Reich der Träume entfleucht, nachdem er sich hingelegt hatte. Nach einem weiteren Augenblick ohne Worte lehnte er sich auf seinem Stuhl etwas zurück, um seinen Nacken zu entspannen, während er seine neue Sklavin ansah, die er bewusst stehen ließ.
"Ich möchte, dass du weißt, dass ich dir nichts Böses will, Caelyn." Ihm war heute nicht danach um den heißen Brei herumzureden. Er hatte Caelyn womöglich schon soweit klein gemacht, dass er Anweisungen und Erwartungen nun vorbringen konnte, ohne sie völlig austicken zu sehen. Einfach mal austesten.
"Dennoch musst du die Realität erkennen." Er sah sie eindringlich an. So platt wie das Gör war, bekam sie hoffentlich gerade genügend klare Gedankengänge zusammen, um zu schnallen was er ihr jetzt sagen würde. "Dein neues Zuhause ist die Casa Quintilia. Ich bin kein Unmensch und Diomedes ist es auch nicht. Du wirst es gut haben hier, besser als dort wo du hin willst. Du wirst nicht auf der Straße leben, bettelnd, stehlend." Er legte Hoffnung in seinen Blick. Hoffnung, dass sie ihre Situation verstand und sich dementsprechend verhielt. Erwachsen und vernünftig verhielt. "Hier hast du gutes Essen, ein Bett und im Winter ist es warm." Das war wahr. Nicht, dass die Aurelier weniger geboten hätten, doch Sermo wusste, dass sie sich dort offensichtlich nicht wohl gefühlt hatte. Sonst wäre sie ja wohl kaum davongelaufen. "Ich biete dir die Chance, neu anzufangen. Und du am Ende winkt womöglich doch die Freiheit." Oder so. Sermo spekulierte natürlich darauf, dass er Caelyn irgendwann so sehr an ihn binden konnte, dass sie ohnehin nicht mehr weg wollte. Bei Diomedes war das nicht einmal mehr notwendig gewesen, der hatte sich schon vorher in sein Schicksal ergeben. Auch er würde einmal seinen verdienten Lohn bekommen. Ewartungsvoll sah er Caelyn an. Würde sie den Blick senken? Würde sie ihr Schicksal akzeptieren? -
Wie hatte ich nur auf einen wie den reinfallen können! Echt, wenn ich gekonnt hätte, ich hätte mir selbst in den Hintern gebissen. Jetzt stand ich erst mal blöd in der Gegend rum, während er saß. Junge Junge, das musste ihm mächtig Spaß machen. Und dann noch das Gesülze, was er vorbrachte. Nee, klar doch, er will mir nichts böses! Nee, wohin denn? Ich seufzte nur leise, auf so ´n Schwachsinn konnte ich auf nüchternen Magen noch nichts sagen. Auf jeden Fall würden jetzt andere Zeiten anbrechen. Und der würde auch nicht so zimperlich mit mir sein, wie Ursus.
Der Realität hatte ich schon am Abend zuvor ins Auge geblickt, schließlich war ich ja nicht ganz verblödet. Auch wenn er das vielleicht von mir dachte. Logisch, wer tauschte schon freiwillig ´ne Klasse Villa in 1a Lage mit so ´ner vergleichsweisen Bruchbude. Naja, Bruchbude war ja auch nicht ganz richtig. Damit tat ich ihm dann doch unrecht. Das hier war ein nettes Häuschen am Stadtrand, in dem alle Sklaven, in Worten zwei, zusammen in einem Raum schlafen mussten. Bei den Aureliern waren wir wenigstens getrennt, was aber hier wegen der Masse sich einfach nicht lohnte. Ob´s mir hier wirklich besser ging, wagte ich mal zu bezweifeln. Na schön, das hier war eindeutig besser, als ein Verschlag in Augustodunum, wo´s nur was zu beißen gab, wenn man´s vorher geklaut hatte.
Der absolute Hammer kam aber noch! Ganz zum Schluss, wie die Pointe in ´nem guten Witz! Am Ende winkt womöglich die Freiheit! Ja, laber du schön weiter, dachte ich mir! Auf so ´ne Scheiße fiel ich nicht mehr rein! Trau nur keinem Römer! Das war der beste Rat, den man jemand geben konnte, der neu in der Stadt war. Das waren alles Lügner und Verbrecher! Allesamt! Und dabei war´s Jacke wie Hose ob sie nun Patrizier oder Plebejer waren.
Wie Sermo mich jetzt anguckte! Meinte er jetzt, ich würde ihm aus lauter Dankbarkeit die Füße küssen, oder was? Nee, das wäre echt das Letzte, was ich machen würde! Wieder sah ich ihn ´ne Weile an, bis ich was sagte. "Na schön! Ich hab ja keine andre Wahl, oder? Aber tu mir einen Gefallen, gib mir keine Versprechen mehr, die du eh nie halten wirst!" Nicht ums verrecken hätte ich jetzt den Blick gesenkt! -
"Du hast nicht den Hauch einer Wahl," stellte Sermo mit zuckersüßer Freundlichkeit fest. Er grinste schief, einem Impuls folgend, den zu unterdrücken er sich die Mühe diesmal nicht einmal machte. "Also gut, dann mal Klartext." Er wurde schlagartig wieder todernst. "Ich werde zurückkehren nach Ostia, meinen Geschäften nachzugehen. Du wirst hier unter Diomedes' Aufsicht bleiben und seine Anweisungen befolgen. Wenn ich höre, dass du dich in irgendeiner Weise daneben benimmst, kriegst du den Arsch voll, ist das klar?" In welcher Art und Weise das stattfinden würde, konnte Caelyn sich gern fantasievoll ausmalen. Er hielt sie für clever genug, es nicht auszuprobieren. "In deiner ersten Woche hier gibt es keinen Ausgang, keinen Besuch. Du wirst die verschiedenen Aufgaben im Haus kennen lernen und dich eng an Diomedes halten. Er wird dir alles erklären, was du wissen musst. Wenn du dich gut machst und Entgegenkommen zeigst, erlaube ich dir gern gewisse Freiheiten. Ausgang an Markttagen, Tempelbesuche, falls daran Interesse besteht oder Ähnliches." Seine Miene verdunkelte sich, als er weitersprach. "Muss ich fürchten, dass du dich gleich wieder aus dem Staub machst, gibt's gar nichts. Aus die Maus. Dunkles Moderloch im Keller. Und dabei hab ich dich dann noch nicht angerührt. Klar soweit?" Er hatte keine Lust, hier weiter Höflichkeiten oder gespielte Freundlichkeit zu verschwenden. Offensichtlich war Caelyn nicht ganz so einfältig wie sie sich zuvor gegeben hatte und so schien Sermo die Politik der Harten Hand doch wesentlich effektiver. Sein Motto hieß nun ganz klar: Noch so'n Spruch, Kieferbruch. Da hellte sich seine Miene abrupt auf und er fügte noch mit einer hämischen Freundlichkeit hinzu: "Keine Sorge, diese Versprechen werde ich gewiss halten, sollte es dazu kommen."
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Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem es mir nur noch egal war, was Sermo zu mir sagte und vor allem,wie er es sagte. Er hatte Spaß daran, so mit mir umzugehen. Und wie er das hatte! Ich blieb einfach ruhig stehen und verzog kein Gesicht . Ein kleiner Trost nur, dass ich ihn einige Zeit nicht sehen musste, wenn er in Ostia war. Solange er nicht auf die Idee kam, mich da mit hin zu schleppen, war mir alles recht.
Seine gewissen Freiheit waren einfach nur lachhaft! Ausgang an Markttagen, na klar, zum Einkaufen! Die Tempel interessierten mich nicht. Wenn ich zu meinen Göttern beten wollte, dann machte ich das wie meine Vorfahren es schon gemacht hatten oder wie ich´s früher auf der Straße gemacht hatte. Zuhause hatten sie eine wie mich auch nicht in ihre dämlichen Tempel gelassen.
Aber eins wusste schon, dass dies sein voller Ernst war und mir nicht nur Angst machen wollte. Wenn ich hier weiter auf stur machte, kam ich hier nie wieder raus. Das schlimmste für mich war, eingesperrt zu sein in irgendeinem Loch. Aber das band ich ihm besser nicht auf die Nase. Bestimmt würde er´s eines Tages auch spitz kriegen.
Was ich von Diomedes halten sollte,wusste ich noch nicht. War er Freund oder Feind, der mich ohne mit der Wimper zu zucken verpfiff?
"Ja.", krächzte ich zu allem. Mir war alles klar. Mir war klar, dass das ein Scheißtag war und dass noch viele folgen würden, besonders dann, wenn Sermo solche tollen Witze auf Lager hatte, über die nur er lachen konnte. -
"Gut," war Sermos ebenso knappe und schlichte Antwort. Caelyn wirkte eingeschüchtert oder zumindest einsichtig genug, um das Gespräch jetzt entweder mit einem bleibenden Eindruck zu beenden, oder es in eine andere Richtung zu lenken. Der Quintilius entschloß sich zu ersterer Variante, weshalb er sich erhob, nachdem er ein zufriedenes Nicken sehen ließ. "Also gut, ich habe dann noch zu tun. Lass dir von Diomedes das Haus zeigen und dich einweisen. Ich werde morgen abreisen." Damit beendete er die Unterredung und bedeutete Caelyn mit einer antreibenden Geste, sich in Richtung Türe in Bewegung zu setzen. Sie würde ihren Herren bis zum nächsten Tag nur noch für einige Momente sehen, war er zur Cena auswärts eingeladen und wollte er doch die Zeit davor mit Händeschütteln und Zukunftsplanung im Hause seines Patrons und einiger Freunde verbringen.
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Sermo, die alte Pestbeule, erhob sich. Am liebsten hätt ich ihm meine Faust in sein dämliches Grinsen gedrückt, aber unter den gegebenen Umständen war das sicher nicht die beste Lösung. Dieser Halunke! Und mit dem hatte ich… pah, ich wollte gar nicht mehr dran denken, was ich mit dem gemacht hatte!
Zum Glück blieb mir sein Anblick an dem Tag bis auf einige kurze Momente erspart. Noch besser war´s, dass er morgen nach Ostia fuhr und hoffentlich lange dort blieb.
Diomedes wartete schon draußen vor der Tür. Er war ganz versessen drauf, mir alles zu zeigen. Ich tat ihm den Gefallen und machte einen auf interessiert. Aber in mir drinnen, tief unten, begann was zu bröckeln.
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