officium MAC | Ein richtungsweisendes Gespräch

  • Es war nicht Narcissas Art, Angelegenheiten aufzuschieben, wenn sie denn einmal eine wohl überlegte Entscheidung getroffen hatte. Nach der langen Nacht, ihrer unruhigen sowohl psychischen als auch physischen Wanderung, die sie zum Altar der Laren geführt hatte, begab sie sich auf unmittelbaren Weg in aller Frühe, ohne zuvor noch einmal mit ihrer Schwester darüber gesprochen zu haben, zu Marcus´ officium. Womöglich war es noch zu früh, um den Hausherrn dort anzutreffen, aber vielleicht vermochte es ja ein weiterer jener merkwürdigen Zufälle, dass er sich an diesem Morgen genötigt gesehen hatte, früher als üblich die Arbeit aufzunehmen. Für sie selbst konnte es keinen Aufschub geben. Die junge Frau hatte das Gefühl gleich handeln zu müssen, bevor sie Zeit bekäme, neue Zweifel erwachsen zu lassen. Ein kurzes Durchatmen, um sich zu sammeln, dann klopfte sie an.





    [SIZE=7]edit: Link eingefügt[/SIZE]

  • Ich war zwar anwesend, arbeitete jedoch nicht. Ich stand grübelnd vor dem Fenster und starrte hinaus. Die ersten Klienten mochten bald hier erscheinen, und ich sollte mich vermutlich bald zum Empfang derselben begeben, verspürte indes keine rechte Lust dazu. Mir drückte es schwer aufs Gemüt, dass Siv nicht mehr in Rom war, ich fand nur schwerlich Interesse an Dingen, die mir sonst viel Freude gemacht hatten, und Pyrrus, mein Schreiber, hatte erst gestern bemerkt, dass ich des Öfteren tief in Grübeleien versank - so tief, dass ich seine Worte schlichtweg nicht erfasste und er sich wiederholen musste. So war es auch jetzt. Ich starrte aus dem Fenster, sah jedoch nicht den Garten, sondern meinen Sohn vor mir und goldenes Haar, ohne etwas um mich herum mitzubekommen.

  • Stille. Narcissa verharrte und lauschte auf ein Geräusch aus dem Inneren. Vielleicht war er ja doch noch nicht auf. Aber so leicht wollte sie sich dieses Mal nicht geschlagen geben. Sie klopfte erneut, war dann aber doch zu ungeduldig, um auf eine Antwort zu warten. Kurzerhand drückte sie die Klinke nach unten und schob den Kopf durch einen schmalen Spalt. Das Zimmer dahinter war nicht leer. Er stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und sah auf den Garten hinaus.
    „Marcus?“, Ihre Stimme klang in dem Schweigen wie ein Eindringling.

  • Die spärlichen Sonnenstrahlen berührten das taufrische Gras draußen im Garten und verursachte goldene Lichtreflexe. Golden... Schimmerndes Haar stand vor meinem inneren Auge, flüssiges Gold, wohlduftend, geschmeidig und weich....als jemand mich beim Namen nannte. Ich blinzelte irritiert und wandte mich halb um, sah über meine Schulter und entdeckte...Flora? Nein, es war Narcissa. Ich wandte mich vollends um, verbannte weitestgehend den sehnsüchtigen, traurigen Zug um meine Mundwinkel und setzte ein vages Lächeln auf. "Narcissa", sagte ich. "Verzeih, ich habe dich gar nicht kommen gehört. Komm nur herein." Ich hob einen Mundwinkel und winkte sie mit einer Geste näher. "Geht es dir gut?"

  • War er müde? Nein, traurig...Doch müde? Narcissa gelang es nicht seinen Gesichtsausdruck, den er mit einem vagen Lächeln zu überspielen suchte, zu erfassen. Im ersten Moment war sie doch versucht sich zurück zu ziehen, aber er rief sie bereits herein und so trat sie mit einem leisen Lächeln auf den Lippen näher, wobei sie die Tür nahezu geräuschlos hinter sich schloss.
    "Ja, danke", erwiderte Narcissa, für einen Moment den Blick nach innen gewandt, nur um festzustellen, dass sie sich in der Tat ausgeglichen, beruhigt, gut fühlte. Jetzt. "Ehrlich gesagt habe ich mehr gehofft als erwartet dich jetzt schon hier anzutreffen. Du bist früh wach..."Sie hielt einen Augenblick inne, als sie in der Mitte seines officiums stehen blieb. "Ich bin wegen den Vestalinnen hier", sagte Narcissa schließlich fest und fasste ihn, ganz und gar nicht scheu oder reserviert wie es normalerweise ihre Art war, ins Auge.

  • Ich nickte mit einem vagen Lächeln auf den Lippen, das jedoch schwand, als sie auf die Tageszeit zu sprechen kam. Meine Augen hatte es ohnehin nicht erreicht. "Ich schlafe derzeit nicht besonders gut", gab ich ihr zur Antwort, und das war die Wahrheit. Den Grund der schlaflosen Nächte musste ich ihr nicht auf die Nase binden.


    Narcissa war im Raume stehen geblieben und bedachte mich mit einem selten vorkommenden, entschlossenen Blick. Sie hatte sich also entschieden, was die Vestalinnen betraf? Ich näherte mich ihr, mit einer vagen Hoffnung, sie möge sich richtig entschieden haben - zumal ihr selbst doch keine Wahl blieb, was wir beide wussten. Eine Hand fand Platz auf ihrer Schulter, meine Miene war fragend und erübrigte wohl jedes dahingehende Wort. Ich sagte dennoch etwas. "Dann hast du dich entschieden?"

  • „Das kommt mir sehr bekannt vor. Vielleicht die Wärme des Sommers...“, erwiderte sie leise lächelnd, wohl wissend, dass das nicht der Grund für ihrer beider Schlaflosigkeit gewesen war und nicht erwartend, dass Marcus ihr gegenüber mehr preisgeben würde.


    Er kam auf sie zu, legte eine Hand auf ihre Schulter und bedachte sie mit einem fragenden, eindringlichen Blick. Narcissa wollte nichts davon wissen, dass sie eigentlich keine andere Wahl hatte, als in die Pläne einzuwilligen. Kurz fragte sie sich, wie er wohl reagieren würde, würde sie ihm nun eröffnen Rom verlassen und in eine andere Provinz gehen zu wollen. Vielleicht die britischen Inseln. Ein unnötiger Hirngespinst.
    „Ich wollte dich darum bitten, mir bei einem Brief an den Kaiser zu helfen. Aber nicht, weil meine Mutter, Orest oder du das wollt“, Sie hielt einen Atemzug inne, um das folgende besonders zu unterstreichen: „sondern weil es meine eigene, persönliche Entscheidung ist, zu versuchen, mich der Priesterschaft anzuschließen.“ Das war der zentrale Punkt, ihre Lösung Eigenständigkeit zu wahren, selbst zu entscheiden und sich nicht durch die Fittiche ihrer Familie gelenkt fühlen. „Hilfst du mir also?“,

  • Es musste bei ihr ebenso wenig die Wärme des Sommers sein wie sie es bei mir war, denn gerade die frühen Morgenstunden waren doch mehr als angenehm. Doch ich erwiderte nichts darauf und ließ die Worte so im Raum stehen, wie Narcissa sie platziert hatte.


    Erwartungsvoll sah ich Narcissa an, als sie weiter sprach. Sie hatte sich also dafür ausgesprochen, es bei den Vestalinnen zu versuchen. Das freute mich, denn jemand, der zu etwas gezwungen wurde, verrichtete seinen Dienst sehr viel schlechter als jemand, der es aus freien Stücken tat. Also nickte ich erfreut und bog sogar ein Lächeln hin. “Das werde ich sehr gerne tun, Narcissa. Und ich freue mich wirklich, dass du zu dieser Entscheidung gekommen bist. Ich bin mir sicher, dass auch Orest und deine Mutter sich darüber freuen.“ Ich nickte ihr zu und nahm meine Hand fort. “Lass uns das nach der salutatio heute machen. Tiberius Durus sollte in jedem Falle auch einen Brief erhalten“, sagte ich. Später würde ich ihr helfen. Doch zuvor würden die Klienten kommen, und als Pyrrus klopfte und eintrat, kündigte er auch sogleich den ersten an. Ich strich Narcissa über die Wange. “Wir sehen uns später“, sagte ich, ehe ich ging, um meine Pflicht gegenüber den Klienten zu erfüllen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!