Es waren nun bereits schon einige Tage vergangen, seit Catiena in Mogontiacum eingetroffen war und eine Unterkunft in der Casa Quintilia gefunden hatte. Die erste Zeit hatte sie fast ausschließlich damit verbracht, sich von den Strapazen der Reise zu erholen, was neben ausgedehnten Bädern auch einen halbtägigen Schlaf bedeutet hatte - der wohl noch länger gedauert hätte, wenn ihre Zofe sie nicht aus den Träumen gerissen und darauf aufmerksam gemacht hätte, das die Herrin des Hauses Calvena zu Tisch bat. Calvena, die Catiena als ihre beste Freundin betrachtete - und die im Grunde auch ihre einzige Freundin war, was die Zuneigung der Octavia zu der etwa gleichaltrigen Frau aber nicht schmälerte - hatte die junge Römerin in Germanien willkommen geheißen und ihr angeboten, Stadt, Land und Leute zu zeigen. Ein Angebot, das Catiena unmöglich ausschlagen konnte, schon, weil sie wirklich neugierig auf diese Welt war, die in Rom als der Usprung der Wildnis und der Barbarei bezeichnet wurde.
So hatten sie sich auf den Weg zum Forum von Mogontiacum gemacht, dem Kern des pulsierenden Lebens, wie es in jeder römischen Stadt der Fall war. Schon der erste Anblick der Marktstände und vor allem der vielen Germanen hatte Catiena in Begeisterung versetzt. Alles sah so ganz anders aus als in Rom. Die vielen Männer mit Bärten und Hosen, das Angebot der Händler, die das Forum umgebenden Gebäude - unzweifelhaft, hier herrschte Rom, doch mehr noch als zuhause verlieh dieser Ort der Überlegenheit der römischen Kultur ihre Eindeutigkeit.
Solch philosophische Gedanken verfolgte Catiena in diesem Moment jedoch nicht. Ihre Augen wanderten in dem dichten Gedränge hin und her, immer auf der Suche nach etwas Neuem. Hinter der Octavia folgte ihre Sklavin Arsinoe, wie meist in ihre gelbe Tunika gehüllt, die nun aber wieder gereinigt war, nachdem sie bei der Ankunft in Germanien beinahe schon die Farbe braun angenommen hatte.
Das Kleidungsstück ihrer Herrin war gleicher Natur, in der gelben Farbe nur deutlich kräftiger und mit einem weißen Saum versehen. Die braunen Haare offen über den Schultern tragend, stolzierte Catiena alle Sinne geöffnet über das Forum, die deutlich weniger begeisterten Augen ihrer Zofe im Rücken und strahlte über das ganze Gesicht. "Bekommt man hier so gut wie alles, was man auch in Rom kaufen kann?"
Dem Ruf der Entdeckung folgend ...
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Catiena hatte einige Zeit gebraucht um sich von der langen Reise zu erholen. Calvena hatte ihr diese Zeit gelassen und erst einmal nur das Haus gezeigt und die Bewohner vorgestellt. Die Octavia sollte selbst entscheiden, wann sie sich Mogontiacum ansehen wollte.
Es war ein besonders schöner Tag im Frühherbst, als Catiena entschied dass sie nun Land und Leute kennen lernen wollte. Für diese war es ein großes Abenteuer, wie ein staunendes Kind lief sie neben ihr her und wusste nicht wo sie zuerst hinsehen sollte. Schmunzelnd beobachtete Calvena ihren Gast. Sie hatte sich recht schnell an den Anblick der bärtigen Germanen in ihren Hosen gewöhnt und grüßte immer wieder mit einem leichten Nicken das ein oder andere bekannte Gesicht.
Sie hatten erst einmal ein Ziel: das Forum mit dem Marktplatz zusammen. „Man lebt hier eigentlich meist von den einheimischen Produkten. Es gibt natürlich auch Fernhändler, aber nicht viele nehmen die Strapazen und Gefahren der langen Reise auf sich. Dafür gibt es hier ein paar Dinge, die du in Rom nicht bekommst. Es gibt ein paar Handwerker die wirklich wunderbare Möbel anbieten!“ erzählte sie ihr und blieb kurz stehen, als eine berittene Patrouille ihren Weg kreuzte. „Wie du siehst, ist man hier auch hoch zu Pferd unterwegs und auch tagsüber dürfen Wagen durch die Straßen fahren. Man muss etwas aufpassen, damit man nicht einfach umgefahren wird. Aber in der Regel haben es nur wenige sehr Eilig.“ Sie hatten den Marktplatz erreicht und blieben erst einmal am Rande stehen, damit Catiena alle Eindrücke in sich aufnehmen konnte. Wie auch in Rom krakelten die Händler um die Wette und versuchten die Aufmerksamkeit der potenziellen Kunden auf sich zu ziehen. Schmuck, Stoffe, Obst, Brot, Werkzeug, Möbel und Gewürze aus dem fernen Orient und viele andere Dinge konnte man erstehen. Auch ein Käfig voller Hühner stapelte sich neben einem Stand. Sie überließ es Catiena zu entscheiden wohin sie nun als Erstes sich hinwenden wollten. -
Die Vorstellung, von dem Huf eines Pferdes getroffen zu werden oder unter den Rädern eines Wagens zu enden erschien Catiena äußerst befremdlich. Natürlich war sie sich dieser Möglichkeit bewusst, am Hofe ihres Vaters war der Umgang mit Tieren und Gefährt keine Seltenheit gewesen, doch war dort auch stets genug Platz und mehr Raum als die Sinne erfassen konnten - anders als dies hier in der Stadt der Fall war, wo man bereits aufpassen musste, das man sich gegenseitig nicht auf die Füße trat.
In Rom hatte die Octavia das Klappern der Räder nur des Nachts vernommen, wenn sie bis spät aufgeblieben war und die Wagen, welche die Stadt mit Allem versorgten, was so viele Menschen benötigten, durch die Straßen und über ihre steinernen Oberflächen rollten. Einmal am hellichten Tag einen solchen Betrieb zu erleben, hatte sie nicht erwartet.
So nickte sie beflissentlich gen ihrer Freundin Calvena und warf auch einen warnenden Blick zu Arsinoe, die aber nicht wirklich aufmerksam erschien, sondern vielmehr der Bewunderung von Germanien nachhing. "Ja, ich werde aufpassen", versicherte sie der Germanica und grinste. "So ein Hufabdruck auf dem Fuße macht sich nicht besonders gut als Zierde am Körper."
Die junge Römerin grinste schelmisch und deutete dann mit der flachen Hand in Richtung eines Standes neben den Käfigen mit den gackernden Hühnern, da eine ältere Frau in wüst aussehender Kleidung eine Vielzahl von Obst und Gemüsesorten feilbot und dabei ihre krächzende Stimme gegen das Gemurmel der Leute ankämpfen ließ. "Lass uns dort anfangen", meinte Catiena schließlich "womöglich kann ich einen neuen Geschmack entdecken. Und nur mit ruhigem Magen vermag man seine Konzentration völlig auf besonders edle Ware zu richten." -
Es war ein reges Treiben und eine bunte Mischung von Römern, Germanen und einigen wenigen exotischen Sklaven aus Nubien, Griechenland, Hispania und anderen Ländern. Diese fielen einem fast sofort ins Auge, weil sie irgendwie fehl am Platz wirkten zwischen den bärtigen Einheimischen und eleganten Römern. In Roma war es ihr gar nicht so sehr aufgefallen, da war der Anblick von dunklen Sklaven ein tagtäglicher Anblick. Sie gehörten einfach ins Stadtbild hinein. Hier wirkten sie Fremd.
„Eine Zierde wäre es wirklich nicht und vermutlich würdest du dann auch eine ganze Zeitlang nur noch humpeln können“, grinste sie und wartete darauf, dass sich Catiena entschieden hatte, wo sie zu erst hin mochte. Die Entscheidung fiel auf den Stand neben den Hühnerkäfigen. „Ich bin sicher, wir finden etwas für dich!“ meinte sie recht zuversichtlich, während sie auf den Stand zu steuerten.
Die Händlerin dahinter war eine kleine alte Frau, deren Kleider verblichen waren. Kaum näherten sie sich dem Stand, schenkte sie ihnen auch bereits so etwas wie ein zahnloses Lächeln. Ihre Stimme ähnelte Sandpapier, als sie die beiden jungen Frauen auf schlechtem Latein ansprach und dabei eine auffordernde Geste machte.„Kommen her! Kommen her! Ich haben beste Gemüsen weit und breit!“
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Eine weitere Römerin befand sich in dem bunten Treiben, wohl behütet von Corax, einem hoch gewachsenen Hünen, der aber so spindeldürr wie ein Grashalm im Wind war, sodass man beinnahe befürchten musste, die nächste Brise mochte ihn erfassen und davon tragen. Cara hätte das freilich wenig ausgemacht. Der Mann war ja nett, wenn auch etwas langsam, aber für Caras Geschmack viel zu anhänglich, klebte er doch an ihren Fersen, als wäre er dort festgewachsen. Schon einmal hatte die Iulia es geschafft ihm zu entkommen – nur um ein paar Augenblicke später wieder von dem loyalen Mann „gefunden“ zu werden.
„Corax! Mensch! Lass mir doch etwas Luft!“, beschwerte sie sich und drückte ihn sanft von sich, als er sich wieder einmal über ihre Schulter beugte, um aufzupassen, als ginge von dem kleinen Tiegel in Caras Händen eine explosive Gefahr aus.
„Verzeih...domina...“, murmelte er, senkte schuldbewusst den Kopf und zog die Schultern hoch. „Aber ich habe Order - “
„Ja, ja...ich weiß dass du Order hast mir auf Schritt und Tritt zu folgen. Aber doch nicht exakt und zur selben Zeit in dieselben Fußstapfen!“, unterbrach sie ihn schnaubend.
„Hmm...“, machte der Mann nur und beobachtete dann argwöhnisch, wie sie den Deckel des Tiegels hob und an der Creme darin schnupperte. Mit einer Geschwindigkeit, die selbst dem achtbeingen Pferd Odins zur Ehre gereicht hätte, stellte die Iulia auf einmal den Gegenstand zurück und verschwand mit einem „He, das ist doch!“, im Strom der Menschen. „domina Iulia!“, rief Corax ihr noch hilflos hinter her, um ihr schließlich mit einem gemurmelten „Nicht schon wieder...“, zu folgen.Cara indessen hatte sich inzwischen einen Weg über die Gasse gebahnt und war in eine zweite Reihe von Verkaufsständen hinüber gehuscht, wo sie bei einem Gemüsestand ein ihr bekanntes Gesicht entdeckt hatte. „Germanica Calvena!“, rief sie und winkte, als sie kurz stehen bleiben musste, um einen Karren mit Kisten vorbei holpern zu lassen, der sich ausgerechnet diesen Moment ausgesucht hatte.
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Catiena musste sich ein Grinsen verkneifen, als sie das Latein der alten Standsinhaberin vernahm. Ihre Belustigung wurde nicht so sehr von der fehlerhaften Grammatik, als vielmehr von ihrem eigenartigen Akzent geschürt. Die Octavia konnte sich nicht erinnern, in Italia je mit einem Germanen gesprochen zu haben und wenn doch, so musste dieser seinen heimatlichen Dialekt gut verborgen haben. Bemüht um eine aufrechte Haltung, ließ Catiena ihren Blick über das Angebot wandern und tippte sich mit dem linken Zeigefinger wie nachdenklich gegen das Kinn, während sie den Kopf hin und her wog - insgesamt den Eindruck erweckend, als ginge es hier nicht um Gemüse, sondern um die Entscheidung ob Krieg oder Frieden.
"Davon bin absolut überzeugt", beteuerte sie der Marktfrau, deren Gesichtszüge eine leichte Verwirrung angesichts des Verhaltens der jungen Römerin zeigten, bevor sie sich wieder ganz der Präsentation ihrer Ware hingab. Mit ihrer knochigen Hand reichte sie Catiena ein Bündel langer, weißer Stäbchen und bewies deren Stabilität und Frische, indem sie sie nur minimal bog, um sie nicht zerbrechen zu lassen. "Spargel, sein sehr frisch und sehr gut! Viel geerntet und günstig heute!", erklärte sie dabei und wedelte mit dem Bündel ein wenig vor der Octavia umher, hielt sie auch Calvena entgegen mit den gleichen Worten.
Mit einer schnellen Handbewegung zupfte Catiena eine der Stangen aus dem von einer Kordel gehaltenen Bündel und musterte sie neugierig. Für einen Augenblick schoss ihr der Gedanke in den Kopf, einfach hinein zu beißen um heraus zu finden, ob es schmeckte, aber das wäre nicht nur unschicklich, sondern auch unhöflich gewesen.
Arsinoe, die noch immer neben ihrer Herrin stand, betrachtete das Gemüse als wäre es Gift, bis ihre Pupillen wieder zur Seite schossen und dem Gang eines kräftigen Nubiers folgten.
"Kann man dies essen?", fragte Catiena ihre Freundin Calvena leise inmitten eines Redeschwalls der Marktfrau und tippte gegen den Spargel in ihrer Hand. "Es sieht sehr gewöh...". Weiter kam die junge Römerin nicht, da in diesem Augenblick ein Ruf die Luft zerschnitt, welcher den Gensnamen der Germanica erschallen ließ. Jedes weitere Wort ging jedoch im Poltern eines Karrens unter, wie auch die Quelle der Stimme dahinter verschwand. -
Catiena schien ihre erste Begegnung mit einer Germanin zu genießen. Vermutlich würden sie an diesem Tage mit vielen Vorurteilen aufräumen. Calvena war schon etwas erschrocken gewesen, mit welchen Vorstellungen die Ocatvia nach Germanien gekommen war. Mit diesem ersten Ausflug hoffte sie ein wenig, Catiena davon zu überzeugen, dass die Germanen zwar eben ein anderes Volk waren, aber bei weitem nicht solche Barbaren, wie es sich in Rom erzählt wurde. Nicht das Catiena sich ausversehen aus Unwissenheit einen furchtbaren Fauxpass erlaubte und am Ende eine wichtige Familie verärgerte.
Ein wenig musste sie Schmunzeln, als Catiena die Waren betrachtete. Es sah aus, als träfe sie eine Entscheidung die ihr Leben verändern würde. Die Alte nahm dies natürlich zum Anlass um ihre Waren direkt unter ihre Nase zu halten und zu beteuern, wie gut und frisch sie war. Ein wenig kritisch betrachtete sie den Spargel. War das nicht eigentlich eine Heilpflanze? So genau wusste sie es nicht. Ihr Blick war ein wenig skeptisch. Eigentlich überließ sie es Elissa sich um die Vorräte zu kümmern. Ebenso wie das Kochen. Denn kochen konnte sie so gut wie gar nicht. Das endete jedes Mal in einer Katastrophe. Auf Catienas Frage hin zuckte sie dann leicht ratlos die Miene. „Keine Ahnung“, gab sie verlegen grinsend zu. Als sie ihren Namen hörte drehte sie den Kopf. Die Stimme kam ihr bekannt vor und kaum war der Wagen an ihnen vorbei gerumpelt, kam der rote Schopf von Iulia Cara zum Vorschein. „Cara, schön dich zu sehen“, winkte sie dieser dann zu. Das Gemüse war vergessen. „Cara, das ist Octavia Catiena, eine Freundin aus Roma. Catiena, das ist Iulia Cara“, stellte sie die Beiden einander vor. Ihr Blick fiel auf den großen, schlanken Sklaven, der eilig hinter Cara her strebte und einen genervten Eindruck machte. „Gehört der da zu dir?“ fragte sie direkt nach. Sie war heute ohne Begleitung unterwegs. Wenn man einmal von Catiena und deren Sklavin absah. -
Kaum war der Karren vorbei gerumpelt, überquerte sie die Gasse und gesellte sich zu den beiden Frauen. „Salve!“, begrüßte Cara lächelnd die Octavia. „Es ist immer schön hier neue Gesichter zu sehen – und auch solche, die ich bereits kenne“, fügte sie schmunzelnd in Calvenas Richtung hinzu. Erst vor einigen Tagen waren sie sich bei einem Ausritt begegnet und hatten den Weg gemeinsam fortgesetzt. Auch da war ihr schon ein Sklave auf den Fersen gewesen, um sie wie ein kleines Kind zu hüten. Corax kam über die Straße. Cara hob den Blick und das Lächeln verschwand augenblicklich aus ihrer Miene. „Ja...der gehört zu mir...Das ist Corax“, meinte sie düster. Der Benannte nickte den drei anderen Damen mit einem gemurmelten „Salvete!“ zu. „Er braucht gar nicht so genervt zu sein...Ich hätte eindeutig mehr Grund dazu. Wie ein Wachhund hängt er an mir. Ich weiß gar nicht, warum man mir ständig Sklaven hinterherschickt. Früher war ich auch oft allein in den Straßen Mogontiacums unterwegs – und ich lebe immer noch...“, machte sie ihrem Unmut Luft und schien sich gar nicht daran zu stören, dass sie von dem Betreffenden, der ja neben ihr stand, in der dritten Person sprach. Das Thema ärgerte sie nur, weshalb Cara sogleich einen Wechsel des Gesprächsgegenstandes anstrebte. „Ihr seid an Spargel interessiert?“, erkundigte sie sich freundlich.
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Das Gemüse in ihrer Hand an die Marktfrau zurückreichend, wandte sich Catiena an den Neuankömmling und lächelte entgegenkommend, als Calvena ihr die junge Frau vorstellte und auch ihren Namen nannte. "Salve Cara", erwiderte die Octavia auf die Begrüßung und fuhr sogleich fort. "Es ist mir eine Freude, Deine Bekanntschaft zu machen - besonders hier im fernen Germanien."
Ob Catiena damit die reine Entfernung zum Zentrum römischen Lebens meinte oder etwas anderes, ließ sie in ihren Worten offen, stattdessen betrachtete sie sich die Iulia eingehend, während diese von ihrer Verfolgung durch den schlacksigen Sklaven berichtete. Dieser war bereits wenige Augenblicke später zu der kleinen Gruppe getreten und trug einen Gesichtsausdruck zur Schau, der wenig Begeisterung zeigte, aber doch von Wachsamkeit geprägt war. Catienas Zofe Arsinoe schien ebenso offenkundig neugierig auf die Römerin und ihr Anhängsel, verlor ihr Interesse jedoch schnell wieder und konzentrierte sich einmal mehr auf die Bewunderung der germanischen Bevölkerung.
Catiena war indes von der Haarfarbe Caras derart fasziniert, das sie beinahe vergaß, der Iulia auch in das Gesicht zu sehen. Das stechende Rot mutete der Octavia im Vergleich zu dem für gewöhnlich auftretenden Braun oder Schwarz der Italerinnen wie ein von den Göttern geschenkter Schmuck, um den sie Cara augenblicklich beneidete. Andererseits, so war ihr auch bewusst, vermochte man persönlich einen anderen Blickwinkel auf etwas zu haben, was man zeitlebens mit sich trug. Insgesamt erweckte die junge Dame einen sehr aufgeweckten und irgendwie auch selbstbewussten Eindruck auf sie, was auch von den wachen Augen und scharf gezeichneten Gesichtszügen unterstrichen wurde. Cara war Catiena sofort symphatisch, aber sie spürte instinktiv, dass diese Römerin so ganz anders war als sie, besonders im Auftritt in Gesellschaft.
"Nicht direkt, ich war neugierig, was man hierzulande auf dem Markt anbietet und der Gemüsestand war das erste Ziel. Vielleicht lenkte der Lärm der Hühner meine Sinne hierher." Schmunzelnd deutete Catiena auf die Käfige mit dem gackernden Federvieh. -
Es tat immer wieder gut ein bekanntes Gesicht zu treffen. Besonders wenn man in der Ferne war und jemanden dann zum reden hatte. Es war Zufall, dass Cara zur selben Zeit wie sie selbst in Mogontiacum war, und nun war auch noch Catiena zu Besuch, was sie besonders freute. Ein kurzes Schmunzeln zeigte sich auf ihren Zügen, als Cara ziemlich ungehalten ihren Begleiter vorstellte. Der Sklave war so Dürr wie ein Grashalm, gut zwei Köpfe größer und recht wachsam. Nur war Cara ihm wohl entwischt. Sie selbst hatte Elissa und Simplex zu haus gelassen, was sollte ihr hier auch passieren. Eine wirkliche Gefahr drohte hier nicht, außerdem hatten die Beiden genug im Haushalt zu tun, als dass sie einen von Beiden ständig zu ihren Spaziergängen mitnahm. Wobei Elissa in letzter Zeit wie eine Glucke um sie herum wirbelte und ihr immer wieder versuchte selbst die leichtesten Tätigkeiten abzunehmen, mit der Begründung, sie sei ja schwanger und sollte sich nicht übernehmen. „Mogontiacum ist nicht so gefährlich wie Roma. Ich lass Elissa und Simplex meist zu Haus. Aber anscheinend ist Corax langweilig. Lass ihn doch den Stall ausmisten“, schlug sie scherzend vor. Catiena beantwortete dann erst einmal die Frage zu dem Spargel. „Catiena ist zum ersten Mal in Germanien und ich dachte mir hier auf dem Markt lernt sie am schnellsten Land und Leute kennen“, erzählte sie dann.
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Mit einer grazilen Bewegung reichte die Octavia den Gemüsestängel an die Marktfrau zurück, die mit einem „Kaufen?! Gute Qualität!“ noch einmal ihr Glück versuchte, dann aber irgendetwas unverständliches murmelnd aufgab. Vermutlich hätte sie der jungen Frau ohnehin einen solch überteuerten Preis gemacht, dass es sich nicht wirklich lohnte, den Spargel zu kaufen. Die meisten Germanen verhielten sich ruhig gegenüber Römern, viele waren auch neugierig und interessiert, es gab aber auch zahlreiche unter ihnen, welche die römische Oberherrschaft über dieses Land nur zähneknirschend hinnahmen. Diese Abneigung zeigte sich dann darin, dass die Kaufleute versuchten an den Ständen und in der taberna Römer wie Festtagsgänse auszunehmen. Cara fand es immer rech amüsant, wenn sich Händler ihr gegenüber aufplusterten, um ihre Ware zu überteuerten Preisen zu bewerben. Sie war Römerin durch und durch. Aber als Kind dieser Stadt, das hier zwischen der germanischen Kultur und vor allem der Sprache aufgewachsen war, balancierte sie gleichzeitig auch immer auf einem dünnen Seil.
Manchmal kam es aber auch vor, dass man sie aufgrund ihrer auffälligen – unrömischen – Haarfarbe auch für eine Gallierin hielt, was sie dann doch eher störte. Wer wollte schon als Barbarin gelten, wenn er es sich nicht explizit vorgenommen hatte? Die Iulia folgte dem Deut Catienas auf das Federvieh, das seine langen dürren Hälse durch Holzstäbe hindurchstreckte. „Womöglich wittern sie schon den Kochtopf“, meinte Cara vergnügt. Immer wenn sie auf dem Markt ein bekanntes Gesicht entdeckte, beflügelte sie das förmlich. „Richtig gefährlich ist es nicht. Aber auch hier hat es Diebe und Halunken und manchmal zeigen sie sich in Gestalt eines Händlers, der seiner römischen Kundschaft das Geld aus der Tasche zieht, weil er annimmt man kenne als Ausländer die hiesigen Preise nicht...Aber da kann einem ein Sklave auch nicht sehr viel helfen. Es sei denn man überlässt es einem germanischen Sklaven einzukaufen – aber dann würden wir ja gar nicht mehr vor die Tür kommen“, Ein feines, humorloses Schmunzeln kräuselte Corax´ Lippen. Denn auch mit Cara war er dazu auserkoren die Einkäufe zu schleppen. Mit ihr war es sogar noch viel anstrengender, denn er musste auf den roten Wildfang aufpassen und das war zuweilen so, als würde man einen Sack Flöhe hüten. Von einem auf den nächsten Wimpernschlag konnte die Iulia verschwinden – nur weil sie irgendetwas gesehen hatte, dass ihre Neugierde anzog. Dann lieber doch Stall ausmisten. Das Stichwort Stall erinnerte Cara wiederum daran, dass sie, nachdem sie sich laut aufgrund der Missstände im Stall beschwert hatte, ja noch immer einen Pfleger für ihr Pferd suchte. „Das ist gar keine so schlechte Idee...“, meinte sie und betrachtete den großen Hünen aufmerksam. Seine Hände waren groß, kräftig, wirkten regelrecht klobig im Vergleich zu den Armen deren Verlängerung sie darstellten, aber sie waren auch sanft, wie sie wusste. Schon das eine oder andere Mal hatte sie den Mann dabei beobachtet, wie er mit den Kätzchen, die sich die Sklavenschaft zugelegt hatte, umging.Calvenas Erklärung riss sie aus ihren Überlegungen.
„Das erste Mal?“, Ihre Augen wurden groß und neugierig. „Hast du den Kulturschock denn schon verwunden?“ Ein verschmitztes Lächeln glitt auf ihre Züge, dass sich bis in ihre Augen ausbreitete. Germanien war anders, eigentümlich, urig. Man kannte hier keine Aquädukte, Wasser wurde aus Brunnen geschöpft. „Dann ist der Markt in der Tat eine sehr gute Wahl, um anzufangen. Hier schlägt der Puls....“, konstatierte sie Calvena. -
Nachdem Catiena sich dem Gemüse hatte entledigen können, wandt sie sich vollends der Unterhaltung mit den beiden Frauen zu. Aufmerksam beobachtete sie dabei Cara, besonders die kleinen Gestiken und Mimiken zwischen ihr und dem hühnenhaften Sklaven - und im Stillen zählte sie die Sekunden zwischen den Wörtern und Sätzen der Iulia. Wie rasch ein Mensch sprach, konnte viel über ihn verraten, wie sie von sich selbst wusste, da sie mitunter, einmal in einen Redeschwall verfallen, weder Punkt noch Kommata kannte.
Ein Grinsen überzog das Gesicht der Octavia ob der Vorstellung, dass die sich weiterhin lautstark bemerkbar machenden Hühner deshalb ihr Geschrei gen Himmel schickten, da sie ihr Schicksal erahnten. Andererseits ... die Ahnung, wie es ein solches Schicksal sein musste, verlieh ihr eine schaudernde Gänsehaut im Nacken, die sie soglich verdrängt, indem sie sich der Frage Caras widmete. Für einen Moment sah Catiena die Iulia noch verwirrt an, was sie damit meinte, es sei eine gute Idee, doch dann schloss sie für sich, sie würde sicherlich den von Calvena genannten Gang zum Markt meinen und antwortete nickend: "Ja, Calvena hat wie stets die besten Ideen, mir hier auf dem Forum eine Möglichkeit aufzuzeigen, die Germanen und ihre Kultur mit eigenen Augen zu erblicken." Sie schmunzelte und sah sich demonstrativ um, dabei auch ihre Zofe ins Auge nehmend, die weiterhin ihr ganzes Interesse auf die Umgebung legte. "Einen Kulturschock kann man es womöglich nicht nennen, aber ich war doch erstaunt, wie wenig die Leute hier dem entsprechen, was man sich in Italia erzählt. Die Landschaft und Wälder scheinen wirklich so, wie man sich berichtet in der Heimat, aber die wilden Krieger von der Größe eines Riesen und mehr Haar am Körper denn ein Wolf, die misse ich noch. Vielleicht findet man sie aber auch nur jenseits der Legionen viel weiter im Norden, denn wer würde nicht das Gladius eines römischen Soldaten fürchten?"
Die Octavia nahm eine kurze Atempause, bevor sie wieder ansetzte: "Dennoch warnte mich Calvena bereits davor, den Gebräuchen der Einheimischen allzu nahe zu kommen." -
„Man muss nur Aufmerksam sein, denn Diebe und Halunken gibt es überall“, meinte sie nachdenklich. Valerian wäre es wohl lieber, wenn sie eben nicht allein in der Stadt unterwegs war. Aber sie hatte auch nicht ständig Lust darauf wie ein kleines Mädchen behütet zu werden. Cara war eindeutig von ihrem ständigen Begleiter genervt. Und Elissa benahm sich wie eine aufgeregte Glucke, seit dem Calvena schwanger war. Sie war ganz froh einmal den wachsamen Blicken zu entkommen, die scheinbar immer auf ihr ruhten. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Valerian Elissa angestiftet hatte, oder aber Elissa hatte es sich nun zur Aufgabe gemacht sie genau im Auge zu behalten. Böse war sie der Keltin deshalb nicht, es war nur reichlich störend plötzlich wie ein rohes Ei behandelt zu werden. Catiena wusste noch nicht, dass ihre Gastgeberin in anderen Umständen war. Sie würde es bei Zeiten allen einmal verkünden müssen. Aber bis dahin genoss sie dieses kleine süße Geheimnis.
Der Vorschlag den ständigen Begleiter von Cara einfach in den Stall zu stecken, schien bei der Iulia anklang zu finden. Einfach eine andere Aufgabe geben und schon war diese befreit. Die Frage war nur, wer ihr denn diesen Schatten angeheftet hatte. Womöglich der Decimer? Dann würde es wohl nicht lange dauern, bis der nächste Sklave Cara überall hin begleiten würde. Immer noch wunderte sie sich darüber, dass die Iulia gast des Legaten war und nicht bei Verwandten wohnte, derer es sicherlich einige auch hier in Mogontiacum gab. Ob Iulius Centho ganz bestimmte Absichten hegte? Durchaus möglich… fast jeder Politiker war darauf aus, seine Macht auszubauen und eine Verbindung zwischen den Iuliern und Decimern war sicherlich günstig.
Da wurde ihr doch glatt bewusst, wie glücklich sie sich schätzen konnte. Sie hatte aus Liebe heiraten dürfen und nicht aus irgendwelchen politischen Gründen.Ein Schmunzeln zeigte sich auf ihren Zügen, als Catiena zugab, dass sie mit fast völlig falschen Vorstellungen nach Germanien gekommen war. „Selten entsprechen Gerüchten der Wahrheit und bevor du in ein Fettnäpfchen springst, dachte ich mir, ich zeig dir ein wenig die Stadt und bringe dich den Germanen ein wenig näher.“
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Unzählige Male hatte ich mich schon durch das Menschengewühl des Marktes gewrengelt und dabei hatte ich bald die Hypothese aufgestellt, dass Frauen immer ausgerechnet an der engsten Stelle stehen bleiben, wenn sie in ihren Taschen zu nesteln, um einen Kamm oder eine Münze zu suchen oder wenn sie mit anderen Frauen den neuesten Klatsch austauschen.
Heute war meine Hypothese schon sieben Mal glänzend bestätigt worden und ich hatte erst die Hälfte der Strecke über den Markt geschafft. Da stand ich schon wieder vor einem solchen klumpenden Hindernis, das sich in dem ausgesucht allerengsten Durchlass zwischen den Marktständen angesiedelt hatte. Eine Dreiergruppe mit einer Rothaarigen, umkreist von zwei Sklaven. Wut stieg in mir auf, aber meine innere Stimme mahnte mich: 'Sei höflich, Valgiso!' Ich gehorchte.
Ich schluckte meine Wut hinunter und setzte mein freundlichstes Gesicht auf: "Ich bitte um Verzeihung, meine Damen, wenn ich störe, aber der der Dank der Götter möge euch gewiss sein, wenn ihr mir gestattet, hier vorbei zu gehen".
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Die Germanen waren in der Tat meistens von hoch gewachsener Statur und trugen auch gern Bärte – im Vergleich zu den Römern. Die wenigsten römischen Männer, zumindest jene, die auf sich etwas hielten, pflegten sich regelmäßig zu rasieren und die meisten Soldaten trugen die Haare eher kurz. Das war in Teilen Germanias ganz anders. Wobei man auch hier Abstriche tätigen musste. Mogontiacum war kein Niemandsland. Römische Kultur hatte hier Einzug gehalten. Dennoch hielten sich bestimmte Vorurteile hartnäckig. Was auch logisch war. Der Durchschnittsrömer, insofern er in Roma geboren worden war, kam selten nach Germanien. Die Reise war lang und man überlegte sich lieber dreimal ob man wirklich dorthin reisen wollte oder nicht. Dass was die meisten also über die ferne Provinz wussten entstammte einem Buch oder der Erzählung von anderen. Und die meisten Geschichtenerzähler besaßen einen gewissen Hang zur Übertreibung.
„Ich glaube, es wäre mir auch nicht anders ergangen“, antwortete die junge Iulia, „Wenn ich nicht hier geboren und aufgewachsen wäre. Das was man hört oder liest stimmt ja dann meistens doch nicht mit der Wirklichkeit überein. Die Germanen, denen du in Mogontiacum begegnest, haben schon viel von der römischen Zivilisation übernommen. Das hören sie natürlich nicht gerne…“, Corax Gesicht verharrte regungslos. „… Die Stämme weiter im Norden sind freilich von einem anderen Schlag…“ Eine Stimme drang von hinten in ihre Unterhaltung ein. Unwillkürlich wandten sich die drei Frauen dem Fremden zu. Ein wenig abgekämpft sah er aus, hatte er sich doch wahrscheinlich durch den halben Markt gekämpft. Ein Lächeln des Mitleids kräuselte Caras Lippen. Sie kam freilich nicht auf den Gedanken, dass der Mann sie drei lediglich als ein weiteres Hindernis auf seinem Weg betrachtete. „Natürlich…“, erwiderte sie daher freundlich und trat einen Schritt beiseite.
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Für Catiena war es schwer vorstellbar, dass die Berichte der römischen Schreiber über das wüste Wesen der Germanen vielleicht doch gar nicht so der Wahrheit entsprechend sein konnten, schließlich waren es oftmals Erlebnisberichte stolzer Legionäre. Der Gedankengang, dass diese zum eigenen Vorteil die Fähigkeiten des Gegners ein wenig übertrieben dargestellt hatten, war der jungen Octavia völlig fremd, die stets von einem profunden Wahrheitsgehalt der römischen Texte ausging - zumindest solange sie nicht der Hand eines Tyrannen entsprangen. Alles andere würde schließlich der Überlegenheit ihrer Kultur gegenüber jener der Barbaren widersprechen. Das man in Rom also Furcht vor den wilden Wesen dieser nordischen Lande hatte war nur natürlich, dass sie indes den eigenen Truppen gewachsen sein könnten, ganz und gar nicht. So war die Ordnung der Dinge, die Catienas Weltbild prägten. Und Mogontiacum konnte daran bisher wenig ändern, wenn sie auch einsah, dass sowohl Calvena als auch die Iulia Recht darin hatten, dass die Zivilisation hier spürbaren Einzug gehalten hatte. Ihre Zivilisation ...
Eine rauhe Stimme, eindeutig an die drei Römerinnen gerichtet, durchschnitt eine mögliche Erwiderung und zog Catienas Aufmerksamkeit auf einen gedrungen wirkenden Mann, dessen runde Gesichtszüge von einem buschigen Schnauzer durchzogen waren. Er wirkte genau wie jene Art von Mensch, die wahrzunehmen ein Römer nicht gewohnt war, insbesondere in der Unterhaltung. Umso verwirrter musterte die Octavia ihn und fragte sich im Stillen, wieso er nicht einfach um sie herum gegangen war, wenn er das Forum zu überqueren gedachte. Für Römer war auf dieser Welt stets Platz, alle anderen hatten sich ihren Weg zu suchen - das klang einleuchtend.
Doch im Affekt von Caras "Natürlich", trat auch Catiena einen Schritte zur Seite, um eine Lücke in ihrem Kreis zu schaffen, die der Fremde durchqueren konnte. Gallier? Germane? Sie wusste es nicht. "Ein wichtiger Gang?", schoss ihr als einzige Erwiderung aus dem Mund, mehr eine rhetorische Frage denn ernst gemeint. -
Auch wenn Catiena ein wenig weltfremd war, so war sie doch sympathisch und eine Freundin. Die Eindrücke die sie über Germanien sammeln würde, würden sie sicherlich prägen. Bis dahin sollte sie erst einmal ihre Erfahrungen machen. Die Octavia war ja nun auch nicht gänzlich allein in diesem für sie noch fremden Land, Calvena würde ihr versuchen Land und Leute näher zu bringen und auch Cara schien gewillt zu sein, Catiena ein wenig den Blick zu öffnen. Germanien war nun einmal anders wie Roma, die Menschen waren ein bisschen rauer, aber herzlich. Nicht alle waren freundlich zu den römischen Eroberern, es gab unter der Oberfläche natürlich jede Menge Unzufriedenheit. Brodelnder Hass, Verachtung, Unmut und andere finstere Gefühle. Und dennoch hatte man sich angepasst. Die Römer an die Germanen und die Germanen an die Römer.
Wen man von Dämonen sprach, tauchten sie meist auf. Diesmal in Form eines gedrungenen Mannes mit Schnurbart. Er unterbrach ihr Gespräch und fragte freundlich, ob sie ihm den Weg frei geben würden. Etwas verdutzt sah sie sich kurz um. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie ein hinderniss darstellten. „Oh, Verzeihung! Natürlich!“ meinte sie mit einem höflichem Lächeln und trat dann ebenso wie Catiena und Cara bei Seite. Ein wenig verwundert sah sie Catiena an, als diese ein klein wenig bissig nachfragte, wohin er denn so eilig unterwegs war. Diese forsche Art kannte sie von der Octavia nicht und es erstaunte sie. Fragen sah sie Catiena an. -
Nun hatte ich also die drei aus dem kleinen knuddligen Kosmos ihres Gesprächs gerissen und sie in die schnöde irdische Wirklichkeit des germanischen Oktobers geworfen. Es schienen Römerinnen zu sein, obwohl ich mich bei der Rothaarigen fragte, ob sie nicht vielleicht doch Germanin oder Gallierin war. Ich war schon drauf und dran, sie auf germanisch anzusprechen. Aber bei dem mogontinischen Durcheinander hier war es vielleicht doch besser, beim Latein zu bleiben.
Sie machten freundlich Platz, entschuldigten sich gar. Nur die Brünette mit dem schmalen Gesicht fragte etwas spitz, ob ich in einer wichtigen Angelegenheit unterwegs sei.
Obwohl es saumäßig gefährlich ist, auf spitze Fragen von Frauen zu antworten, sagte ich: "Das sind die Zeitläufte! Im römischen Reich ist alles wichtig. Wichtig, wichtig, wichtig! Anders als bei meinen barbarischen Vorfahren, da hatte man noch die Zeit, abzuwägen, ob etwas wichtig ist oder nicht".
Ich durchquerte den Knubbel, der sich etwas auseinander gezogen hatte. "Benigne. Danke meine Damen, es geht schon".
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Der Kerl hatte die drei Frauen ganz und gar aus ihrer eigenen kleinen Welt gerissen, die sie sich inmitten dieses Marktes erobert hatten. Hier zwischen Hühnern und Zwiebeln. Cara musterte den Mann, als er der Octavia Antwort gab. Die Antwort fiel reichlich unspezifisch aus und man hätte sie ihm durchaus als eine Kritik auslegen können. „Vorher war alles besser“. Dieses „vorher“ war so lange her, dass zumindest sie es nicht erlebt hatte. Da ihr die germanische Mentalität zuweilen aber noch als sehr durch die Gemütlichkeit geprägt schien, erschien ihr die Klage eher ungerechtfertigt. Nichtsdestotrotz überging die Iulia die Äußerung des Mannes mit einem leisen Schulterzucken. Sie wollte keinen Staatsakt hochstilisieren, wo es keinen gab. Außerdem hatte sie viel Besseres zu tun, als sich hier und jetzt aufzuregen. Das wäre wohl anders gewesen, hätte er sie als Germanin oder Gallierin angesprochen. Da kannte Caras Stolz und Temperament kein Erbarmen.
Dann war er auch schon vorbei und Cara wollte sich schon wieder ihren beiden Gefährten zuwenden, als ihr Blick auf eine Schrifttafel zu ihren Füßen fiel. „Oh – die hat er wohl verloren“, Sie bückte sich, um den Gegenstand vom Boden aufzusammeln und hielt nach dem Mann Ausschau. -
Ich war schon wieder in Trab verfallen, weil ich jetzt endlich freiere Bahn hatte, da meinte ich gehört zu haben, dass etwas zu Boden geklappert war. Ich hatte vorhin auf der anderen Seite des Markts sieben Wachstäfelchen gekauft, gerade soviele, wie man mit der Hand eben noch umfassen konnte. Ich hielt an und schaute nach. Tatsächlich, da hatte sich eine herausgewrengelt - und selbstverständlich ausgerechnet die, auf der ich mir gleich einige Notizen gemacht hatte.
Ich drehte mich um. Zwischen mich und das Damenkränzchen hatte sich aber schon ein Haufen Volks geschoben. Doch die Götter waren so freundlich, mir einen kurzen Blick auf den Rotschopf zu gewähren, so dass ich abschätzen konnte, in welcher Richtung ich zu suchen hatte.
Während ich suchte, hoffte ich inständig, dass nicht irgend ein treverischer Eselstreiber inzwischen über meine tabula getrampelt war. Und so erschien ich - mit gesenktem Blick, wie alle Suchenden - wieder im Kreis der Damen, der sich noch nicht ganz geschlossen hatte.
"Ich bitte vielmals um Verzeihung, dass ich schon wieder zur Last falle. Aber ich habe eben eine tabula verloren. Hat jemand von euch ..."
Da sah ich, dass die Rothaarige sie in der Hand hielt. Hatte sie schon reingeschaut?
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