Dem Ruf der Entdeckung folgend ...

  • Catiena spürte den Blick ihrer Freundin auf sich ruhen und sah zu Calvena. Für einen Moment hob sie die Schultern, wie um zu einer Erwiderung Luft zu holen, dann jedoch ließ sie sie wieder fallen und atmete flach aus, lächelte lediglich beschwichtigend. Bei ihr war schlicht die römische Arroganz durchgebrochen - natürlich sah sie dies ein wenig anders, betrachtete sich Catiena jedem Römer gegenüber oft als ein wenig unterlegen, so sah sie auf andere Völker ganz der Erziehung von zuhause folgend von oben herab. Die Antwort des Germanen ließ sie daher umso mehr die Stirn runzeln, doch sowohl die entgegenkommenden Reaktionen von Calvena, als auch jene von Cara rieten ihr, sich zu keiner weiteren Bemerkung hinreißen zu lassen, sondern die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen.
    Stattdessen stellte sie sich vor ihrem geistigen Auge vor, der Barbar sei ein Römer, mit rasiertem Antlitz und gekleidet in eine Toga. In gewisser Weise, fand sie, ein sehr diplomatisches Vorgehen. Sie schenkte Calvena ein entschuldigendes Lächeln und beugte sich zu ihr hinüber, um leise zu flüstern: "Ich rede manchmal schneller als ich denke, Verzeihung."
    Sie würde diese Entschuldigung natürlich nicht gegenüber einem Germanen aussprechen, schon gar nicht, nachdem sie dessen unterschwellige Kritik an der römischen Genauigkeit vernommen hatte. Das eben diese der Grund war, das heute ein Imperium ausgehend von Italia herrschte und nicht ein Germanisches Reich, schien ihm nicht einzuleuchten.
    Catienas Aufmerksamkeit wurde wieder abgelenkt, als sich Cara nach etwas bückte, das auf dem Boden gelegen hatte und offenbar von dem bärtigen Mann verloren worden war, der sich bereits einige Schritte entfernt hatte. "Eine Nachricht?", fragte sie neugierig, aber auch mit wesentlich zurückhaltenderer Stimme als zuvor, in der Hoffnung, etwas Interessantes zu erfahren, bevor der Fund zurück an den Besitzer ging, der sich nach selbigem bereits erkundigte.

  • Trotz Catienas spitzer Frage, blieb der Germane freundlich, wobei seine Antwort aber ein bisschen überzogen war. Calvena zeigte ein amüsiertes Grinsen. Nach den Worten des Mannes zu urteilen gehörte er wohl zu den Beamten dieser Stadt. „Vale!“ verabschiedete sie den Fremden dann. „Wo waren wir stehen geblieben?“ fragte sie in die Runde und zwinkerte Catiena zu. Sie war ihr nicht Böse, für die Octavia war Mogontiacum eine völlig fremde Welt und der Drahtseilakt zwischen den Kulturen eben nicht gerade einfach. Besonders wenn man mit der römische Arroganz und Überlegenheit aufgewachsen war. In dieser Hinsicht hatte Calvena ihr einiges an Erfahrungen und auch Erlebnissen voraus. Da sie eben nicht den strengen Moralvorstellungen aufgewachsen war. Dafür fiel es ihr schwer die nötige strenge gegenüber Sklaven zu zeigen. Für sie gehörten Elissa und Simplex zur Familie, sie waren Freunde und Vertraute, keine Gegenstände, was nicht immer Verständnis sorgte. Aber so war sie nun einmal, sie passte scheinbar so gar nicht in die Schublade einer typischen Römerin, auch wenn sie vielleicht so wirken mochte.
    Calvena war ebenso neugierig wie Catiena, als Cara eine Tabula aufhob. Sie drehte sich um und versuchte den Germanen in dem Gewimmel aus Menschen zu entdecken, doch er war scheinbar von den Massen verschluckt worden. „Wir sollten die Tabula in die Curie bringen. Es sah so aus, als sei er dahin unterwegs“, schlug sie vor. Just in diesem Augenblick tauchte er vor ihnen wieder auf und entschuldigte sich mit salbungsvollen Worten, weil er sie erneut störte. „Es scheint fast, als wolle das Schicksal, das wir einander näher kennen lernen“, schmunzelte sie scherzend.

  • Zitat

    Es scheint fast, als wolle das Schicksal, das wir einander näher kennen lernen


    Ich schaute die Sprecherin mit einem nicht ganz so ernst gemeinten Blick an, "Das Schicksal? Nein, meine Ungeschicklichkeit, eine Tabula fallen zu lassen. Aber halt ... , wenn ich euch so betrachte, seid ihr nicht vielleicht doch die drei Schicksalsgöttinen, die wir Nornen nennen? Bei euch heißen sie Parzen. Und die können auch mit einer fallengelassenen Tabula ein bißchen Schicksal spielen". Mein nicht so ernster Blick hatte sich beim Sprechen allmählich zu einem breiten Lächeln erweitert.


    Meine Norne befahl mir stirnrunzelnd, mit der Dampfplauderei sofort aufzuhören. Schließlich wisse sie selbst am besten, wie man Schicksal spielt und da solle ich mich gefälligst heraushalten. Außerdem wäre es an der Zeit, mich den vermeintlichen Parzen vorzustellen. Um sie zu besänftigen, sagte ich kleinlaut zu ihr, 'Ja, danke, wie gut, dass es dich gibt' und verschob mein breites Lächeln in Richtung Normalität.


    "Ich bin manchmal etwas zu weitschweifig und vergesse dabei das Wichtigste, ich bitte, mir das nachzusehen. Also, mein Name ist Valgiso, ich bin der Scriba Provincialis und tabulae sind mein Handwerkszeug".

  • Neugierde war tatsächlich eine von Caras regelmäßig Probleme anhäufenden Schwächen. Nicht nur, dass sie dadurch als Kind zahlreiche Gewänder ruiniert hatte, wenn sie auf Knien irgendwelche Höhlen in der näheren Umgebung erforscht hatte oder kleinere Felsen erklommen hatte, sie, die Neugierde, hatte ihr auch schon einige Ohrfeigen eingehandelt. So hatte die Iulia tatsächlich den schützenden Deckel der tabula aufgeschlagen, um nachzusehen, um was es sich genau handelte. Sie hatte die Zeilen nur oberflächlich überflogen, hörte wie Calvena vorschlug die Tafel bei der Curie abzugeben, als der Mann auch schon wieder ganz plötzlich vor ihnen stand. In aller Ruhe schloss sie die tabula und hielt sie ihm lächelnd entgegen. „Es scheint mir eher so, als habe dich deine Norne vor einem großen Ärgernis bewahrt...“, erwiderte Cara. Dass es ihm überhaupt aufgefallen war, dass er etwas verloren hatte und sie dann auch noch in diesem Wulst aus Menschen wieder gefunden hatte, war eindeutig Glück.
    „Ich hoffe, du siehst mir meine Neugierde nach, Valgiso...“, Sie glaubte nicht daran, dass er ihr wirklich böse sein würde, dass sie einen flüchtigen Blick hinein geworfen hatte. Dennoch war sie bemüht darum, eine leise Entschuldigung anklingen zu lassen, war sie doch um Harmonie bemüht. „Mein Name ist Iulia Cara...“, stellte sie sich daraufhin vor.

  • Zitat

    Ich hoffe, du siehst mir meine Neugierde nach, Valgiso...
    Mein Name ist Iulia Cara...


    So, eine Iulierin. Eine Angehörige einer berühmten Gens. Rothaarig, neugierig. Und schien sich auch ihrer Neugierde gar nicht zu schämen, denn sie hatte die Tabula ganz ohne Hast geschlossen und sie mir dann herüber gereicht. Ich nahm die Tabula und dachte mir: Hübsch frech, erst reinschauen, das Reinschauen nicht verbergen und sich dann treuherzig dafür entschuldigen. Eigentlich ein triftiger Grund, um sich jenseitsmäßig darüber zu empören, aber mir gefiel es.


    "Es freut mich, dich kennen zu lernen und danke, dass du die tabula aufgehoben hast. Und für deine Neugierde brauchst du dich gar nicht entschuldigen. Ohne Neugierde könnten wir Menschen überhaupt nichts zustande bringen. Was wäre, wenn Pythagoras oder Herodot nicht neugierig auf die Welt gewesen wären? Wir müssten heute auf ihre Werke verzichten. Natürlich", ich deutete auf die Tabula und gab mir keine Mühe mein breites Lächeln zu verbergen, "kommt es immer darauf an, worauf man neugierig ist".


    Klar, dass Herodot über meine paar Notizen kein Werk geschrieben hätte.

  • Catiena hob überrascht die Augenbrauen, als der Germane die Namen von Herodot oder Phytagoras in den Mund nahm. Sie hatte nicht erwartet, das ein Barbar derart gebildet sein konnte, Männer solchen Geistes zu kennen. Die Octavia selbst konnte nicht sagen, dass sie viel über die Werke der Griechen wusste, aber in gehobener Gesellschaft hin und wieder Bezug auf einen Philosophen zu nehmen, konnte nur von Vorteil sein. War jener Valgiso, der sich gar als Scriba Provincialis vorstellte, vielleicht doch sehr viel mehr kultivierter, als Catiena es ihm zugetraut hatte?
    Sie zog einen langen Moment die Augen etwas schmaler und sah den Germanen an, musterte ihn auf jene Art und Weise, in welcher man auch ein interessantes Möbelstück ansah, bevor man es kaufte - schlicht, um alle Kanten und Ecken, wie auch die Verarbeitung abzuschätzen. Sie kam zu keinem wirklichen Ergebnis, schon dieser breite Bart machte es ihr schier unmöglich, mehr als einen .. Wilden zu sehen. Schließlich kam ihr eine Idee: Die Römer hatten ihm Schreiben und Lesen beigebracht. Wahrhaft, Rom war großartig.
    Sie lächelte zufrieden ob ihrer Erkenntnis und strich sich über ihre Tunika, die Finger ihrer Hände beiläufig bewegend. "Das Wichtige ist doch, dass das Geschriebene für Iulia kein Problem darstellen wird, da sie einige der Buchstaben erblickt hat."

  • Valgisio, wie sich der Germane den drei Frauen vorstellte, nahm ihren Kommentar mit Humor und verglich die drei Römerinnen mit den Parzen höchst selbst. Jedenfalls war er nicht Böse, dass Cara einen Blick in die Tabula hinein geworfen hatte. „Wir könnten ja versuchen aus der Tabula die Zukunft vorher zu sagen“, schmunzelte sie und hätte nur zu gern gewusst, welche Notizen er sich gemacht hatte. Die Iulia klappte nur gerade die Wachstafel zusammen, so dass sie keinen Blick hinein werfen konnte. Schlimm war es nicht, nur ihre Neugierde war dadurch nicht befriedigt. Obwohl es unhöflich gewesen wäre. „Ich bin Germanica Calvena und dies Octavia Catiena“, übernahm sie dann erst einmal die Vorstellung. Es war angenehm, dass er sich nicht gleich über die berühmt berüchtigte Neugierde der Frauen beschwerte, sondern dieses kleine Laster, sogar gut hieß. Vielleicht lag das aber auch an der Art und Weise, wie Cara zugab, dass sie Neugierig gewesen war. „Welch bewegende Worte hast du denn in der Tabula verewigt?“ fragte sie dann direkt nach.
    Catiena war noch etwas zurück haltend, es war für sie noch ungewohnt, auf die Einheimischen einzugehen.

  • Zitat

    ... Welch bewegende Worte hast du denn in der Tabula verewigt?


    Octavia, Germanica - alles wohlbekannte gentes in Mogontiacum. Und genauso neugierig wie die Iulierin. Aber, nachdem ich mich dazu verstiegen hatte, der Neugierde zum Ruf einer erstrebenswerten Tugend zu verhelfen, konnte ich ja nicht mehr zurück. Bei Epona, diejenige, die sich Calvena nannte streckte nun sogar ihre Hand nach der Tabula aus.


    "Germanica Calvena und Octavia Catiena, ich freue mich, euch ebenfalls kennen zu lernen".


    Ich wandte mich schmunzelnd an Calvena, "Bei uns Germanen erzählt man sich, dass Wodan, unser Gott des Krieges, der Dichtkunst und der Erkenntnis - er ist mit eurem Jupiter vergleichbar - so wissensdurstig war, dass er eines seiner Augen dafür hergegeben hat, um aus der Quelle der Weisheit trinken zu dürfen. Ich kann dir versichern, dass der Inhalt meiner tabula mitnichten ein solches Opfer lohnt. Und bewegend ist es auch nicht oder nur ein bißchen".


    Ich klappte die tabula auf. "Es ist ganz einfach. Ich habe vor, bald ein Gelübde einzulösen, indem ich einen Weihestein setze. Und ich habe mir notiert, dass er aus rötlichem Sandstein sein soll, die Höhe, Breite und Dicke, die Zahl der Buchstaben und Zeilen, sowie den Wortlaut der Inschrift. Ich wollte gerade zu einem Steinmetz, um mir einen Kostenvoranschlag machen zu lassen. Schau es dir an. Und", ich machte ein ernstes Gesicht, "kannst du daraus etwa die Zukunft vorhersagen?"




    LAP ARENAC RUTIL
    CELS XXVIII D
    LAT XVI D
    CRASS VIII D
    LITT LII
    VERSI IV
    INSCR.
    MATRONIS
    ATUFRAFINEHIS
    VALGISO F MASSULAE
    PRO SE ET SUIS VSLM




  • Es war wohl ein Laster der Frauen, die Neugierde. Manchmal war sie wohl auch größer wie der Verstand und verleitete zu Unfug und Narretei.
    Ihre neue Bekanntschaft hätte ihnen auch Böse sein können, dass sie ihre Nasen in Dinge steckten, die sie eigentlich nichts angingen, aber Valgiso brachte sogar so etwas wie Verständnis auf und zeigte sich gern bereit, die Wissbegierde zu befriedigen. Diese Begegnung war durchaus amüsant. Vielleicht würde Catiena nun ihre scheu gegenüber den Einheimischen verlieren und hoffentlich fest stellen, dass sich die Germanen und Römer recht ähnlich waren. Zwar nicht in allen Dingen, aber in vielen.


    Ein Schmunzeln zeigte sich auf ihren Zügen, als er erklärte, dass seine Tabula nicht wirklich ein Quell der Weisheit war, sondern einfach nur die Maße für einen Weihestein. Kurz überflog sie die Worte. „Ich denke die Götter werden erfreut sein, dass du ihnen einen Weihestein widmen willst!“ Diese Vorhersage würde wohl eintreffen. Calvena reichte ihm die Tafel zurück. „Die Götter schätzen es, wenn man sie denkt und ihnen ein Opfer darbringt!“

  • Es ging kein Sturm der Empörung durch die Iulia hindurch, als der Germane seine Götter mit den Göttern der Römer verglich, sie geradezu gleichsetzte. Keine Empörung, denn sie war ja damit aufgewachsen. Wodan, Frija, Donar...und wie sie noch alle hießen; Namen, mit denen sie vertraut war. Es war gewiss nicht im Sinne ihrer Mutter gewesen, dass sie nicht nur mit römischen, sondern auch mit germanischen Kindern durch die Straßen gezogen war, Höhlen entdeckt und Unsinn angestellt hatte. Aber sie hatte es getan, weil es ihr so natürlich und vollkommen unverständlich gewesen war, weshalb man mit den einen Freundschaften hatte schließen können und mit den anderen nicht.
    Doch der römische Gedanke hatte sie noch nicht ganz verlassen und als Valgiso nun die Götter ansprach, regte sich Sorge in ihr, wie die Octavia diese Äußerung wohl aufnehmen würde. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete sie die junge FRau.


    Immerhin verharrte er nicht allzu lange bei dem Vergleich, sondern zog noch einmal seine Tabula hervor, um ihnen seine Notizen zu zeigen. Sie wollte Schicksalsvorraussagungen lieber jenen überlassen, die dafür predestiniert waren, Priestern. "Auf was hast du dein Gelübde geleistet?" Zugegebenermaßen war es eine recht persönliche Frage. Andererseits hatte er ihr ihre Neugierde schon verziehen und hatte sogar im Gegenteil dazu eingewilligt sie zu befriedigen.

  • Zitat

    ... Auf was hast du dein Gelübde geleistet?


    Ich hob meine Augenbrauen, soweit es ging, "Ei, ei, jetzt auch noch das Gelübde. Ihr wollt mich wohl ganz in Einzelteile zerlegen. Nein, die Götter sehen es nicht gerne, wenn man darüber spricht, bevor der Wunsch erfüllt ist, den man mit einem Gelübde verbunden hat. Aber so viel: ich bin vor drei Wintern aufgebrochen, um im Imperium Fuß zu fassen. Ich habe damals meiner Norne, oder wie das hier so ist, den Matronae versprochen, einen Weihestein zu setzen, wenn sie mir dabei helfen. Im Imperium war es dann für mich eine ziemliche Schufterei. Jetzt kommt der Tag näher, an dem ich den Matronae Dank abstatten muss, dass sie ganz leise und freundlich ihre Kräfte in mein Vorhaben gelenkt haben".


    Ich klappte die Wachstafel zu. "Ich muss noch zu dem Steinmetz, bevor er seinen Stand schließt. Valete, ihr Neugierigen".

  • Mit ihrer sehr persönlichen Frage, war wohl Cara dann doch ein wenig zu weit gegangen. Obwohl er ihnen noch antwortete, schien es ihm dennoch unangenehm zu sein, dass er so direkt danach gefragt wurde. Seine Antwort war ehrlich, aber ausweichend, dennoch konnte sie sich nach seinen Andeutungen gut vorstellen, welchen Grund er hatte, seiner Norne, wie er es nannte, mit einem Weihestein zu danken. Er mochte ein Barbar sein, aber er bewies durchaus, dass er die Götter achtete. Da spielte es keine Rolle ob es nun ihre oder seine waren. Es machte ihn in ihren Augen sympathisch. „Ich wünsche Dir, dass die Götter sich über Deinen Weihestein freuen“, meinte Calvena mit einem Lächeln.


    Es machte leise Klack, als Holz auf Holz traf und er die Wachstafel schloss. „Valete Valgiso!“ verabschiedete sie sich dann auch von ihm und schon war er wieder von der Menschenmenge verschluckt. Die Frauen konnten sich wieder ihrem Gespräch widmen, welches er unterbrochen hatte. „Und wie ist dein erster Eindruck von Germanien, Catiena?“

  • Man konnte es nicht wirklich Entsetzen nennen, was Catiena empfang, als Valgiso die römischen Götter auf eine Stufe mit jenen der Germanen setzte. Viel eher war es Befremdung, das ein Gott des Krieges und der Dichtkunst - eine wie sie fand absurde und zugleich ein wenig bezeichnende Kombination - gleich zu setzen sein sollte mit dem Vater aller römischen Götter: Jupiter. Da sie den Worten aber keine Überstellung der germanischen Götter entnehmen konnte, beließ sie es bei einem innerlichen Schulterzucken. Jedes Volk hatte seine eigenen, unsterblichen Wesen. Oft hatte sich Catiena gefragt, ob diese auch einen nicht endenden Kampf um die Vorherrschaft in der anderen Welt führten, so wie die Menschen es taten - eine Antwort hatte sie hierrauf nie erhalten. Nur ihr Vater hatte es einst recht treffend ausgedrückt, indem er sagte: "Ich denke schon, dass sich die Götter miteinander ringen um das größte Ansehen. Das ist nur natürlich. Wer siegreich ist, überträgt diesen Sieg auch auf sein Volk. Also siehst Du Catiena, die Römer gewinnen selbst unter den Göttern. Es ist uns quasi gegeben, auf dem Gipfel der Macht zu stehen. Und darum sollten wir uns auf anderes konzentrieren, als auf die Wahl unserer Götter." Mit anderen Worten hatte er gesagt, dass es unsinnig war, sich wegen seiner Religion zu bekämpfen. Für Boden, Macht und Reichtum machte es Sinn, aber die Kämpfe der Unsterblichen sollte man den Göttern überlassen.
    Die Octavia entschwand ihrer Erinnerung, als sich Valgiso wieder verabschiedete. Verlegen um eine wirkliche Antwort, da sie nur mit halbem Ohr zugehört hatte, nickte sie zustimmend auf Calvenas verabschiedende Worte, nicht aber ohne den Hinweis: "Im Imperium ist jeder seines Schicksals Schmied!" - wenn Geburt und Sesterzen sicher auch zu einem besseren Start verhalfen. "Valete, Valgiso."
    Kaum, da der Germane wieder in der Menge verschwunden war, ließ Catiena ein leises Seufzen verlauten und sah zwischen ihrer Freundin und Cara hin und her. "Es ist zivilisierter und selbstbewusster als ich dachte. Ich hatte angenommen, man würde uns Römer sehr viel mehr.. äh.. fürchten." Sie suchte nach dem richtigen Wort und fand es schließlich: "Wobei nicht fürchten, vielmehr Misstrauen zeigen, was sich wiederrum in Ehrerbietung ausdrückt. Verwirrend, wie normal der Umgang hier gepflegt wird. Als stünde man", sie bewegte ihre Hände ausgestreckt auf und ab, "auf einer Waage."
    Hinter sich konnte Catiena in diesem Moment ein leises Kichern vernehmen. Es klang gleich der Stimme ihrer Zofe Arsinoe, doch als sie diese scharf ansah, blickte das griechische Mädchen bereits in eine andere Richtung mit einem Gesichtsausdruck reinen Ernstes. Vielleicht hatten ihre Ohren sie getäuscht.

  • Noch nie in ihrem Leben hatte Cara einen Menschen gesehen, der die Augenbrauen so weit heben konnte wie dieser Germane. Das war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie sich wohl eine Zehenspitze zu weit über den Tellerrand hinaus gewagt hatte. Valgiso blieb dennoch freundlich, antwortete – und machte sich dann rasch davon, bevor die Iulia auf die Idee kommen konnte noch tiefer zu bohren. Sie sah ihm nach, wie er mit seiner tabula in der Menge verschwand, nachdem auch sie ihm noch wie ihre beiden Gefährten einen schönen Tag gewünscht hatte.
    „Ein netter Mann“, meinte sie, als sich Calvena bereits bei Catiena nach ihren ersten Eindrücken erkundigte. Auch für sie war die Einschätzung der Octavia von einiger Interesse. Ihr Blick auf ihre Heimat war zuweilen etwas verengt, da war es interessant zu erfahren, wie andere die Welt hier erlebten. Sie schmunzelte, als die junge Frau diplomatisch erklärte, dass es sie überraschte, dass Römer und Germane hier sozusagen auf einer Ebene Konversation pflegten. Sie war aber auch an zwei sehr tolerante römische Mitbürger geraten. Nicht alle, und Cara konnte da auf ein herausragendes Beispiel in ihrer eigenen Familie verweisen, begegneten dem germanischen Volk so offen. Ihre Mutter hatte anfangs noch darauf bestanden die Straßenseite zu wechseln, wenn ich ein Germane entgegen gekommen war. Das war aber irgendwann so umständlich geworden, dass die Aquilia sich gefügt hatte. Nach wie vor waren es aber Römer, die ihre Gesellschaft bildeten und keine Einheimischen. Dabei lebte sie nun schon so lange in Mogontiacum.
    „Ich glaube, es wäre ganz schlecht für das Klima in der Stadt und vor allem für die Geschäfte, wenn es anders wäre“, meinte die Iulia. „Man hat sich zum Wohl aller aufeinander eingestellt. Und wie man sieht: Der Markt ist voll“, Sie tat eine Geste mit der Hand, die alles einschloss.

  • Catiena war noch etwas skeptisch, aber es schien, als sei sie nicht abgeneigt, die einheimische Bevölkerung ein wenig näher kennen zu lernen. Noch hatte sie wohl einige Berührungsängste, aber da die Octavia vor hatte länger zu bleiben, würde sie sich sicherlich mit der Mentalität der Menschen anfreunden und viele ihrer Vorurteile abgelegt haben. „Es gibt viele Germanen, welche uns Verachten und die sich wohler fühlen würden, wenn wir uns nicht einmischen würden. Aber nicht alle sehen in uns nur die Eindringlinge, der Handel zwischen den Völkern hat auch den Einheimischen Tür und Tor geöffnet. Es gibt wie immer zwei Seiten der Medaille. Einige begrüßen Veränderung, andere passen sich an und wieder andere sind unzufrieden. Ich glaube, man kann es nie allen recht machen. Außerdem zwingen wir sie ja nicht, an unsere Götter zu glauben. Sie haben ihren eigenen Kult, den sie offen ausleben dürfen. Hier in Mogontiacum hat man sich arrangiert, es ist meistens ein friedliches mit einander. Aber gänzlich lassen sich wohl Konflikte nicht vermeiden!“ Catiena fasste es recht gut zusammen. Es war ein feines Gleichgewicht zwischen den Völkern, ihrem Glauben und ihren Traditionen entstanden. Man musste darauf achtgeben, dass es sich die Waage hielt. Das hieß, Kompromisse eingehen und akzeptieren, dass es Unterschiede und auch Gemeinsamkeiten gab. „Misstrauen gibt es durchaus, das wirst du sicherlich noch selbst erfahren.“ Calvena wollte Catiena nicht beunruhigen, aber auch nicht anlügen. Es war besser, wenn die Ocatvia wusste, was sie erwartete. „Aber die Meisten haben sich arrangiert und sind sehr nett. Meistens sogar wesentlich herzlicher, wie unsereins…“, grinste sie. "Lasst uns doch weiter gehen!" schlug sie dann vor. Sie hatten lang genug im Weg gestanden und Catiena wollte ja noch ein wenig die Stadt erkunden.

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