Seniorentreff am Sklavenmarkt

  • Sklavenmarkt! Obzwar mein Hauptinteresse am heutigen Tage nicht darin bestand, eines Sklaven habhaft zu werden, zog mich dennoch etwas an diese Ortlichkeit – und zwar die bloße Möglichkeit, dass heute hier unter der unglückseligen Sklavenschaft etwas Brauchbares zu finden wäre. Denn nur wer suchet, der findet! Mitnichten war meine Unternehmung aber schon von der ersten Sekunde an von Erfolg gekrönt. Denn der Sklave, den man anbot, als ich herantrat an die Menge, die sich versammelt vor dem Stande, entpuppte sich als eigenartige Mischungsform aus Otter und Nasenbär, offenbar ein Germane aus den wilden Auen, die hinter dem Rhenus dunkel brüteten und dessen Einwohner den braven Grenzbewohnern als Gefahr dräuten.


    So bot ich gar nicht für den Elendiglichen, der für vielleicht einen mickrigen Aureus an einen dumpf einherschauenden Manne ging. Ich schüttelte den Kopf, als der Sklavenhändler den nächsten Sklaven zur Versteigerung brachte. Fast schon konnte man sagen, dies Geschöpf war ein Wunder der Natur. So hässlich, das es ein avantgardistisches Kunstwerk sein konnte! Hier zahlte es sich auch nicht aus, mitzubieten. Denn obschon den Nutzen ich über die Schönheit ohne Schwierigkeit zu stellen geruhte, gab es manche Sachen, die gar nicht gingen. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen wandte ich mich nach rechts, und hielt kurz in meiner Bewegung ein, als ich jene wähnte, die neben mir stand. Eine Dame meines Alters, dennoch für ihr Alter sehr gut aussehend. Sonder Zweifel eine interessante Frau, kam es mir, ich, dessen leichten Bäuchleins ich mich plötzlich unangenehm zu entsinnen begann. Aber ich aß nun einmal gerne. Ja, Maßlosigkeit war ein Laster von mir. Doch etwas berührte der Anblick dieser stolz aussehenden Dame in mir, sodass es mir nicht mehr möglich war, stumm zu verweilen.


    Salve, holde Dame. Sag an: wes ist der Anblick dieses Sklaven da oben am Stande dir persönlich eingedenk? Eines Nilpferdes, so will es mich deuchen, der Leib und das Gesicht sprechen für eine solche Anschauung. Die Sklaven, welche heute am Markte man anfindet, sind auch nicht mehr das, was sie einst gewesen.


    Neugierig blickte ich sie an, schon interessiert darauf, was sie antworten würde.


    Sim-Off:

    Reserviert.

  • Heute war ein Tag für Schnäppchen. Bereits beim Aufstehen hatte Laevina gespürt, dass etwas Besonderes in der Luft lag, das sie ungewohnt gutgelaunt aus dem Haus und in Begleitung ihres treuen Schattens Quadrata in Richtung der großen Märkte getrieben hatte. Laevina liebte es auf den Markt zu gehen und ihre Überzeugungskünste an Menschen auszutesten, die tatsächlich die Möglichkeit hatten ihr etwas auszuschlagen oder ihr gar zu widersprechen. Feilschen weckte ihren Jagdinstinkt, wie es nur wenige andere Dinge vermochten und war um vieles aufregender als die stumpfsinnigen, aber natürlich unverzichtbaren Erziehungs- und Disziplinarmaßnahmen mit denen sie sich im selbstlosen Dienst der Familie tagtäglich daheim aufrieb.
    Ihre erste Anlaufstation war heute der Sklavenmarkt. Das Hauspersonal der Germanici konnte durchaus eine Auffrischung gebrauchen, aber der erwachsene Rest der Familie schien das entweder nicht zu bemerken (wie so viele andere Dinge auch nicht), oder es kümmerte ihn schlichtweg nicht. Laevina stieß angesichts dieser Dickfelligkeit einen kleinen Seufzer aus und suchte sich dann einen geeignete Position vor der Verkaufsbühne: nah genug, um alle wichtigen Details der Ware genau in Augenschein nehmen zu könnnen, aber so weit entfernt, dass deren Ausdünstungen das germanicische Riechorgan nicht erreichen konnten. Als sie endlich einen strategisch nicht mehr optimierbaren Platz gefunden hatte, blieb sie wie immer kerzengerade stehen und schüttelte ärgerlich den Kopf, kaum dass sich ihre Augen auf die zum Verkauf stehenden Sklaven geheftet hatten. Ja, was war denn das? Der erste war so hässlich, dass ihn vermutlich die Schweine bissen, und der nächste ein stumpfsinniger Hühne, dem die Dummheit aus den glasigen Augen sprang und der vermutlich aus der selben Familie stammte, wie Adula, die Leibsklavin ihrer Enkelin. Das waren keine Schnäppchen, das war Ramsch der ersten Garnitur! Laevina schnaubte leise vor sich hin und überlegte bereits, ob sie sich vielleicht doch lieber den Tuchhändlern auf den Trajansmärkten widmen sollte, als sie plötzlich von einer Stimme an ihrer Seite aus ihren Überlegungen gerissen wurde. Eine angenehm sonore und männliche Stimme, wie Laevina sofort registrierte, nur um ein paar Sekunden später ihre Augenbraue in die Höhe schiessen zu lassen. Germanica Laevina besaß durchaus die eine oder andere Gabe, aber die der schöngeistigen Rede hatte noch nie ansatzweise dazu gehört. Worüber, bei der Götter Fußpilz, redete dieser Kerl da eigentlich? Einen x-beliebigen Marktbesucher hätte Laevina nun in ihrer gewohnt und vielfach bewährten freundlichen Art angeblafft und stehengelassen, aber der Umstand, dass dieser Herr gepflegte und offensichtlich kostspielige Kleidung trug und sich trotz seines dem ihren offenbar ähnlichen Alters noch selbst auf den Beinen halten konnte, führte dazu, dass die alte Germanica lediglich ein leicht unwirsches "Wie bitte?" herauskrächzte, das für ihre Verhältnisse schon fast liebenswürdig zu nennen war.

  • Wie bitte? Dergestalt beschaffen war die Antwort der Dame. Wie bitte? Unverständnis sprach aus ihrem für eine Frau ungewohnt markanten Gesicht. Wie bitte? Meine Ansage ward zu unverständlich gewest, um zu der Dame durchzudringen? Wie bitte? Bestand das Verständnis meiner Worte als Unmöglichkeit? Es ergaben sich nun zwei Möglichkeiten mir. Ich könnte leise mich verabschieden und alleine mich wieder finden. Oder ich könnte hoffen, dass ein Wort sich zur rechten Zeit einstellte, ein Wort, des die Dame war gewahr. Doch wie sollte das Wort lauten? Meine Augen hellten auf, als eine Erleuchtung mir kam.


    Verzeih.


    Dies sollte dem gemeinen Volke begreifbar sein. Den Aussehen nach entstammte die Frau einem plebejischen Geschlechte, wiewohl einem wohlhabenden wie dem meinen. Alleine dies schon machte, neben des Alters, welches mit dem meinigen deckungsgleich zu sein schien, mein Interesse erwachen. Doch wie sollte die Botschaft nun fortgeführt werden?


    Ich meinte Folgendes.


    Drei Worte, in welchen ein Übergang formuliert, der wiederum begreiflich. Zumindest erschien es mir so. Ich hielt inne und überlegte, haschte gedanklich nach Worten, nach Umformulierungen, nach Umschreibungen.


    Die Sklaven, die hier zum Verkaufe geboten... hmm.. sind, schauen aus wie Nilpferde und erscheinen inkompetent. Früher hätt’s sowas nicht gegeben.


    Der letzte Satz entstammte dem Zitatenschatz aus der Hand meines Freundes Maturus, der damals mir auch meine Sklavin Doryphora, die in Cemenelum zurückgeblieben, mir zum Kaufe anempfohlen hatte. Im ersten Nebensatz presste ich nur mit Mühe ein dem Partizip sich anschließendes Hilfswort hinein, was ich oft nicht tat, da ich dies unnötig fand, nein im Gegenteil, es stahl dem Satze die Eleganz. Als Epikureer wusste ich freilich, ein wichtiges Gut für die Glücklichkeit war die Freundschaft. Und es mochte unweise sein, Leute wie diese Frau durch gehobenes Sprachgut zu verärgern, sosehr ich dies auch schätzte, und sosehr ich auch des Umstandes gewahr war, dass zu leben ohne Zwänge ein weiterer wichtiger Bestandteil des Glückes war. Und doch sollte man alles in Maßen genießen... womöglich galt dies auch für das, was manche als „unverständlich“ einzustufen geruhten.


    Ich beneide nicht die Leute, die sich damit bescheiden, denn genügend sind sie nicht einmal für die Genügsamsten.

  • Verzeih? Laevinas Augen verengten sich fast unmerklich, während sie das Gesicht und die Mimik des Unbekannten genauestens abtasteten, auf der Suche nach irgendeiner Art von Zeichen, dass er sich über sie lustig machte. Aber nein, nichts dergleichen, und ihre Menschenkenntnis hatte sie in den vergangenen über fünfzig Jahren so gut wie noch nie im Stich gelassen. Trotzdem hatte dieser Mann etwas an sich, das Laevina nicht wie gewohnt nach kurzer Musterung einordnen und katalogisieren konnte, und das irritierte sie in nicht unerheblichen Maße. Sie musterte ihn erneut, diesmal mit stark erhöhter Aufmerksamkeit und Konzentration, da er offensichtlich bereits nach Worten suchte, um ihr etwas begreiflich zu machen. Etwas begreiflich zu machen! IHR! Laevinas überaus gesundes Selbstbewusstsein fußte nicht zu letzt in der unerschütterlichen Gewissheit, dass SIE diejenige war, die aufgrund ihrer Verstandesleistung allzeit den Durchblick behielt und allen anderen, selbstredend deutlich minderbemitteltereren, Mitmenschen den wahren Weg zur Weisheit weisen konnte und musste. Dass die Dinge im aktuellen Fall zur Abwechslung einmal anders herum liefen, war eine Erfahrung, an die sich die Germanica erst noch gewöhnen musste, was sie direkt durch eine noch strammere Haltung und betont unbeeindruckte Stimmlage zu kompensieren suchte.


    "Ja, da kann ich dir nicht widersprechen. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, was ehrlichen Bürgern hier und heute als gutes Arbeitsmaterial untergeschoben werden soll. Das ist doch eine Beleidigung unser aller Intelligenz und Augenmaß, möchte ich meinen. Und die Götter können bezeugen, dass es in Rom kaum eine genügsamere Matrone gibt als mich."

  • Verwunderung zierte der Dame Gesicht und machte ihre Augen verziehen, bevor meine Person einer peinblen visuellen Untersuchung unterzogen ward. Mit größter Gelassenheit blickte ich ihr entgegen. Obzwar man es als unhöflich einstufen könnte, andere so dermaßen zu begutachten, wenn es der Guten Freude bereitete, so würde ich dem nicht Einhalt gebieten. Denn Freude war etwas Schönes.


    Meine Augen trafen die ihren, in sie hinein versuchte ich freundlich wie stets zu implizieren, dass ich es für nett befand, dass mein Körper einer Frau Beachtung noch wert war, denn nicht an mir war es, zu verneinen, dass der Speck meines Bauches den Form bereits eines Rettungsringes angenommen. Doch sprach ich das nicht aus. Denn wer wusste schon, ob das Interesse meines Gegenübers so geweckt wie wie das meine ihr gegenüber?


    Es ist ein Zeugnis deines Verstandes, dass du nicht auf diese Tricks ansprichst.


    Tricks, ein merkwürdiges Wort meines Erachtens, aber eines, des mein Freund Maturus sich zeitweise bemüht hatte. Er war einer, von dem einen reichhaltigen Schatz an sonderlichen Wörtern, die aber hier gang und gäbe, ich erlernt.


    Und es freut mich, von deiner Genügsamkeit zu vernehmen. Denn wie sagte schon Epikur? Wem wenig nicht genügt, wird viel auch nicht genügen.


    Befriedigt ob meiner Rezitierung schmunzelte ich.


    Zuviele Leute ergehen sich heute im Luxus - den als Luxus erachte ich es auch, so einen Sklaven zu kaufen, ist er doch nichts wert und jeder As hier verschwendet. Wer zu den Zeiten des Nero und des Vierkaiserjahres aufwuchs, ward nicht so verwöhnt.


    Was waren diese Tyrannei und diese Konflikte ein gutes Beispiel dafür, dass man die Patrizier nicht an die Macht lassen durfte!

  • Laevina war immer noch in nicht geringem Masse irritiert durch dieses eher untypische Zusammentreffen und spuerte erneut den schon instinktiven Drang zu einer unfreundlichen Erwiderung, als der Fremde, ohne es vermutlich zu ahnen, das Geschickteste tat, was in dem nicht unerheblichen Pool an Moeglichkeiten zur Verfuegung gestanden hatte: er lobte ihren Verstand! Nicht, dass die alte Germanica auch nur den geringsten Zweifel an dessen Brillianz hegte, aber es aus anderem und noch dazu fremden Munde zu hoeren, war doch ungleich angenehmer.


    "Nun, das ist sehr liebenswuerdig, ich danke dir." nickte sie deutlich freundlicher als noch vor einigen Minuten und schaffte es sogar, ihrem Gesicht einen leicht verlegenen und demuetigen Ausdruck zu verpassen, als er ihr anschliessend ohne mit der Wimper zu zucken, auch noch die von ihr beanspruchte Genuegsamkeit zugestand. Laevina war Zeit ihres Lebens in etwa so genuegsam gewesen wie ein zu kurz gehaltener Wachhund in einer Verbrecherkneipe, aber aus irgendeinem Grund freute es sie, zumindest fuer diesen Moment eine entsprechende Illusion aufrecht halten zu koennen.
    Und dann..., dann sprach er auch noch ein Thema an, fuer das sie sich wirklich erwaermen konnte.


    "Luxus? Pah! Luxus macht schwach, das weiss doch jedes Kind. Wenn unsere Soldaten dereinst keine Erfolge mehr auf dem Schlachtfeld erzielen, dann nur, weil man ihnen das Leben in ihren Zelten zu angenehm macht. Nur der Kampf macht stark, alles andere ist dekadent und fuehrt frueher oder spaeter in den unausweichlichen Untergang." Als ihr bewusst wurde, wie sehr sie sich mal wieder in Rage geredet hatte, verstummte Laevina aprupt und spuerte zu ihrem eigenen Entsetzen tatsaechlich so etwas wie Verlegenheit. Ob sie etwa krank wurde? "Verzeih mir meinen Ausbruch, aber die Ansprueche der Jugend, die mich Tag fuer Tag umgeben, loesen in mir nicht nur Unverstaendnis sondern auch ein nicht geringes Mass an Aerger aus, wenn sie zu unverhaeltnismaessig werden." Neugierig musterte sie ihr Gegenueber erneut. Aufgewachsen unter Nero...er musste also wirklich zumindest ansatzweise in ihrem Alter sein. Nun ja, streng genommen, war Laevina waehrend der Regierungszeit von Neros Vorgaenger, Claudius, geboren worden, aber wer wollte bei ein zwei Jahren schon so pingelig sein?

  • Trotzdem der Dame Gesicht leichtes Erstaunen, wenn nicht gar Irritation ob meiner Erscheinung widerspiegelte, änderte dieses sich dies, als meine Meinung ich ihr Kund gab, dass Verstand ihr innewohnte. Und wahrlich sprach sie mir Liebenswürdigkeit zu. Meine Augenbrauen spürte ich ganz leicht gen Himmelshöhen wandern, doch nur leicht, als mein Blick den ihren suchte. Ein entbietendes Lächeln entschlüpfte meinem Mund, als ich freundlich sprach:


    Wozu der Dank, wenn nur die Wahrheit ich gesprochen?


    Denn in meinem Hirn herschte Leere bezüglich dem, was ich sonst sagen könnte. Freilich außer einem verlegenen Grinsen wären Alternativen Mangelware. Leichtlich also kam der Wechsel der Gesprächsfäden, und es freute mich abermals, dass den Luxus sie so verteufelte. Was war dies? Ein unbändiger Anflug an Ingrimm verschaffte sich einen Platz, und kredenzte mir ein Mahl aus saftigen Beschimpfungen wider die Dekadenz. Mir gefiel die Einstellung, aber nicht recht wusste ich, was zu halten davon war, wenn eine ältere Dame so offen ihre Dispositionen zur Schau stellte.


    Doch mit einem Mal verstummten jene, und die Frau erschein just, als hätte Bauchgrimm sie übermannt. Mithin höchsteigen. Kaum wollte ich fragen, ob alles in Ordnung, bekam ich... eine Entschuldigung, bei der Frau, wie ich aber nicht wusste, keine Premiere mehr.


    Aber, aber. Gewisslich hast du Recht. Dekadenz ist das Laster unserer Zeit. Jüngstvergangen noch war der Römer noch rechtschaffen und froh am Werk, doch nun legt Apathie sich übers Land. Wer ob dessen nicht verärgert wird, hat keine Seele.


    Wobei natürlich meine eigentlichen Ahnen Griechen waren, zumindest von der väterlichen Seite her. Aber das tat nichts zur Sache, schließllich sah ich voll und ganz mich als Römer.


    Doch nicht die Jugend ist’s, die alleiniglich zu kritisieren ist, nein, alle, die dazu beitragen, dass man dafür beten muss, dass Disziplin wieder einkehrt in unsere Heimstätten.


    Ich erachtete es als dienlich, ihr beizustimmen und das Argument auszubauen.

  • Natürlich war es nur die Wahrheit, aber von Zeit zu Zeit konnte man ja mal ein wenig bescheiden und höflich auftreten, ohne dass das germanicische Ego allzu schweren oder gar bleibenden Schaden nahm. Und da Laevina in diesem Moment entspannt und weitgehend frei von inter- und extrafamiliären Ärgernissen war, würde sie diesen Zustand der Höflichkeit vielleicht sogar noch einige weitere Minuten aufrecht halten können. Erneut umspielte ein ungewohnt mildes Lächeln ihre Lippen und glitt ihr unaufälliger aber nichtsdestotrotz gründlich prüfender Blick über ihr Gegenüber. Ein für sein Alter durchaus stattlicher Mann, die Kleidung kostspielig, aber nicht zu prunkvoll, ein durchaus angenehmer Anblick. Nur die Ausdrucksweise des Unbekannten nötigte Laevina nach wie vor einiges an Konzentration ab, aber das buchte sie unter besonderen Herausforderungen des Alltags ab. Verständnisvoll nickend folgte sie seinen Ausführungen, und dann geschah es erneut: er benutzte eins von Laevinas absoluten Lieblingswörtern, die ihr immer und an jedem Ort das Herz erwärmen konnten!


    "Welch wahres Wort." stimmte sie mit aufrichtig leuchtenden Augen zu und fand es nicht einmal seltsam, dass sie auf einem Sklavenmarkt mit einem vollkommen Fremden über derartige Dinge sprach. "Was wäre Rom ohne Dispziplin? Nichts! Ein Reich wie jedes andere, das mit Müh und Not seinen Platz in der heutigen Welt behauptet. Viele Menschen können mit den alten Werten nichts mehr anfangen oder halten sie gar für langweilig wenn nicht sogar überflüssig. Aber meiner Meinung nach liegt in Disziplin, Mut und Durchhaltevermögen mehr Poesie als es irgendein Gedicht jemals besitzen könnte, fußt darauf und nur darauf doch wahre und dauerhafte Größe." Ja, Germanica Laevina konnte wahrlich und wahrhaftig pathetisch werden, auch wenn es bislang nur wenigen Menschen gelungen war, die entsprechenden Knöpfchen zu drücken. "Es freut mich aufrichtig, in dieser doch mittlerweile arg verlotterten Stadt einen Menschen zu treffen, der dem traditionellen Gedankengut so positiv gegenüber steht. Mit wem hab ich eigentlich das Vergnügen?" Geschmackvolle Kleidung und hochgestochene Sprache hin und her, bestand durchaus die Möglichkeit, dass es sich bei ihrem Gegenüber um einen zu Geld gekommenen Peregrinus oder gar Libertinus handelte. Und eine derartige Erkenntnis würde selbstverständlich das sofortige Ende von Laevinas aktueller Milde einläuten.

  • Oh, welch entzückend erfreuender Ausdruck schlich in ihre Augen, sowie das Wort ich gesprochen, welches da Disziplin hieß! Nie wäre der Meinung ich gewest, dass die bloße Erwähnung desselben solche Freude in anderen Leuten schaffen könnte. Nun, ich war des Gedankens, andere zu erfreuen, nicht abhold. Schließlich ist Freude doch eine der Gegenstände des Lebens, die zu einem guten Leben führen. Ein Philosoph hatte einst verlautbart, dass Lachen wie Salz verwendet werden sollte, sparsam und wie ein kostbares Gut. Doch als Epikureer war ich mir gewiss, dass eine solch spartanische Einstellung kaum zu wahrer Lebenserfüllung führen konnte. Also freute ich mich in gegensätzlicher Weise über das Lächeln der Dame, und erwiderte es.


    Wie sehr kann deinen Worten ich nur beipflichten! Durch Pfusch und Murks geht ein Volk zugrunde, und ich sage dir, der Tag, da wir Römer beginnen, zu vergessen, wie diese unsere Nation errichtet wurde, so verschwinden wir im Mistkübel der Weltgeschichte.


    Ehrlich dachte ich mir dies. Wenn etwas ausgeführt wurde, dann sollte es ordentlich und sauber gemacht werden. Schließlich war hier nicht das Barbarenland.


    So verschwand auch Babylon, als ein Sündenpfuhl es wurde, um Elam, als die Leute sich aus Faulheit nicht mehr den Persern widersetzten.


    Es war immer schön, historische Analogien zu ziehen, besonders bezüglich des nahen Ostens, dessen Kultur ich ohne Gleichen schätzte. Tatsächlich könnte stundenlang ich über die Kulturen des fruchtbaren Halbmondes reden, ohne Pause, doch vermutete ich, dass dies den Rahmen unserer Konversation sprengen würde.


    Dem Gedankengut stehe ich nicht so offen gegenüber, weil es traditionell, sondern weil es von Grund auf vernünftig und für unsere Mentalität und Kultur passend und effizient.


    Auch, wenn das Gedankengut der Stoa ein wenig zu viel Einfluss hatte für meinen Geschmack. Doch das wahrliche Große an unserem System war, dass es mannigfaltige Ideen umfasste, und so traditionell es war, so offen auch für anderes. Unsere Toleranz für Nützliches und Gutes war der Neid der Welt.


    Verzeihung, ich frage mich, wo meine Manieren ich gelassen. Cnaeus Prudentius Spurinna lautet mein Name. Und mit wem habe ich zu tun, gnädigste Dame?

  • Laevina nickte nachdenklich und fast ein wenig wehmütig. "Mistkübel der Geschichte? Ja, das könnte wohl passieren, wenn die Landsleute, denen wir notgedrungen das Wohl dieses Reiches anvertrauen müssen, sich nicht mit der gebührenden Sorgfalt und Demut an die Arbeit machen. Manch einer sieht in der heutigen Zeit nur noch den Luxus und den Reichtum und vergisst, dass diese Stadt einmal auf einem Sumpf gegründet worden ist. Und genau dazu kann sie auch wieder werden, wenn die nötige Wachsamkeit und Gründlichkeit, mit der unsere Vorfahren sie dem unwirtlichen Boden entrissen haben, nachlässt." In den Augen der alten Germanica gab es natürlich zur Zeit nicht einen einflussreichen Politiker in Rom, der auch nur ansatzweise so kompetent zur Staatsführung geeignet war wie sie selbst es wäre, wenn man sie nur ließe, aber bis diese, vielleicht doch ein wenig zu einschüchternde, Erkenntnis an den gegenüberstehenden Mann gebracht wurde, sollten dann doch lieber noch ein paar Liter Wasser den Tiber hinunterfließen.
    Und schon war wieder Laevinas ganze Konzentration gefragt: Babylon, Elam, Perser? Was war denn das jetzt wieder? Die Begriffe waren ihr zwar nicht gänzlich unbekannt, fielen aber samt und sonders unter die Kategorie " für den Lauf der Welt unerhebliche Kameltreiber" und bedurften daher keiner weiteren Beachtung. Ein weiteres mildes Lächeln, das hoffentlich sowohl mangelnde Kenntnisse als auch Interesse erfolgreich kaschierte, dann wurde das Strahlen wieder aufrichtig. Effizient... noch so ein wunderschönes Wort! Und in Verbindung mit "traditionell" ein wahrer Ohrenschmeichler!


    "Da hast du selbstverständlich Recht. Und wir können aufrichtig stolz darauf sein, dass wir einem Volk enstammen, das Vernunft von jeher so sehr geschätzt hat, dass diese zum Grundpfeiler seiner Traditionen werden konnte." Mit einiger Spannung wartete Laevina auf die Auflösung der Identität ihres Gegenübers und verspürte durchaus eine deutliche Erleichterung und auch ein wenig Genugtuung, als es sich als durchaus standesgemäß entpuppte. Ein Prudentier, sieh einer an, gab es unter denen nicht ein hohes Tier bei den Praetorianern?


    "Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Prudentius Spurinna. Mein Name ist Germanica Laevina."

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