[Atrium] Der Sohn eines Klienten

  • Im Atrium musste Aurelius Lupus kurz warten, während der Sekretär den Hausherrn informierte. Nach einigen Augenblicken trat dieser aus seinem Arbeitszimmer hinaus ins Atrium und begrüßte den Gast. "Salve, Aurelius Lupus. Was führt dich zu mir?"

  • Sextus folgte dem Ianitor ins Innere der Casa. Seine Statussymbole, auch bekannt als Sklaven, blieben zurück. Ob sie in die Küche geführt wurden oder vor der Tür versauerten, was Sextus reichlich egal, solange sie wieder vor der Tür waren, wenn er hier fertig wäre.
    Er begab sich also ins Atrium, und kurze Zeit später erschien auch schon der Hausherr. “Senator Purgitius, danke, dass du mich empfängst. Und mich führt zweierlei zu dir. Zunächst einmal wollte ich dich und deine liebreizende Gemahlin“ von der Sextus keine Ahnung hatte, ob sie tatsächlich liebreizend war. Aber sie hätte auch mehr wiegen können als ein ausgewachsener Ochse und einen Buckel haben können, seine Einladung wäre dennoch gleichermaßen charmant ausgefallen. “...zu meiner Sponsalia einladen. Ich werde mich mit Flavia Nigrina verloben. Die Feier findet ANTE DIEM VI NON OCT DCCCLX A.U.C. (2.10.2010/107 n.Chr.) zur hora quinta in der Villa Flavia ihren Anfang. Als Patron meines Vetters wollte ich dir diese Einladung gerne persönlich aussprechen.“
    Zunächst einmal das seichtere Thema vorbringen und damit eine positive Grundstimmung schaffen. Dies war in den meisten Fällen eine gute Vorgehensweise und verhinderte, dass man solch unwichtiges Geplänkel am Ende nicht noch vergaß. Das Ganze garniert mit dem dezenten Hinweis, dass er ja Patron eines Aureliers war, um ihn für das folgende auch schon einzunehmen. “Und zum zweiten hatte ich gehofft, ich könnte dich dafür gewinnen, mir Unterstützung in meinem Wahlkampf zu gewähren. Ich habe vor, mich für das Vigintivirat aufstellen zu lassen und hoffe auf Fürsprache.“ Im Grunde war es Sextus zuwider, um Hilfe zu betteln, aber so lief es nunmal in der Politik. Also gab er sich so bescheiden und aufrichtig wie möglich.

  • Da Macers Gemahlin zwar definitiv liebreizend war, allerdings genauso definitiv derzeit außer Haus bei einer Freundin, konnte sich der Besucher nicht persönlich von ihrem Aussehen überzeugen und Macer würde ihr die Einladung später mitteilen. "Ich danke für die Einladung und denke, dass Albina und ich ihre Folge leisten werden", gab er aber dennoch schonmal seine Zusage. Die nächsten Wahlen standen bevor, da konnte man gesellschaftliche Ereignisse nicht einfach grundlos auslassen.


    Und das nächste Anliegen hatte dann sogar direkt mit der Wahl zu tun. Vetter von Macers Klient zu sein war da kein ganz schlechter Anfang, um um Unterstützung zu werben. "Ein ehrenwertes Ziel, dem ich sicher nicht grundlos im Wege stehen möchte. Erzähle mir etwas mehr über dich und deine Familie." Macer würde sich davon zwar ohnehin nur einen Bruchteil merken können, aber erstens konnte er so testen, wie gut und spontan der Kandidat über ein vertrautes Thema reden konnte und zweitens hörte Macers Sekretär dezent im Hintergrund mit und würde sich die wichtigen Dinge schon merken.

  • “Dann werde ich mich schon freuen, dich dort zu begrüßen. Und Flavius Aetius als Gastgeber sicher auch.“ So, wie Sextus ihn kennengelernt hatte, fehlte dem Flavier eigentlich nur eines, um ein guter Politiker zu sein: Die Kunst, diejenigen, die man verabscheute, es nicht spüren zu lassen. Von daher war er sich recht sicher, dass dieser einen weiteren Senator auf der Gästeliste durchaus zu schätzen wissen würde.


    Und dann war man auch schon beim eigentlichen Thema seines Besuches, und Sextus war zwar lieber schweigsam, allerdings hatte er auch kein Problem damit, die ihm zuteil gewordene Ausbildung in Sachen Rhetorik auf ihren praktischen Nutzen hin zu testen und folglich anzuwenden.
    “Mein Vater ist Numerius Aurelius Fulvus, Sohn von Claudius Aurelius Crassus. Meine Mutter entstammt einem etruskischen Zweig der Antonier. Meinen Paenomen habe ich nicht von ungefähr, ich habe reichlich Geschwister. Ich selbst wurde in Rom geboren, allerdings zog es meinen Vater nach Achaia, in die Nähe von Athen, als ich zehn Jahre alt war. Dort habe ich die artes liberales studiert. Später studierte ich noch zwei Jahre in Alexandria.“
    Was sollte er noch erzählen? Er wollte sein Gegenüber ja nicht mit langweiligen Anekdoten aus seinem Leben erschlagen. Was interessierten den Purgitier die Dinge, die er und seine Brüder angestellt hatten? Ebenso wie die endlosen Lehrstunden zu den Haruspizien, die hier nun völlig uninteressant waren, über die er mit seinem Patron aber gesprochen hatte. Eben jener war ja aber auch immerhin Pontifex und damit potentiell wertvoll, um im das Collegium zu kommen, während der Senator hier da wohl herzlich wenig ausrichten könnte. Abgesehen davon, dass Sextus nie mehr sagte – oder sich zumindest dessen bemühte – als es erforderlich war.
    “Mein Vater war der Meinung, dass mein Talent und meine Ausbildung hier in Rom im Cursus Honorum am besten zum Tragen kämen. Und gleichzeitig nutzten wir die Gelegenheit, eine weitere Verbindung zu den Flaviern zu knüpfen, eben durch die bereits angesprochene Verlobung.“ Er redete nicht zu schnell, nicht zu langsam. Insgesamt gab er sich sehr locker, schmunzelte das ein oder andere Mal beim Reden, aber nie so, dass er als leichtfertig gelten mochte. Es war einfach alles die perfekte Inszenierung von jemandem, der wusste, wie er entspannt wirken mochte, ohne dabei Selbstsicherheit einzubüßen. Es war nicht das erste Gespräch dieser Art, das er führte.

  • "Ah, ein Enkel des Aurelius Crassus", bemerkte Macer. Er konnte nicht behaupten, jenen Aurelius Crassus wirklich zu kennen, aber er hatte in jungen Jahren von ihm gehört, als er selber noch bei der Legion war und jener Aurelier ein wichtiger Politiker und Statthalter. Warum ausgerechnet dieses Detail in Macers sonst so löchrigem Erinnerungsvermögen hängen geblieben war, wusste er allerdings nicht. "Und eine solide Ausbildung hast du erhalten. Wie lange bist du nun schon wieder in Rom?", fragte er weiter.

  • “Während der Amtszeit des damaligen Consuls Flavius Furianus, bei dem ich das Glück hatte, ein Tirocinium fori zu machen, führte mich mein Weg zurück nach Rom“, beantwortete Lupus die Frage. Zeit genug, um sich auf einen Wahlkampf vorzubereiten und ein wenig die römischen Machtverhältnisse zu klären. Fast schon zu viel Zeit, wenn man es genau nahm, um untätig zu sein, und doch erschien es ihm, als sei es gar nicht so viel Zeit im Endeffekt gewesen.

  • "Ja, dann hast du dir wohl den richtigen Zeitpunkt ausgesucht, nun selber aktiv in die Politik einzusteigen", schätzte Macer nach diesen Daten ab. "Adlatus eines Consuls zu sein hat dich also nicht genung abgeschreckt", fügte er noch mit einem Augenzwinkern hinzu. "Dann stell' mal bei deiner Vorstellung im Senat nichts dummes an, sonst kann ich dich nicht wählen."

  • Das war ein ja! Nun erlaubte sich auch Sextus, etwas zu lächeln als Erwiderung des Scherzes, wenn auch nicht zu stark. Man war ja kein Weib, das in stupides Grinsen verfiel.
    “Ich habe es zumindest nicht vor. Mögen die Götter geben, dass es auch nicht passiert.“ Oh nein, Sextus würde sich gründlich auf seinen Vortrag im Senat vorbereiten. Es würde nichts dummes dabei passieren. Davon war er felsenfest überzeugt.
    “Dann danke ich dir, Senator Purgitius. Gibt es etwas, das ich für dich noch tun kann?“ Geben und nehmen, so funktionierte alles in Rom. Und auch, wenn Sextus nicht glaubte, dass es etwas gäbe, fragen musste er schließlich.

  • Eigentlich gab es natürlich nichts, was Macer verlangen konnte, da der Mann ja nun nicht sein Klient war und er auch noch nichts für ihn getan hatte, außer einem Versprechen. Aber in Wahlkampfzeiten fiel die Antwort trotzdem leicht. "Danke mir, wenn die Wahl geglückt ist. Weißt du schon von namhaften Gegenkandidaten oder Kandidaten in anderen Ämtern?" Jeder Name zählte und ebenso jeder Zusammenhang, in dem er erwähnt wurde.

  • “Das werd ich, ganz sicher“, meinte Sextus und zeigte ein wenig taktischer Freude, ohne dabei aber allzu dankbar zu erscheinen. Dafür machte er doch zu sehr den Eindruck des namensgebenden Tiers seines Cognomens.
    “Und nein, ich weiß noch von keinen anderen Kandidaten. Mein Vetter Avianus überlegt wohl, eventuell ebenfalls zu kandidieren, allerdings wird er sich sicher mit dir da noch in Verbindung setzen, wenn seine Überlegungen über bloße Gedanken hinausgehen sollten.“ Immerhin war der Purgitius sein Patron. Aber ansonsten hatte er noch von keinen namhaften Kandidaten bislang gehört.

  • "Das will ich doch sehr hoffen, dass Avianus das nicht ohne mich entscheidet", stimmte Macer zu und wirkte dabei nicht völlig entspannt. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Klient eine Entscheidung auf in seinen Augen unangemessene Art alleine fällte, wenn er eine Rücksprache versäumen würde. "Nun, je weniger Kandidaten, umso leichter wirst du es haben", lächelte er dann wieder aufmunternd, um anschließend das Gespräch zu beenden. "Dann sehen wir uns also bald im Senat. Vale!"

  • War da leichte Anspannung im Raum? Sextus konnte nur hoffen, nichts falsches gesagt zu haben. Nicht wegen Avianus, sondern wegen der Möglichkeit, dass sein Vetter ihm selbst nun alles versaute, weil sein Patron wütend auf Avianus war. Dennoch nickte Sextus nur einmal leicht, als wäre nichts weiter gewesen.
    “Dann bleibt mir nichts, als dir für deine Zeit zu danken. Ich hoffe, ich sehe dich und deine Gemahlin vor der Wahl bei der Sponsalia. Es wäre mir eine große Freude. Vale bene, Senator.“ Und damit verabschiedete sich Sextus auch schon, um den Purgitier seinen Tagesgeschäften zu überlassen.

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