[Atrium] Es ist wirklich dringend

    Macer hatte mit Gästen im Tablinum gesessen und sein Sekretär hatte ihn ganz vorsichtig gestört. Aber wenn es dringend war, konnte er sich das erlauben. Macer kam rasch hinaus ins Atrium und begrüßte den Aurelier knapp. "Salve. Was ist so dringend?"

    Avianus folgte dem Sklaven des Purgitiers unruhig durch die Hallen der Casa Purgitia, ungeduldig, seinen Patronen endlich zu treffen. Der plötzliche Besuch musste auch Macer überrascht und gestört haben, doch er war begründet.
    "Salve, Macer", grüßte Avianus eher gezwungen freundlich, "Corvinus. Er ist tot."

    Kurz und schmerzlos war die Nachricht und trotz ihrer Kürze brauchte Macer einen Augenblick, um sie völlig zu erfassen. "Corvinus. Ein Verlust. Mein Beileid. Wann ist es passiert?" Nach dem Wie fragte er erst einmal nicht, konnte er die Geschehnisse doch bestenfalls vage erahnen und musste die möglichen Zusammenhänge erst realisieren.

    "Gestern", gab der Aurelier kurz und knapp von sich und striff sich seufzend durch die Haare. Die Beleidsbekundung quittierte er mit einem Nicken.
    Es fiel ihm schwer, angesichts dieses schmerzlichen Verlustes auf das Geschäft zurückzukommen, doch sicherlich interessierte auch Macer, dass er nicht viel in Erfahrung gebracht hatte. "Er ist gestorben, bevor ich Informationen wegen Piso in Erfahrung bringen konnte. Ich hatte ihn besucht, doch es kam etwas dazwischen", sprach er und murmelte anschließend: "Bei den den Göttern... das letzte Mal, dass ich ihn lebend gesehen habe."

    Macer hatte weniger Elan, jetzt sofort auf's Geschäftliche umzuschwenken und hielt das auch gar nicht für notwendig. "Na, den guten Piso können wir jetzt erstmal beiseite lassen. Eure Gens wird jetzt sicher auch andere Sorgen haben als seine Heiratspläne. Aber der Tod von Corvinus kommt doch sehr plötzlich. Einfach so, ohne jedes Anzeichen?"

    Wenigstens hatte der Purgitier Verständnis für die Lage, in der sich Avianus befand. "Ja, das mag wohl sein", sagte er und gab anschließend zur Auskunft: "Er war gesund. Kerngesund." Avianus unterbrach und seufzte. Es waren die Bilder, wie Corvinus tod in seinem Zimmer lag. Das Messer, welcher seinen Körper durchbohrte. Das viele Blut. "Er hat es selbst getan. Mit Absicht." Das mochte nicht sehr ausführlich sein, aber Avianus merkte es nicht, denn er war irritiert.

    "Ein Selbstmord?", fragte Macer überflüssigerweise nach, denn nach dieser Antwort war das wohl eindeutig. Erst langsam entwickelten sich in Macers Kopf die Zusammenhänge, die es dort möglicherweise geben konnte. "Ich weiß, dass es Spekulation ist, zu der du wahrscheinlich nicht mal etwas sagen kannst, aber hat es etwas mit dem Frevel bei den Nemoralia zu tun?" Dabei dachte er noch nicht einmal an die Verwicklung der Frau des Pontifex in diese Sache, sondern eher daran, dass er den Gedanken an diesen Frevel und die Folgen nicht länger ertragen konnte.

    Avianus nickte knapp zur Bestätigung auf die eher rhetorische Frage, ob es ein Selbstmord war.
    "Ein Frevel? Von Corvinus", fragte Avianus nach und seine Mine verdüsterte sich weiter. Er hatte mitbekommen, dass etwas höchst schreckliches, ein grauenvoller Frevel in den letzten Tage passiert war. Auf den Straßen hörte man die Menschen reden. Doch wenn Corvinus daran beteiligt war, ihre Familie vor seinem Selbstmord noch in den Schmutz gezogen hatte - dann war er definitiv nervlich am Ende.

    Nun war es auch an Macer, ein noch düstereres Gesicht zu ziehen. Er war sich nicht sicher, ob ihn sein Klient mit seiner Frage unpassenderweise auf den Arm nahm. "Bei allen Göttern, ich möchte doch wohl hoffen, dass wir noch so viel Vertrauen haben dürfen, dass ein Pontifex nicht persönlich in einen solchen Frevel verstrickt ist." Dabei wusste Macer zu diesem Zeitpunkt ja auch noch nicht einmal genau, was überhaupt passiert war. "Aber vielleicht weiß er ja eben mehr über diesen Frevel und das hat ihn zu dieser Tat getrieben." Es gehörte sicher nicht zu Macers Hobbies, Schreckensszenarien zu erfinden, aber diesmal bot ihm seine Phantasie doch so einiges an.

    Oh je. Das war nicht gut. Und Macer sah alles andere als gut aus. Avianus musste sich jetzt zunächst rausreden, bevor er nun Fehler machte, die sie ihre Familienehre kosten würde. Zumal er nicht wusste, was wirklich geschehen war. Doch Corvinus - hat er wirklich... ?!
    "Was bei allen Göttern ist denn passiert", fragte Avianus ungläubig nach, "Was konnte denn so Schreckliches passiert sein? Ein Frevel ist schlecht. Sehr schlecht. Das wird die Götter sehr erzürnen!"

    "Wenn wir das wüssten, würde das wahrscheinlich so manches erklären", antwortete Macer mit einer hilflosen und ratlosen Geste. Er hatte bisher ja auch nur Gerüchte vernommen und die Ereignisse schienen sich zu überschlagen. "Mehr, als dass es einen Frevel und Tote im heiligen Hain gegeben haben soll, weiß ich auch nicht", klärte er dann zumindest seinen eigenen Kenntnisstand auf, denn der Aurelier schien noch weniger zu wissen.

    Kurz nickte er, sah bedächtig drein... für ihn war zu diesem Zeitpunkt völlig ausgeschlossen, dass seine Familie in diese Angelegenheit verstrickt war, in egal welcher Weise. Aber er konnte ja nicht wissen... nicht ahnen, nicht einmal in seinen entferntesten Träumen daran denken, dass anstelle eines dreisten Emporkömmlings tatsächlich die Gemahling seines Onkels und ein - wenn auch kleiner - Teil der Familie in den Frevel verstrickt war.


    "Ich verstehe", sagte er nur knapp, in Ahnungslosigkeit, was er noch dazu sagen sollte.

    Eine Weile lag ratloses Schweigen in der Luft, weil auch Macer nichts zu sagen wusste. "Warten wir ab, was sich ergibt. Ich hoffe, dass wir bald schon mehr wissen", schlug er dann mangels echter Alternative vor. "Ich informiere dich, sobald ich etwas erfahre. Und du informierst mich, sobald du mehr erfährst?"

    Kurz nickte der Aurelier... er hatte dem nichts hinzuzufügen. "Das werde ich", sagte er trocken und wollte die Ruhe des Purgitiers nicht weiter mit seinen Sorgen stören. "Danke, dass du Zeit erübrigen konntest", sagte Avianus und nickte zum Dank noch zu, ehe er einige Schritte zurücktrat, um zu gehen.


    "Salve, Macer."

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