Beim bibliopola - Der Trend zum Zweitbuch...

  • … ist unaufhaltsam! Dabei besaß Semiramis nicht einmal ein Erstbuch! Nicht mal das Fragment einer Schriftrolle. Gar nichts! Aber wen wunderte das groß? Schließlich konnte sie ja auch nicht lesen. Bücher hatte sie stets mit einer guten Portion Argwohn beobachtet. Dennoch, wenn es das Schicksal nicht so ungemein schlecht mit ihr gemeint hätte, dann wäre sie vielleicht einst zur größten Märchenerzählerin aufgestiegen, die Damaskus´ Gassen je gesehen hatte. Nicht auszudenken, welch großer Erfolg ihr sicher gewesen wäre, wäre sie schreib- und lesekundig gewesen, so daß sie ihre Märchen auf Papyrus hätte bannen können. Unglücklicherweise war ihr etwas dazwischen gekommen, was ihre Karriere sozusagen über Nacht beendet hatte.
    Nun fristete sie ein trauriges Sklavendasein in der Fremde, mit einem schwülstig blasiertem Römer als Herrn, dem der Hang zur Theatralik nicht fremd war. Und genau dieser war es, der ihr an jenem Tag wieder aufzeigte, wie ungebildet und stupide sie doch war. Oder wie hätte man es sonst bezeichnen sollen, wenn eine Analphabetin in eine Buchhandlung geschickt wurde, mit dem Auftrag, sie solle sich die Neuerscheinungen ansehen und eine kleine Auswahl an belletristischer Literatur mit nach Hause bringen. Natürlich würde die Syrerin mit dieser Aufgabe heillos überfordert sein. Doch das wußte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Selig waren die Ahnungslosen…

  • Jedoch noch heilloser überfordert war sie mit der Tatsache, dass niemand sie in dem Buchladen wahrnahm. Schon geraume Zeit hatte sie einfach nur da gestanden und gewartet. Dann versuchte sie, sich interessiert zu geben und begann, sich die vielen Schriftrollen anzusehen. Doch da sie nicht besonders gut lesen konnte (Eigentlich konnte sie ja gar nicht lesen. Aber das in einem Laden voller geballter Literatur zu gestehen, empfand sie als höchst beschämend.), legte sie sie schon bald wieder zurück. Hilfesuchend war ihr Blick, der nach einer kundigen Hand Ausschau hielt. Doch niemand hatte Zeit für sie. Sogar hegte sie zu guter letzt den absurden Gedanken, vielleicht unsichtbar zu sein. Wenn dem so war, tat es der Sache sicher keinen Abbruch, wenn sie einfach ging und es im nächsten Buchladen noch einmal versuchte.

  • Gadatas betrat den Buchladen und atmete erfreut den Geruch von Papyrus ein. Ja das war etwas. Endlich wieder Bücher! Es erinnerte ihn an sein heimatliches Alexandria.


    Das Schiff des Sklavenhändlers das ihn nach Rom gebracht hatte führte natürlich keine Reiselektüre mit und auch auf dem Sklavenmarkt hatte es, wie zu erwarten war, nichts zu lesen gegeben. Aber sein neuer Herr Germanicus Aculeo war wirklich sehr großzügig und hatte ihm erlaubt den Buchladen aufzusuchen und ihm sogar ein paar Sesterzen gegeben um sich ein Buch zu kaufen.


    Gadatas stöberte durch die Rollen bis ihm plötzlich eine hübsche Frau auffiel, die etwas verloren zwischen den Papyrusrollen stand und aussah als wüßte sie nicht wonach sie suchen soll. Dem aussehen nach stammte sie wohl aus dem Osten des Reiches und der Kleidung nach war sie sehr wahrscheinlich eine Sklavin. Wenn sie in einem Buchladen einkaufte war sie vieleicht auch eine Schreiberin. Da wollte Gadatas doch mal sehen ob er nicht ein nettes Fachgespräch mit einer Kollegin führen könnte und sprach sie lächelnd an: "Salve! Verzeih wenn ich dich anspreche aber du siehst aus als wenn du von dem Angebot ganz überwältigt wärst. Es ist ja auch eine gute Auswahl. Wonach suchst du eigentlich? Ach ja, ich heiße übrigens Gadatas und bin der Scriba personalis des Paullus Germanicus Aculeo."

  • Just in dem Moment, als Semiramis wieder den Laden verlassen wollte, sprach man sie doch noch an. Zwar war es nicht der der bilbiopola, wie gehofft. Dennoch hielt sie inne und drehte sich zu dem Mann um, der sich als Gadatas vorstellte und der Scriba personalis eines Germanicers war, dessen Name sie sowieso nicht kannte.
    "Salve! Ja, da kannst du recht haben! Das ist einfach zu überwältigend für mich, da ich davon überhaupt keine Ahnung habe. Eigentlich hatte ich gehofft, der bibliopola könnte mir helfen, aber anscheinend hat er zu viel zu tun oder hat mich übersehen. Oder vielleicht bin ich doch unsichtbar? Ach ja, und ich heiße Semiramis." Wessen Sklavin sie war, behielt sie erst einmal für sich. Diese Information konnte sie immer noch weitergeben, wenn es einen Anlass dazu gab. Im günstigsten Falle konnte ihr vielleicht Gadatas doch noch bei der Auswahl an Literatur helfen. Dann war ihr schon viel geholfen.

  • Gadatas lächelte Semiramis an und meinte: "Oh Semiramis! Wie die berühmte, wenn auch etwas berüchtigte Königin. Ein schöner Name für eine schöne Frau." 8)


    "Kann ich dir irgendwie bei der Auswahl helfen? Der Bibliopola scheint wirklich kein Auge für die Kundschaft zu haben. Nach was suchst du den?" Gadatas freute sich über diese Begegnung den auf dem Schiff des Sklavenhändlers hatte es keine Gelegenheit gegeben über Literatur zu diskutieren. Nun war ein Sklaventransport kein Philosophenclub, aber es war doch schön wieder in der Zivilisation angekommen zu sein.

  • Oh, eine Königin, dachte Semiramis. Man wurde ja nicht täglich mit einer Königin verglichen. Und dann auch noch so viel Lob ob ihrer Schönheit! Die Sklavin errötete. So nett war schon lange niemand mehr zu ihr gewesen.
    "Wenn du es sagst. Danke," meinte sie schüchtern. Wie gut, dass sie sich noch einmal umgeschaut hatte, bevor sie den Laden verlassen wollte. Sonst hätte sie weder die schönen Komplimente noch das Hilfsangebot des freundlichen Scribas erhalten. Wenn sich einer mit Schriften und Büchern auskannte, dann doch wohl ein Scriba.
    "Oh ja gerne!" Semiramis erstrahlte, da die Hoffnung wieder stieg, mit der von Piso gewünschten Buchauswahl nach Hause zu kommen. Was doch ein paar nette Worte alles bewirken konnten!
    "Ja, also… ich soll eine Auswahl neuerer Texte mitbringen. Gedichte, Geschichten und sowas. Ach ja und auch noch was für´s Herz." Wofür das Piso nur brauchte? Vielleicht als Geschenk, für seine Angebetete. 8) Eins stand jedenfalls fest, in Sachen Literatur war Semiramis ziemlich unbedarft. Sie hatte zwar vor wenigen Wochen den mühevollen Weg beschritten, lesen und schreiben zu lernen, doch der große Erfolg war bislang noch ausgeblieben. Es war also auch ausgeschlossen, sie als bibliophil zu bezeichnen. Davon war sie noch meilenweit entfernt.

  • Semiramis errötete. Das fand Gadatas irgendwie süß. Was für nette Bekanntschaften man doch beim Buchhändler machen konnte. Und eine Auswahl der neueren Literatur sollte sich ja hier finden lassen.


    Gadatas ging durch die Rollen und wählte ein paar aus. Dann sagte er:


    "Ich glaube die hier könnten was sein. Es ist jetzt keine hohe Literatur, aber sie sind neu. Also wird dein Herr sie bestimmt noch nicht kennen. Und die hier ist die aktuelle Ausgabe aus der Appolonius von Tyra Serie. Etwas sehr schnulzig wenn du mich fragst, aber wenn dein Herr was fürs Herz will genau das richtige.


    Vor knapp einer Stunde stand ich noch auf dem Sklavenmarkt zum Verkauf und jetzt bin ich der Scriba personalis eines römischen Bürgers und unterhalte mich nett in einem Buchladen. Ich gebe zu das echte Leben ist manchmal doch wie in den Geschichten. Wenn wir in Appolonius von Tyra wären, wärst du natürlich eine in die Sklaverei entführte Prinzessin und ich ein Prinz der dich retten würde. Das ist dann halt der Teil wo diese Geschichten übertreiben. Oder bist du zufälligerweise eine entführte Prinzessin?"

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