Die Götter haben gejauchzt, als ich zur Welt gekommen bin! Das hört sich nun sehr vermessen an, um nicht zu sagen sehr überheblich. Doch genau dieser Satz hatte mich durch meine ganze Kindheit über begleitet. Ausgesprochen von meiner Kinderfrau Amalthea, einer korpulenten, gutmütig dreinschauenden Griechin, die ich mein ganzes Leben schon kenne. Diesem Satz war stets auch ein sanftes Streichen über mein lockiges Haar und ein feuchter Schmatzer auf die rechte Backe gefolgt.
Und auch nun, da ich kein Kind mehr war, sondern im Begriff war, eine junge hübsche Frau zu werden, sagte sie es noch immer. Freilich, nicht mehr so oft, wie früher. Und man konnte es auch als glückliche Fügung bezeichnen, dass Amalthea das feuchte Küssen aufgegeben hatte. Aber dennoch meinte sie es noch immer so, wie früher. Der Griechin fiel es zudem auch immer schwerer, sich von meinem Kind sein zu verabschieden. Gleichsam bedeutete dies, dass auch sie älter wurde. Oft stellte sie sich die rhetorische Frage, wo denn die Zeit geblieben war. Schließlich hatte sie mich an ihrer Brust genährt, hatte mit mir gelitten, als ich meine ersten Zähne bekam oder wenn ich einmal krank gewesen war und freute sich über jeden Fortschritt meiner Entwicklung. Es kam ihr so vor, als wäre es erst gestern gewesen, als ich meinen ersten Schritt machte oder meine ersten Worte plapperte. Ich hingegen fieberte der Zeit entgegen, da ich endlich erwachsen sein würde. Dann könnte ich endlich von hier entfliehen. Aquileia war nun wirklich kein Ort, an dem das Leben pulsierte.
Die Metamorphose meines Körpers vom Kind zur Frau kam nicht sprunghaft, sondern allmählich. Es hatte schon vor vielen, vielen Monaten begonnen, da ich plötzlich wuchs und wuchs. An manchen Stellen meines Körpers begannen sich sanfte Kurven zu bilden. Doch nicht nur meine Physis begann sich zu wandeln auch meine Psyche wuchs. Dabei sei anzumerken, dass ich nie das archetypische Mädchen war, welches voller Wonne mit seinen Puppen zu spielen pflegte. Dennoch war ich stolze Besitzerin einer Unmenge von Puppen. Einige davon waren Verlegenheitsgeschenke meines Vaters, der mich sehr selten, eigentlich so gut wie nie besuchte. Jedes Jahr zu meinem Geburtstag ließ er eine von einem Boten vorbeibringen. Mit etwas Glück befanden sich dann auch einige persönliche Zeilen anbei.
Die meisten meiner Puppen waren aber Geschenke von meiner Mutter oder deren Familie, die uns zu sich jeder bietenden Gelegenheit besuchte. Keine Woche verging, an der nicht eine Tante oder ein Onkel vorbeischaute.
Mein kleines Universum hatte bislang aus meinem cubiculum und dem daran angeschlossenen und mit Puppen überbevölkertem Spielzimmer bestanden. Bei schönem wurde es bis auf den Garten unserer kleinen Villa ausgedehnt. Die Villa in Aquilea war schon gut zwei Jahre nach meiner Geburt zur Heimstatt meiner Mutter und mir geworden. Da Mutters Familie sehr viel Einfluss in Ravenna besaß, hatte sich mein Vater von meiner Mutter scheiden lassen müssen. Einen Flavius zum Vater zu haben, kurz nach der Damnatio memoriae meines Namensvetters, dem flavischen Kaiser Domitian, war meinem Großvater mütterlicherseits einfach zu viel. So lautete jedenfalls die Version meiner Mutter. Was mein Vater dazu gesagt hätte, entzog sich leider meiner Kenntnis. Überhaupt reagierte meine Mutter äußerst eisig, sobald mein Vater zur Sprache kam, was wohl auch eine mögliche Erklärung für seine permanente Absenz war.
Nun, da der Sommer vorbei war und der Wind die Blätter von den Bäumen fegte, waren es nur noch die Sklaven, die sich im Garten tummelten und froren, wenn sie nicht tüchtig arbeiteten. Auf Geheiß meiner Mutter hatte man ihnen einen warmen Mantel verwehrt, damit sie nicht auf den Gedanken kamen und Maulaffen feilzuhalten. Ich hingegen beobachtete sie, warm angezogen, mit einem stillen Wehklagen. Nicht dass mich die harten Maßnahmen meiner Mutter den Sklaven gegenüber berührt hätte. Ich trauerte dem Sommer nach, der nun endlich gegangen war und sein goldenes Licht mitgenommen hatte. Zurück war ein grau in grau geblieben und die Monotonie des Spielzimmers. Hätte ich noch letzten Winter mein Spielzeug gegenüber jedem fremden Eindringling verteidigt, so war es mir diesen Herbst völlig einerlei. Selbst Amalthea erntete nur noch mäßige Aufmerksamkeit, wenn sie mir aus meinen Kinderbüchern vorlas. War das der endgültige Übergang, hinüber in die Welt der Erwachsenen? Ich war zwölf. In wenigen Tagen würde ich dreizehn sein.
[Aquileia] Villa Horatia | Eine Tochter aus gutem Hause
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Trotz meines fortschreitenden Alters behielt ich jedoch meinen Forscherdrang.
Schon von klein auf, eigentlich seitdem ich mich selbst fortbewegen konnte, war nichts mehr vor mir sicher gewesen. Anfangs waren es ganz banale Dinge gewesen, die meine Aufmerksamkeit erregten und die ich dann mit allen Sinnen zu erfassen begann. Später waren es jene Dinge gewesen, die nicht in meiner gewohnten Umgebung anzutreffen waren. Dazu zählten Pflanzen und Tiere, die ich im Garten fand. Schon bald aber verlor die Flora ihre Faszination, da es Geduld und Beharrlichkeit vorausgesetzt hätte, ihre Veränderungen zu beobachten. Zum Leidwesen meiner Kinderfrau schleppte ich dafür bald die unappetitlichsten Kreaturen mit in mein Cubiculum und in das Spielzimmer, um ihnen dort für die Zeit meiner Forschungen Unterschlupf zu gewähren. Die Metaphysik eines Regenwurms zum Beispiel , beschäftigte mich viele Wochen. Etliche Exemplare waren meinen Untersuchungen zum Opfer gefallen.
Dem Regenwurm war der Frosch gefolgt und diesem eine tote Amsel , die ich im Garten gefunden hatte. Logischerweise musste nun die Fragestellung lauten, was geschieht mit dem Vogelkadaver, wenn er nicht der Erde oder den Flammen übergeben wurde. Um meine Untersuchungen nicht zu gefährden, hielt ich das Versuchsobjekt vor Amalthea gut versteckt. Dennoch konnte ich nicht den Verwesungsgeruch vermeiden, der sich nach einigen Tagen ausgebreitet hatte. Was letztlich dazu führte, dass ein dummer Sklave, dessen Aufgabe es war, mein Cubiculum zu reinigen, auf die sterblichen Überreste der Amsel stieß und diese voller Ekel entsorgte. Damit hatte der Sklave natürlich meinen Zorn auf sich gezogen. Denn nun würde es auf sich warten lassen, bis dass ich hinter das Geheimnis der Zersetzung des Tierkörpers kam. Den Sklaven setzte ihn auf meine imaginäre schwarze Liste. Um sich vor etwaigen Repressalien zu schützen hatte er mir versrechen müssen, über den grausigen Fund gegenüber Amalthea oder gar meiner Mutter Stillschweigen zu bewahren. Aber auch ich hatte dadurch erkennen müssen, dass sich das eigene Cubiculum nicht als Laboratorium eignete.
Ab einem gewissen Zeitpunkt, der mit meiner eigenen Metamorphose konform ging, trieb meine Mutter meine Erziehung in eine bestimmte Richtung voran. Sie hatte schon immer nur wenig für meinen Wissensdurst übrig. Die Interessen eines Mädchens seien anders gelagert, meinte sie. Handarbeiten zum Beispiel, wären eine Beschäftigung, die nützlich sei und meinem Stande mehr entspräche. Eine Frau, die nicht weben könne, würde es im Leben zu nichts bringen! Dabei hatte ich meine Mutter niemals auch nur in der Nähe eines Webstuhls gesehen. Doch ihr Wort war Gesetz!
Ausgerechnet Amalthea war es, die mir das weben beibringen sollte. Meine liebe gute Amalthea! Wenn ich jemals meiner Mutter etwas übel genommen hatte, dann dies. Denn sie wusste genau, gegen Amalthea würde ich mich nicht widersetzen. So lernte ich also die Kunst des Webens, doch meine Forschungen ließ ich deshalb nicht außer Acht.
Zu Beginn des letztjährigen Sommer aber hatte eine ganz andere Spezies meine Aufmerksamkeit erregt. Die Zeit, die ich im Garten der Villa verbrachte, wurde wie immer auf ein Maximum ausgeweitet. Fraglos war es sehr angenehm, inmitten des duftenden Blumenmeeres zu spielen. Sich hinter alten dicken Zypressen zu verstecken und den in der Luft tanzenden Insekten zuzusehen. Stets wehte eine frische salzige Briese vom Meer herkommend, was die Hitze der Nachmittagsstunden erträglich machte. Die lauen Abende waren lange hell. Zu hell, um früh schlafen zu gehen. So konnte ich meine Mutter davon überzeugen, nach der Cena noch etwas aufbleiben zu dürfen. Wo konnte man einen lauen Sommerabend besser verbringen als draußen im Garten? Genau die gleiche Idee hatten auch einige Sklaven, die sich nach getaner Arbeit noch etwas hinausstahlen. Lautlosen Schrittes war ich ihnen gefolgt und beobachtete den jungen Mann und die junge Frau hinter einer dichten Hecke, die allerdings nicht dicht genug war und mir so einige Einblicke in das sklavische Zusammensein boten. Dass ich mich des Voyeurismus schuldig machte, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Denn erstens waren es nur Sklaven und zweitens diente es lediglich der Befriedigung meiner eigenen Neugier. Solche Handlungen waren mir bis dato unbekannt gewesen.
Die beiden unterhielten sich in einer für mich fremden Sprache, was die Sache dadurch nur noch undurchsichtiger machte. Dann küssten sie sich, doch nicht so, wie Amalthea mich küsste oder ich meine Mutter. Im großen und ganzen wirkte das, was darauf folgte sehr unappetitlich und barbarisch, was in mir die Frage auslöste, ob Sklaven doch eher Tiere als Menschen waren. Dennoch konnte ich eine gewisse Faszination nicht verleugnen.
Als die Sklavin zu Beginn des Winters ein kleines Bäuchlein vor sich herschob, fragte ich mich, ob das eine mit dem anderen etwas zu tun hatte. Und als im darauffolgenden Frühling ein kleines Sklavenkind zur Welt kam, war ich mir ganz sicher. Schon lange glaubte ich nicht mehr an die Ammenmärchen Amaltheas, die mir als Kind weismachen wollte, ein gewisser Klapperstorch brächte die kleinen Kinder. Bereits im zarten Alter von sechs Jahren hatte ich vermutet, dass viel mehr dahinterstecken musste, als nur ein alberner Weißstorch der mit einem windelbepackten Etwas durch die Lüfte glitt.
Meine Kinderfrau reagierte sichtlich nervös, als ich sie mit meinen Fragen konfrontierte. Mit hochrotem Kopf rang sie nach Worten, die aber einfach nicht über ihre Lippen kommen wollten. Und sie kamen auch nicht an diesem Tag. Den Tag darauf auch nicht und die Woche danach ebenfalls nicht. Amalthea verstand es, meine Gedanken in eine andere Richtung zu führen.
Dann kam der Sommer und mein Drang nach draußen war stärker als die Frage nach der Fortpflanzung von Sklaven. Erst in den letzten Tagen, als der Herbst seine kühle Schulter zeigte und ich im Hause bleiben musste, erinnerte ich mich an den Vorfall mit den beiden Sklaven wieder. Aber auch diesmal bediente sich Amalthea einer geschickten Taktik, mich auf andere Gedanken zu bringen. Die Aussicht auf meinen nahenden Geburtstag war es, die mich nun packte. Irgendwie spürte ich, dass dieser Geburtstag anders werden würde. als die zwölf vorangegangen. Und ich sollte recht behalten! -
Die Dreizehn ist eine natürliche Zahl zwischen Zwölf und Vierzehn. Zudem zählt man sie zu den Primzahlen, was nichts anderes bedeutet, als das die Dreizehn lediglich durch sich selbst teilbar ist. Wie es allerdings war, wenn man endlich dreizehn Jahre alt wurde, hatte ich in keinem Buch nachlesen können. Das musste ich schon selbst herausfinden.
Am Abend vor meinem Geburtstag, ging ich mit einer Gelassenheit zu Bett, die Amalthea nur erstaunen konnte. "Ist etwas mit dir, Kind? Freust du dich denn nicht?", hatte sie mich gefragt, da sie bereits befürchten musste, mich plage ein Leid. Aber ich antwortete nur gelangweilt "Nein." Im Grunde war es doch jedes Jahr dasselbe. Man hatte Geburtstag; man wurde ein Jahr älter; alle beglückwünschten einem ; man bekam haufenweise Geschenke, was in meinem Fall bisher immer Puppen gewesen waren. Ganz so, als ob es nichts anderes gab, womit man mir eine Freude machen konnte. Im Gegensatz zu normalen Tagen, gab sich meine Mutter etwas mehr mit mir ab und wenn es ganz dumm lief, kamen auch noch eine Schar Verwandte, mütterlicherseits verstand sich. Von meinem Vater würde auch in diesem Jahr jede Spur fehlen. Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte. Doch ausgerechnet an meinem Geburtstag wurde mir immer schmerzlich bewusst, dass er irgendwo war, nur nicht bei mir.
Also gab es keinen Grund, am Vorabend zu meinem dreizehnten Geburtstag in Hysterie zu verfallen.
Anders war es dann am nächsten Morgen. Nun freute ich mich doch auf die Geschenke, das leckere Essen und die kleine Feier, die meine Mutter für mich ausrichten ließ. Ich konnte es kaum erwarten, bis endlich Amalthea in mein Zimmer kam, um mich zu wecken. Wobei das gar nicht mehr nötig gewesen wäre, denn wach war ich schon seit einer ganzen Weile. Aber eine junge Dame meines Standes konnte sich unmöglich alleine waschen und anziehen, sich die Haare machen und was sonst noch alles dazu gehörte.
Endlich kam sie dann auch, um das allmorgendliche Ritual zu vollziehen. Nur diesmal hatte sie ein kleines Päckchen für mich, um welches eine rote Schleife gebunden war. Selbstredend konnte ich mich nicht lange zurückhalten. Schnell war die Schleife entfernt und das Päckchen geöffnet. Zum Vorschein kamen einige in einem Tuch eingewickelte Pflanzensamen zum Vorschein, welche Amalthea so kommentierte, ich könne die Samen im kommenden Frühling aussäen, um herauszufinden, wie Pflanzen wuchsen. Dies sei nicht weitaus so unappetitlich, als das Sezieren von toten Tieren. Natürlich freute ich mich, über ihr Geschenk, wenigstens eine, die meine Interessen würdigte.
Anschließend sorgte meine Kinderfrau dafür, dass ich ordentlich gewaschen und gekleidet wurde und ich letztendlich bereit war, für meinen dreizehnten Geburtstag und alles, was damit einherging. -
Was auch immer für Domitillas dreizehnten Geburtstag noch geplant war: es sollte nie stattfinden. Denn noch im Laufe des Vormittags erschienen Reiter bei der Villa Horatia. Sie waren gut gekleidet, und nichts deutete darauf hin, dass sie einen längeren Ritt hinter sich hatten. Ihr Auftritt hier war wohl geplant, und ihre Anweisungen deutlich. Entsprechend waren sie bereits vor zwei Tagen eingetroffen, um alles vorzubereiten – und ihrer Ankunft bei der Villa Horatia den passenden Flair geben zu können, der da sicherlich nicht beinhaltete den Eindruck zu erwecken, als sei die Entscheidungsgrundlage für diesen Besuch überstürzt getroffen worden. Vielmehr, so war ihnen eingeschärft worden, habe ihre Anwesenheit vor allem eines zu vermitteln: dass die Horatia, auch wenn sie das wohl geglaubt haben mochte, in all den Jahren nie vergessen worden war – und niemals wirklich unbeobachtet.
Ein forsches Klopfen und ein paar deutliche Worte gewährten ihnen Einlass, und dort, im Atrium, wurde nach Horatia Lepida sowie Flavia Domitilla verlangt. Der Mutter, als sie eintraf, wurde vom offenkundigen Wortführer der drei, die das Haus betreten hatten, ein respektvolles Nicken entgegen gebracht. „Salve, Horatia Lepida. Ich habe eine Botschaft für dich.“ Ohne weiteres Federlesens überreichte er ihr eine versiegelte Schriftrolle und wartete dann zunächst ab, bis die Frau das Siegel gebrochen und die Botschaft gelesen haben würde.
Lepida, Schätzchen, nach langen Jahren, in denen du nichts von mir gehört hast, ist es nun an der Zeit. Sicherlich bist du trotz der Ruhe, die ich dir gegönnt habe, nicht davon ausgegangen, ich hätte dich vergessen – oder meine Tochter. Domitilla ist nun dreizehn, womit ich sie weit länger in deiner Obhut gelassen habe als üblich ist. Du weißt, dass ich das nur dir und der Erinnerung unserer gemeinsamen Zeit – an die ich wirklich gern zurückdenke, vor allem an gewisse... Fähigkeiten von dir – zuliebe geduldet habe. Aber nun, wo das Mädel in das Alter kommt, in dem sie gewinnbringend verheiratet werden kann, ist es an der Zeit, dass sie zu ihrer Familie kommt. Sie muss lernen, was es heißt, eine Flavia zu sein, bevor sie eine standesgemäße Ehe eingeht.
Die Männer, die dir diese Botschaft überbringen, haben den Auftrag, Domitilla mitzunehmen. Sie werden sie nach Rom bringen, wo ich mich derzeit aufhalte. Ob die Kleine dort dann gleich bleibt oder mit mir nach Ravenna kommen wird, entscheide ich, wenn ich abreise. Vorher möchte ich sie kennen lernen und beurteilen, wie weit das Mädchen ist. Ach ja, und richte meiner Tochter schöne Grüße aus. Ich freue mich auf sie.
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P.S.: Ich denke es ist nicht nötig, dich daran zu erinnern, dass du keine Wahl hast als meinem Wunsch nachzukommen. Dennoch, unter alten Freunden sei mir die Freude vergönnt, dich in diesem Schreiben darauf hinzuweisen: Schätzchen, du hast keine Wahl.
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Es schallte ein lautes, bedrohliches Donnerhallen durch die Gänge der Villa, dessen Ursprung unverkennbar das atrium der Villa war, zu dem ich mich in Begleitung Amaltheas begeben wollte. Nichts ahnend, was der Grund für den Zorn meiner Mutter war, setzte ich meinen Weg fort. Wutentbrannt schimpfend setzte sie ihre Tirade fort und ließ ihren Unmut an jedem Sklaven aus, der sich nicht rechtzeitig vor ihr in Sicherheit bringen konnte. Je mehr ich mich den atrium näherte, umso mehr drangen die einzelnen Wortfetzen an meine Ohren, deren Sinn mir jedoch vorerst verborgen blieb. Mir deuchte nur, dass es mein Vater war, der ihren Zorn entfacht hatte. Er war doch nicht etwa hier?
Einer jener flüchtigen Sklaven aus dem atrium begegnete uns unterwegs, der dann auch prompt vom meiner Kinderfrau zur Rede gestellt wurde. Es war nicht einfach, aus den wild geschnauften und angstvoll hervorgebrachten Worten etwas sinnvolles herauszufiltern.
Fremde seien gekommen, mit einer Nachricht für meine Mutter. Angeblich von meinem Vater. Doch damit noch nicht genug! Die fremden Reiter hatten den Auftrag, mich mitzunehmen. Nach Rom!
Das musste sich erst ein Mal setzen…. Rom! Die urbs aeterna! Ich! Rom!
Den immer noch zitternden Sklaven ließ ich stehen und eilte freudestrahlend davon, zu meiner Mutter ins atrium. Amalthea hatte Mühe, mir zu folgen, doch sie erreichte mich noch rechtzeitig, bevor ich es wagte, meine Mutter anzusprechen.
"Ist es wahr, Mama? Ist es wirklich wahr? Ich darf nach Rom?" Noch bevor die letzte Silbe der kindlichen Frage verhallt war, verstummte meine Mutter. Nein, sie erstarrte zu Eis! Lediglich ihre Augen verengten sich. Wie hatte ich ihr nur so in den Rücken fallen können! Doch nicht ich war es, an dem sie ihre Wut ausließ. Amalthea, die bis dahin unantastbar gewesen war, wurde zum ersten Mal, seitdem ich denken konnte, Ziel ihres unbändigen Zornes. Schneller als die alte Griechin schauen konnte, hatte sie einige saftige Ohrfeigen von meiner Mutter geerntet. Nur mein Schreien und Jammern hielt sie davon ab, noch schlimmeres mit Amalthea anzustellen.
"Pack ihre Sachen! Ihr fahrt heute noch ab!", zischte sie kalt, nachdem sie sich wieder in der Gewalt hatte. Dann ließ sie mich mit der alten Griechin stehen und verschwand in einem der Zimmer.
Binnen weniger Stunden waren meine Sachen gepackt. Meine Kleider, mein Schmuck, meine Bücher, meine Puppen und alles, was sonst noch wichtig war.
Wie betäubt stand meine Mutter im Hof da, als ich sie zum Abschied umarmen und ihr einen Kuss auf die Wange drücken wollte. Einige Tränen vergoss ich doch, obwohl ich im Inneren jubelte. Endlich weg von hier! Noch glaubte ich, der Abschied sei nicht für immer.
Dann bestieg ich den Reisewagen, der in der Zwischenzeit bereitgestellt worden war, und nach mir auch Amalthea, meine gute alte Kinderfrau. Ein letzter Blick zurück, der auf meine Mutter fiel, als der Wagen zum Hof hinausfuhr, eskortiert von den Reitern, die mein Vater geschickt hatte. Dann entfernten wir uns immer mehr von der Villa, die so viele lange Jahre mein Zuhause gewesen war, bis sie nur noch ein winziger Punkt in der Ferne war.
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