[Nemi] Inquisitio Pontificium

  • Außerhalb Roms mit seinen bisweilen eng bebauten Flächen, den mehrere Stockwerke in die Höhe reichenden insulae und dichtgedrängten Grundstücken schien Gracchus das ländliche Italia stets recht verschwenderisch, ein wenig zu weitläufig und zu endlos gar, als dass er sich dort auf Dauer hätte wohl fühlen können, was insbesondere wohl auch an den weiten Entfernungen lag, welche durch Wiesen, Felder und Wälder hindurch waren zurückzulegen - obgleich die Fortbewegung zu Pferde Gracchus durchaus behagte - respektive früher einmal hatte behagt. Es mochte für einen Pontifex eine nicht gar so standesgemäße Art der Translokation sein, doch war in diesem Falle Eile geboten, und schlussendlich war das Pferd noch immer die schnellste Möglichkeit des Transportes, so dass Gracchus auch zum Wohle des Imperium Romanum die müde, strapazierte Muskulatur in seinem Gesäß und seinen Schenkeln ignorierte, und den Ritt nach Nemi durchaus ein wenig genoss. Einem gläsernen Teller gleich lag der See still und kühl zum späten Mittag des Tages vor ihm, die glänzende Oberfläche nur ab und an durchbrochen durch ein kleines Segelboot. Selbst zu dieser Jahreszeit tummelten sich noch Menschen an seinen Ufern, um zu spazieren, zu picknicken oder in erholsamem Nichtstun zu verweilen - gar zu schwimmen waren noch einige gekommen –, ganz so als wäre nicht einige Meilen entfernt ein gravierender Frevel begangen worden. Wäre die Angelegenheit, deretwegen er hier war, nicht derart dringlich gewesen, und stünde nicht in Aussicht, einen Leichnam nach Rom zu überführen, wohl hätte auch Gracchus Gemahlin und Sohn mit nach Nemi nehmen mögen, einige Tage Rom Rom, die Pflicht Pflicht und die Welt Welt sein lassen. Doch der Zorn der Götter schwebte über dem Land, dass keine Zeit war für solcherlei Müßiggang, dass Gracchus den See unbeachtet ließ und den Weg zum Tempel der Diana hin einschlug. Während dort Sciurus ihm vom Rücken des Pferdes half und mit den Händen ein wenig den Staub von Gracchus' Reisemantel bürstete, eilte einer der beiden Calatores, welche ihn begleiteten, zur Pforte des Tempels, um den Senator et Pontifex Flavius Gracchus aus Rom anzukündigen und nach dem Rex Nemorensis schicken zu lassen.

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    Artanes



    Es war noch nicht allzu viel Zeit vergangen, seit Artanes selbst aus Rom zurück gekehrt und sofort in den Tempel geeilt war, dessen Sicherheit schließlich seine maßgebliche Aufgabe war, und den er, wenn auch aus verständlichen Gründen, bereits lang genug in der Obhut Anderer gelassen hatte. Die wenigen Stunden seit seiner Rückkehr hatten kaum gereicht, um ein wenig nach dem Rechten zu sehen und mit seinen überlebenden Gehilfen zu sprechen, doch als ihm die Ankunft des Pontifex Flavius Gracchus gemeldet wurde, eilte der Rex Nemorensis direkt zur Pforte, um seinen Besucher persönlich in Empfang zu nehmen.


    "Pontifex Flavius," grüßte er mit dem seinem Gegenüber gebührenden Respekt, ohne dabei allzu unterwürfig aufzutreten, "ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt, aber ich bin aufrichtig froh, dass du so schnell hierher kommen konntest."

  • "Salve, Rex Nemorensis"
    , erwiderte Gracchus die Begrüßung förmlich, den Namen des Mannes, welchen sein Vilicus ihm hatte zuvor auf der Reise zwar genannt, welchen er jedoch bereits wieder hatte vergessen, aussparend, da doch ohnehin sein Amt das einzige war, was diesen Mann berechtigte, angesprochen zu werden.
    "Andere Umstände wären mir ebenfalls weitaus willkommener, um dies Heiligtum zu visitieren."
    Selbstredend intendierte er nicht darauf, als durch eine absurde Wendung des Schicksals in Gefangenschaft geratener Sklave Zuflucht im Hain der Diana zu suchen, auch nicht in Begleitung seiner Gemahlin ob deren permanenter Kinderlosigkeit die Göttin um Hilfe anzuflehen - doch schlussendlich war Diana auch Göttin der Jagd, und in eben dieser Rolle mochte Gracchus durchaus ihre Gunst erbitten, obgleich jene Zeiten, in welchen er zur Jagd geritten war, deplorablerweise seit langem bereits zurück lagen. Einige Augenblicke drohte gar Gracchus ob dieses Umstandes in sentimentale Ressentiments abzudriften, ehedem er sich auf seine Pflicht besann.
    "Wurde der Tempel ebenfalls in Mitleiden..schaft gezogen? Sonstig würde ich mir gerne direkt ein Bild vom Ausmaß des Unheils im Hain der Diana machen."
    Einige Meilen vor Nemi hatten sie noch einmal in einer kleinen Taberna eine kurze Rast eingelegt, so dass Gracchus vor Ort keinerlei Zeit wollte verschwenden und alsbald zur Tat schreiten.

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    Artanes


    Als der Pontifex den Tempel erwähnte, hatte sich Artanes automatisch zu der geöffneten Porta in seinem Rücken umgedreht, schüttelte dann jedoch schnell den Kopf und machte eine Bewegung hin zu den Bäumen des Hains.


    "Nein, der Tempel selbst ist unversehrt. Der Unwille der Göttin hat ausschließlich den Hain selbst getroffen, vielleicht weil auch der Frevel dort verübt worden ist." Er trat am Flavier vorbei ins Freie und machte ein paar Schritte auf die nächstgelegenen Bäume zu, zwischen denen etliche verhüllte Körper zu sehen waren.


    "Dort vorn haben wir die Leichen derer gesammelt, die durch die Rinderherde zu Tode gekommen sind. Die leichter Verletzten sind zum größten Teil bereits wieder in die Stadt zurück gekehrt, aber von den übrigen befinden sich noch einige im Tempel und werden dort so gut, wie es uns möglich ist, versorgt."

  • Neben dem Rex Nemorensis trat Gracchus zu den Bäumen hin, folgte dessen Worten zu jenem Areal, in welchem noch immer zahllose Tücher und Decken vom Ausmaß der Katastrophe kündeten. Er wusste nicht genau, was er erwartete, doch bei näherer Betrachtung war die Realität fern jener Vorstellungen, welche in seinem Geiste vorherrschten: fein säuberlich aufgebahrte, gewaschen und gesalbte Leichname, welche mehr friedlich schlafenden Lebenden oder allfällig reglosen Statuen glichen denn Toten. Im Hain von Nemi indes waren es zu viele, zu viele Verletzte zudem, als dass bereits alle Toten nach römischem Ritus waren versorgt worden. Obgleich sie nicht in ihrer Gänze zu sehen waren, war es allfällig gerade dies, was die Realität weit realer ließ scheinen als jede Vorstellung - die in halbwegs menschlicher Form ausgebeulten Tücher, an manchen Stellen von Blut durchtränkt, das in einem rostfarbenen Rotton getrocknet war und mit den Spuren der Erde aus dem Hain sich vermischt hatte; die Strähnen aus glanzlosem, dunklem Haar, welche unter einem der Tücher heraus lugten, zur Seite eines anderen eine merkwürdig verkrümmte Hand, zwei bleiche, unverhüllte Füße unter dem nächsten; dazwischen eine viel zu kleine Erhebung, die auf ein totes Kind schließen ließ - und vergessen war dabei, dass ein Sklavenkind nicht menschlicher war als ein Sklave, denn kaum mehr gereichte Gracchus' Verstand dazu, dies rational zu betrachten. Während all die kleinen Details des unnatürlichen Sterbens, des gewaltsamen, des übermäßigen Todes allmählich in seine Sinne sickerten, drang auch die Erkenntnis in ihm vor, dass jener seltsame Geruch, welcher sie umhüllte, nicht aus den Schalen stammte, in welchen Räucherung verbrannt wurde, dass von dort nur der zarte Hauch nach Salbeiblättern entstieg, der übrige Odeur indes den Leichen entströmte - kein verwesender Gestank, dafür war es zu früh, doch eine Mischung aus Blut und Angstschweiß, aus Sterben und allmählichem Zergehen, der übel riechende Atem aus dem Maul des gierigen Todes, wiewohl der untrügliche Geruch nach rastlosen Geistern. Abrupt dem Leben entrissen mussten sie zahllos hier umherirren, jene Genii und Iunones der Verstorbenen, desorientiert und zornig allfällig, weitaus zorniger über den Frevel gar als die Lebenden, da sie ob dessen ihren Tod hatten gefunden. Wenn nicht bereits Anblick, Eindruck und Spintisieren dazu hätte gereicht, jener letzte Gedanke war es, welcher schlussendlich das unwohlige Wühlen in Gracchus' Magen zum Überschäumen brachte, dass einem brodelnden Vulkane gleich in ihm eine Eruption sich ankündigte. Gracchus hob seinen linken Handrücken vor den Mund, murmelte ein undeutliches
    "Ent..schuldige mich bitte einen Augen..blick ..."
    zu Artanes hin und eilte sich, halbwegs gemessenen Schrittes zurück auf den Weg zu treten und dort am Rande Halt zu suchen an einem starken Baum, welcher Dianas Zorn gänzlich unbeschadet hatte überstanden - allfällig da er nicht mehr Teil des heiligen Haines war. Mit geschlossenen Augen suchte er frische, reine Luft durch seine Nase hinab zu ziehen und damit den grollenden Vulkan in seinem Inneren erkalten zu lassen, doch letztlich führte kein Weg daran vorbei, in die Hocke sich sinken und dem Unwohlsein freien Lauf zu lassen, welches indes nicht allzu reichhaltig sich zeigte, da er seit den Morgenstunden nicht sonderlich viel hatte gegessen und nur Wasser mit einem Hauch von Wein hatte getrunken, dass es mehr einem Nachaußenstülpen des Innersten glich, was die Angelegenheit gleichsam kaum angenehmer werden ließ. Als er sich - nach einer gefühlten Endlosigkeit, tatsächlich jedoch nur kurzen Dauer - wieder halbwegs aufrichtete, stand bereits Sciurus hinter Gracchus und reichte ihm ein Tuch an, wiewohl kurz darauf einer der Calatores mit einem tönernen Becher Wasser aus dem Tempel zurückkehrte, welchen der Vilicus beim ersten Anzeichen der Übelkeit seines Herrn dorthin hatte entsandt. Überaus blass um die Nase wischte Gracchus mit dem Tuch sich um den Mund, spülte ihn mit einem Schluck Wasser, ehedem er einen weiteren vorsichtig seine Kehle hinabrinnen ließ, sich dabei nicht nur fragte, weshalb bei allen Göttern er sich hatte freiwillig für diese Pflicht gemeldet, sondern gleichsam seinem Leibe zürnte, welcher wieder einmal sich gänzlich über seinen Willen hatte hinweg gesetzt, ohne dass letzterer auch nur das geringste hatte dem entgegen setzen können. Allen Rest seiner Contenance sammelnd, die Schultern aufrecht und den Kopf gerade, nahm er noch einmal einen tiefen Zug frischer Luft und kehrte zurück zu dem wartenden Rex Nemorensis.
    "Verzeih, doch dies Ausmaß übersteigt jede Befür'htung."
    Er trat einen Schritt an Artanes vorbei, dessen Blick auszuweichen und einen neuerlichen Anlauf in den Hain hinein zu unternehmen, diesmalig jedoch direkt zur Seite des Tempels hin ohne an den Toten vorbei zu gehen. Auch der Wald selbst bot einen deplorablen Anblick, doch waren Gracchus gebrochene Zweige, geknickte Äste und quer liegende Bäume weitaus leichter zu ertragen denn tote Leiber.
    "Kannst du mir jene Stelle weisen, an welcher der Frevel begangen wurde?"
    Es war durchaus unwahrscheinlich, doch allfällig würde sich dort noch ein Hinweis finden auf den Frevler.

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    Artanes


    Mit äusserlich unbewegtem Gesicht beobachtete Artanes, wie der flavische Pontifex die Reihen der Toten abschritt und sich dann anschließend übergab. Ein wenig zartbesaitet kam ihm diese Reaktion schon vor, aber was ging es ihn schon an, wie ein Patrizier, der vermutlich Zeit seines Lebens von Luxus und Wohlgerüchen umgeben gewesen war, beim Anblick all dieser zertrampelten und bereits in Verwesung übergehenden Leiber empfinden mochte.


    "Ja, das kann ich mir vorstellen." entgegnete er daher nur auf die Anmerkung des Flavius. "Weil wir gerade mit der Opferzeremonie beginnen wollten, war der Hain überfüllt mit Menschen, und nur die wenigsten haben es geschafft rechtzeitig zu fliehen, als diese Rinder plötzlich aus dem Nichts auftauchten." Als die Erinnerung an die vorherige Nacht wieder vor seinem inneren Auge auftauchte, glitt Artanes' Blick ein wenig geistesabwesend zwischen den Bäumen hin und her, dann jedoch nickte er mit einem bitteren Zug um den Mund.


    "Und ob ich das kann. Nur die Götter wissen, wie lange ich dieses Amt noch innehaben werde, aber diese Stelle werde ganz sicher nie mehr vergessen, die hat sich für immer und ewig in mein Hirn eingebrannt." Er bedeutete dem Pontifex ihm zu folgen und bewegte sich dann ohne zu zögern einige Meter von den übrigen Leichen hinweg, bis sie plötzlich vor einer einzelnen, ebenfalls mit einem Tuch verhüllten Gestalt am Boden zu stehen kamen. "Genau hier ist es gewesen, und wie du siehst, ist sogar der Ermordete noch da, obwohl auch er von den Rindern noch einiges abgekommen hat, was ihn allerdings wohl kaum noch beindruckt haben dürfte. Keiner meiner Gehilfen war dazu zu bewegen, diesen Mann zu berühren und ihn zu den anderen zu tragen, da er ja offensichtlich an dem Frevel beteiligt war."

  • Mochte er auch nicht weit herumgekommen sein und nicht sonderlich viel Außergewöhnliches oder Spektakuläres gesehen haben in seinem Leben, Gracchus' Phantasie war um so ausgeprägter, war er doch bereits als Junge in Gedanken den Helden und Heroen auf ihren Odysseen und Abenteuern durch griechische und römischen Epen hindurch gefolgt, so dass während sie den Ort des Geschehens aufsuchten er einige Augenblicke sich vorzustellen suchte wie eine Rinderherde durch diesen Wald hindurch donnerte, wie die Erde beben musste unter ihren Hufen, Stämme zur Seite knickten und Knochen Zweigen gleich brachen. In seiner Vorstellung hatte der Himmel sich dabei verdunkelt, einem düster schwarzfarbenen Tuche gleich, allfällig chargierend in feuriges Rot, und aus dem Dröhnen der Hufe musste ein dumpfer Paukenschlag sich erhoben haben, ganz ähnlich wie dies bei Aufführungen katastrophaler Ereignisse im Theater geschah. Fleckig war das Tuch, vor welchem sie zu stehen kamen, eine Wölbung auf dem Grund einem angedeuteten Hügel auf dem Bühnenparkett gleich, Abglanz eines vergangenen Lebens, das nurmehr bestimmt war, den gierigen Zorn Roms zu besänftigen.
    "Ihr brau'ht euch nicht weiter um ihn zu kümmern, ich werde ihn mit nach Rom nehmen"
    , entschloss Gracchus aus einem halbwegs spontanen Einfall heraus. Originär hatte er die Leiche des Mörders nach Rom bringen wollen, doch letztlich würde es vollkommen egal sein, ob und was der einstig Lebendige getan hatte - da ohnehin niemand wusste, was genau geschehen war, würde es ausreichen 'den Frevler' zu präsentieren. Und so doch irgendwer, der in Nemi zugegen gewesen war, ihn an seinem Kreuz würde hängen sehen und erkennen, so würde er nur um so überzeugter bestätigen, dass dieser Mann an dem Frevel beteiligt gewesen war. Selbstredend würde auch Gracchus den Leichnam nicht berühren - doch nicht etwa aus Furcht, obgleich ihm bei der Vorstellung allein bereits ebenfalls unwohl war, sondern da er für eben diese Aufgabe die Calatores und seinen Vilicus hatte bei sich. Ein wenig zur Seite des Toten ging er langsam in die Hocke, den Grund genauer zu inspizieren, berührte mit den Fingerspitzen die Spuren des göttlichen Zornes, doch das Gras war an allen Stellen hernieder gedrückt, Zweige allenthalben gebrochen, dass sich kaum noch irgendwelche Spuren des eigentlichen Geschehens würden dort ablesen lassen, geschweige denn Fußabdrücke finden. Ein wenig schwerfällig erhob er sich, wandte sich wieder Artanes zu.
    "Nachdem du das Opfer abgebro'hen hast, wie genau stellte die Szene sich dar als du diesen Ort erreichtest? Hast du irgendwo die Mordwaffe gesehen? Was hat mei... was hat die Frau getan, die beteiligt war? Gab es Hinweise, dass sie tatsächlich ge..schändet wurde, oder mochte der Akt unterbrochen worden sein, ehedem er geschah? Hat allfällig sogar sie den Wüstling geri'htet, ehedem er sie verletzen konnte?"
    Auf der Reise nach Nemi hatte Gracchus ausreichend Gelegenheit gefunden, über den Hergang des Geschehens zu sinnieren, und es gab durchaus Varianten, welche ihm besser gefielen als andere. Zwar suchte er stets der Wahrheit entgegen zu streben, hielt sie als eines der höchsten Güter, doch war die Familie gleichsam bedeutender und die Wahrheit deren Wohl hernachzustellen, und auch Celerinas Reaktion ließ sich in all diesen Variationen stets begründen. Selbst wenn ihr Leib unangetastet geblieben sein mochte, so würde allein die Verwicklung in diese frevlerische Absicht, welche den Zorn der Göttin hatte herausgefordert, Celerina dazu bewogen haben, ihrem Leben ein Ende zu setzen, um die Familie zu schützen, ihren Namen nicht allenthalben durch den Schmutz zu ziehen. Er bewunderte seine Nichte für diese Tat und wünschte sich, im passenden Augenblicke nur einen Teil dieser Stärke ebenfalls in sich zu verspüren - wusste jedoch sogleich, dass dieser Augenblick längst vorüber war, er diese Stärke nicht besessen hatte, nicht besaß und wohl niemals würde besitzen, wiewohl er gleichsam sich wunderte, dass ohnehin nichts daraus war resultiert, dass allfällig das kollektive Gedächtnis des Imperium weit weniger Indignation in sich barg als er stets fürchtete.

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    Artanes



    Artanes, dessen Gedanken wieder zu den Ereignissen der verhängnisvollen Nacht zurückgeschweift waren, während der Pontifex die Leiche inspizierte, hob überrascht den Kopf. "Du willst ihn mitnehmen? Nun, mir und meinen Männern soll es recht sein, ich denke, wir werden uns alle wohler fühlen, wenn er nicht mehr hier ist. Auch wenn jetzt schon nicht mehr allzu viel von ihm übrig ist..." Der Rex Nemorensis räusperte sich, ohne sich die Mühe zu machen seine Erleichterung ob dieser Ankündigung zu verbergen und kratzte sich dann nachdenklich am Hinterkopf, während sich seine Stirn in Falten legte. "Also..."begann er schließlich die Frage des Flaviers zu beantworten "...zuerst war da dieser Schrei von der Frau. Glaub mir, Pontifex, ich habe schon so einiges in meinem Leben gesehen und gehört, aber bei diesem Schrei standen sogar mir die Haare zu Berge."Artanes räusperte sich erneut, diesmal aus Verlegenheit, weil er unbeabsichtigt eine Schwäche preisgegeben hatte. "Aus diesem Grund brach ich das Opfer sofort ab und kam hierher. Dieser Mann war bereits tot, daran bestand kein Zweifel. Seine Leiche war blutüberströmt, ebenso wie die Kleidung der Frau." Artanes verzog bei der Erinnerung leicht das Gesicht und kratzte sich erneut."Naja, sagen wir die paar Fetzen, die sie noch am Leibe trug, sie war nämlich so gut wie nackt. Und ob sie geschändet wurde..." Er zuckte gleichmütig die Achseln. "Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht, Pontifex. Sie war völlig aufgelöst und hat geweint, ja. Aber das Blut an ihrem Körper war seins und ihre Kleidung sah nicht zerissen aus." Ein erneutes Schulterzucken. "Andererseits war es dunkel, vielleicht hab ich auch etwas übersehen. An eine Waffe kann ich mich auf jeden Fall nicht erinnern, weder bei ihr noch bei einem ihrer Sklaven, aber einer von denen hat sofort behauptet, seine Herrin sei vergewaltigt worden. Sie selbst dagegen hat ausgesagt, ihr toter Begleiter sei ermordet worden und der Täter sofort geflohen."

  • Nur ein einziger, durchdringender Schrei. Mehr brauchte Gracchus nicht zu hören, um von der Unversehrtheit seiner Nichte überzeugt zu sein, denn sie war eine Flavia, und er kannte die Eigenheiten dieser Frauen viel zu gut. Um sich geschlagen hätte sie, gebissen und gekratzt, gekeifert und gezetert, gekrischen und gewütet, hätte ein Mann sie zu vergewaltigen versucht ohne sie vorher durch einen Schlag auf den Kopf außer Gefecht zu setzen oder sie in einen Rausch zu versetzen - was beides augenscheinlich nicht der Fall war gewesen, da sonst auch jener eine Schrei nicht ihren Mund hätte verlassen. Dass sie erst in diesem Augenblick in einer misslichen Lage aus einer Betäubung war erwacht, war gleichsam unwahrscheinlich, schien die Zeremonie doch erst begonnen zu haben, so dass der Zeitraum zu knapp war. Viel wahrscheinlicher schien es Gracchus, dass ein Mann zu ihr getreten, sie unflätig berührt und bedrängt, ihr in einer schnellen Bewegung die Tunika zerrissen hatte, dass der Sklave dazwischen getreten war, woraufhin der Mörder sein Tatwerkzeug nahm und seine Tat ausführte - dies alles in viel zu rascher Geschwindigkeit -, was den Schrei Celerinas hatte schlussendlich ausgelöst. Dass die Kleidung laut des Rex Nemoresis nicht zerfetzt war, ließ Gracchus dabei außer Acht - jener gab schlussendlich selbst zu, dass die Lichtverhältnisse nicht allzu gut gewesen waren und dass er sich täuschen konnte, wiewohl er letztlich nur ein entflohener Sklave war und im Auge des Patriziers auch in seiner kultischen Funktion stets ein solcher blieb. Zudem ergab alles andere keinen Sinn. Die Waffe musste der Mörder mit sich genommen haben, und mochte nicht bei einer der Leichen ein blutiges Mordutensil gefunden werden, so würde wohl jenes wie auch der Mörder niemals mehr gefunden werden. Gracchus seufzte leise.
    "Nun gut. Ich möchte noch in den Tempel, soweit möglich mit den Verletzten und Tempeldienern sprechen, ob allfällig einer von diesen sonstig eine Beoba'htung hat gemacht."


    Gemeinsam mit dem Rex Nemorensis kehrte Gracchus zurück zum Tempel, und während Sciurus und einer der Calatores den Leichnam des Sklaven sorgfältig in Decken verpackten und auf eines der Transportpferde luden, befragte er noch den ein oder anderen Zeugen, welche jedoch allesamt nur stets das gleiche in anderen Worten, keine Neuigkeiten oder überhaupt nichts hatten zu berichten. Als der Tag allmählich zu dämmern begann, verabschiedete Gracchus sich schlussendlich von Artanes mit der Zusicherung, dass das Collegium Pontificium von allen Ausmaßen des Geschehens und den dadurch erwachsenen Missständen würde unterrichtet werden, und dass Rom den Cultus in Nemi nicht würde alleine lassen oder gar vergessen. Im nahen Ort bezog er eine recht schmale, aber sauber und einigermaßen komfortabel eingerichtete Kammer in einer der örtlichen Tabernae, ließ sich ein karges Mahl für den Abend bringen - noch immer war sein Magen durch die Eindrücke des Tages ein wenig gereizt, dass er ohnehin nicht viel mochte essen - und begab sich früh zu Bett, ohne einen Gedanken daran, wo seine Begleiter den Toten hatten untergebracht - oder sich selbst-, weilten jene doch bei seiner toten Nichte Celerina. Obgleich die Umstände ihres Todes noch immer überaus bedauerlich waren, so beruhigte Gracchus doch ein wenig, dass ihr Leib unversehrt gewesen war, und sie letztlich nur den Weg einer Flavia hatte gewählt - bis zur letzten Konsequenz. Seinen Collegae im Collegium Pontificium indes würde er dies nicht näher ausführen, war es doch trotz allem besser, so Celerinas Name nicht allzu oft genannt wurde im Zusammenhang mit dem Frevel von Nemi.


    Früh am nächsten Morgen dann verließ die kleine Abordnung des Collegium Pontificum Nemi und brach nordwärts nach Rom auf, während im Westen sich dunkle Wolken über den Himmel schoben und von nahendem Regen kündeten.



    ~~~ finis ~~~

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