cubiculum SAL | Hochzeitsnacht

  • Als Nigrina langsam durch die geöffnete Tür trat, die in das Cubiculum ihres Mannes führte, bemerkte sie doch fast so etwas wie... Nervosität, auch wenn sie sich das weder anmerken ließ noch zugegeben hätte. Spätestens seit dem gestrigen Abend hatte bereits eine gewisse Unruhe von ihr Besitz ergriffen. Sicher, sie hatte sich auf die Hochzeit gefreut, sowohl auf die Feier wie auch auf die Tatsache, endlich verheiratet zu sein. Aber eben nicht, weil sie sich darauf freute ihr Leben künftig mit einem Mann zu teilen, an den sie sich anpassen musste, auch nicht, weil sie sonderlich erpicht darauf gewesen wäre, die Villa Flavia zu verlassen und in eine ihre fremde Villa zu ziehen, sich an eine ihr fremde Familie gewöhnen zu müssen, und schon gar nicht, weil sie für den Mann, der vom heutigen Tage an der ihre sein würde, in irgendeiner Form mehr empfand. Nein, sie hatte sich darauf gefreut, weil sie wusste, welchen Machtgewinn diese Ehe bedeutete, für ihre Familie und nicht zuletzt auch für sie – eine Matrona war nun mal anders angesehen als ein unverheiratetes Mädchen, gleich aus welcher Familie sie stammte. Und nun, immerhin... ihr Mann war zwar nicht das Familienoberhaupt der in Rom ansässigen Aurelier, aber sie war – derzeit jedenfalls – die einzige Matrona im Haus, was sie nicht nur symbolisch, sondern auch faktisch zur Herrin des gesamten Haushalts machte, solange der jetzige Legat der I. tatsächlich der Villa fernblieb und der andere Senator nicht heiratete.


    Wie auch immer: ganz tief in sich konnte Nigrina eine gewisse Nervosität nicht leugnen. Das Eheleben war einfach neu für sie, und auch das, was sie nun in der Nacht erwarten würde, war – auch wenn man sie ganz sicher nicht als so unerfahren bezeichnen konnte, wie es vielleicht eigentlich hätte sein sollen –, wie sie es ihrem Vater versprochen hatte neu für sie. Dennoch wusste sie genug, um sich auch darauf zu freuen, dass sich dies nun ändern würde, was jedoch nichts an dieser Grundnervosität änderte, die sie trotz allem spürte, und die sich bereits am Vorabend angekündigt hatte, als sie den üblichen Traditionen gefolgt war. Ein Spielzeug hatte sie verbrannt, das einzige, das sie noch aufgehoben hatte von früher, speziell für diesen Zweck; die Tunica recta angezogen, die in der Tat hervorragend gelungen war – kein Wunder, hatte Nigrina die daran arbeitende Sklavin doch peinlich genau überwacht; und all das andere, was dazu gehörte, der Wollgürtel, die Frisur, der Brautschleier. Eines musste Nigrina diesen Traditionen lassen: auch wenn sie das Potential hatten zu nerven, sie schafften es irgendwie, eine passende Stimmung zu kreieren. Und sogar die Nacht war halbwegs passabel verlaufen, weil Nigrina sich einen Dreck darum geschert hatte, was beim Schlafen kaputt ging an ihrer Frisur oder ähnliches. Am Morgen hatten sich einfach die Sklaven ihrer noch mal angenommen und alles so hergerichtet, wie es sein sollte. Die Feier indes war tatsächlich traditionell verlaufen, und – wie hätte es anders sein können – rauschend gewesen. Beider Familien absolut würdig. Kein Wunder, denn Nigrina hatte nichts, aber auch gar nichts, dem Zufall überlassen. Hatten die Sklaven bei der Vorbereitung der Verlobungsfeier noch geglaubt, schlimmer könnte es nicht kommen, so hatten sie bei den Hochzeitsvorbereitungen feststellen müssen, dass es sehr wohl noch schlimmer sein konnte. Deutlich schlimmer. Nigrina hatte sie – sowohl flavische wie auch aurelische, diesmal – übler angetrieben als ein Auriga sein Gespann, wenn es um Sieg oder Niederlage ging. Und sie hatte auch nicht lange gefackelt bei jenen, die auch nur den Anschein eines Widerworts gaben, oder eines Zweifels. Oder auch einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Der Aufwand hatte sich allerdings definitiv gelohnt, denn die Feier war im wahrsten Sinne des Wortes eine Traumhochzeit geworden, wie man sie sich vorstellte bei einem patrizischen Paar – gerade dann, wenn die Braut eine Flavia war.


    Und nun stand sie also hier, im Gemach ihres Gatten, ging vor ihm hinein, bis sie etwa die Mitte erreicht hatte, und begann dann langsam, mit ruhigen Bewegungen, den Schleier zu lösen, ohne sich zu ihm umzudrehen. Dies war einer der wenigen Momente, in denen sie um Worte verlegen war. Sie hatten bisher noch nie so wirklich Gelegenheit gehabt, miteinander zu sprechen – sicher, ein paar Worte hier und da, bei der Sponsalia, bei dem ein oder anderen Treffen in der Verlobungszeit, bei der Hochzeitsfeier... Aber es waren immer andere dabei gewesen, und gerade bei den Feiern war einfach zu viel los gewesen, als dass der Aurelius und sie sich tatsächlich einmal ausgiebiger miteinander hätten beschäftigen können. Kein Vergleich zu ihrem ersten Treffen im Theater. Nigrina drehte ihren Kopf leicht in seine Richtung, ohne ihren Körper der Bewegung folgen zu lassen, und löste den Schleier endgültig. „Kommt die Jagd also zu einem Ende“, murmelte sie, auf eben dieses erstes Treffen anspielend, das sie mit Abstand am reizvollsten empfunden hatte.

  • Andere Männer wären wohl berauscht gewesen von dem Fest, das in der Villa Flavia seinen Anfang gefunden hatte und hier in der Villa Aurelia nun lautstark weitergefeiert wurde. Sextus wollte lieber nicht wissen, was der ganze Aufwand da unten gekostet hatte. Andererseits, da er es nicht zahlte, interessierte es ihn auch im Grunde gar nicht. Wenn Nigrinas Vater sein Geld so freimütig ausgeben wollte, und dabei das Ansehen von Sextus im Vorbeigehen steigerte, wer wäre er gewesen, ihn davon abzuhalten?
    Andere Männer wären sicher auch nervös gewesen, diesen Moment jetzt und hier zu erleben. Nigrina stand da, den Rücken ihm zugewandt, und nahm langsam den roten Schleier ab. Ob sie nervös war, wusste Sextus nicht zu sagen, dafür kannte er sie nicht gut genug. Es würde einer jungfräulichen Braut sicher anstehen, nervös zu sein, aber zum einen wusste Sextus nicht, ob sie das war, und zum anderen nicht, ob sie eine Nervosität aus diesem Grund vielleicht nur spielen würde.
    Andere Männer wären auch sicher sehr erregt von dem Gedanken gewesen, was nun folgen würde. Eine Frau zu nehmen, ihr erster Mann zu sein. Nun, da war Sextus nicht ganz anders als andere Männer. Die Vorstellung erregte ihn durchaus. Aber nicht so sehr, als dass er sich vergessen und in dem Moment verlieren würde.


    Er blieb einfach einen Moment an der Tür stehen und sah zu ihr rüber, wie sie den Schleier abnahm. Wie sie versuchte, sich nichts von ihren Gefühlen anmerken zu lassen, egal wie diese nun aussehen mochten. Ihr kleiner Versuch, ihn mit einem Gespräch um den Finger zu wickeln und dadurch von sich abzulenken. Von dem, was wirklich in ihr vorging. Nicht, dass das Sextus wirklich interessiert hätte, denn im Endeffekt war es gleich, ob sie nervös war, ob sie erregt war, ob sie vielleicht gar verliebt war. Sie war jetzt seine Frau, ganz gleich, was weiter in dieser Nacht passieren würde.
    Angesichts dessen, dass Sextus aber diese Ehe durchaus ein wenig aufrecht erhalten wollte und durchaus plante, ihren vollen Nutzen über die Zeit auszukosten, war diese Nacht nicht ganz so unentscheidend, wie sie es von der reinen Gefühlsebene her war. Hier und heute würde er den Grundpfeiler für die gemeinsame Zeit legen. Wäre er grob zu ihr, würde sie sich von ihm abwenden. Wäre er rücksichtslos, würde sie ihm nicht vertrauen. Von daher hatte Sextus ein sehr erhebliches Eigeninteresse daran, dass Nigrina diese Nacht in positiver Erinnerung behalten würde.


    Er schritt auf sie zu, ohne ihre Frage zu beantworten, direkt hinter sie. Er nahm ihr den Schleier aus der Hand, wobei sich ihre Hände kurz berührten, und legte ihn auf den nächsten Stuhl. Er sagte kein einziges Wort, sondern stand einfach in ihrem Rücken, so dicht, dass sie seine Wärme spüren musste, doch ohne sie sonst zu berühren. Er ließ seinen Atem auf ihre Schulter gleiten, betrachtete ihre Reaktion darauf. Ganz langsam beugte er sich zu ihr vor, roch an ihrem Haar. Die Frisur war albern und hatte sicher Stunden gebraucht, aber das durfte man(n) natürlich niemals sagen. Aber sie hatte sie in irgendeinem Duftwasser gewaschen, was gut roch.
    Er fuhr mit seinen Fingern ihre Halslinie entlang, ganz langsam, und beobachtete weiterhin ihre Reaktion. Ganz langsam ließ er seine Hand tiefer gleiten, sie nur sacht berührend, bis hinunter zu dem Gürtel. Dort hakte sie sich ein und zog Nigrina leicht zu sich her, so dass sich ihre Körper das erste mal richtig berührten. Seine freie Hand fuhr an ihrer Hüfte entlang nach vorn zum Knoten des Gürtels, ohne allerdings dabei tiefer zu gleiten. Er legte seine Hand flach auf den Gürtel und zog sie noch näher, während er seine zweite in ihrem Rücken wieder aufwärts streichen ließ, diesmal kräftiger mit der ganzen Handfläche. Sie hatte einen wundervollen Körper. Erst bei ihrem Hals hielt er wieder an und strich ihr ein paar vereinzelte Haare beiseite, ehe er die Stelle mit einem sanften Biss bedeckte.
    “Nein, nur die Rollen haben sich getauscht.“ Er sprach es leise und fast ein wenig grollend aus, ehe er sie noch einmal leicht biss, diesmal mehr im Nacken, und sie mehr an sich zog. “Du musst keine Angst haben. Ich werde nichts tun, was dir nicht gefällt.“

  • So bedächtig ihre Bewegungen auch waren, der Schleier war doch vergleichsweise schnell gelöst. Schneller, als der Aurelius zu ihr kam, was aber dennoch nichts anderes hieß, als dass er ihr nicht sofort gefolgt war, sondern sich bewusst Zeit gelassen hatte. Nigrina rührte sich dennoch nicht, sie sah sich nicht einmal wirklich nach ihm um, stand sie doch auf dem Standpunkt, dass es an ihm war, zu ihr zu kommen. Wofür war er auch der Mann? Und offiziell war sie diejenige, die keine Ahnung hatte, oder haben sollte. Haben durfte. Im Gegensatz zu ihm. Und tatsächlich, sie musste nicht wirklich warten, da kam er ihr näher. Sie sah aus dem Augenwinkel die Bewegung, spürte ihn in ihrem Rücken, noch bevor er nach dem Schleier in ihrer Hand griff und in ihr entwand, um ihn fort zu legen. Noch bevor sie seinen Atem in ihrem Nacken spürte... und schließlich seine Finger an ihrem Hals, wie sie über ihre Haut glitten und dann ihren Rücken hinab. Wo sie die Berührungen spürte, breitete sich eine Gänsehaut aus, und als er sie dann an sich zog, sog sie unwillkürlich den Atem ein.


    Immer noch rührte sie sich kaum, ließ sich lediglich bereitwillig von ihm noch dichter an sich ziehen. Die Unruhe in ihr nahm noch zu, wurde weiter entfacht mit jeder Berührung, die sie spürte. Sie hatte lange genug darauf gewartet, endlich von einem Mann auf diese Art berührt zu werden, trotzdem konnte sie nicht leugnen, dass die Unruhe nicht nur durch Erregung, sondern zu einem guten Teil auch durch Nervosität befeuert war. Sie schauderte, als sie plötzlich seine Zähne an ihrem Hals spürte und gleich darauf seine Stimme hörte, als er endlich antwortete. Ihr Kopf war immer noch leicht zur Seite gedreht, so dass ihr Gesicht für ihn im Profil zu sehen war, und ihr Blick war irgendwo in eine Ecke gerichtet. Die Rollen hatten sich getauscht, meinte er, allerdings war sich Nigrina darüber nicht ganz so sicher – nicht weil sie glaubte, sie selbst wäre tatsächlich noch die Jägerin, sondern weil sie in diesem Augenblick daran zweifelte, dass er jemals Beute gewesen war. „Ich habe keine Angst“, antwortete sie, ebenso leise wie er. Hatte sie nicht? Hatte sie nicht. Ihr Status und ihre Familie waren einflussreich genug, dass sie sicher war, keine Angst haben zu müssen, er könnte sich in dieser Ehe ungebührlich verhalten. Als Frau hatte sie nicht die dieselben Möglichkeiten wie er, dennoch: sie unterstand nach wie vor ihrem Vater und war nach wie vor eine Flavia. Wenn er sich daneben benahm, würde sie Konsequenzen ziehen, auf die ein oder andere Weise, und das musste auch ihm bewusst sein. Sie war keines der diversen Weibchen, mit denen sich ihr Vater mit Vorliebe umgab, und mit denen er nahezu immer umspringen konnte wie er wollte. Sie war eine Flavia – eine Frau von dem Kaliber, mit denen sich ihr Vater wohlweislich selten eingelassen hatte, und wenn er es doch getan hatte, hatte er sich für gewöhnlich anders arrangieren müssen, wenn er ihrer überdrüssig geworden war. Letztlich ging es darum, sich zu arrangieren, dass sie beide zufrieden waren – so dass sie beide in Ruhe ihre Vorteile aus dieser Verbindung ziehen konnten, ohne sich gegenseitig etwa an die Gurgel zu gehen oder sich sonst wie das Leben zum Tartaros zu machen. Sie hatte also tatsächlich keine Angst. Sie war nur... unruhig. Ein wenig nervös. Genau.


    Was sie aber nicht daran hinderte, selbst aktiv zu werden, denn das, bei allen Göttern, war ihre Hochzeitsnacht. Ihre Hand legte sich auf seine, die wiederum auf ihrem Wollgürtel lag, und übte leichten Druck aus, um sie tiefer zu geleiten, wenn er das zuließ. Die zweite gesellte sich dazu, blieb jedoch beim Gürtel, und sie begann – ungeachtet der Tatsache, dass das traditionell eigentlich seine Aufgabe war, oder sein Vorrecht, je nachdem wie man es auslegte, aber sie hatte ja auch bei den übrigen Hochzeitsaktivitäten nicht sonderlich Wert auf Tradition gelegt, wenn es sich vermeiden ließ –, an dem Knoten zu nesteln. „Ich glaube trotzdem, dass die Jagd zu Ende ist. Oder wie nennst du es, wenn die Beute nicht nur gestellt ist, sondern schon in der Hand des Jägers?“ Womit sie ihm indirekt zugestand, dass sie die Beute war. Was aber nicht hieß, dass sie auf den Jäger keinen Einfluss ausüben könnte. Sie bewegte sich leicht, presste sich noch enger an ihn. „Eine Gegenwehr aussichtslos...“

  • Hatte seine Braut heute noch irgendwelche dringenden Termine, von denen Sextus nichts wusste? Sie drängte sich ungeduldig an ihn, drängte seine Hand in Richtung ihres Schoßes und versuchte sich in Zweideutugkeiten, die eigentlich schon zu eindeutig waren, um noch zweideutig zu sein. Ganz offensichtlich hatte er sich umsonst bemüht, ihr irgendwelche Ängste in Bezug auf Verlust ihrer Jungfräulichkeit zu nehmen, denn er kannte keine Jungfrau, die derartig auf ihre bevorstehende Defloration reagierte. Sei es drum, war sie eben keine, das wäre nur das Tüpfelchen auf dem i gewesen, aber sicher keine Bedingung.
    Was allerdings für Sextus sehr wohl Bedingung war, war, dass ER das Tempo vorgab. Er ließ sich ungern kommandieren, schon gar nicht von einer Frau, und erst recht nicht im Bett. Sollte die Flavia dem Gedanken erlegen sein, sie könne ihn so herumscheuchen, wie sie es mit den Sklaven getan hatte, und er würde dazu waschlappenmäßig nur 'ja Schatz' sagen, dann würde sie noch einiges lernen müssen. Und die erste Lektion erhielt sie sofort.


    Anstatt ihrer Bitte zu folgen, wie sie es wohl gerne gehabt hätte, packte er mit einer flinken Drehung der Hände ihre Handgelenke und hielt sie fest. Er tat ihr nicht weh, zumindest nicht absichtlich, hielt sie aber doch in einer Art und Weise, die keine Gegenwehr duldete. “Oh, wehren kann man sich immer. Es ist nur die Frage, ob man sich dazu auch entscheidet.“ Seine Stimme nahm einen leicht bedrohlichen Unterton an. Seinen Cognomen hatte Sextus noch nicht sein ganzes Leben lang getragen, und so wurde er auch nicht ohne Grund 'Wolf' genannt.
    Er hielt ihre Hände noch ein wenig so fest, ließ die Anspannung anwachsen. Eine Frau sollte durchaus ein wenig Angst vor ihrem Mann hatte. Wenn sie sich zu sicher war, dass er ihr niemals weh tun könnte, verlor sie den Respekt vor ihm. Das hieß nicht, dass Sextus Nigrina jemals weh tun würde, nur sollte sie nie die Möglichkeit vergessen, dass er, wenn er wollte, den Willen und die Kraft hätte, es zu tun. Und diese Lektion sollte sie durchaus lernen, ehe sie meinte, ihn herumdirigieren zu können. Gefahr hatte Sexappeal, Pantoffeln nicht.
    Sextus wartete, bis er meinte, dass die Stimmung gleich umschlagen würde und sie ärgerlich werden würde. Bevor es dazu kam, drehte er sie um, ruppig und bestimmt, aber ohne grob zu werden. Jeden aufkeimenden Protest erstickte er in einem Kuss, als er sie zurück aufs Bett drängte. Sie wollte keine Verführung? Sie wollte kein zärtliches Antasten? Konnte sie haben.
    Er drängte sie auf das fein säuberlich vorbereitete Bett und stützte sich neben ihr mit den Händen ab, während sein Körper sie immer weiter auf die Matratze drängte. Als sie einigermaßen in Position gebracht war, fuhr seine Hand zu dem Gürtel und öffnete ihn mit reißenden Bewegungen. Eine Naht der Tunika riss bei diesem Vorgehen ebenfalls mit vernehmbarem Laut. Er hätte sich deutlich mehr Zeit mit all dem gelassen, aber er ließ sich sicher nicht von einem Weib bitten.

  • Er ließ es nicht zu. Er widerstand nicht nur dem leichten Druck, den ihre Hand ausübte – mit einer Bewegung, die schneller kam, als Nigrina sie registrieren konnte, griff er zu und hielt ihre Handgelenke fest. Für einen Moment verharrte sie, dann versuchte sie kurz, sich zu befreien – ohne Erfolg jedoch. Sein Griff tat nicht weh, war aber doch fest genug, dass sie sich nicht einfach so entwinden konnte, und er gab sie nicht frei, sondern machte eher Anstalten den Druck zu verstärken, als sie es für den Bruchteil eines Augenblicks versuchte. Und damit war der Moment gekommen, in dem Nigrina gänzlich ratlos war. Unwillkürlich, ohne daran zu denken dass sie ihm nach wie vor ihr Profil zuwandte und er sie damit sehen konnte, biss sie sich auf die Unterlippe, während seine Worte an ihr Ohr drangen. Sie war anderes gewöhnt. Sie war verwöhnt. Sie bekam ihren Willen, in allen erdenklichen Situationen, und das nicht nur bei Sklaven, auch bei Freien – Männern wie Frauen, gleich mit wem sie es bisher zu tun gehabt hatte. Bei ihren Freundinnen in Ravenna hatte sie bestimmt. Und auch die Männer, die in ihrem Leben bisher eine Rolle gespielt hatten, hatte sie auf die ein oder andere Art um den Finger wickeln können. Ihr Bruder konnte ihr nicht wirklich die Stirn bieten, selbst wenn er es versuchen würde, dafür respektierte sie ihn zu wenig. Ihr Vater las ihr beinahe jeden Wunsch von den Augen ab – und tat er es einmal nicht, dann wusste er, wie er sie zu nehmen hatte. Das hieß nicht, dass er tatsächlich jedes Mal sich die Mühe gab, es so zu drehen, dass auch sie zufrieden war, aber doch meistens. Und wenn es nicht so war: ihr Vater war der einzige Mensch, den Nigrina wirklich respektierte. Bei allen anderen war sie es gewöhnt, zu bestimmen, gerade auch, was das zwischenmenschliche Beisammensein anging. Nicht nur bei Sklavinnen, auch bei anderen, bei dem Liebchen ihres Vaters beispielsweise, war sie gewöhnt, dass sie den Ton angab, dass sie ihren Willen durchsetzte, auch wenn sie es in ihren diversen Spielchen verschiedenster Natur nur allzu häufig fertig brachte, dass es zumindest auf den ersten Blick nicht so wirkte. Dass der Aurelier nun auf diese Art, die bei Frauen so erfolgversprechend war, nicht ansprang, mehr noch, dass er den Spieß umdrehte und sie spüren ließ, dass es diesmal nicht nach ihrem Willen gehen würde, irritierte Nigrina nicht nur, es verunsicherte sie auch, auch wenn sie das nicht zeigen wollte, geschweige denn zugeben. Das Problem war: sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie war nervös, auch wenn sie versuchte sich das nicht anmerken zu lassen – unter anderem dadurch, dass sie versucht hatte das Tempo vorzugeben. Sie stellte gerade fest, dass die Erfahrungen, die sie hatte, in diesem speziellen Moment nicht allzu viel Wert zu sein schienen, ob es nun an Lupus speziell lag oder an Männern im Allgemeinen, die einfach anders tickten, darüber war sie sich nicht ganz so sicher. Und ihr begann darüber hinaus zu dämmern, in diesem Moment, dass Lupus sich nicht so einfach um den Finger wickeln lassen würde.


    Nigrina rührte sich also kaum. Sie verharrte, wie sie war, sicherlich ein wenig empört darüber, dass er sich ebenso wenig rührte, sondern sie einfach nur festhielt, aber zu unschlüssig, was sie tun sollte, um sich tatsächlich zu wehren. Der Biss auf ihre Unterlippe wurde zwischenzeitlich fester, je länger Lupus sie einfach nur festhielt – aber gerade als sie meinte, die Spannung nicht mehr aushalten zu können, drehte er sie zu sich um, küsste sie, drängte sie gleichzeitig zurück, zum Bett. Ehe sie es sich versah, lag sie schon darauf, und er war über ihr, drängte sie weiter nach hinten und zerrte an ihrer Kleidung. Und sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Bei allem, was sie erwartet hätte, war sicher nicht das dabei gewesen. Hatte sie den ungestümen Kuss gerade eben noch erwidert, lag sie nun unter ihm, ihre Hände irgendwo auf seiner Brust, wo sich die Finger in den Stoff krallten, in einer Bewegung, die sich nicht so ganz entscheiden zu können schien, ob sie nun abwehrend sein sollte oder nicht. „Lupus“, stieß sie halblaut hervor, als sie nicht nur spürte, wie ihr Gürtel heftig gelöst wurde, sondern auch hörte wie die Tunica recta irgendwo riss, und auf ihrem Gesicht stand eine Mischung aus Überraschung, Erregung und die flüchtige Andeutung von Schreck geschrieben.

  • Ja, das war sein Name. Schön, dass sie ihn sich gemerkt hatte.


    Sextus war weit davon entfernt, irgend etwas von Unsicherheit oder Nervosität wahrzunehmen. Ihre Signale vorhin waren eindeutig gewesen. Sein Rennpferdchen hatte ungeduldig mit den Hufen gestampft, das Startsignal war ertönt, und nun würde er sie im vollen Galopp bis ins Ziel steuern, wie sie es gewollt hatte. Ernsthafte Einwände würde sie nun definitiv weitaus beherzter einbringen müssen, um noch irgendwie in seinen Verstand vorzudringen. Sein Blut begab sich derweil bereits langsam aber stetig in Regionen, in denen es mehr Spaß haben konnte.
    Mit der Tunica recta hielt Sextus sich nicht lange auf. Das Kleidungsstück war ohnehin nicht dafür gedacht, länger als den heutigen Abend zu überstehen, und so hatte Sextus auch keine Skrupel, die Naht an der Schulter etwas unkonventionell zu lösen, um die weiße Haut darunter mit seinen Lippen in Besitz zu nehmen. Bald schon reichte das aber nicht mehr, und das ganze Kleidungsstück musste weichen, wurde bestimmt nach oben über den Kopf der Frau gezogen, die nun ihm gehörte. Mit Händen und Lippen nahm er ihren Körper in Besitz, hungrig aber nicht gewaltsam, genoss die Zeichen ihres Körpers, Keuchen, Stöhnen, ehe ihm seine Kleidung auch endgültig zu eng wurde und weichen musste.
    Haut auf Haut, Atem an Atem, sie riechen, schmecken, in Besitz nehmen. Ihr Schaudern, ihr Zittern. Tiefes Grollen drang aus seiner Kehle, als er sie endlich zurückdrängte und sich nahm, was ihm gehörte. Eine Sekunde der Erkenntnis bei ihrer Reaktion, die ein kurzes Hochgefühl auslöste. Noch nie hatte er sich gefreut, dass er im Irrtum war, außer dieses eine Mal. Doch nun war es zu spät, sich zurückzunehmen. Weiter, ihr Gesicht betrachtend, sich beherrschend, bis es keinen Schmerz mehr widerspiegelte, dann sich dem Trieb ergeben, Kontrolle aufgeben, sich verlieren.


    Als Sextus fertig war, rollte er sich auf den Rücken. Ungefragt zog er seine Frau an sich heran und lächelte noch in die Dunkelheit hinein. Sie war doch noch jungfräulich gewesen. Das Lächeln wurde ein wenig selbstgefällig. Die 'Wie war ich?'-Frage huschte kurz durch seinen Geist, aber er verzichtete darauf. War jetzt vielleicht doch ein wenig unpassend.
    Die Decke wurde noch kurzerhand mit den Füßen geangelt und Sextus deckte sich mitsamt Nigrina zu, ehe er sich der sanften Ermattung hingab und einfach einschlief.

  • Ob Lupus die Unsicherheit, das Zögern, welches sich ihrer fast schon gegen ihren Willen bemächtigte, bewusst ignorierte, oder ob er es tatsächlich einfach nicht bemerkte, konnte Nigrina beim besten Willen nicht unterscheiden. Ihr blieb auch gar keine Zeit, kein Moment der Ruhe dafür, um sich überhaupt ausgiebiger Gedanken darüber zu machen. Fest stand nur, dass ihr Stolz ihr vehement verbot, deutlicher zu machen, dass es ihr nun plötzlich doch etwas zu schnell ging. Und so blieb ihr nicht mehr viel, als sich, nun ja, ihm einfach zu ergeben, seinem Drängen, seinen fordernden Berührungen. Die Tunica recta bekam noch einen weiteren, größeren Riss ab – und von dem Moment an, als sie seine Lippen auf ihrer Haut spürte, war es ohnehin um jeden Einwand geschehen. Weil er sich nahm, was er wollte. Und weil sie genau das genoss. Hätte sie nachgedacht, hätte sie sich vielleicht geärgert, weil es ganz eindeutig nicht sie war, die die Zügel in der Hand hatte – und irgendwann später würde dieser Gedanke sicher noch kommen. Aber in diesem Moment dachte sie nicht mehr. Sie genoss. Und gerade der Fakt, dass Lupus den Takt bestimmte – was Nigrina weder kannte noch sich vorgestellt oder gar erwartet hätte –, trug einen wesentlichen Teil dazu bei.


    Sie selbst war bei weitem nicht passiv – wo sie konnte, wo er es zuließ, entdeckte sie seinen Körper wie er den ihren. Dennoch war und blieb deutlich, wer bestimmte, auch wenn Nigrina nicht das brave Weibchen war, das mann vielleicht erwartete in der Hochzeitsnacht. Erst, als er auch den letzten Schritt tat, so hungrig und ungestüm wie alles bisher, seit sie versucht hatte die Kontrolle an sich zu reißen, drang etwas anderes zu ihr vor. Sie keuchte auf, diesmal nicht vor Lust, sondern vor Schmerz, krallte ihre Finger in seinen Rücken und biss in seine Schulter, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Sie hatte gewusst, dass es weh tun würde – aber auch das war anders, als sie sich vorgestellt hätte. Nigrina meinte im Grunde, alles – oder doch so gut wie – zu wissen. Was eine hervorragende Eigenschaft war, um sich anderen gegenüber mit völliger Selbstsicherheit zu behaupten. Was sich allerdings nicht ganz so gut auswirkte, wenn man dann doch mal falsch lag – und es dann noch gezeigt bekam. In diesem Moment fühlte sie sich hilflos, ausgeliefert, sie verkrampfte und klammerte sich an ihren Mann, während sie doch zugleich gefangen war in stetigem Rhythmus, den er vorgab, ohne innezuhalten. Hätte sie nicht ohnehin schon jedes Zeitgefühl verloren gehabt, wäre es jetzt so weit gewesen. Weiter, immer weiter bewegten sich die Körper, bis es irgendwann besser wurde, nicht mehr so schmerzhaft, nicht mehr so ungewohnt, so dass sie wieder mehr... genießen konnte – auch wenn es ein schmaler Grat blieb, der schmaler wurde, je mehr sie sich verlor in der Lust.


    Schwer atmend und erschöpft lag sie später da, dicht an seinem Körper, ihr Kopf an seiner Schulter, hatte er sie doch gerade erst zu sich gezogen. Sie sagte kein Wort. Sie fühlte sich gar nicht in der Lage zu sprechen, selbst wenn sie gewusst hätte, was sie sagen sollte. Sie lag einfach nur da... und begriff erst später, dass sie wohl eingeschlafen sein musste. Später hieß in dem Fall: als Lupus sie irgendwann in der Nacht auf eine Art weckte, die... nun... so eindeutig wie eindrucksvoll klar machte, worauf er aus war. Und er bekam, was er wollte. So kam es, dass Nigrina ein weiteres Mal erschöpft und mit nur langsam sich beruhigendem Atem an seiner Seite zu liegen kam.

  • Reden war etwas, das völlig überbewertet wurde. Warum sollte Sextus irgendetwas in dieser Nacht sagen? Die Aktivität, die sie in den wachen Momenten teilten, war nicht dafür gedacht, philosophische Gespräche zu führen oder sich den Kopf zu zerbrechen. Vor allem, da jener einem anderen Körperteil eben den Vorzug gab und selbst ein wenig Ferien machte. Und nach dem Akt war er zum einen müde und damit ebenfalls nicht geneigt, lange Diskussionen zu führen, und zum anderen blieb die Frage, wie er wohl war, nichts, worüber es zu sprechen gab. Er merkte sehr, sehr deutlich, dass ihr gefiel, was sie taten. Sie machte ihm das durchaus sehr eindeutig klar. Warum also verbal noch einmal Bestätigung abholen und ihr damit die Möglichkeit geben, doch irgendwie das Gespräch an sich zu reißen und ihn vom Einschlafen abhalten? Wenn sie ihm mitteilen wollte, wie gut er war, konnte sie das auch ohne vorherige Aufforderung tun.


    Obwohl durchbrochen von der einen oder anderen intensiv genutzten Wachphase verging die Nacht am Ende doch, ohne dass Sextus in die Verlegenheit gekommen wäre, großartig mit seiner Frau müßige Konversation zu üben. Dass er diesem Schicksal nun auch am Morgen noch entgehen würde, wagte er zu bezweifeln. Selbst als er die Augen öffnete und zu seiner Angetrauten hinüber sah, ihr ein paar wirr verstrubbelte Haare von der nackten Schulter strich, bezweifelte er, dass der Morgen so ruhig bleiben würde. Jetzt im aufkommenden Licht der Dämmerung galt es, ein wenig Süßholz zu raspeln, ohne dabei allerdings das Ruder aus der Hand zu geben.
    Sextus richtete ein Kissen an der Kopfseite des Bettes und schob sich in eine halb sitzende Position, darauf bedacht, seine Frau nicht zu wecken. So vergnüglich sein kleines Rennpferdchen auch war, im Moment genoss er die Ruhe. Und so vergnüglich die Beschäftigung der letzten Stunden gewesen war, das würde sicher nicht jede Nacht so sein. Vor wichtigen Terminen musste er einigermaßen ausgeschlafen sein, da musste er sich dann zügeln. Oder dieses Weib, das zunehmend mehr Gefallen daran gefunden hatte. Vielleicht etwas zu viel. Er würde sehen.


    Erst noch stand ein etwas vergnüglicherer Teil auf dem Plan. Essen im Bett, dargereicht von seinem süßen Frauchen, und anschließend der Empfang der Geste, die die gestrige Feier überlebt hatten. Vielleicht zwischen beiden Terminen noch Begutachtung des Chaos, das angerichtet worden sein mochte. Solange Sextus noch etwas mitbekommen hatte, erschien ihm die Festlichkeit sehr ausgelassen zu klingen. Ein Jammer fast, dass das Brautpaar am eigentlichen fest gar nicht teilnahm.
    Er saß also da, lässig an das Kopfende gelehnt, ein bequemes Kissen im Rücken, und streichelte ganz sanft und langsam über die Schulter seiner Frau. Er wollte sie nicht wecken – da war er heute Nacht schon weitaus deutlicher geworden – sondern ihr nur ein angenehmes Aufwachen bescheren. Irgendwann bewegte sie sich auch leicht, reckte ihm ein paar Hautpartien hin, entblößte ihren weißen Hals. Offensichtlich ging es ihr gut und sie fühlte sich wohl. Er streichelte noch ein wenig ganz sanft, ehe seine Berührungen streichender wurden und sie so endgültig aus Morpheus' Reich brachten.
    “Guten Morgen, meine Frau“, begrüßte er sie leise und – im Gegensatz zur Nacht – sanft, ehe er ihr einen Kuss ungefragt erst auf die von wirren Haaren umrankte Stirn und anschließend auf den Mund gab. “Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“ Ein klein wenig nachhorchen, wie sehr es ihr gefallen hatte, ließ er sich dann letzten Endes doch nicht nehmen. Und immerhin würden sie die nächsten Jahre, so die politischen Allianzen nichts anderweitiges diktierten, miteinander leben. Und günstigstenfalls einen Sohn und Erben für Sextus produzieren.

  • Nigrina schlief. So entspannt, wie man nur schlafen konnte, wenn man eine Nacht hinter sich hatte wie sie. Ihre langen Haare bildeten einen wirren Kranz um ihren Kopf, hatte sich doch irgendwann in der Nacht auch die letzte Nadel verabschiedet – herausgezogen, herausgerutscht, welches Schicksal die letzte genau erlitten hatte, war nicht so genau festzustellen. Sie selbst war irgendwo in den Kissen vergraben und schlummerte, auf dem Bauch liegend, selig vor sich hin, und als ihr Mann neben ihr erwachte und sich aufrichtete, bemerkte sie davon – nichts. Auch als er begann, über ihre Haut zu streichen, trug das mitnichten dazu bei, sie schnell aufzuwecken, kein Wunder, war doch das Fordern, das Drängen, das in der Nacht darin gelegen hatte, ersetzt durch eine Sanftheit, die er bislang nicht wirklich gezeigt hatte. Irgendwann jedoch drang auch diese Berührung bis zu ihrem Bewusstsein durch, holte sie langsam näher ans Wachsein heran, und, für den Moment noch mehr schlafend denn wach, bewegte sie sich etwas, drehte dabei auch den Kopf auf die andere Seite, so dass er nun Lupus zugewandt war – wenn auch teils verdeckt von Haaren. Dann begann sie nach und nach bewusst die Berührung zu spüren, die regelmäßig über ihre Schulter strich, und unbewusst verzog sie die Lippen zu einem Lächeln und machte ein leise, schnurrendes Geräusch. Es war ungewohnt, nicht allein aufzuwachen. Aber ganz sicher nicht unangenehm, nicht wenn man so geweckt wurde. Wobei sie, wie sie verschlafen feststellte, gegen die Art, die er in der Nacht genutzt hatte sie zu wecken, auch nichts einzuwenden hatte.


    Sie blinzelte und drehte Kopf und Körper so, dass sie ihn bequem sehen konnte, als sie seine Stimme hörte. „Morgn“, brachte sie noch hervor, bevor sie zunächst seinen Kuss genoss – nicht den auf die Stirn, obwohl der ganz süß war, sondern den auf den Mund, den sie auch erwiderte. „'vorragnd“, murmelte sie, ihre Stimme noch rau und verschlafen, und sie räusperte sich, bevor sie mit einem leichten, verschmitzten Lächeln wiederholte: „Hervorragend.“ Vielleicht war das etwas zu eindeutig, aber nach DER Nacht war ihr nicht danach, irgendwelche Scharaden aufrecht zu erhalten, mehr noch, nach dem was sie geteilt hatten, wäre es ihr irgendwie lächerlich erschienen, sich nun zurückhaltend zu geben oder gar verschämt zu tun. Sie hatte hervorragend geschlafen, was sollte sie ihm da vormachen? Sie war noch ein wenig müde, auf eben diese wunderbare Weise nach einer hervorragenden Nacht, fühlte sich nach wie vor auf eine verdammt angenehme Art erschöpft, spürte irgendwo in sich die prickelnde Faszination darüber, was so alles angestellt werden konnte mit zwei Körpern, und hätte sich am liebsten geräkelt wie eine Katze in der Sonne. Was sie gleich darauf auch tat. Dass Lupus dabei einiges von ihrer Haut zu sehen bekam, daran dachte sie in diesem Augenblick gar nicht, und hätte sie es, wäre es ihr nur recht gewesen. Es gab an ihrem Körper nichts auszusetzen, nichts zu verbergen, im Gegenteil – und sowieso hatte er ihr kein Geheimnis gelassen letzte Nacht. Sie legte ihre Hand auf seine Brust und begann gedankenverloren, die Konturen seiner Muskeln nachzuzeichnen. „Was ist mit dir?“

  • Auch wenn es nicht seiner eigentlichen Neigung oder Natur entsprach, angesichts seiner verschlafenen Frau musste Sextus doch kurz ein wenig schmunzeln. Es war geradezu grotesk niedlich, wie sie aufwachte und sich verschlafen räkelte. Und da Sextus mit dieser Frau eine lange Zeit auszukommen gedachte, entschied er sich dazu, es nicht spöttisch zu bedenken und sich im Geiste darauf zu freuen, dieses hundewelpenartige Etwas bald aus seinem Bett zu werfen, wie er es sonst bisweilen zu tun pflegte, sondern es als niedliche Eigenart mit einem Lächeln zur Kenntnis zu nehmen. Wahrnehmung war ein beinahe ebenso flexibler Begriff wie Moral, zumindest aus der Sicht eines Taktikers.


    “Ein wenig zu kurz“, meinte Sextus recht nüchtern auf ihre Frage, wohlweißlich auf die letzten Stunden anspielend. Auch wenn diese durchaus sehr angenehm waren, allzu viele solcher Nächte würde es nicht in direkter Folge geben, da war er auch seinem eigenen Körper gegenüber realistisch genug. Allerdings würde er es als Mittel, seine Frau zur Räson zu bringen, im Hinterkopf behalten – solange er nicht das Gefühl hatte, sie würde eben aus diesem Grund die Contenance verlieren.
    Sextus gab seiner Frau noch einen Moment, wacher zu werden, während er leicht weiter ihre Schulter streichelte. Im Moment noch hatte er keine Eile, wenngleich er um die noch anstehenden Termine sehr wohl wusste. Und in nicht allzu ferner Zukunft würde er wohl seine Frau auch daran erinnern müssen, sofern diese nicht von selbst dieser gewahr wurde. Immerhin gab es noch den einen oder anderen Brauch, den sie vollziehen mussten, um dem Protokoll gerecht zu werden. Und Sextus konnte auf die unweigerlich folgenden Glückwünsche seiner Verwandtschaft, die er wie ein Idiot grinsend zu erwidern hatte, noch ein Weilchen verzichten.

  • Ein wenig zu kurz. „Ja, das auch“, murmelte Nigrina ein wenig versonnen, während sie sich zugleich fragte, ob – und wenn ja, was – es zu bedeuten hatte, dass er nichts davon sagte, ob er denn gut geschlafen habe. Oder schlecht. Oder wie auch immer. Nun ja, so wie sie die vergangenen Stunden beurteilte, war er genauso auf seine Kosten gekommen wie sie, insofern gab es nichts, worüber er sich hätte beklagen können. War ja nicht so gewesen, dass er seine Bedürfnisse komplett zurückgestellt hätte für sie, und dass es – irgendetwas – mal so lief, war doch etwas ungewohnt für sie. Aber in diesem Fall war es... so... so... gut gewesen... Ein schwaches Grinsen umspielte ihre Lippen, während ihre Finger weiter über seinen Oberkörper fuhren und ganz langsam tiefer wanderten. Zugleich spürte sie nach wie vor seine Finger auf ihrer Haut, und ein wenig träge spielte sie mit dem Gedanken zu testen, ob der ein wenig zu kurze Schlaf dennoch ausreichend gewesen war für ihn, sich so weit zu erholen, dass sie vielleicht das ein oder andere von der vergangenen Nacht wiederholen konnten. Aber sie entschied sich dann doch dagegen, nicht weil sie nicht Lust darauf gehabt hätte, sondern aus anderen Gründen. So sehr sie der Gedanke reizte, den größten Teil des Vormittags mit ihm in diesem Bett zu verbringen – wenigstens heute ging das nicht, das wusste sie. Irgendwann würden sie aufstehen müssen, um dem Schluss der Hochzeitsfeierlichkeiten beizuwohnen. Und davor wollte sie ein Bad nehmen, gerne mit ihm gemeinsam, wenn ihm danach war, aber auch wenn nicht: sie brauchte in jedem Fall eins. Das war allerdings nicht der einzige Grund. Sie musste mit ihrem Mann reden – und da sie nicht wusste, wann sie an diesem oder in den nächsten Tagen wirklich unter vier Augen und in Ruhe mit ihm würde reden können, war es wohl besser, die Gelegenheit jetzt zu nutzen, wenn sie sich ihr schon so schön bot. Denn es gab da durchaus ein paar Dinge, die sie wissen wollte, bevor sie daran ging, ihre Position in diesem Haus klar zu machen, schon allein deshalb, damit sie ihre Stellung gleich in Stein meißeln konnte, so, dass sie unverrückbar war.


    „Erzähl mir von deiner Familie“, bat sie ihn also nach einer Weile des einvernehmlichen Schweigens, während ihre Finger nicht aufhörten, über seine Haut zu streichen, aber – wenn auch knapp – auf sicherem Terrain blieben. „Von Avianus, vor allem. Wie er ist, welche Vorlieben er hat... hat er vor bald zu heiraten?“ Je länger der Kerl unverheiratet blieb, desto besser für sie. Ursus, der Legat hingegen interessierte sie nur bedingt, im Moment jedenfalls. Der war zwar verheiratet, aber er lebte nicht in Rom, und wenn er kam, durfte er das Pomerium nicht betreten. Was hieß, seine Frau konnte ihr auch keine Konkurrenz machen im Augenblick. Und die aurelischen Frauen konnten das sowieso nicht, würden sie auf kurz oder lang doch alle die Villa verlassen, jedenfalls wenn die Familie nicht irgendwann ihren Ruf – sowohl den der Mädchen als auch den der Gens – aufs Spiel setzen wollten. Trotzdem zögerte Nigrina kurz und setzte dann doch noch hinzu: „Und Prisca.“ So wie es aussah, würde Piso die Aurelia wohl tatsächlich heiraten, und so wenig eine der unverheirateten Aurelia ihr hier die Position als Hausherrin wirklich streitig machen konnte – wenn Prisca ihren Bruder heiratete, dann wollte Nigrina wissen, worauf sie sich gefasst machen musste. Piso war hoffnungslos verschossen in die Aurelia, und das war etwas, was gefährlich war. Zumal Piso der einzige Sohn ihres Vaters war.

  • Ganz offensichtlich stellte sie seine Antwort nicht zufrieden. Sei es drum, Sextus war ja schließlich nicht ihr Mann geworden, weil er sie zufrieden stellen wollte. Abgesehen davon, dass er nicht dachte, dass sie wirklich einen Grund zu meckern hatte. In der Nacht hatte sie sehr deutlich gezeigt, dass sie durchaus zufriedengestellt war. Mehrfach. Also machte er sich um den kurzen Missmut keine Gedanken. Erst, als ihre Hand immer tiefer wanderte, und er sich kurz fragte, ob sie seine Worte als Aufforderung wohl missverstanden haben mochte. Es war immer eine gefährliche Sache, einer Frau zu erklären, dass man gerade nicht wollte, wenn diese mit ihren Fingernägeln in potentiell bedrohlichen Gegenden war. Doch wenn Sextus eines hier von Anfang an klar stellen wollte, dann auf jeden Fall, dass er sich nicht von ihr herumkommandieren ließ. Nie. Egal bei was. Wenn er etwas wollte, holte er es sich. Er bediente nicht.
    Doch zum Glück beließ sie ihre Hand in weniger gefährlichen Gegenden. Kurz zuckte es in seinen Mundwinkeln in der Andeutung eines Lächelns, als ein konvenierender Gedanke durch seinen Geist huschte. Vermutlich war sie einfach auch viel zu erschöpft, um es ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Unter diesem Aspekt sollte er vielleicht doch... Sollte die Gesellschaft doch eine Weile warten und mitbekommen, weswegen sie zu warten hatte, wenn er seiner Frau den einen oder anderen lauten Seufzer entlockte... aber nein. Sextus hatte nicht geheiratet, um zu beweisen, was für ein toller Hengst er doch war. Er hatte geheiratet, um eben bei jenen Schleimern, die bald das Atrium füllen würden, mehr Einfluss zu haben.


    O blieb er also ruhig liegen und streichelte noch ein wenig weiter, während seine Gedanken schon bei den Gästen später verweilten, als Nigrina doch plötzlich noch einmal zu sprechen anhob. Avianus. Warum wollte sie ausgerechnet etwas über Avianus wissen? Vor allem, erwartete sie von ihm eine vollumfassende und darüber hinaus ehrliche Antwort? Gut, da sein Vetter der ranghöchste in Rom verbliebene Aurelier war, konnte er die Frage in gewissem Maße verstehen. Allerdings hatte er gedacht, dass Nigrinas Verwandte sie etwas früher über die politische Lage der Aurelier aufgeklärt hätten, jetzt nach Corvinus' Tod. Und nach wie vor blieb die Tatsache, dass sie nicht erwarten konnte, dass er seine Verwandten in ein schlechtes Licht rückte. Er könnte wohl kaum sagen 'Avianus ist ein Trottel, der seinen Kopf nur zu Dekorationszwecken auf den Schultern trägt und seinen Mund besser nicht aufmachen sollte, weil ohnehin nichts dabei heraus käme, was einer fundierten Meinung entspräche', selbst wenn dies seine feste Überzeugung wäre. Da könnte er ihn schon viel eher in den höchsten Himmel loben, selbst wenn das nicht seiner Überzeugung entspräche. Was also hätte Nigrina dadurch gewonnen?
    Dann aber kam nach einer kurzen Atempause ein weiterer Name, der nicht zu Sextus' Theorie passte. Prisca. Warum wollte sie etwas über Prisca auch wissen? Vor allem, da sie doch seines Wissens nach miteinander befreundet waren, so dass Sextus ja wirklich nur die Dinge ausplaudern könnte, die die Öffentlichkeit nicht wissen sollte, wenn er nicht nur das wiederholen sollte, was sie ohnehin wusste.
    “Warum fragst du?“ kam eine taktische Frage anstelle einer Antwort retour, bewusst leichtfertig vorgetragen. Entweder war seine Frau selbst eher leichtfertiger Natur und verbarg das nur in der Öffentlichkeit zum Wohl ihrer Familie hinter bissigem Charme, oder aber sie verfolgte einen Plan, der sich hoffentlich noch offenbaren würde.

  • Ihre Finger bewegten sich unablässig weiter über seine Haut. Sie wusste, wie der männliche Körper beschaffen war, dennoch genoss sie es, nun endlich einen tatsächlich erforschen zu können, und wer wusste schon, wie positiv ihn die Zärtlichkeiten gerade stimmte. Sie selbst jedenfalls genoss die Berührungen, die er ihr zuteil werden ließ, durchaus, also warum sollte es bei ihm anders sein? Und so wenig sie sich kennen mochten, es sprach nicht das Geringste dagegen, das hier zu genießen, fand sie. Unterhalten konnte man sich auch nebenbei.


    Allerdings schien ihr Mann noch nicht gewillt, ihr eine Antwort zu geben, jedenfalls nicht so ohne weiteres offenbar. Stattdessen kam zunächst nur eine Gegenfrage – wenn auch eine, die Nigrina durchaus verstehen konnte. Sie sah zu ihm hoch, während ein feines Lächeln ihre Lippen umspielte. „Ich bin hier die Hausherrin. Und ich habe vor, meine Position in dieser Villa zu festigen, bevor Avianus eine weitere anschleppt, die schon allein deshalb eine Konkurrenz sein wird, weil er Senator ist.“ Und ihr Aurelier noch nicht, aber das würde sich in nicht allzu ferner Zukunft ändern. Falls nicht, würde sie sich irgendwann scheiden lassen, so viel stand fest. Aber nach allem was sie über ihren Mann wusste, glaubte sie nicht wirklich, dass sie sich darüber Sorgen machen musste. Worüber sie sich genauso wenig Sorgen machte, war die Tatsache, wie Sextus ihre Worte wohl auffassen könnte. Mit der Hochzeit war sie hier nun die Hausherrin, für sie war klar, dass sie diese Stellung hier festigen wollte und würde, und ebenso klar war für sie, dass das nur von Vorteil für ihren Mann sein konnte – und sie deshalb mit ihm darüber auch reden konnte. Dass es vielleicht ein wenig unvorsichtig war, ihn so offenherzig über ihre Ziele zu informieren, darüber dachte sie nicht einmal nach in diesem Moment. Und dass er womöglich anders darüber dachte, dass er gar zu jenen gehören könnte, die innerhalb der Familie niemandem den Rang ablaufen wollen würden, das war eine Einstellung, die Nigrina so fern lag, dass ihr diese Möglichkeit gar nicht in den Sinn kam. „Je länger er sich mit dem Heiraten Zeit lässt, desto besser. Je mehr er in der Zwischenzeit mir vertraut, was die Angelegenheiten angeht, bei denen er weibliche Unterstützung gebrauchen könnte – noch besser. Ich finde auch so heraus, was ich wissen muss, um meine Position so unverrückbar wie möglich zu machen, aber es ginge schneller mit deiner Hilfe.“ Ihr Lächeln verstärkte sich für einen Moment, bevor es verschwand und einem Gesichtsausdruck Platz machte, der schwankte zwischen Unschlüssigkeit und ein wenig Unwillen. „Und was Prisca angeht: mein Bruder“, erläuterte sie knapp den Grund für ihre Frage. Ihr Blick war zur Decke gewandert, kehrte aber sofort wieder zu ihm zurück, um zu sehen, wie er darauf reagierte. „Er ist der einzige Sohn meines Vaters. Ich würde gerne wissen, womit ich bei dieser Ehe zu rechnen habe, wenn er sie denn tatsächlich bekommt. Und ich gehe davon aus, dass du sie besser kennst als ich.“

  • Es war lange her, dass Sextus sich bemühen musste, nicht zu lächeln. Er lächelte selten und wenn, dann sehr bewusst und genau dosiert. Doch hier in diesem Moment, seine frischgebackene Frau in seinen Armen, musste er schon an sich halten, bei ihren Ausführungen nicht ins Grinsen zu geraten.
    Soviel Raffinesse und soviel Leichtgläubigkeit in just demselben Atemzug. Sie überlegte, wie sie ihre Stellung als Hausherrin hier festigen könnte. Und ja, nach außen hin war sie nach Celerinas Tod wohl die Hausherrin, und sobald Prisca verheiratet sein würde, war da auch niemand mehr, der ihr den Titel streitig machen könnte. Ursus würde mit seiner Frau in dem anderen Haus wohnen, Narcissa würde Vestalin werden und Flora... nunja, sie war keine Hausherrin. Prisca eigentlich auch nicht, aber sie spielte die meiste Zeit ziemlich gut diese Rolle.
    Aber was sie anscheinend nicht bedachte, war, dass Sextus ja dieser Familie angehörte. Und seine Treue theoretisch dieser gehören müsste, und nicht der Frau, die sich grade aus politischen Erwägungen heraus in seinem Bett räkelte und ihm über die Brust streichelte. Das hier zwischen ihnen, das war etwas absolut Veränderliches. Wenn sie nicht dumm war – und bislang hatte sie keine Anzeichen von Blödheit gezeigt – wusste sie das auch. Er machte sich da auch keine Illusionen, wenn sie etwas besseres finden würde, wäre sie wohl weg. Die Flavier würden ihn großzügig entschädigen, damit er nicht im Weg stand, aber sie wär dann in einem anderen Bett und würde einem anderen Mann über die Brust streicheln und ihn ausfragen.
    “Und warum sollte ich dir darauf eine ehrliche Antwort geben?“ fragte er also leicht amüsiert. Bevor sich aber ihre Fingernägel noch nicht mehr ganz so nett in seine Brust graben würden, oder noch schlimmer anderswo ein Ziel fanden, drehte er sich leicht ihr zu und zog sie so an sich heran, dass diese weiblichen Waffen erstmal außer Gefecht waren. Und ihr Mundwerk wurde auch gleich mit einem Kuss verschlossen. Sie gehörte ihm, erstmal, und was ihm gehörte, verwendete er nach eigenem Gusto. Nur im Moment war es wohl nach wie vor nicht die Zeit dafür, lange konnte die nervende Verwandtschaft nicht auf sich warten lassen.
    “Ich finde es ja richtig niedlich, dass du mir traust“ stichelte er ein wenig, als er etwas von ihr abrückte und sich aufsetzte. Nicht, dass sie auf dumme Gedanken kam und darauf hoffte, ihn zu einer weiteren Runde zu überreden. “Vielleicht aber bin ich nicht so vertrauenswürdig?“ Eine kleine Frage, die sie zum nachdenken anregen sollte. Sextus wollte wissen, woran er war. Natürlich würde er das nicht sofort nach der Hochzeitsnacht erfahren können. Bis er wusste, ob und wie weit er Nigrina vertrauen konnte, würde einige Zeit ins Land ziehen. Er würde sie zwar behandeln, wie es ihr gebührte, aber es gab weit mehr, was eine gute Frau für einen Mann tun konnte, als hübsch auszusehen und einen Haufen Kinder werfen.
    Er stand auf und streckte sich erst einmal, lockerte ein wenig die Muskeln. Hm, kein Sklave da, der ihn ankleidete. Wo war das sprechende Inventar, wenn es einem nicht im Weg rumstand und nervte, sondern etwas nützliches tun könnte? Also drehte er sich nackt ihr zu.
    “Aber ich will mal nicht so sein. Ich weiß von keiner Frau, an der Avianus Interesse hegen würde. Taktisch klug wäre eine Claudia, aber dort steht glaube ich auch niemand zur Verfügung. Und ob Avianus so taktisch vorgeht, steht auch auf einem anderen Blatt.“
    Wenn niemand da war, musste er das halt selbst machen. Und da das hier nicht sein Zimmer war, sondern das, das Nigrina später bewohnen sollte, waren hier folgerichtig auch nicht seine Kleidertruhen. Also hob er seine Tunika vom Vortag vom Boden und zog sie über. “Und Prisca... sie liebt deinen Bruder.“ Die Betonung dieses Wortes ließ wenig Zweifel daran, dass er davon nicht unbedingt viel hielt. Wie wohl kein vernünftig denkender Mensch. Liebe war absolut indiskutabel. “Frag mich nicht, warum. Und er wird sie bekommen, Corvinus hat schlussendlich zugestimmt. Wenn dein Bruder auf öffentliche Liebesbekenntnisse verzichten kann, wird er sie wohl heiraten.“ Und sie würde ihn wohl vollkommen von sich eingenommen machen und beide würden sich in einer rosa Traumwelt aufhalten, bis einer der beiden endlich aufwachte. Sextus setzte auf Prisca, in deren Herz er die Saat des Zweifels schon gesät hatte. Sie musste nur aufgehen und Früchte tragen.

  • Nigrina bemerkte zwar, dass ihr Mann irgendwie amüsiert schien, aber es war ihr schleierhaft warum das so war. Es interessierte sie aber auch nicht wirklich. Er war gut gelaunt, und das wiederum war eine gute Voraussetzung dass sie bekam, was sie wollte. Was musste sie mehr wissen?
    Seine Antwort brachte sie allerdings zum Stutzen. Ihr Mund öffnete sich leicht, und mit wachsendem Unglauben musterte sie ihn. „Eh“, machte sie zunächst nur verdutzt, bevor sie dazu ansetzte tatsächlich zu antworten. Allein, sie kam genau bis: „Wei-“ Weiter nicht. Sextus zog sie an sich und küsste sie, auf eine Art, die ihr den Atem raubte und, nun ja, den Kopf für Momente ein wenig vernebelte. Mit einem Seufzen blieb sie liegen, als er sich dann von ihr löste, strich sich nur eine Haarsträhne aus der Stirn, während sie ihn dabei beobachtete, wie er sich aufsetzte. Was er dann allerdings von sich gab, brachte auch sie dazu, den Oberkörper anzuheben. Mit den Ellbogen stützte sie sich ab, als sie ihn nun mit einem flüchtigen Stirnrunzeln ansah. „Niedlich?!?“ Der Klang ihrer Stimme machte ziemlich eindeutig, was sie davon hielt – nämlich gar nichts. Was meinte er mit niedlich? Wieso war sie niedlich, wenn sie alles in Erfahrung bringen wollte, was ihr hier von Vorteil sein konnte? Und... was meinte er mit NIEDLICH? „Wir sind verheiratet“ erwiderte sie in einem Tonfall, als würde das alles erklären – und zugleich so tatsachenorientiert, als verkünde sie lediglich, welches Wetter draußen herrschte. „In meinen Augen macht uns das zu Verbündeten. Du kannst nur davon profitieren, wenn ich den Laden hier im Griff hab.“ Sie war sich nicht ganz sicher, ob er sie auf den Arm nahm, ob sie ihm das tatsächlich erklären musste – oder ob er tatsächlich nicht vertrauenswürdig war, wie er anmerkte. Wieder huschte ein Stirnrunzeln über ihre Züge. Sie waren verheiratet. Vielleicht mochte es ein wenig vorschnell von ihr gewesen sein davon auszugehen, dass sie das wie von selbst zu Verbündeten machte, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass ein Dasein als Verbündete ihnen beiden am meisten bringen würde. Fand sie. Wenn er mit ihr spielte, sie ausnutzte, ihre Stellung in dieser Villa boykottierte oder sie einfach nur als hübsches Anhängsel betrachtete, mit dem er sich vergnügen konnte, wann ihm danach war und das für ihn möglichst Söhne in die Welt setzte, dann würde er sehr bald nicht mehr darauf zählen können, dass sie ihn unterstützte. Und sie konnte ihn unterstützen, davon war sie überzeugt.


    Sextus indes sprach weiter – Nigrina konnte nicht genau sagen warum, ob er generell zu dem Entschluss gekommen war, dass es ihm auch was brachte, oder ob sie ihn überzeugt hatte, oder... einfach nur so. Sie dachte auch nicht weiter darüber nach, denn er hatte sich zu ihr gedreht, nackt, und der Anblick... lenkte sie wieder für einen Moment ab. Sie konnte nichts dagegen tun, es war einfach so. Erst nach einem Augenblick wanderte ihr Blick wieder nach oben, zu seinem Gesicht. Avianus hatte im Moment als keine an der Hand. Das waren schon mal gute Neuigkeiten. Sextus erzählte ihr zwar nichts über die Vorlieben seines Verwandten, aber nun, das würde sie schon mitbekommen. „Ich könnte Antonia mal fragen, ob es eine Claudia im heiratsfähigen Alter gibt...“ Aber wollte sie das? Eine Claudia für Avianus? Eine aus einem der wenigen Geschlechter, die sich mit ihrem messen konnten? Nein, da war doch eine besser, die... nun ja... schon simpel vom Stand her etwas unter ihr war. Nicht dass sie befürchtete, sie würde mit einer Claudia nicht fertig werden, aber je mehr Vorteile sie von Beginn an hatte, desto besser.
    Und dann kam das Thema auf Prisca und ihren Bruder. Nigrina richtete sich endgültig auf, rutschte zur Bettkante vor und verzog das Gesicht. Sie liebte ihn also. „Na super“, kommentierte sie, und diesmal hatte ihr Tonfall etwas ätzendes. „Aber ich sollte wohl froh sein, dass er in dieser Ehe nicht der einzige Idiot sein wird.“ Sie stand auf, streckte sich erneut kurz und wandte sich dann zu einer der Truhen, wo sie ein großes, seidenes Tuch herauszog, das sie sich um den Körper schlang. „Ich brauche ein Bad, bevor die Feier heute weiter geht. Was ist mit dir?“

  • Besonders niedlich war es, wie sie sich über das Wort niedlich aufregte. Sextus verbuchte dieses Wort gleich unter jenen, mit denen er seine Frau vorzüglich würde ärgern können. Sie musste noch einiges lernen, wie es schien. Eines davon war, ihm keine Waffen regelrecht in die Hand zu drücken, mit denen er sie Ärgern konnte. Jeder Mensch hatte Dinge, die ihn ärgerten. Aber wer klug war, behielt die für sich und zeigte bei jenen nicht mehr Emotion wie bei Dingen, die einem Gleichgültig waren. Ansonsten hatte man bald einen netten Gesellen im Bekanntenkreis – wie Sextus beispielsweise – der nichts lieber machte, als diese Schwäche auszunutzen.
    “Du bist besonders niedlich, wenn du dich echauffierst“, meinte er mit einem leichten Schmunzeln, nur um sie zu ärgern.
    Ihre Erklärung hingegen war zwar hinreichend, aber nicht umfassend. Sicher waren sie verheiratet und es hatte Vorteile, wenn sie sich für ihn einsetzte. Aber sie waren nun nicht so auf Gedeih und Verderb aneinander gebunden, als dass sich daraus zwangsläufig Vertrauen ergeben musste. Es war eine Zweckgemeinschaft, und wie belastbar diese wäre, würde sich erst dann zeigen, wenn sie ihren Zweck – also das in die Welt setzen von schreienden Wesen genannt Kindern – erfüllt hatte. Erst dann konnte Sextus sich hinreichend sicher sein, dass seine Frau die Notwendigkeit von Loyalität wirklich empfand. Nicht zwangsläufig ihm gegenüber, aber wohl einem Kind gegenüber, das er bei einer Scheidung behalten durfte, sie hingegen nicht. Aber all das waren Dinge, über die ein kluger Mann seine Ehefrau besser nicht aufklärte, wollte er den Frieden wahren. Und so schwieg er zu ihrem kleinen Einwurf und ließ sie auf das, was er ihr danach sagte, reagieren.


    Auch hier offenbarte sie einen wahren Fundus an Informationen, die sie ihm bereitwillig präsentierte. Sie hielt auch nichts von dieser albernen Gefühlsäußerung, die gemeinhin als Liebe bekannt war, mit diesem Gefühl aber wohl absolut nichts gemeinsam hatte. Sextus hatte sehr wohl eine Definition von Liebe, aber diese beinhaltete mitnichten, sich vor aller Welt zum Trottel zu machen, übermäßige Gefühlsausbrüche weibisch zur Schau zu stellen und an dem Gegenüber zu kleben wie eine Fliege an einem Pferdeapfel. Sollte seine Frau ihm jemals ein Gefühl von Liebe entgegenbringen, dann äußerte sich dieses hoffentlich dadurch, dass sie ihre Macht dazu einsetzte, seinen Einfluss zu mehren, ihm Respekt entgegenzubringen und alles daran zu setzen, dass die schmutzigen, kleinen Familiengeheimnisse geheim blieben. Das entsprach viel mehr einem für Sextus erstrebenswertem Gefühl, sofern irgendein Gefühl jemals erstrebenswert sein könnte.
    Und sie dachte auch abfällig über ihren Bruder wegen dieser Sache. Sehr schön. Zwar hatte sie bestimmt dennoch etwas dagegen, sollte Sextus entschließen, dass Piso seine Schwester beerben sollte, aber sie würde ihm seine Skepsis nicht übel nehmen. Und je weniger er sich verstellen musste, umso leichter würde es ihm fallen, sie von sich eingenommen zu machen.
    Und als letztes äußerte sie noch die Bereitschaft, sich für seine Gens einzusetzen. Mehr noch, sie machte eine taktisch kluge Pause an der Stelle, an der er sein Einverständnis oder zumindest seine Meinung kundtun konnte. Mit anderen Worten: Sie legte auf seine Meinung wert und war gewillt, sie zumindest anzuhören.


    “Ich denke, mit der Claudia sollten wir uns etwas Zeit lassen. Je länger mein Vetter keinen Erben hat, umso besser für unsere Stellung.“ Ein kleines Zugeständnis an seine Frau, denn ebenso wie ihre kleine Anspielung war das hier nichts anderes. Er war durchaus gewillt, ihre Stellung hier zu festigen, natürlich zu seinem eigenen Vorteil. Aber sie konnte durchaus wissen, dass ihm daran auch gelegen war und er mit ihr in diesem Punkt wohl einer Meinung war. Mehr noch, er war gewillt, sie bis zu einem gewissen Grad zu protegieren. Nicht aus selbstlosen Motiven, sondern weil sie recht hatte, es würde ihm nützen, mit der Hausherrin verheiratet zu sein. Und je länger sie das sein würde, je firmer ihre Stellung durch einen oder mehrere Erben und je höher sein Rang wären, umso schwerer würde es eine zukünftige Frau haben, ihr diesen Einfluss wieder streitig zu machen.


    Doch, Sextus war eigentlich ganz zufrieden mit seiner Frau. Sie hatte auch ein Gespür für richtiges Auftreten, immerhin wollte sie sich für den Hochzeitsmorgen groß herrichten lassen. Ihn persönlich hätte es nicht weiter gestört, wenn sie noch seinen Duft an sich gehabt hätte und so der Welt subtil klargemacht hätte, dass sie ihm gehörte, voll und ganz, aber es war wohl rücksichtsvoller den Gästen gegenüber, wenn sie sich badete.
    “Das Bad gehört dir allein. Ich werde mich nur waschen und umziehen. Duftöle sind eher etwas für femininere Typen Mensch.“ Wie Frauen, oder gewisse Flavier.

  • Für einen winzigen Moment zogen sich Nigrinas Augenbrauen noch mehr zusammen. Ihr Mann wiederholte seinen Ausspruch sogar noch einmal, und sie persönlich konnte das gar nicht lustig finden. Sie war nicht niedlich. Allerdings: sie war mit mehreren Geschwistern groß geworden. Auch wenn sie das Nesthäkchen und wohl am meisten verwöhnt worden war, gab es da doch eine gewisse Schule, die man mit Geschwistern durchlief. Vera war da eigentlich außen vor gewesen, mit der hatte sie immer wenig anfangen können, aber Piso und seine Freunde, die hatten öfter mal versucht sie zu ärgern. Und dann war da noch Leontia gewesen, die von all ihren Geschwistern ihr am ähnlichsten war. Leontia hatte sie nicht geärgert im herkömmlichen Sinn. Oh nein, Leontia war auf einem ganz anderen Niveau gewesen, und von keinem hatte Nigrina so viel gelernt wie von ihrer ältesten Schwester, was Sticheleien dieser Art betraf – bis hin zu Intrigen. Sie erkannte also durchaus, wann jemand sie zu ärgern versuchte. Meistens sah sie allerdings nicht den geringsten Sinn darin, sich zusammenzureißen. Wieso auch? Sollten die Leute ruhig mitkriegen, dass sie wütend war – solange es nicht irgendwo in der Öffentlichkeit geschah, irgendein offizieller Anlass oder in Gegenwart von wichtigen, also wirklich wichtigen Leuten, hatte sie ein Recht darauf, ihrer Wut auch freien Lauf zu lassen. Allerdings gab es da immer auch die Momente im privaten Bereich, in denen das nicht ganz so angebracht war, und das hier war einer davon, aus gleich mehreren Gründen. Zum einen war das hier immer noch ihre Hochzeit. Die Feier war noch nicht vorbei, und sie hatte keine Lust darauf, den Rest des Tages beleidigt zu sein auf ihren Frischangetrauten. Zum zweiten konnte sie seinen Geschmack noch auf ihren Lippen spüren von dem Kuss gerade eben, und wer so küsste, hatte den ein oder anderen Vorschuss verdient. Und dann war da noch der Fakt, dass es schlicht lächerlich gewesen wäre, sich nun darüber aufzuregen, wo das eigentliche Thema sie viel mehr interessierte. Über das zweite Mal ging sie also, nach nur einem kurzen strafenden Blick in seine Richtung, kommentarlos hinweg.


    Und es lohnte sich. Obwohl Sextus gerade noch gemutmaßt hatte, welche Frau für seinen Verwandten wohl am taktisch besten wäre, gestand er ihr dann doch zu, dass es besser war, wenn er noch unverheiratet blieb. Ein feines Lächeln huschte über ihre Züge, begriff sie doch sehr wohl, was das hieß. Wenn Avianus noch ledig blieb, nützte das in erster Linie zunächst mal ihr. „In Ordnung“, lächelte sie also zurück. „Antonia kann ich dann fragen, wenn die Zeit stimmt.“ Dann, wenn sie und Sextus mindestens einen Erben hatten, und es sogar für sie beide irgendwann peinlich werden würde, wenn Avianus immer noch unverheiratet war.
    Bei seiner Antwort auf ihre Frage dann wölbte sich die typische flavische Augenbraue leicht nach oben. Sie legte den Kopf leicht schräg und ließ ihren Blick über seinen Körper gleiten, der nun leider von einer Tunika verborgen war – einen Blick, der deutlich machte, dass ein Bad nicht das einzige war, was ihr gerade im Sinn umging. Allerdings war ihr bewusst, dass dafür keine Zeit war jetzt. Immerhin wollte sie sich vernünftig herrichten, und das würde naturgemäß eine Weile dauern. „Schade“, seufzte sie dennoch, bevor sie auf ihn zukam. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um ihn zu küssen, und sie lehnte sich dabei leicht an ihn, während ihre Lippen die seinen berühren, so sacht, dass gerade darin eine gewisse Verheißung lag. „Vielleicht ein andermal. Bis gleich.“ Sie lächelte erneut ihr feines, schwer deutbares Lächeln, bevor sie sich umdrehte und den Raum verließ, um sich für den bevorstehenden Empfang herzurichten.

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