Oikia tou Xenophanous

  • Q. Flavius Flaccus Xenophanei suo s.


    Viel zu lange habe ich nichts mehr von dir gehört, seit ich selbst Athen verlassen - viel zu früh haben die Götter mich aus meinen Studien gerissen! - und dich, meinen besten Lehrer, Studienpartner und Freund mit den Vorsätzen, nach Alexandria aufzubrechen, zurückgelassen habe. Morpheus hat mir in seltsamen Bildern zu verstehen gegeben, dass dein Vorhaben geglückt ist und du die Stadt unbeschadet erreicht hast; ich zweifle nicht an diesem Traum, denn du weißt, ich wünsche dir nur das Beste und habe Poseidon, dem gewaltigen Herr über die Meere eigenhändig ein Opfer für deine glückliche Überfahrt dargebracht, und doch nagt die Ungewissheit über dein Befinden allzu heftig an meinem Geist. Dein Bild sehe ich, dich höre ich, mit dir glaube ich zu sprechen und muss feststellen, dass es nur leere, nichtssagende Bilder sind, die die Götter - oh die grausamen! - meinem geplagten Verstand eingeben. "Die Götter?", du wirst lachen und es ist erlaubt, dass du lachst. "Ja die Götter.", denn sosehr ich selbst wohl noch vor weniger Zeit, in Athen, darüber gelacht, und sie als Märchen, als Hirngespinst oder symbolhafte Wahrheit eines Blinden - du weißt, ich schätze Homer! - abgetan hätte, sosehr verachte ich nun meine eigenen frevelhaften Gedanken von damals. Du musst wissen, ich bin nach dem Tod meines Vaters, der sich ja bereits, als ich noch in Athen weilte, abzeichnete und mich nach Italien zurückrief, nach Rom aufgebrochen, wo ich nunmehr bei der Familie untergekommen bin, gewillt, den Cursus Honorum zu durchlaufen. Nicht allein die Politik aber ist es, die mich im Moment beschäftigt, nein auch im Cultus Deorum habe ich Mittel und Wege gefunden, mich zu bilden. Ja, denn es ist Bildung, den Dienst an den Göttern zu vollziehen, schenk' meinen Worten Glauben! Jedenfalls muss ich dir von einer Begebenheit erzählen, die mich jedenfalls meiner früheren Zweifel an den Göttern entbunden hat:


    Unweit der Stadt kam es zu einem Frevel in einem Hain der Diana. Zu den genauen Vorfällen herrschen nur Gerüchte, eines haarsträubender als das andere, feststeht, es muss Schreckliches geschehen sein. Seither betrachten die Römer die Pax Deorum, ihren Frieden mit den Göttern als erheblich gestört und glaub' mir oder nicht, sie haben Recht! Grauenvolle Dinge sind geschehen, die an der Macht der Götter keinen zweifel lassen. Wärst du hier, du könntest dich der Wahrheit nicht entziehen. Ich bin aufgewühlt und glaube nicht mehr klar denken zu können, auch deshalb schreibe ich diesen Brief. Denke gründlich, ganz so wie es deine Art ist, über die Sache nach und lass' mich wissen, was du davon hältst, denn die Unsicherheit lässt mich nicht ruhen. Ich sehe, ich schreibe schon wieder viel zu lange, wollte ich mich doch nur von deinem Wohlbefinden versichern. So die Götter (du siehst, um nichts anderes kreisen meine Gedanken!) diesem Vorhaben gewogen sind, magst du diesen Brief schon bald erhalten und wenn du ihn erhältst, zögere nicht, sondern setz dich und schreib, selbst wenn es zuerst nur das ist, womit die Alten ihre Briefe begannen s.t.v.b.e.e.v., denn das allein vermag mich schon zu beruhigen. Vale.

  • Mühsam und beschwerlich war die Reise von Rom nach Alexandria für den alten Griechen verlaufen. Schon bei dem Gedanken daran wurde ihm erneut schlecht. Nun also war wenigstens die Überfahrt, und damit der unangenehmere Teil der Reise überstanden und Myson fand sich, in seinen staubigen Reisemantel gehüllt, an dem die salzige Gischt deutliche Flecken hinterlassen hatte, vor einem eher unscheinbaren Haus im Broucheion wieder, das einer der herumlungernden Müßiggänger als dem gesuchten athenischen Gelehrten gehörig ausgewiesen hatte. Seine knochigen Finger gegen das Holz der Türe schlagend, klopfte er verhalten an und konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, verstohlen über seine Schulter zu blicken.

  • Es klopfte an der Tür? Nein, wer würde Xenophanes überhaupt hier auffinden wollen? Meist hält er sich sowieso in der Bibliothek auf, sodass die Alexandriner es bereits aufgaben, ihn in seinem Zuhause ausfindig zu machen. Doch zufällig war Xenophanes für einen Moment in sein kleines Häuschen zurückgekehrt, um einige Schriften aus seiner privaten Bibliothek zu suchen, die er mit einigen Exemplaren aus der alexandrinischen Sammlung vergleichen wollte.


    Es war unmöglich, dass es sich bei dem Geräusch um ein Klopfen an der Tür gehandelt hat. Xenophanes suchte weiter in seinen Papyri, doch als es erneut an der Tür klopfte, ging Xenophanes zur Tür und öffnete sie. Beim Zeus, es war tatsächlich jemand an der Tür. Erwartungsvoll schaute er den Besucher an.

  • Die flüchtigen Stoßgebete zu Zeus, dem Wahrer des Gastrechts schienen erhört, als sich die Tür nach erneutem Klopfen öffnete, und ein erwartungsvoll dreinblickender Mann, bei dem es sich nach den Beschreibungen des jungen Flaviers nur um den Gelehrten höchstselbst handeln konnte, den erschöpften Griechen erwartungsvoll anblickte. Jener verneigte sich höflich und erklärte sich beflissen: "Chaire. Xenophanes der Athener?", wollte er sich absichern, ehe er ein knappes Schreiben aus einer eingewachsten ledernen Umhängetasche zum Vorschein brachte, und es dem Gelehrten entgegenstreckte.




    Q' FLAUIUS XENOPHANEI SUO S.


    Jener Mann, der dir diese Nachricht überbringt, ist mein Vertrauter und handelt in meinem persönlichen Auftrag. Nimm ihn bitte in aller Gastfreundschaft auf, und behandle ihn so, wie du auch mich behandeln würdest.


    DATUM ANTE DIEM XIV KAL IUN DCCCLXI A.U.C.


    [Blockierte Grafik: http://img840.imageshack.us/img840/4438/siegelflavia2qk0.png]

  • Xenophanes nahm gespannt die Nachricht entgegen und las sie. Ist es möglich? Mein guter Flaccus, der mir der liebste unter allen Römern ist, schickt mir einen Gesandten? Strahlend vor Freude blickte er über das Schreiben und hieß den Mann willkommen:


    "Khaire, mein Bester! Tritt ein!"


    Xenophanes öffnete die hölzerne Eingangstür so weit er nur konnte und bat den Gast herein. Er konnte es immer noch nicht ganz fassen. Zwar hätte sich noch mehr über den Besuch des Flaviers persönlich gefreut, doch seinen Vertrauen zu schicken erfreute ihn ebenso!


    Auf dem Weg hinein, der nicht besonders lang gewesen ist, da die Behausung des Xenophanes eher klein ausfällt und der Platz, den es gerade bietet, durch Regale und Bücher belegt ist, antwortete Xenophanes seinem Gast:


    "Ja, so ist es. Ich bin Xenophanes!"


    Im einzigen Zimmer angekommen wollte er seinem Gast gerne etwas anbieten, etwas zu trinken, etwas zu essen oder wenigstens eine Sitzgelegenheit. Doch dies erwies sich als äußerst schwierig. Dafür hielt sich Xenophanes zu selten in seiner Wohnung auf, als dass er auf Besuch vorbereitet wäre. Die meiste Zeit war er schließlich in der Bibliothek und bis auf die Sklaven des Mouseions hatte er keine eigenen Sklaven zur Hand, die sich um seine Behausung kümmern könnten.


    "Wie du siehst, ist diese Wohnung mehr als unbelebt. Du bist sicher etwas müde von deiner Reise und brauchst etwas Ruhe, mein .. wie war noch gleich dein Name?"


    In der Zwischenzeit müsste Xenophanes überlegen, wie er den unerwarteten, aber keinesfalls störenden Gast am besten bewirtschaften kann. Ansonsten müsste er improvisieren.

  • Wie erwartet stimmte das knappe Schreiben den Gelehrten so freundlich, dass er seinen griechischen Landsmann ohne Zögern herein bat. Dass der junge Flavier nicht selbst gekommen war, hatte eine Menge von Gründen, deren offensichtlichster war, dass es ihm als Mitglied des Senatorenstandes schlichtweg untersagt war, die Provinz zu bereisen. Also trat stattdessen sein griechischer Vertrauter ein in das schlichte Heim des Atheners, um sich endlich, nun da er sich ein wenig vor der Öffentlichkeit und ihren unzähligen Augen und Ohren verborgen fühlte, angemessen vorzustellen. Eine knappe Verbeugung begleitete seine Worte. "Sei gegrüßt und hab Dank für die Aufnahme. Ich bin Myson und man kann mich wohl als einen der einstigen Lehrer des jungen Flaviers bezeichnen." Er blickte sich unsicher um. "Danke für das Angebot, doch es wäre mir lieber, wir könnten sogleich ein wenig sprechen ... falls du Zeit erübrigen kannst, es wir vermutlich etwas länger dauern.",fügte er an, um sich dann abermals prüfend umzublicken. "Sind wir hier vor neugierigen Augen und Ohren geschützt?" Denn es waren durchaus Dinge von gewisser Brisanz, die der Grieche im Auftrag des Flaviers zur Sprache bringen sollte.

  • Myson hieß er also, ein weiterer Grieche, der sich hier in Alexandria aufhält. Doch er wirkte etwas besorgt. Zeit kann ich definitiv erübrigen, vor allem für einen werten Gast, wie Myson es war.


    "Sogleich sprechen?"


    Es scheint dringlich zu sein. Xenophanes räumte die vielen Papyri und Pergamena vom Tisch und bat Myson einen Platz an. Es war ihm äußerst peinlich, ihm nichts zu essen oder zu trinken anbieten zu können, aber ich denke, das lässt sich nachholen.


    "Was gibt es? Kein anderes Ohr vermag hier deine Worte hören außer die meinen."


    ... denn kaum jemand vermutet Xenophanes hier in seinem oikos. Wenn ihn jemand suchte, würde er wohl in der Bibliothek erwarten. Gespannt setzte sich Xenophanes Myson gegenüber.

  • "Nun gut.", immer noch etwas unsicher nahm der Grieche Platz und blickte tief in die Augen seines Gegenübers, den Grund, die Quelle des Vertrauens suchend, das der junge Flavius diesem Gelehrten entgegenbrachte. "Flaccus benötigt deinen Rat in einer philosophischen Angelegenheit...", begann er also zu erklären und kratzte ein wenig an seinem Kinn herum, welches im Moment entgegen seiner Gepflogenheit es sauber zu rasieren, wie in Rom üblich, von einem ungepflegten Bart ob der Reise mit dem Schiff verdeckt war, und ihn an jene glorreichen Zeiten fernerer Vergangenheit erinnerte, als er noch in seiner Heimat geweilt und selbstverständlich einen Bart getragen hatte. Ein wehmütiges Seufzen entfleuchte bei diesen Gedanken seinen von Wind und Wetter aufgerauhten Lippen, ehe er erneut mit sanfter Stimme zu sprechen begann, "Es geht um die Ordnung des Staates. - Eine kleine gedankliche Spielerei, quasi eine Hypothese ... Ist die monarchía nicht die beste Form, einen Staat zu lenken? Kann sie Platon zufolge nicht gar als Ideal einer optimalen Verfassung angesehen werden? Ein gerechter princeps, basileús, nenn' ihn wie du willst, jedenfalls ein Philosoph als Herrscher, ist das nicht die beste Form, einen Staat zu lenken?", neugierig nun blitzten die dunklen Augen des Griechen den Gelehrten an, als er innehielt, um jenen zu Wort kommen zu lassen, ehe er fortfahren würde.

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