[Tablinum] Geschäfte

  • Macer folgte erneut mit leicht zusammengekniffenem Gesichtsausdruck der stotternd vorgetragenen Frage und lehnte sich dann etwas weltmännisch zurück. Als Consul konnte man sich das in gewissen Augenblicken wohl erlauben. "Nun, es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte Roms, dass ein schwacher Kaiser durch einen stärkeren ersetzt werden würde", sprach er trocken das aus, was seine Gesprächspartnerin wohl schon eine ganze Weile dachte. "Diese Gefahr besteht, das ist völlig richtig. Und an Stelle des Kaisers würde ich mir darum auch Sorgen machen. Im Alltag richtet sich der Unmut wohl aber eher gegen den Praefectus Urbi als gegen den Kaiser, zumindest wenn man die Stimmung im Senat betrachtet. Er hat dort nicht nur Freunde, aber das weiß er ganz sicher und es scheint ihn ruhig schlafen zu lassen. Ob die Situation für alle zufriedenstellend ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber im Moment erachten ich sie noch als stabil."

  • Das war nun nicht das, auf was Axilla hinaus gewollt hatte, und sie war ein wenig erschrocken, dass Macer ihre Andeutungen so verstanden hatte. Sie versuchte, sich möglichst wenig davon anmerken zu lassen, aber ihre Gesichtszüge hatte sie nicht so gut unter Kontrolle, wie sie sie gerne hätte. Sie versuchte, sich mit einem auf die Tafel gehefteten Blick zu retten und machte sich ein paar Notizen. Nun, eigentlich waren es eher Wortfetzen ohne Zusammenhang, so stand am Ende Geschichte stärker Unmut PU Stimmung da, und sogar Axilla fragte sich einen Moment, was sie da nur aufgeschrieben hatte. Aber es war besser, als dem Consul gleich wieder etwas vorzutragen, was noch weniger Zusammenhang hatte als ihr Schriftwerk.
    “Du hast die Stimmung im Senat angesprochen. Wie beurteilst du diese denn momentan?“ Er hatte gesagt, er erachte die Lage als noch stabil. Axilla hatte gut zugehört, und dieses kleine Wörtchen hatte eine schicksalsschwere Bedeutung. Noch war alles ruhig. Aber bald auch noch? Das machte Axilla leicht nervös.

  • Auf die Nachfrage nach der Stimmung im Senat hin überlegte Macer, ob es eigentlich noch mehr zu sagen gab, als er schon gesagt hatte. Oder als ein aufmerksamer Autor der Acta Diurna eigentlich ohnehin wissen müsste, wenn er die Berichte der Senatssitzungen veröffentlichte. "Nun, wie ich schon sagte, hat der Praefectus Urbi in den Reihen des Senates nicht nur Freunde", begann er daher. "Genauso, wie er dort seine Unterstützer hat und wie es wohl bei jedem einflussreichen Mann ist. Dementsprechend gibt es dann auch häufig Meinungsverschiedenheiten, so dass im Senat gelegentlich eine etwas angespannte Stimmung herrscht. Wobei es sicherlich nicht richtig wäre, dass an der Person des Praefectus Urbi fest zu machen. Spannungsgeladene Duelle gab es im Senat ja auch schon früher." Man musste nur an Redeschlachten zwischen Tiberius Durus und Germanicus Avianus denken und auch Decimus Livianus war immer für eine Rede gut, die den Senat in zwei Teile spaltete. Oder Octavius Anton, wenn man noch weiter zurück blicken wollte.

  • Entweder verstand der Consul ihre Frage nicht, oder aber er wollte ihre Frage nicht verstehen. Er wiederholte nur nochmal das, was er schon gesagt hatte, aber sagte rein gar nichts zu der Gefahr, die er vorhin angedeutet hatte. Absolut nichts darüber, ob er denn dachte, dass die stabile Lage bald nicht merh ganz so stabil sein könnte, absolut nichts über Missmut oder ähnliches. Eigentlich gab er nur Phrasen wieder, die absolut nichts aussagten. Axilla holte schon Luft, um noch einmal nachzufragen, aber dann ließ sie es bleiben. Er antwortete ihr schon eine ganze Weile recht ausweichend, und bis auf den kleinen Versprecher mit dem noch hatte er eigentlich nur betont, wie ruhig und stabil die Lage war. Natürlich, was denn auch sonst hätte er sagen sollen? 'Alles ist eine Katastrophe, und ich hab rein gar nichts hingekriegt und bedauere schon jetzt meinen Nachfolger, weil es unter dem garantiert Bürgerkrieg geben wird'? Vermutlich doch eher nicht.


    Also machte Axilla das, was sie am besten konnte, und wechselte abrupt und ohne Vorwarnung einfach komplett das Thema. Und was könnte ferner vom Senat sein, als private Fragen?
    “Darf ich dich etwas Privates fragen? Du bist ja jetzt schon eine ganze Weile verheiratet, hast aber noch keine Kinder. Siehst du das als Zeichen der Götter?“ Hah, Familie und Religion in einer Frage! Und wenn er ihr in der Politik nichts erzählen wollte oder konnte, dann hatte sie vielleicht hier mehr Glück.

  • Macer war sich ziemlich sicher, die gestellten Fragen richtig verstanden und nach seinen Möglichkeiten und bestem Gewissen auch umfassend beantwortet zu haben. Natürlich musste er sich als amtierender Consul gegenüber einer Mitarbeiterin der Acta Diurna etwas diplomatischer ausdrücken als er das vielleicht zu einer anderen zeit gegenüber anderen Personen getan hatte, aber trotzdem war er sich sicher, weder zu vage gesprochen noch das Thema verfehlt zu haben. Der plötzliche Themenwechsel bestärkte ihn in dieser Ansicht, denn dann hatte er wohl zum bisherigen Thema tatsächlich alles gesagt, was gesagt werden musste. Was ihm die Einstellung auf das neue Thema nicht eben erleichterte. "Nun, wenn dies ein Zeichen der Götter sein soll, dann muss ich es noch deuten lernen. Ich hoffe indes, dass sich die Götter nicht durch noch deutlichere Zeichen gegen meine Kinderlosigkeit wenden. Und natürlich hoffe ich, dass sich dieser Zustand auch bald ändert." Verheiratet zu sein war dafür ja schonmal eine gute, wennauch weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung. Ob und was er außer Hoffen noch gegen die Kinderlosigkeit tat, gedachte er allerdings wirklich nicht einfach so herumzuplaudern. Zumal wohl jeder erwachsene Mensch wusste, was man dagegen üblicherweise tun sollte.

  • Axilla fragte sich, wie Götter noch deutlicher in puncto Kinderlosigkeit werden konnten, wenn schon Kinderlosigkeit da war. Andererseits, auch wenn Axilla an der Zweckhaftigkeit von Opfern zweifelte, zweifelte sie nicht an der göttlichen Macht, und so genau wollte sie nicht wissen, wie die Götter einen Mann strafen konnten. Das Warum wäre schon eher interessant, doch implizierte die Antwort des Purgitiers, dass er ebenfalls einen Grund hierfür nicht kannte. Oder schlicht nicht darüber sprechen wollte, was zwar verständlich aber sehr neugierde-unbefriedigend war.
    Axilla veränderte ihre Sitzposition zu einer etwas bequemeren. Sie zog einfach ein Bein an und stellte die Ferse mit auf das Polster. So konnte sie besser auf der Tafel schreiben, wie wenn sie diese auf dem Schoß behielt. Ständig runterschauen gab Verspannungen im Nacken, so hatte sie die Wachstafel aber bequem auf Augenhöhe. Dass es vielleicht nicht so gut war, im Korbsessel eines Consuls sich so hinzulümmeln, noch dazu bei einem Interview im Anschluss an ein Geschäftsgespräch, daran dachte Axilla nicht. Vielmehr überlegte sie, was sie denn noch fragen könnte.
    “Hast du denn schon etwas vor, wenn deine Amtszeit vorüber ist? Möchtest du eine Provinz als Legatus, oder willst du erst einmal entspannen?“ Ein klein wenig verwegen und vielleicht sogar ein wenig flirtend setzte sie noch nach, ehe sie vernünftig darüber nachdenken konnte: “Dich um die Entstehung deines Nachwuchses kümmern?“
    Erst einen Moment später merkte sie, dass sie vielleicht besser nicht versuchen sollte, den Consul auf diese Art einzuwickeln. Und dass sie ihren Kopf nicht nur aus Dekorationszwecken dabei haben sollte. Pflichtschuldig lief sie schüchtern ein wenig rot an. “Tut mir leid, das letzte war... vergiss es bitte.“

  • Durchaus nicht uninteressiert betrachtete Macer die Körperbewegungen seiner Gesprächspartnerin und die Sitzhaltung, die sich daraus ergab. Sie schien das Gespräch zu genießen und eine gewisse Freude daran zu verspüren, war sein Eindruck. Zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen wäre Macer nicht einmal abgeneigt gewesen, daraus in dieser oder jener Weise Kapital zu schlagen. Und auch jetzt konnte er nicht verleugnen, dass der Anblick nun wirklich kein schlechter war. Immerhin hatte Iunia Axilla sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit Albina, zumindest was den Körperbau, die Gesichtszüge und die Haarfarbe betraf. Er schätzte die beiden auch ungefähr gleich alt, aber das musste nichts heißen. Allerdings sorgte der Gedanke an Albina und die Tatsache, dass sie gerade über seinen nicht vorhandenen Nachwuchs gesprochen hatten, nun genau dafür, dass er mit seinen Gedanken nicht allzu phantasievoll bezüglich der Konsequenzen aus der Sitzhaltung seiner Gesprächspartnerin war. In gewisser Weise sah er sich auch in der Pflicht, eben dafür zu sorgen, dass Albina Mutter wurde. Und unerfüllte Pflichten machten ihn immer etwas nachdenklich.


    Der erneute Themenwechsel kam da gerade Recht, um wieder ins Gespräch zu finden. "Nein, auch wenn man annehmen könnte, ich würde die Größe der Provinzen im Senat deswegen debattieren, damit ich mir später einfacher einen lukrativen Posten sichern kann, zieht es mich im Moment nicht über die Grenzen Roms hinaus. Ob das gleich Entspannung ist, mag ich nicht vorherzusagen. Man hat ja auch ohne offiziellen Posten gewisse Pflichten." Er dachte in diesem Augenblick zwar nicht an die Vaterschaft, aber auch die gehörte für einen gestandenen Senator eben dazu. Aber bevor er nun doch noch auf andere Gedanken kam, sah er es als besser an, das Gespräch langsam zu einem Ende zu bringen. "Und als Consul natürlich nicht weniger. Wir müssen daher wohl langsam doch zu einem Ende kommen, auch wenn ich das frisch erwachte Interesse der Acta Diurna an einer ausführlichen Berichterstattung natürlich sehr gerne unterstützen möchte."

  • Jetzt zeigte Macer, dass er wirklich geübter Politiker war, indem er einfach über Axillas Flirt hinweg ging, als hätte der nie statt gefunden. Naja, zumindest größtenteils, denn er führte den peinlichen Moment auch nicht weiter, sondern gab Axilla zu verstehen, dass er noch andere Dinge zu tun hatte. Wenngleich er dies so überaus freundlich tat, dass Axilla sich letzten Endes nicht sicher war, ob er sie nun rauskomplimentierte, oder ob er wirklich noch viel zu tun und schlicht keine Zeit mehr hatte. Wie hieß es so schön? Diplomatie war die Kunst, jemanden so charmant zur Hölle zu schicken, dass derjenige sich auf die Reise freute.
    Gut, ganz so schlimm war es hier sicher nicht. Axilla würde dem Consul sowas nie unterstellen, dafür war er schlicht viel zu... nett. Ja, wenn ein Wort es traf, dann, dass Purgitius Macer sehr nett zu ihr gewesen war. Aber dennoch hatte sie das Gefühl, dass er sie jetzt doch sicherheitshalber rauswarf, ehe sie doch nochmal so einen peinlichen Moment herbeiführte und ihn mehr in Versuchung zu führen versuchte. Vielleicht war es Einbildung, aber das Gefühl war so stark, dass Axilla keine große, verbale Gegenwehr leistete.
    “Natürlich.“ Sie erhob sich schnell und wusste einen Moment nicht, wohin mit der Wachstafel, ehe sie diese beinahe steif und stur nach unten einfach in ihrer linken Hand behielt. Den Stylus gab sie mit der rechten wieder zurück an den Consul. “Dann bedanke ich mich, dass du die Neugierde der Acta so kurzfristig befriedigt hast. Und für die Wachstafel und den Stylus.“ Sie wusste nicht, ob sie die Tafel behalten sollte oder ob sie sie in ein paar Tagen mit einem Boten wieder abgeben sollte, aber der Moment war ihr so schon peinlich genug, so dass sie sich nicht traute, danach zu fragen.
    Sie wollte jetzt auch nicht gleich mit einer Verabschiedung herausplatzen, und so beschloss sie, einfach den Mund zu halten und dem Consul Gelegenheit zu geben, sich richtig und offiziell zu verabschieden, ehe sie dann gehen würde. Das wäre in jedem Fall die am wenigsten peinliche Lösung mit dem geringsten Fehlerpotential.

  • Nichts von den charmanten Gedanken seiner Gesprächspartnerin ahnend, erhob sich Macer ebenfalls und nahm den Stylus wieder entgegen. "Es war mir eine Freude", antwortete er ganz ehrlich, während er den Stylus mehr oder weniger achtlos auf den Tisch zurück legte. "Was wäre ich für ein schlechter Consul, wenn ich der Staatszeitung Auskunft verweigern würde, noch dazu, wenn das Gespräch so charmant geführt wurde?" fragte er lächelnd und nicht minder ernsthaft. Er war schon sehr gespannt, was er nun später in der Acta Diurna über dieses Gespräch würde lesen können. "Außerdem haben wir vorher ja auch gute Geschäfte gemacht. Der Dank ist also auch ganz meinerseits", fügte er dann noch an und bewegte sich in Richtung Atrium. "Vielleicht werden wir ja auf die eine oder andere Weise noch einmal zusammen treffen. Vale!", verabschiedete er sich dann, als sie im Atrium standen.

  • War Axilla vorhin unsicher gewesen, so war sie jetzt vollkommen verwirrt. Wenn sie es nicht besser wüsste – und eigentlich wusste sie es nicht besser – würde sie sagen, dass der Consul nun mit ihr flirtete. Und pflichtschuldig errötete sie sogar ganz leicht und lächelte auf die Art und Weise dümmlich, wie nur jemand lächeln konnte, der eben gerade charmant genannt worden war und den das Kompliment just in dem Moment ein wenig überforderte. In Momenten wie diesen wünschte sich Axilla die Schlagfertigkeit, die sie hatte, wenn sie wütend war. Wütend sein war sehr viel einfacher als peinlich berührt zu sein. Nur war sie jetzt in diesem Moment nicht einmal so ein klitzekleines bisschen wütend, höchstens auf sich selber.
    “Mich würde es sehr freuen, wenn wir das würden“ antwortete sie mehrdeutig auf seine letzten Worte und versuchte, doch noch irgendwo ein Krümelchen dignitas aufzutreiben und so einen einigermaßen würdevollen Abgang zu machen. War aber gar nicht so einfach, wenn die Gedanken gerade um die Frage kreisten, ob das nun ein Flirt war oder nicht.
    Und so blieb das unsichere Lächeln und das “Vale“ fiel vielleicht eine Spur weicher aus, als es der römischen Geschäftsmäßigkeit und Gemütsruhe entsprochen hätte. Aber irgendwo erinnerte sich Axilla doch noch an die rudimentärsten Formen der Manieren und ohne weitere Patzer der menschlichen Kommunikation drehte sie sich um und folgte dem Weg nach draußen.

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