(Un-)Erfreuliches Gespräch?

  • Hier und heute hatte sich Victor mit Decimus Mattiacus für ein Gespräch verabredet. Der eine Auftrag des Praefectus Urbi brachte den octavischen Senator in eine unangehme Lage, die er gerne mit dem Decimer besprochen hätte. Etwas früher als verabredet traf Victor ein und suchte sich einen guten Platz in der taverna und gab dem Wirt zu verstehen, dass er noch einen Gast erwartete.

  • Mattiacus kam zur Taverna Apicia.


    Im Gastraum erspähte er seinen Gesprächspartner, den er noch von früher her kannte.


    Er setzte sich neben diesen an den Tisch.


    Mit "Salve Octavius Victor, bitte entschuldige meine Verspätung." begrüßte er den Senator.

  • Angestrengt hatte Victor in die falsche Richtung des Gastraumes gestarrt, weil er meinte ein bekanntes Gesicht entdeckt zu haben. So bemerkte er gar nicht die Ankunft von Mattiacus und das dieser sich neben setzte. Sogar bei der Begrüßung drangen die Worte erst nicht ganz durch zu dem Bewusstsein des Octaviers. Nach einem kurzen Augenblick, registrierte Victor dann aber endlich Mattiacus.


    "Wie...? Oh, salve Decimus Mattiacus. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich freue mich, dass du Zeit für dieses Treffen findest. Ich hoffe du befindest dich wohl?" Ein bisschen Smalltalk konnte nicht schaden, außerdem winkte Victor erst den Wirt herbei um die Getränke in auftrag zu geben und wollte das erledigen, bevor er zum eigentlichen Gesprächsthema vorzustoßen gedachte.

  • "Danke, ich kann nicht klagen. Arbeit gibt es immer und Freizeit auch." sagte Mattiacus, um das Gespräch locker einzuleiten. Ihm war noch nicht klar, um was es eigentlich ging, daher begann er erstmal etwas ungezwungen.

  • "Das freut mich zu hören. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es nicht gut ist wenn eines von Beiden das jeweils andere überwiegt." Wobei zuviel Freizeit verheerendere Auswirkungen auf die Moral haben konnte, als zu viel zu tun. Fand zumindest Victor. "Und wie geht es deinem... äh Bruder? Decimus Livianus?"

  • Eine kleine Ewigkeit ließ sich Victor zeit, bevor er weitersprach.


    "Nun, ich frage nicht ohne Grund nach ihm, wie du dir vielleicht denken kannst. Ich wollte mit dir nämlich über seine Verurteilung reden... schließlich warst du ja dein Advocatus." Hm, so wie er das jetzt gesagt hatte, klang das ein wenig als wollte er neugierig nachhaken, darum ging es dem Octavier eigentlich nur sekundär, also fuhr er gleich fort.


    "Der Kaiser hat den Praefectus Urbi beauftragt ein Rechtsgutachten über das Urteil einzuholen und damit mich beauftragt... als unabhängigen Gutachter also." Der ironische Ton in Victors Worten zeigte deutlich, dass er sich selbst da nicht gerade für hielt. "Zudem ließ er nicht gerade Zweifel daran, wie das Ergebnis des Gutachtens zu lauten habe, was mich in eine verzwickte Lage bringt. Ich hatte nie Hader mit Livianus und möchte das eigentlich auch in Zukunft nicht anders halten, aber wenn ich ein negatvis Gutachten über das Urteil abliefere, wird sich der Vescularier wohl einfach einen anderen Gutachter suchen... zumal auch einige Dinge für die Rechtmäßigkeit des Urteils sprechen." An dieser Stelle machte Victor eine Pause, damit das gesagte sacken konnte, fuhr dann aber fort.


    "Vielleicht kannst du mir aber auch deine Meinung als Advocatus als magister iuris sagen... dann kann ich die Position mit in das Gutachten aufnehmen. Dann hab ich meine Aufgabe erledigt und es besteht die Möglichkeit, dass sich unser Imperator seine eigene Meinung bildet. Was meinst du?"

  • Mattiacus zog die Augenbraue des rechten Auges ein wenig hoch. Das machte er immer so, wenn er Zweifel hatte und ihm etwas komisch vorkam.


    "Also dass Vescularius im Nachhinein noch ein Gutachten anfertigen lässt, über ein Urteil, bei dem er indirekt gewonnen hat, wundert mich ein wenig." sagte Mattiacus.
    Dass du dabei in der Zwickmühle bist, verstehe ich gut. Aber ich glaube nicht, dass Livianus dir was über nimmt."


    Er schaute sich im Gastraum und sammelte seine Gedanken.


    "Tja, also.... meine Position zu dem Fall hat sich eigentlich wenig geändert. Ich war immer der Meinung, dass die Anklage wegen Amtsmissbrauch zu überzogen ist. Das ist wie mit einer Ballista auf Spatzen zu schießen. Und das sage ich nicht nur, weil Livianus mein Bruder ist. Das ist auch meine ÜBerzeugung als Magister Iuris. Denn mit diesem Urteil wurde ein Präzedenzfall geschaffen, dessen Wirkung gut nach hinten losgehen kann. Denn jeder Beamte muss jetzt genau aufpassen, was er tut und sagt. Er könnte sich ja des Amtsmissbrauchs schuldig machen. Das würde auf Dauer die Verwaltung lähmen.
    Dass dem armen Peregrinus das Bürgerrecht vom nachfolgenden Prätor entzogen wurde, ist Strafe genug. Damit ist der Schaden, falls man es überhaupt so nennen will, für das Imperium behoben. Alles wie vorher. Jetzt meinem Bruder daraus einen Strick zu drehen ist völlig abwegig. Hier sollte jemand bewusst verurteilt und beschädigt werden. Der ganze Prozess hatte einen politischen Beigeschmack, der mit Recht und Gesetz nichts zu tun hatte."


    Mattiacus ließ erstmal seine Worte setzen. Beim Reden wurde seine Kehle ganz trocken.


    "Was wollen wir eigentlich trinken?" fragte er fast beiläufig.

  • "Soweit ich das verstanden habe, will auch nicht Salinator selbst das Gutchaten sondern unser Kaiser Valerianus. Livianus hat ihm wohl einen Brief geschrieben und seine Sichtweise auf den Fall dargestellt."


    Kurz warf Victor diese Worte auf den Einwand von Mattiacus ein, dann lauschte er jedoch aufmerksam den Worten des Decimers. Auf einer kleinen tabula, die er hervorkamte, machte sich der Senator zudem einige Notizen zu dem was der magister iuris sagte. Nachdem Mattiacus geendet hatte, schrieb Victor noch weiter in die Stille hinein, bevor er der Frage nach den Getränken aufblickte.


    "Äh, wie wäre es mit einem Schluck Wein?" Auch wenn dieses Getränk nicht den Wünschen des Decimers entsprechen sollte, winkte Victor schonmal nach dem Wirt, damit er sie an ihrem Tisch registrierte.


    Bevor der Wirt jetzt allerdings kam, wandte sich der Octavier nochmal mit einer Nachfrage an sein gegenüber.


    "Nun, dass eine Anklage in diesem Fall erheblich überzogen war, da stimme ich dir persönlich zu." Und Victor fragte sich, warum sein Neffe sich darauf eingelassen hatte die Anklage zu vertreten. Andererseits hatte sich ja auch der Senator dazu bereit erklärt das Urteil zu verteidigen. "Jedoch... ganz prinzipiell widersprach doch weder die Anklage noch das Urteil den Gesetzen, oder?" Auch wenn es bei diesem Fall ja auch noch ein paar Umstände gab, die nicht ganz normal waren.

  • Mattiacus kam auf das Angebot mit dem Wein zurück. "Gerne, ich nehme einen Schluck."


    Dann kam er wieder auf das Gespräch zurück.


    "Also... nach meiner Interpretation des betreffenden Wortlauts von § 112 I CodIur liegt eine Rechtsbeugung dann vor, wenn eine Entscheidung ergeht, die objektiv im Widerspruch zu Recht und Gesetz steht.
    Im Fall von Livianus kam es also darauf an, wie man § 2 der lex Germania Servitium auslegt. Nach meiner Auslegung von § 2 lag kein Verstoß vor. Ich habe das in der Verhandlung ungefähr so gesagt wenn ich mich richtig erinnere:


    Sim-Off:

    Hier schummele ich mal ein wenig und zitiere aus der Verhandlung. Mattiacus kann sich sehr gut erinnern ;)


    In meinen Augen umfasst die Norm des § 2 den Fall, dass ein Freigelassener nicht automatisch mit dem Akt der Freilassung ein römischer Bürger wird. Zur Zeit des Augustus war dies bekanntlich noch anders.


    Aber ich möchte hier keinen Vortrag zur rechtsgeschichtlichen Vergangenheit halten, daher zurück zu unserem Fall:
    Der ehemalige Sklave Marhabal wurde also per Testament freigelassen und daraufhin von Lucius Quintilius Valerian adoptiert. Und hier liegt der entscheidende Punkt. Die Adoption geschah zeitlich nach der Freilassung, und die Adoption ist gleichsam ein weiterer Umstand, der über den Fall des § 2 hinausgeht und daher nicht von ihm erfasst ist.
    Dieser Umstand der Adoption führt also dazu, dass § 2 überhaupt nicht mehr angewendet werden kann. Livianus hat also mit seiner Entscheidung überhaupt gar nicht gegen Recht und Gesetz verstoßen.
    Die Verleihung des Bürgerrechts nach der Adoption war sogar rechtmäßige und vom Gesetz gewollte Folge der Adoption, auf das der Adoptierte sogar ein Recht darauf hat."


    Mattiacus nahm einen Schluch Wein.


    "Mhm, sehr guter Tropfen.... aber nun weiter. Außerdem braucht man Vorsatz für den § 112 CodIur. Und den habe ich bei Livianus absolut nicht gesehen. Er wollte ganz sicher nicht das Imperium schaden, als er dem armen Marhabal das Bürgerrecht zusprach. Der Mann wollte unbedingt Römer werden und zur Armee. Also wenn das nicht für ihn spricht. Außerdem wollte Livianus einem alten Kameraden helfen, den letzten Wunsch zu erfüllen. Und letzte Wünsche sind bekanntlich heilig.


    Auch zum zweiten Fall finde ich haben die Richter das Gesetz falsch interpretiert. Sinn und Zweck des § 11 CodIur ist das Strafrecht vor befangenen Richtern zu schützen. Bei der Adoption handelt es sich aber um Zivilrecht. Livianus trotzdem deswegen zu verurteilen, weil er Serapio adoptiert hat, ist eine verbotene Analogie."


    Und noch einen Schluck.


    "Also um noch mal auf deine Frage zurückzukommen. Mit dem Gesetz ist es wie mit dem Wetter. Jeder kann daraus das Lesen, was er möchte. Das Urteil entspricht nicht meiner Interpretation des Gesetzes. Man kann es anders sehen, so wie die Richter es getan haben. Aber ob das auch zwingend ist, ist eine andere Frage."

  • Der Wirt hatte den Wein gebracht und Mattiacus hatte begonnen sich richtig in Fahrt zu nehmen, sodass Victor ziemlich schnell schreiben musste, wenn er den Ausführungen des Decimers folgen wollte. Er nahm sich vor beim nächsten Mal, wenn er Erkundigungen einzog, einen Schreibsklaven mitzubringen und nicht mehr alles selber erledigen zu wollen.


    Als Mattiacus dann geendet hatte schrieb Victor noch eine ganze Weile weiter, weil er nicht annähernd mehr mitgekommen war und doch nichts von dem Gesagten vergessen wollte. Als er endlich den stilus zur Seite legen konnte, griff auch der Octavier erstmal nach einem Becher Wein und trank einen kleinen Schluck.


    "Ich danke dir, Decimus Mattiacus. Sowohl für deine... ausführliche Darlegung deiner Sichtweise, als auch für deine Antwort auf meine Frage. Ich denke damit lässt sich einiges in dem Gutachten anfangen." Kurz lachte Victor trocken auf. "Hm, vielleicht sollte ich darüber nicht so froh sein... das macht es nur noch schwerer eine Bestätigung des ergangenen Urteils zu rechtfertigen. Wenn das nicht zu neugierig klingt: Wie kommt es eigentlich, dass äh..." Kurz musste Victor überlegen wer der iudex prior in dem Fall gewesen war. "... Annaeus Modestus die Höchststrafe gegen Livianus verhängt hat? War das etwas persönlcihes?"

  • Mattiacus nippte nocheimal an seinem Becher.


    "Das kann ich dir leider nicht sagen. Wie das Verhältnis von Livianus und Modestus war, kann ich leider nicht beurteilen, dazu kenne ich Modestus nicht genug. Ich will ihm auch hier nichts unterstellen." sagte Mattiacus.


    "Leider sind Juristen Sklaven der Schreibfeder. Unser Werkzeug ist das Wort und dieses muss man leider auf Papier bannen, um es festzuhalten." sagte Mattiacus in einem kurzen poetischen Moment. "Vielleicht kannst du mir das Gutachten nocheinmal zukommen lassen. Ich würde es gerne lesen, wenn es veröffentlicht werden sollte. Aber keine Sorge, rein aus beruflichen Interesse."

  • Das Mattiacus nichts zu der Beziehung zwischen Livianus und Modestus sagen konnte, war zwar schade, aber wenn der Decimer dazu keine Informationen hatte, war das auch nicht wirklich tragisch. Deshalb unterließ es Victor auch weiter bei diesem Thema sein Gegenüber zu drängen und nickte nur verständnisvoll.


    Für einen kleinen Schluck Wein hob der Octavier daraufhin seinen Becher und wollte gerade daraus trinken, als Mattaicus seine wortgewandte Eingebung hatte. Mit ein wenig Mühe aber doch Erfolgreich schaffte es Victor nicht in seinen Becher zu husten und auch keine Miene zu verziehen. Bei näherer Überlegung hatte der Decimer ja auch durchaus recht... wenn Victor diese Tatsache auch mit weniger blumigen Worten aus seinem Mund erwartet hätte.


    "Nun... natürlich lasse ich dir eine Kopie zukommen. Das ist ja auf jeden Fall selbstverständlich!"

  • Als Mattziacus seinen Becher hob, griff Victor auch nochmal nach dem seinen, musste aber bei den kurz darauf folgenden Worten des Decimers schmuzeln.


    "Eine ohne Zank und Streit würden vermutlich einige einfache Leute dazu sagen." Nichtsdestotrotz hob Victor seinen Wein und prostete Mattiacus zu.

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