Die Wagenrennen am 2. Tag der Carmentalia in diesem Jahr stellten den krönenden Abschluss der von Claudius Menecrates organisierten Spiele dar. Strömten die Zuschauer in den vergangenen Tagen noch ins Amphitheatrum Novum, zog es den Strom an Menschen nunmehr in den Circus Maximus. Der Einlass dauerte etwas länger als im Amphitheatrum, weil es weniger Eingänge gab. Viele Helfer sorgten dafür, dass kein Gedränge entstand, obwohl die Menschenmassen den rennen aufgeregt entgegensahen. Kein Vergnügen konnte eine so fiebrige Sensationsgier des Publikums erzeugen wie die Wagenrennen - keine athletischen Wettkämpfe, nicht die Munera oder die Venationes. Deswegen platzierte Menecrates die rennen an das Ende seiner Spiele. Jeder im Circus spürte die ansteigende Hysterie, bekam feuchte Hände, Herzrasen und manchmal sogar Luftmangel. Für Gäste, die umkippten, standen Hilfskräfte und mehrere Ärzte bereit.
Pünktlich zur angegebenen Stunde begann das Spektakel. Wieder startete alles mit einem festlichen Einzug in den Circus. Die Bilder und Statuen, die während der Gladiatorenkämpfe im Amphitheatrum Novium gestanden hatten, wurden in den Circus getragen und auf der Spina platziert. Reiterspiele unterhielten die Gäste, während die letzten Kontrollen an den Zählwerken durchgeführt wurden. Helfer verteilten an Hungrige noch Backwaren und Wein im Untergeschoss. Einzelne aus den Factiones nahmen die Dienste von Wahrsagern und Astrologen in Anspruch.
Endlich öffnete sich an der Stirnseite des Circus das große Tor und eingehüllt in einen begeisterten Begrüßungsapplaus, trabte ein Vierergespann in das Rennoval. Vier kräftige Rappen zogen einen leichten roten Wagen über die Bahn. Der Wagen wurde von einem jungen Lenker geführt, der jedoch nicht ins Auge fiel, denn auf einem erhöhten Tritt stand ein Mann in prächtiger Toga. Er hielt sich mit einer Hand fest, während die andere den Zuschauern zuwinkte. Vor der steinernen Tribüne, auf der die Censoren Platz genommen hatten, stoppte der Lenker. Eine kleine Staubwolke aus feinsten Sandpartikeln erhob sich kurzzeitig und sank auf den Boden zurück. Die kaiserlichen Loge war noch leer. Die nicht minder guten Sitzplätze zu ihrer Seite waren jedoch gut mit Senatoren und privilegierten Gästen gefüllt.
"Bürger Roms!", begrüßte der Aedil Claudius Menecrates die Menge. "Nach den Tagen voller Trist und Plackerei konnten wir uns bereits an Gladiatorenkämpfen erfreuen! Nun folgt der krönende Abschluss der Spiele: Zu Ehren Roms, zu Ehren der Götter und zu Ehren unseres Imperators habe ich ein Pferderennen organisiert, das euch begeistern wird. Es treten die Besten der Besten aus drei Factiones an. Heißt sie mit einem jubelnden Applaus willkommen, sie können euch hinter den Toren hören!"
Menecrates wartete ab, bis sich der Applaus gelegt hatte, dann sprach er weiter.
"Die Anzahl der Wagen - es sind sechs - verspricht wenig Karambolagen aus Platznot, ABER wir können uns auf taktische Manöver gefasst machen, denn die sind so viel leichter umsetzbar als bei vollen Bahnen. Ich nehme jetzt vor euren Augen die Auslosung der Startplätze vor."
Er wartete, bis seine Helfer mit einer silbernen Schale bei ihm eintrafen.