Lex Flavia de operositas

  • Kaum war Vinicius Hungaricus aus Germania zurück, hatte er nicht nur für einen Bericht um Wortmeldung gebeten, sondern auch für ein anderes Thema. Macer hatte einen Augenblick gestutzt, als er das Thema vernahm, den Wunsch nach Rederecht dann aber für schlüssig gehalten. "Noch einmal wir Vinicus Hungaricus nun zu uns sprechen, diesmal zur Lex Flavia de operositas", leitete er die Rede ein.

  • Und wieder fand er sich im Mittelpunkt des Geschehens wieder. Dieses Mal hingegen war es ihm ein persönliches Bedürfnis, vor den Senatoren zu treten.


    Patres conscripti! begann er mit der üblichen Begrüßung seine Rede. Im Jahr des Consulats des Tarquinius Pyrgensis hat der Senat die besagte Lex Flavia de operositas beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war ich in Germania und habe von dieser Lex aus der Acta Diurna erfahren und sogleich meine Gedanken zu dieser Lex dem Senat mittels eines Briefes mitgeteilt. Zu meinem Bedauern habe ich keine Antwort bekommen.


    Es liegt mir fern, mich als einen großen Juristen aufspielen zu wollen, denn es gibt viele, die mit den Gesetzen und den Normen weit besser umgehen können als ich selbst mit ständiger Übung je dazu imstande wäre. Das war der bescheidene Teil. Jetzt kam der andere.


    Jedoch wie es scheint, sind jene, die es können, nicht hier im Senat. Oder sie sind eure Speichellecker. Oder beides. Etwas anderes kann ich mir beim besten Willen nicht erklären. Sein bisher immer bewährtes stilistisches Mittel des Aufweckens.


    Angeblich wurde mein Brief hier im Senat vorgelesen. Ich weiß es nicht, ich war nicht dabei. Wie gesagt, eine Antwort habe ich auch keine bekommen. Anscheinend war ich in dem Brief viel zu nett. Daher werde ich in aller Klarheit folgendes beantragen: Nichts weniger als die Aufhebung dieser Lex!


    Eine kleine Pause folgte seinen Worten.


    Schon alleine Paragraph 2 ist solch kompletter Nonsens, daß ich mich kaum getraue auszudrücken, was ich davon halte. Frauen komplett aus dem Geschäftsleben rauszureißen! Wer auch immer diesen Schmarrn verzapft hat, war wohl noch nie auf einem Markt einkaufen! Und jeder unter euch, der seit Inkrafttreten dieser Lex etwas von einer Frau gekauft hat, der möge sich freuen, dieses Geschäft ist dank dieser unsäglichen Lex ungültig und sein Geld ist futsch, seine Ware weg. Warum? Weil die Frau - da sie Rechte haben darf - die Leistung des Gegenübers annehmen kann, da sie jedoch keine Pflichten trägt, nicht verpflichtet ist, das Geld wieder herauszugeben. Was für eine Idiotie...


    Mit einem absolut genüsslichen und überheblichen Grinser auf seinem Gesicht blickte er sich ein wenig um.


    Ich hab noch einiges anderes in meinem Brief beanstandet, doch den wichtigsten Part habe ich hiermit angesprochen. Und mit diesen Worten gab er die Bühne frei für die hoffentlich bald anstehende Diskussion.

  • Sein Patron hatte offensichtlich viel Zeit gehabt in Germania, denn kaum war er zurück, machte er sich auch schon an die Arbeit. Und sein erstes Ziel war offensichtlich die Lex seines Freundes Furianus, die er aber nicht nur bearbeiten, sondern am liebsten direkt abschaffen wollte.


    Zwar konnte Durus sich erinnern, irgendwann einmal etwas über einen Kommentar des Statthalters von Germania gehört zu haben, allerdings nicht, welchen Inhalt dieser gehabt hatte - vermutlich war er bei dieser Sitzung abwesend gewesen! Allerdings konnte er sich noch an einige Probleme, die diese Lex gehabt hatte, erinnern:


    "Vinicius, ich möchte in diesem Beispiel zu bedenken geben, dass wir bei der Verabschiedung dieser Lex nicht von Pflichten im Sinne vertraglicher oder geschäftlicher Pflichten ausgegangen waren, sondern von Officia, also öffentliche Pflichten und Aufgaben wie die Teilnahme an Wahlen, Übernahme von Ämtern et cetera.


    Somit spricht das Gesetz in dieser Form Frauen die Geschäftsfähigkeit nicht ab, sondern vermerkt nur ihre Geschäftsunfähigkeit im Bereich öffentlicher Pflichten.


    Dennoch halte ich Deinen Einwand für bedenkenswert, da es, wenn es selbst für einen angesehenen Juristen wie dich missverständlich erscheint, es wohl begrifflicher Klärungen bedarf und einer Umgestaltung des Textes bedarf. Insbesondere hielte ich etwa auch eine Passage die Tutela betreffend für sinnvoll."

  • Die Energie, mit der sich Vinicius Hungaricus gleich nach seiner Rückkehr aus Germania einem solchen Thema widmete, beeindruckte Macer. Ein paar mehr solcher Senatoren würden dem Senat wohl gut tun, aber im Moment sah die Tendenz bei der Ernennung neuer Senatoren ja eher anders aus. Auf jeden Fall hatte sich Macer zumindest rudimentär auch auf das Thema vorbereitet und einen Senatsschreiber den erwähnten Brief heraussuchen lassen. "Falls es gewünscht sein sollte, könnte ich erwähnten Brief noch einmal verlesen lassen", gab er daher bekannt, ohne sich jedoch erst einmal zum Inhalt zu äußern. Hier waren vor allem die Juristen gefragt und Macer sah sich eher weniger als solcher.

  • Es dauerte nicht lange bis zur ersten Wortmeldung einer seiner Senatskollegen. Nur schade, daß es keiner seiner Feinde war, denn Hungi war gerade in einer herrlichen Stimmung zum Poltern. Aber was nicht war, konnte ja noch werden.


    Aber Tiberius! In der ganzen Lex geht es nirgends um öffentliche Pflichten, sondern immer um private Rechtsbeziehungen. Und dann so mittendrin und vor allem ohne irgendeinen Hinweis, daß doch etwas anderes gemeint ist, gehts um eben jenes andere? Das widerspricht doch jeglicher Systematik! Und außerdem... welche Teilnahme zu welchen Wahlen? Ich habe nicht gehört, daß irgendwelches Weibsvolk irgendwo kandidieren wollte. Zum Cursus Honorum können sie es ja ohnehin nicht.


    Zum Einwurf des Consuls bemerkte er trocken: Ich habe nichts dagegen.

  • "Gern."


    kommentierte auch Durus den Vorschlag des Consul. Ehe dies jedoch geschehen konnte, wollte er doch noch eine kurze Erwiderung in Richtung Hungaricus abgeben - sonst würde der Zusammenhang am Ende aus den Augen geraten.


    "Ich stimme Dir durchaus zu, dass das Gesetz möglicherweise etwas ungeschickt formuliert ist. Abgesehen davon könnte man möglicherweise durchaus einige Passagen ersparen, da die zwölf Tafeln in dieser Hinsicht genügend Aussagekraft besitzen. Aber...einen Augenblick..."


    Er musste nachdenken - enthielt die Lex Flavia nicht eine Passage, die genau gegen seine Argumentation sprach?


    "Ich fürchte, ich muss meine Erklärung revidieren. Würde 'Pflichten' in dem von mir genannten Sinne definiert sein, so dürften auch unsere Söhne keine Ämter bekleiden - was sie aber ganz offensichtlich dürfen! Aber hören wir zuerst noch einmal Deinen Brief, damit wir im Bilde sind, worum es sich dreht!"


    Inzwischen hatte Durus auch Zeit sich zu fragen, was Furianus mit diesem Gesetz genau bezweckt hatte - offensichtlich hatte sein Patron gar nicht mal so unrecht damit, dass er es grundsätzlich infrage stellte...

  • Mit einem kurzen Satz ließ Macer den Senatsschreiber vortreten, damit er den bewussten Brief des ehemaligen Statthalters noch einmal vortragen konnte:



    An den Consul
    Servius Tarquinius Pyrgensis [NSC]
    Roma


    Grüße an dich und deine Familie aus dem frühlingshaften Mogontiacum.


    Etwas verspätet habe ich die Acta Diurna gelesen und erfuhr darin von der Lex Flavia de operositas. Ich möchte mit diesem Brief meine Meinung zum besagten Decretum Senatus kundtun und hoffe in aller Bescheidenheit auf Gehör im Senat.


    Zunächst möchte ich herausstreichen, daß ich die Intention hinter diesem Decretum Senatus anerkenne. Ich fürchte jedoch, daß die werten Senatoren manche Punkte nicht ausreichend bedacht haben. Lasst sie mich ausführen.


    Zu § 2 - die Geschäftsfähigkeit: Unter Juristen herrscht weitgehende Einigkeit, den Begriff der Geschäftsfähigkeit folgend zu definieren: nämlich als die "Fähigkeit, durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln (insbesondere durch Vertrag) Rechte und Pflichten zu begründen." Nun kann man die im Decretum Senatus gestellte Definition auch als gültig anerkennen. Der Punkt jedoch, daß Frauen keine Träger von Pflichten sein können, geht zum einen an meiner wie der des Senates getroffene Definition vorbei, zum anderen widerspricht sie komplett dem Geschäftsleben. Ich möchte dies näher erklären.
    Ein Beispiel: Gaius möchte dem Sextus eine Kuh verkaufen. Sie kommen über Preis und Modalitäten überein, der Vertrag ist perfekt. Gaius hat nun das Recht auf den Kaufpreis, wie Sextus das Recht auf die Kuh hat. Gleichfalls hat nun jedoch Gaius die Pflicht, dem Sextus die Kuh zu übertragen, genauso wie Sextus die Pflicht hat, dem Gaius den Kaufpreis zu übergeben. Man möge mir dieses ordinäre Beispiel verzeihen.
    Wenn nun Frauen keine Träger von solchen Pflichten sein können (und welche Pflichten sollen denn sonst gemeint sein), dann werden sie komplett aus dem Geschäftsleben herausgerissen. Sie dürfen nicht kaufen, nicht verkaufen, nicht vererben, nicht verschenken oder dergleichen. Sie dürften nur Geschenke und Erbschaften annehmen. Die werten Senatoren werden mit mir übereinstimmen, daß ein solches Szenario unsere Wirtschaft sicher nicht stärkt. Sei es die Witwe, die den Betrieb ihres verstorbenen Mannes weiterführt, um ihre Kinder zu ernähren, sei es die Tochter aus gutem Hause, die ohne männliche Begleitung trotz materiellen Wohlstandes verhungert, weil sie nicht einmal das Recht hätte, Brot zu kaufen.


    Ich muß daher den Senat eindringlich bitten, diesen Passus aus der Lex ersatzlos zu streichen. Ebenso wie § 4 Abs 2, da Abs 1 ohnehin meines Erachtens zur Genüge darstellt, was beschränkt Geschäftsfähige tun dürfen.


    Zu § 4 Abs 1 - Beschränkt Geschäftsfähige: Ich bin mir sicher, daß hier das Institut der negotium claudicans zugrunde gelegt wurde. Ich möchte hierbei anmerken, daß in einem solchen Fall der unmündige Geschäftspartner tatsächlich berechtigt ist, die auctoritas tutoris ist nur für den verpflichtenden Teil notwendig. Ich möchte den Senat daher bitten, diesen Passus leicht umzuformulieren.


    Lasst mich noch einige Überlegungen darlegen.


    Sklaven und Personen unter patria potestas als beschränkt geschäftsfähig zu benennen, finde ich aus unterschiedlichen Gründen falsch. Beide haben in den meisten Fällen ein peculium, welches sie bewirtschaften, dennoch bin ich dafür, Sklaven keine Geschäftsfähigkeit zuzugestehen, während ich dies für mündige römische Bürger sehr wohl tun möchte. Mündige Bürger haben die volle Verfügungsgewalt über ihr peculium, denn ein peculium zu bewirtschaften ist sinnlos, wenn dabei jedesmal um Erlaubnis des Vormunds gebeten werden muß. Das würde das Institut des peculiums schlicht ad absurdum führen. Ich befinde mich dabei in juristisch bester Gesellschaft, wenn ich daher sage, daß mündige Bürger voll geschäftsfähig sind.
    Nun haben Sklaven ebenfalls die volle Verfügungsgewalt über ihr peculium, doch sind Sklaven als Sachen nicht rechtsfähig und können daher auch nicht geschäftsfähig sein. Daß sie es in Bezug auf peculium oder auch über ein iussum ihres Herrn doch zu einem gewissen Grad sind, ist Gegenstand mancher juristischer Überlegungen und Kontroversen. Wenngleich ich Sklaven hierbei den gewissen Funken Geschäftsfähigkeit zugestehe, möchte ich den Senat dennoch darum bitten, Abstand zu nehmen von dem Gedanken, Sklaven gesetzlich Geschäftsfähigkeit, wenn auch nur beschränkte, verleihen zu wollen.


    Zuletzt möchte ich nach meiner langen Abhandlung noch folgende kleine Details anmerken: Mädchen sind bis zum vollendeten 12. Lebensjahr mündig, vielleicht möchte der Senat dies auch im Gesetz anmerken. Ebenso vielleicht möchte der Senat darüber nachdenken, die Rechte und Pflichten eines Vormunds gleich welcher Art zu bestimmen. Zum dritten Mal vielleicht mag der Senat die Lex (P)Laetoria überdenken und überlegen, ob diese Lex noch immer in unserer Zeit Bestand haben könnte.


    Zum Schluß noch ein formaler Gedanke. Nicht jeder Punkt benötigt in einer Lex auch einen eigenen Absatz. § 3 Abs 2 und 3 könnte man problemlos und ohne Sinnverlust in einem Absatz zusammenfassen, ebenfalls § 4 Abs 3 bis 6.


    Sollten meine Gedanken hochtrabend sein, so möge man mir diese verzeihen, doch im ruhigen Mogontiacum hat man Zeit und Muße, über die Gesetze nachzudenken. Wenn die Senatoren zu meinen Worten Fragen haben, werde ich sie gerne beantworten.


    Mögen die Götter deinen Weg segnen, Consul, und die der deinen.


    M. Vinicius Hungaricus


    NON MAI DCCCLX A.U.C. (7.5.2010/107 n.Chr.)


    _________________________________________________________


    Marcus Vinicius Hungaricus - Legatus Augusti pro Praetore - Provincia Germania

  • "Nun, deine Einwände sind durchaus bedenkenswert, Vinicius! Dennoch halte ich es doch für sinnvoll, eine juristische Handhabe für Tutores, Geschäftsfähigkeit und Bürgerrechtszuteilungen gesetzlich zu regeln. Wie wir sehen, bestehen in diesen Fragen ja ganz offensichtlich Unklarheiten."


    bemerkte Durus gegenüber seinem Patron. Warum dieser auf einer Maximalforderung beharrte, war ihm nicht ganz einleuchtend.

  • "Ein guter Vorschlag", kommentierte Macer und schaute sich um, wer sich spontan meldete, um sich das Wort erteilen zu lassen. Meldete sich keiner, würde er das Thema wohl auf die nächste Sitzung vertagen müssen.

  • Einige Zeit überlegte Durus, ob er sich freiwillig melden sollte. Einerseits gehörte er zu den juristisch angesehensten Senatoren, andererseits genoss etwa sein Patron ein noch höheres Ansehen als Magister Iuris. Vielleicht war es tatsächlich an der Zeit, selbst einmal einen solchen Titel zu erwerben...


    Nachdem sich jedoch niemand meldete, beschloss der alte Tiberier, diese Angelegenheit doch auf sich zu nehmen:


    "Sollte niemand anders die Pflicht verspühren, die mores maiorum bezüglich dieser Fragen zusammenzufassen, werde ich es versuchen und dem Senat beizeiten vorlegen."

  • Die Richtung, aus der die erste Antwort kam, überraschte Macer kein bisschen. "Vielen Dank, Tiberius Durus, für deine Meldung. Ich werde dich zu diesem Thema hier sprechen lassen, sobald du bereit bist", nahm er das Angebot an, um das Thema damit tatsächlich bis zu eben jenem Referat zu vertagen.

  • Nachdem Durus sich ein wenig mit dem Thema auseinandergesetzt hatte, den einen oder anderen Kommentar, sowie bei Paulus und Visovanus gelesen hatte, erschien er wieder vor dem Senat.


    Als er an der Reihe war, begann er dann mit seiner Zusammenfassung des römischen Mündigkeitsrechts:


    "Patres conscripti,


    PRIDIE KAL MAR DCCCLX A.U.C. (28.2.2010/107 n.Chr.) brachte der ehrenwerte Consular L Flavius Furianus einen Gesetzesentwurf in den Senat ein, der an den NON APR DCCCLX A.U.C. (5.4.2010/107 n.Chr.) als Lex Flavia de operositas Gesetzeskraft gewann. Nachdem der bekannte Magister Iuris M Vinicius Hungaricus jedoch Einspruch einlegte gegen dieses Gesetz und seine Aufhebung beantragte war es im Auftrag des Senates an mir, einen Kommentar über die bisherigen juristischen Gepflogenheiten die Pubertas und Tutela betreffend abzufassen.


    Um diese darzustellen möchte ich einleitend die Patria Potestas als prinzipiellste Form der Rechtsvollkommenheit gemäß unserer Mos Maiorum darstellen, ehe ich deren unterschiedliche Abstufungen dem Alter und Geschlecht nach betrachte. Abschließend erfolgt eine knappe Betrachtung der Tutela.


    I. Patria Potestas
    Die vollständigste Rechtsfähigkeit, die für einen römischen Bürger möglich ist, ist die Patria Potestas. Sie kommt zu Oberhaupt einer Familie und erstreckt sich prinzipiell über sämtliche Angehörigen des Haushaltes, die seiner Manus unterstehen. Namentlich handelt es sich hierbei um seine Ehefrau, soweit er mit dieser nicht eine Ehe sine manu eingegangen ist, weiterhin alle seine leiblichen und adoptierten, sowie adrogierten Nachkommen und sämtliche Sklaven des Hauses. Dabei umfasst die Patria Potestas sowohl die alleinige Verfügung über das Hausvermögen, wie auch die leibliche Gewalt über seine Gewaltunterworfenen einschließlich deren Verkauf und Aussetzung. Ausgeschlossen ist hingegen gemäß dem Erlass des göttlichen Augustus das Recht, seine Gewaltunterworfenen zu töten. Solange sich ein Mann unter der Patria Potestas befindet, besitzt er nicht die volle Rechtsfähigkeit, d. h. es ist ihm nicht möglich, für sich selbst Rechte begründen und erwerben zu können. Stattdessen ist es Pubes lediglich gestattet, mit Zustimmung des Gewalthabers in dessen Namen Rechtsgeschäfte abzuschließen.


    Die Patria Potestas kommt nur römischen Bürgern zu gegenüber ihren legitimen Kindern gemäß dem tradierten Eherecht. Sie endet entweder durch den Tod oder die Verbannung des Gewalthabers, oder durch die Emancipatio bzw. Adoption durch einen anderen Pater Familias. Ebenso findet verliert der Pater Familias seine Patria Potestas über seine Tochter, sobald diese eine Manus-Ehe eingeht.


    Gemäß den XII Tabulae ist der Pater Familias berechtigt, seinen Gewaltunterworfenen einen Teil des Patrimonium als Peculium zum persönlichen Gebrauch zu überlassen. Zivilrechtlich verbleibt es jedoch im Eigentum des Pater Familias, der entsprechend seiner Gesamtsumme auch für die Peculia seiner Gewaltunterworfenen haftet. Verstirbt der Besitzer des Peculium, geht dieses wieder in den Besitz des Gewalthabers über. Gemäß der Mos Maiorum ist es indessen Sitte, einem Sklaven sein Peculium bei der Freilassung, einem Haussohn beim Verlassen der Hausgemeinschaft gänzlich zu überlassen und ihn frei darüber verfügen zu lassen.


    II. Tutela
    Untersteht ein Impubes (Unmündiger) keiner Patria Potestas, ist für die Verwaltung seines Vermögens und die Sorge für Unterhalt und Erziehung ein Tutor zu bestellen. Diese Bestellung kann auf drei Arten erfolgen:


    (1) Gemäß Tafel V der XII Tabulae ist der Pater Familias dazu berechtigt, in seinem Testament einen Tutor Testamentarius für seine Gewaltunterworfenen zu bestellen. Dieser ist durch den Praetor Urbanus zu bestätigen.
    (2) Bestellt der Pater Familias keinen Tutor für seine Gewaltunterworfenen, so wird gemäß Tafel V der XII Tabulae der nächste agnatische Verwandte zum Tutor Legitimus bestimmt.
    (3) Gemäß der Lex Atilia ist es ebenfalls möglich, dass der Praetor Urbanus einen Tutor bestellt. In unseren Zeiten obliegt dieses Recht jedoch dem Consul, in den Provinzen dem Proconsul.


    Ist der bestimmte Tutor nicht gewillt, die Tutela zu übernehmen, so ist er bei begründeter Excusatio (Entschuldigung) berechtigt, diese auszuschlagen. Namentlich sind diese Krankheit, Absenz infolge des Militärdienstes oder der Bekleidung öffentlicher Ämter oder hohes Alter. Im Falle einer Tutela über eine Frau ist der Tutor jedoch berechtigt, seine Tutela auf einen anderen Mann zu übertragen.
    Die Tutela endet automatisch mit dem Mündigwerden eines männlichen Mündels, also dem Anlegen der Toga Virilis. Zum Schutz vor Übervorteilung ist der junge Mann indessen berechtigt, beim Praetor einen Curator zu beantragen. Dieser übernimmt bis zum Erreichen des 25. Lebensjahrs des jungen Mann die Verwaltung von dessen Vermögen.


    Gegen Veruntreuung und Misswirtschaft seines Tutors ist das Mündel berechtigt, gemäß den XII Tabulae Klage vor dem Praetor einzureichen.


    Auch Frauen sui iuris ist, soweit sie nicht das Ius Trium Liberorum gemäß der Lex des Divus Augustus inne hat, ein Tutor zu bestellen. Gemäß dem Erlass des Divus Claudius ist jede Frau indessen berechtigt, vor dem Praetor die Bestellung eines durch sie ausgewählten Tutors zu beantragen.
    Anders als bei Impubes ist die Auctoritas Tutoris bei mündigen Frauen jedoch lediglich zur Tätigung größerer Rechtsgeschäfte notwendig. Verweigert der Tutor seine Auctoritas, ist die Frau zu einer Erzwingungsklage vor dem Praetor berechtigt.


    Für den Aufwendungen des Tutors ist dieser berechtigt, vor dem Praetor mittels der Actio Tutelae Contraria eine Aufwandsentschädigung aus dem Vermögen des Mündels einzuklagen.


    III. Infans
    Die niedrigste Rechtsstellung, in der sich ein römischer Bürger befinden kann, ist hingegen die eines Infans, der stets unter einer Patria Potestas oder eine Tutela zu stehen hat. Sein Status ist definiert als ein Kind unter VII Jahren, das nicht die Fähigkeit zum Sprechen besitzt. Dementsprechend ist ein Infans nicht zur Tätigung jedweder Rechtsgeschäfte befähigt. Ob dieser Grundsatz durch die Auctoritas eines Tutors aufgehoben werden kann, ist in juristischen Kreisen umstritten.


    Die Mos Maiorum sieht jedoch vor, dass ein Infans über das Peculium seines Sklaven Eigentum und Besitz erwerben kann.

    IIII. Impubes Infantia Maior
    Ab dem Alter von VII Jahren gilt ein Kind als Infans Maior. Als solches ist es zur eigenständigen Durchführung von Rechtsgeschäften befähigt, soweit sich diese lediglich auf den Erwerb von Gütern beschränken. Geht ein Infans Maior ein wechselseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft ein, kann es zur Erfüllung der Pflichten nicht gezwungen werden. Erfüllt es diese jedoch, ist das Rechtsgeschäft gültig.
    Verpflichtungsgeschäfte und Verfügungen erhalten hingegen lediglich mit der Auctoritas Tutoris Rechtskraft. Namentlich ist darunter die Bezahlung von Gütern, Veräußerungen von Besitz, Freilassung von Sklaven, sowie Verpfändung von Besitz zu zählen. Ebenso ist ein Infans Maior nur mit der Auctoritas Tutoris zur Annahme von Erbschaften berechtigt. Die Abfassung eines rechtskräftigen Testamentes ist ihm hingegen nicht gestattet.


    Die Haftungspflicht eines Infans Maior besteht nach neuesten Entwicklungen nur dann, wenn es als Proximus Pubertati bereits befähigt ist, begangenes Unrecht einzusehen.


    V. Pubertas
    Mit dem Anlegen der Toga Virilis erreicht der Jüngling die Pubertas, also die Mündigkeit. Dies erfolgt – wie allgemein bekannt – mit dem Eintritt der Geschlechtsreife, die traditionell mit der Inspectio Habitudinis Corporis überprüft wird. Sempronius Proculus plädiert allerdings dafür, diesen Eintritt generell mit dem XIIII. Lebensjahr zu bestimmen. Für Mädchen tritt die Pubertas hingegen mit dem Erreichen des XII. Lebensjahres ein.


    Mit der damit verbundenen Eintragung in die Bürgerlisten erhalten die Pubes die volle Geschäftsfähigkeit und Strafmündigkeit. Dies beinhaltet die Testierfähigkeit, das Recht zur Eheschließung, der Abschluss von Verträgen etc. Dementsprechend bedarf ein solcher junger Mensch auch nicht mehr eines Tutors, dessen Aufgaben mit Erreichen der Pubertas seines Mündels automatisch erlöschen.


    Einschränkend sei dennoch zu bemerken, dass Pubes weiterhin der Patria Potestas – soweit vorhanden – unterliegen und lediglich auf ein gewährtes Peculium zurückgreifen können. Aus diesem Grunde ist es ihnen gemäß der Lex des Divus Vespasianus nicht gestattet, Darlehen aus eigenem Recht aufzunehmen, sondern können dies nur durch ihren Gewalthaber tun.


    VI. Iuniores
    Die vorletzte Stufe des vollen Rechtsgewinns ist schließlich der Eintritt in die politische Welt. Dieser erfolgt mit dem Beginn des XVII. Lebensjahres. In diesem Alter kann der junge Bürger zum Militärdienst herangezogen werden und erhält damit auch das aktive und passive Wahlrecht. Gemäß der Lex Aelia Sentia sind auch erst Iuniores zur Freilassung ihrer eigenen Sklaven zugelassen.


    VII. Minor XXV Annis
    Bis zum Alter von XXV Jahren schließlich untersteht der junge Mann gemäß der Lex Laetoria noch weiter unter dem besonderen Schutz des Gesetzes, um vor Übervorteilung geschützt zu sein. Im Falle übervorteilender Geschäfte ist es dem Minor außerdem gestattet, die Erfüllung von Verpflichtungen zu verweigern. Tritt dieser Fall ein, kann der Gläubiger mit einer Geldbuße belegt werden und der Minor hat ein Anrecht auf eine Rückerstattung erbrachter Leistungen und eine Abfindung. Zur Steigerung seiner Vertrauenswürdigkeit kann der Minor beim Praetor die Bestellung eines Curators verlangen, der ähnlich einem Tutor bei der Vermögensverwaltung behilflich ist. Dennoch gewinnen auch Geschäfte ohne den Consensus des Curators Rechtsgültigkeit.


    VIII. Furiosi et Prodigi
    Gemäß Tafel V der XII Tabulae genießen alle, die sich im dauernden Zustand geistiger Störung befinden, aber auch Verschwender die Geschäftsfähigkeit von Impuberes und bedürfen demgemäß einer Tutela des gradnächsten Agnaten oder Gentilen.


    Soweit bestehen also die Gepflogenheiten unserer Ahnen mit sämtlichen Modifikationen und Adaptionen, die im Laufe der Zeit hinzukamen. Gibt es diesbezüglich Fragen?"

  • Macer ließ auf die Frage des Tiberius Durus hin einige Zeit verstreichen, in der die Senatoren sich melden konnten und die er auch nutzt, um seine eigenen Gedanken zu sortieren. Das Vorgetragene war ihm in den wenigsten Fällen neu gewesen, doch vorgetragen in dieser konzentrierten, juristisch geprägten Form war es für ihn schon ein harter Brocken. Wieder einmal wusste er, warum er nur selten als Gerichtsredner aufzutreten pflegte.


    Als aber nach einer Weile noch immer keine Fragen gestellt wurden, ergriff er das Wort. "Tiberius Durus, zunächst einmal vielen Dank für deinen umfangreichen Vortrag. Zweifellos sind wir nun besser ins Bild gesetzt über das, was das Mos Mairoum zu diesen Themen zu sagen hat. Habe ich es richtig erfasst, dass außerhalb der Patria potestas stehenden Minderjährigen beiderlei Geschlechts bis zum Erreichen der Pubertas ein Tutor bestellt wird, danach junge Männer bis zum 25. Lebensjahr einen Curator erbitten können, junge Frauen dagegen auch weiterhin zwingend einen Tutor bekommen, bei dessen Bennennung sie allerdings dann Mitspracherecht haben?", stellte er dann eine Frage, um die erste Zurückhaltung zu brechen.

  • "Korrekt!"


    erwiderte Durus, der natürlich sicher war, dass sein Vortrag klar verständlich war.


    "Unsere Mores würden also durchaus einige Korrekturen an der Lex Flavia empfehlen."

  • Noch einmal blickte Macer in die Runde und erblickte keine inhaltlichen Fragen zum Vortrag. "So wie du das sagst, hast du dir schon Gedanken zu möglichen Korrekturen gemacht?" erkundigte er sich etwas suggestiv bei Tiberius Durus. Ein weiterer Blick ging zu Vinicius Hungaricus, der die Sache schließlich ins Rollen gebracht hatte.






    KOMMANDEUR - ACADEMIA MILITARIS ULPIA DIVINA
    PRINCEPS FACTIONIS - FACTIO RUSSATA

  • "Nun, ich denke, dass diejenigen Dinge, die bereits in den XII Tabulae festgehalten sind, nicht noch eines zusätzlichen Gesetzes bedürfen. Ebenso erscheint es mir als nicht notwendig, die Regelungen zum Curator in ein Gesetz zu gießen - hierbei handelt es sich ja um eine freiwillige Angelegenheit. Zur Klärung der Rechtslage erscheint es mir daher lediglich als notwendig, die Altersgrenze für die Pubertas und die der Iuniores, sowie deren Rechte und Pflichten zu kodifizieren. Darüber hinaus möglicherweise noch die Regelungen zur Übernahme einer Tutela."


    erwiderte Durus. Anschließend ging auch sein Blick hinüber zu Hungaricus, der ja immerhin das ganze Gesetz aufheben lassen wollte - was angesichts der großen Änderungen, die notwendig waren, vielleicht wirklich eine gute Idee war, wie Durus sich eingestehen musste.

  • Mancherlei Augenpaare ruhten auf ihm, also war es wohl an der Zeit, seine Meinung zu sagen. Ich stimme Tiberius zu. Das war wohl wenig überraschend.


    Ich stelle daher - nochmals - den Antrag, diese unsägliche Lex aufzuheben. Weiters stelle ich den Antrag, die Lex Laetoria als geltendes Recht durch den Senat zu bestätigen.

  • "Weitere Wortmeldungen?" Das Thema schien die Senatoren nicht gerade zu einer Diskussion anzuregen, stellte Macer fest. "Ansonsten würde ich über die beiden Anträge getrennt abstimmen lassen", kündigte er auch gleich die kommenaden Schritte an. Es sollte niemand sagen können, dass er nicht wusste, dass jetzt die letzte Möglichkeit zur Einmischung gekommen war.






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  • Wie Durus gehört hatte, hatte es keine weiteren Debatten zur Frage der Lex Flavia gegeben - was ihm selbstverständlich entgegen kam, da er in diesem Fall ja quasi als Experte fungierte. Dennoch hielt er es ebenfalls für seine Pflicht, die Angelegenheit voranzutreiben.


    So ließ er sich auf die Rednerliste setzen und wartete, dass ihm das Wort erteilt wurde.

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