Aber wenn der Eigentümer nicht herausgefunden werden und dementsprechend sein Eigentum von dir nicht herausfordern kann, wo hast du dann einen Schaden? Darum geht es bei dieser Meinung, nämlich um den rein wirtschaftlichen Aspekt, das hätte ich vielleicht vorher dazusagen sollen.
Lex Mercatus
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- Diskussion
- Tiberius Aurelius Avianus
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"Das ist eben meine Frage, was daran pragmatisch sein soll, mal von einem Schaden auszugehen und mal nicht", antwortete Macer, denn im Prinzip hatte Hungaricus nur das herausgestellt, was Macer zum Nachdenken gebracht hatte. Und da er den Eindruck hatte, dass man über Recht am besten anhand konkreter Fälle sprach, egal ob real oder fiktiv, walzte er sein Beispiel von zuvor noch einmal aus. "Bleiben wir bei der Amphore Getreide, die ich eben als Beispiel anführte. Ich kaufe sie von einem Mann, der sich wenig später als Dieb herausstellt. Ich weiss daher sicher, dass diese Amphore gestohlen war und ich sie folglich herausgeben muss, sobald der Eigentümer gefunden wird. Bis dahin kann jedoch eine gewisse Zeit vergehen. Was darf ich nun in dieser Zeit tun? Darf ich das Getreide verbrauchen? Das wäre meines Erachtens Unterschlagung, denn ich würde mir damit fremdes Gut zueignen. Selbst wenn es keine Unterschlagung ist, muss ich jedoch eine weitere Amphore als Ersatz stellen, wenn sich danach der wahre Eigentümer meldet, so dass ich mithin einen echten wirtschaftlichen Schaden haben. Darf ich das Getreide jedoch nicht verbrauchen, dann kann es verschimmeln. Auch dann entsteht mir offensichtlich ein wirtschaftlicher Schaden und zwar insbesondere selbst dann, wenn sich der wahre Eigentümer auch danach nicht meldet. Ich sehe es also so, dass ich in jedem Fall ein berechtigtes Interesse daran haben werde, den Dieb wegen Betrug zu verklagen. Nicht so sehr wegen seiner Verurteilung zu einer Strafe, aber in jedem Fall um ihn zur Rückgabe des von mir gezahlten Betrags zu zwingen."
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"In meinen Augen trägt in jedem Fall der Dieb den Schaden, der gestohlene Sachen verkauft", meldete sich Avianus nach einer kurzen Pause zu Wort, nachdem Macer ausgesprochen hatte, "Lasst mich das Beispiel von Senator Purgitius noch einmal aufgreifen: Der Käufer, der gestohlenes Getreide ersteht und nutzt. Senator Purgitius hat hier ein Beispiel einer kurzlebigen Ware erläutert, die verbraucht wird, bevor sie nicht mehr nutzbar wird. Ich meine, wir sollten hier zwischen solcherlei Waren noch eine Differenzierung schaffen: Ist die Ware schon konsumiert worden und daher unwiederbringlich weg, verschimmelt oder in anderer Weise überhaupt nicht mehr nutzbar, so muss der Eigentümer dennoch einen Ersatz erhalten, trägt er doch keine Schuld am Diebstahl seiner Sache. Ich erachte es als sinnvoller, dass der Käufer in solch einem Fall, handelte er doch unweigerlich im Unwissen, von einer Schuld ausgeschlossen wird. Stattdessen muss der überführte Dieb für Ersatz sorgen - entweder mit Geld oder gleichwertiger Ware. Unabhängig von der Strafe, die ihm für den Diebstahl zu Lasten gelegt werden sollte. Dies wäre mein Vorschlag, diese Art eines Sonderfalles zu behandeln."
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"Selbstverständlich soll einzig und alleine der Dieb für den von ihm angerichteten Schaden aufkommen", pflichtete Macer seinem Klienten bei. "Allerdings kann ich die von dir angesprochene Differenzierung aus deinen Ausführungen nicht ganz nachvollziehen und halte sie überdies auch gar nicht für nötig. Ganz gleich, ob es sich um verderbliche oder unverderbliche, verbrauchte oder nicht verbrauchte Ware handelt, muss der Dieb dem Bestohlenen Ersatz leisten. Und ganz gleich, wann wo und wie der Dieb die Ware weiter verkauft hat, muss der betrogenen Käufer die Ware wieder abgeben und vom Dieb den Kaufpreis zurück erhalten. Und ich würde diese beiden Schritte auch tatsächlich so getrennt behandeln, denn zwischen dem einem und dem anderen kann ja ein beträchtlicher zeitlicher Abstand liegen", fügte Macer noch an, denn das schien ihm wichtig zu sein. Schließlich dauerte es manchmal eine ganze Weile, bis alle bestohlenen Eigentümer sich meldeten, nachdem ein Dieb gefasst wurde und genausowenig fand man nach jedem aufgeklärten Diebstahl sofort diejenigen, die dem Dieb die gestohlene Waren abgekauft hatten.
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Avianus nickte und gab seinem Patronen damit in seinen Ausführungen Recht. "In diesem Punkt stimme ich dir auch zu, Senator Purgitius. Aber kann Ware unter umständen schon konsumiert worden sein, wie du erwähntest - dann kann der Käufer logischerweise sein Geld nicht zurückbekommen und die Ware gibt es nicht mehr, oder zumindes nicht im Ursprungszustand. Daher würde ich zumindest unterscheiden, ob Ware schon konsumiert wurde. Ist dies nicht der Fall, muss sie der Eigentümer zurückerhalten, im selben Zustand wie vor dem Diebstahl und der Käufer bekommt das Geld zurück. Andernfalls sollte dies Sache zwischen Verkäufer und Eigentümer bleiben."
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Der Aurelier warf einen spähenden Blick in die Menge, suchte noch nach eventuellen Wortmeldungen anderer Senatoren. Die Diskussion war jetzt schon länger geworden als erwartet, doch es schien niemand mehr Stellung nehmen zu wollen. Daher konnte er die Diskussion vorerst beenden und in naher Zukunft eine Neufassung seines Entwurfes vorstellen. Da gesagt war, was gesagt werden musste, sah er zumindest keinen Grund, den anderen Rednern noch die Zeit zu stehlen.
Den Blick zum amtierenden Consulen gewandt sprach er: "Werter Consul, da sich niemand mehr äußern möchte, beantrage ich, die weitere Diskussion zu verschieben, bis ich meinen Gesetzesentwurf überarbeitet habe."
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Darum ließ sich der Consul angesichts der zuletzt eher zähen Debatte nicht zweimal bitten. "Dem Antrag wird stattgegeben. Melde dich, wenn du das Thema wieder auf der Tagesordnung haben möchtest."
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Heute stand Avianus erneut auf der Liste der Redner, um seine überarbeitete Fassung der Lex Mercatus zu präsentieren, die auf Basis der Anregungen ihrer letzten Diskussion deutlichen Verbesserungen unterzogen wurde. Doch würden die Vorschläge dieses Mal positiv aufgefasst werden? Avianus war gespannt und aufgeregt zugleich, doch auch optimistisch.
Geduldig wartete er, bis er an der Reihe war und durfte anschließend, nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens, nach vorne treten. Er verschwendete seine Redezeit nicht und kam sofort zur Sache. Im Vorfeld ließ er noch eine Abschrift der geltenden Lex Mercatus an die Senatoren verteilen, so dass diese die Änderungen nachvollziehen konnten, die Avianus zur Diskussion stellen wollte."Patres Conscripti, heute stehe ich vor Euch, um eine überarbeitete Version meines letzten Entwurfes für die Lex Mercatus vorzustellen, basierend auf den Anregungen unserer letzten Diskussion! Der neue Entwurf lautet wie folgt..."
Es trat ein Helfer zum Vorschein, dem Avianus die Abschrift seines Entwurfes zum Vorlesen reichte:
§1 Vertragsrechtliche Grundlagen§1.1 Der Kaufvertrag
Der Kaufvertrag ist eine mündliche und/oder schriftliche, beidseitige Vereinbarung zum Kauf einer Ware. Ein Kaufvertrag ist für beide Kaufparteien bindend.§1.2 Vertragsverletzung und Schadensersatz
(1) Wer die Vertragsbedigungen eines abgeschlossenen Vertrages ohne Zustimmung der anderen Partei verändert, verletzt die Vertragsbedingungen. Der vorher abgeschlossene Vertrag hat immer Rechtsgültigkeit, es sei denn, alle Parteien stimmen einer Änderung zu.
(2) Wer mangelhafte Ware verkauft und den Käufer im Unwissen darüber lässt, begeht Vertragsverletzung. Der Käufer hat Anrecht auf Reparatur, Ersatz der Ware, Erstattung der Kostendifferenz zwischen vollwertiger Ware und der mangelhaften Ware oder Rücktritt vom Kaufvertrag. Ist sich der Käufer eines Mangels bewusst und kauft eine Sache trotzdem, liegt am Verkäufer keine Verantwortung.
(3) Wer gestohlene Ware verkauft, der ist verpflichtet, dem Eigentümer die Ware wieder auszuhändigen. Ist die Ware schon verkauft oder schon konsumiert/verdorben, so muss der Verkäufer gleichwertigen Ersatz beschaffen oder den Verlust finanziell abgelten.
(4) Käufer und Verkäufer haften für sonstige Schäden, die der jeweils anderen Vertragspartei durch Vertragsverletzung entstehen.§1.3 Mängel
(1) Ein Mangel ist, wenn eine gehandelte Ware nicht den ihr zugeschriebenen Eigenschaften im Sinne des Kaufvertrages entspricht. Dazu zählen Beschädigungen oder Einschränkungen, die nicht im Wissen der Vertragsparteien sind.
(2) Mangelhaft ist eine Ware auch, wenn sie den für die Ware üblichen Qualitätsstandards nicht entspricht.Ergänzungen / Veränderungen
§2 Umlaufverbot
(2) Es ist verboten, mangelhafte Waren wie beispielweise Werkzeug in den Umlauf zu bringen, die aufgrund ihrer Mängel das Leben und die Gesundheit des Käufers oder Dritter gefährden könnten.§7 Unlauterer Wettbewerb
(2) Es ist verboten, bewusst falsch für ein Produkt zu werben oder dem Produkt bewusst Eigenschaften zuzuschreiben, die es in Wahrheit nicht hat.
(3) Es ist verboten, das Geschäft einer anderen Person durch gezielte Manipulation zu schädigen. Gezielte Manipulation ist die absichtliche Zerstörung des Geschäfts oder Waren, die Beeinflussung von Dritten oder gezielte Einschüchterung oder Bestechung des Geschädigten oder seiner Mitarbeiter, um schädliche Aktionen im Sinne des Schädigenden durchzuführen oder zu tolerieren.
(4) Es ist verboten, andere Personen oder ihre Geschäfte für selbst im Umlauf gebrachte mangelhafte Ware verantwortlich zu machen.Damit war der Inhalt vorgelesen und Avianus gab den Senatoren ein wenig Zeit, die Inhalte der Gesetze abzugleichen und darüber nachzudenken. Anschließend ergriff er noch kurz das Wort.
"Darüber hinaus schlug Senator Flavius Piso in unserer letzten Diskussion noch vor, ein Strafmaß für unlauteren Wettbewerb festzulegen. Dies habe ich bewusst noch nicht festgelegt: Ein gerechtes Strafmaß möchte ich in der heutigen Diskussion finden."
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Es war eine Weile des Wartens verstrichen, in der Avianus weder großen Widerstand, noch sonderliche Begeisterung in der Senatorenschaft heraussah. Währen sie unzufrieden gewesen, könnten sie darüber diskutieren. Währen keine Verbesserungsvorschläge da, so hätten sie abstimmen können. Doch hier herrschte Stille und mit dieser unvorhergesehenen Reaktion wusste Avianus bis jetzt noch nicht umzugehen.
Also fragte er offen in die Halle: "Wirklich kein Diskussionsbedarf?"
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Avianus sah in die Runde. Weiterhin Totenstille. Er hatte geduldig gewartet, doch da niemand sich zu dem Entwurf äußern wollte, interpretierte er das als den Willen der Senatorenschaft, zur Abstimmung zu schreiten. Zumindest hatte jeder genug Zeit gehabt, sich Einwände einfallen zu lassen. Avianus blickte zum Consuln.
"Werter Consul - ich beantrage hiermit die Abstimmung über meinen Gesetzesentwurf!"
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"Senatoren, entschudigt wenn ich mich so kurzfristig, manch einer mag denken verspätet einmische, aber da die Lex gerade mal auf dem Prüfstand steht, frage ich mich, ob es nicht an der Zeit wäre den Absatz:
(4) Jeder Person ist es erlaubt, maximal vier Betriebe zu erhalten. Davon dürfen maximal 2 Betriebe der gleichen Branche sein.
...dahin gehend zu verändern, das das Beiwort Satz Zwei entfernt wird. Seien wir doch mal ehrlich kein Markt läßt sich strangulieren. Vielmehr eröffnet es Bürgern wie Konsumenten neue Möglichkeiten, wenn diese Beschränkung aufgehoben wird."
Von der Debatte hatte Avarus nix mitbekommen, denn er war schlichtweg abwesend. Jetzt da er wieder im Senat present war, hielt er es für passend das Gesetz auszudünnen, um der Blüte des Handelns neuen Schwung zu geben. Er selbst hatte an dieser Regelung nur mäßig Interesse, aber Klienten forderten beständig, das sie gekippt wurde.
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Avianus dachte mit Kinnreiben über den Vorschlag von Avarus nach. Eigentlich fand er, hatte der Beisatz so wie er stand, durchaus eine Existenzberechtigung. Doch was wären die Vorteile, würde man den Absatz ändern?
"An welche neuen Möglichkeiten denkst Du genau, Senator Germanicus", fragte Avianus daher, "Warum sollte überhaupt jemand viele Betriebe der gleichen Branche unterhalten wollen? Wer das Geld aufbringen kann, wird wohl eher einen Betrieb vergrößern, den er schon unterhält."
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"Jede Destination hat seine Spezialisten. Jeder Betrieb seine Grenzen. Nimmt man mal das einfachste und weit verbreiteste Metier den Beruf des Bauern, dann wird relativ einfach klar in welchen Rahmen er sich ausweiten kann. Er wird mit einem Landgut nie mehr Felder bedienen können, als ihm die maximale Ausbaustufe seines Gehöfts erlaubt. Aber er will vielleicht mehr Ernte einfahren, weil er die Möglichkeit hat sich auf erfahrene Schultern von Verwaltern zu stützen. So wird er einen zweiten Hof kaufen, aber er wird begrenzt, weil er keinen dritten Hof erwerben darf. Warum ist das so? Das Gesetz wirft ihm Kartell artige Struktur vor, mildert dieses Urteil aber zugleich mit dem Beisatz ab: '§ 5 Preisliche Regelungen... zwei ... Der Staat darf Produkte genau zum empfohlenen Preis anbieten, wenn der Marktpreis aller Angebote dieses Produktes mehr als 150 % des empfohlenen Preises beträgt. ... und vier... Der Staat darf einen Betrieb mit einer Strafabgabe belegen, wenn er Waren zu einem Preis unterhalb der Herstellungskosten anbietet, um damit Mitbewerbern den Zutritt zum Markt zu erschweren."
Er blickte in die Runde für einige war das Beispiel wohl noch nicht überzeugend genug. Nun er hatte etwas, das die meisten wohlgenährten und üppig ausgestatteten Senatoren zu verstehen vermochten.
"An meinem zweiten Beispiel wird es noch konkreter. Waren die sich nicht anbauen lassen, dafür aber abbauen sind in Rom enorm begehrt. Ich habe Klienten, die sich eingeschränkt fühlen, weil sie nach ihren erfolgreichen Marmorbrüchen in Mauretanien und Macedonien ihren exklusiven Kunden nicht auch Strukturen von Gallia Narbonensis anbieten können, weil sie eben auf zwei Lizenzen beschränkt sind."
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"Rom ist schon lange kein Stadtstaat mehr, es ist ein Weltreich, aber es hat teilweise Gesetze, die die Vorzüge des globalen Handels beschränken und das aus meiner Sicht ohne driftigen Grund."
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Vielleicht um Monopole zu verhindern? warf der Consular mit einem leicht süffisanten Unterton ein.
Kaum ein Kleinbauer oder ein gewöhnlicher Gewerbetreibender schafft es, mehr als einen Betrieb zu führen. Wer also würde von dieser Gesetzesänderzung profitieren? Unser Stand sicher auch, aber vor allem und weit mehr als wir hätten die Ritter etwas davon, die ohnehin schon das Geld akkumulieren. Deine wirklich "bedauernswerten" Klienten könnten also noch mehr Marmorbrüche übernehmen, dadurch im Laufe der Zeit mehr und mehr den Markt erobern und weniger finanzsichere Konkurrenten von eben jenem verdrängen. Nein, da bin ich klar dagegen.
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