Cubiculum Herius Claudius Menecrates

  • Morrigan horchte auf, eine Unterstützung? Ja das konnte sie gut gebrauchen hier in der Männerwirtschaft, zumal sie ja mit Hausarbeit auch nicht so viel am Hut hatte, aber hier blieb das alles irgendwie an ihr kleben. Man nahm es als selbstverständlich hin, dass sie als Frau sich um den ganzen Haushaltskram kümmerte. Klar spannte sie Linos und Macro ein wo es nur ging, doch das geschah jedes Mal unter Protest der beiden. Nur mit Androhen von Essensentzug hat es bisher immer gut funktioniert, das sie sich, wenn auch mit Murren herabließen im Haushalt zu helfen.
    Oh sie sollte sogar mit der Neuen Einkaufen gehen? Einen Passierschein? Sie konnten sich also frei bewegen, na wenn das nichts war. Einkaufen, ja hier war Morrigan wohl wie alle Frauen, Einkaufen ging sie zu gern und wenn sie dann auch noch Sachen für sich selbst kaufen konnte, dann war es doppelt so schön.
    „Ja Dominus, ganz wie du wünscht.“ Antwortet sie. Insgeheim überlegt sie schon, was sie alles neu brauchte. Nur eins gefiel ihr nicht und das war der traurige Gesichtsausdruck von Menecrates. Zu fragen, was ihn bedrückte, stand ihr nicht zu, auch wenn es sie brennend interessierte, Neugier war schließlich ihr zweiter Vorname. Aber sie riss sich zusammen und biss sich auf die Lippen.
    „Dominus würdest du dich bitte umdrehen?“
    Sie wartet bis er es getan hatte, hüllte ihn bis zur Brust in das wärmende Tuch und stellte sich an das Kopfende.
    Sanft legte sie ihre Hände auf die Stirn von Menercrates, ihre Daumen strichen vom Nasenflügel nach außen, während zeitgleich ihre Mittelfingern an den Schläfen kreisten.
    „Dominus jetzt nicht reden, einfach nur entspannen.“ Flüsterte sie, während ihre Hände sanft über die Schulter bis zu r Brust fuhren. Immer wieder wiederholte sie die Prozedur.

  • Umdrehen fiel ihm in zweifacher Hinsicht schwer. Zum einen schlug erbarmungslos die lange zurückgehaltene Müdigkeit zu, wo er nicht umhin kam zu entspannen. Der Adrenalinspiegel sank und das Schlafhormon trat den Siegeszug an. Zum anderen schmerzten seine Glieder häufiger, je länger er in diesem kalten und nassen Germanien weilte. Mit einem letzten Rest an Willensstärke raffte er sich aber auf, stützte sich erst auf der Seite ab und rollte sich schließlich auf den Rücken.
    „Lass mich nachher einfach hier liegen“, murmelte er, weil er keinerlei Lust verspürte, anschließend noch einmal aufzustehen. Bevor aber die Müdigkeit sein Hirn ganz ausschaltete, missachte er Morrigans rat ein weiteres Mal und murmelte: "Ich weiß nicht, was ich mit euch machen soll, wenn der Feldzug beginnt."
    Eines hatte Menecrates bereits beschlossen:Für den Fall, dass er einmal in eine ausweglose Situation geraten würde, er vielleicht fallen oder inhaftiert werden würde, hatte er Freilassungspapiere vorbereitet, die seine Sklaven davor bewahren sollten, in schlechte Hände zu gelangen.

  • Menecrates blieb wenig Zeit am Abend, weil er den Dienst weitgehend ausdehnte. Das Essen nahm er hastig ein, danach strebte er seinem Zimmer zu, um die Kaufbegutachtung vorzunehmen, und anschließend möglichst erholsam zu schlafen. Es missfiel ihm, dass Morrigan stets übersetzen musste, aber anfänglich würde er nicht um diese Dienstleistung herumkommen. In der Zwischenzeit blieb ihre Arbeit liegen, was nicht ökonomisch war.


    Er ließ sich von einem Sklaven, der Macros Platz eingenommen hatte, die Tür öffnen und betrat sein Cubiculum. Das erste Urteil würde er über die Pünktlichkeit der neuen Sklavin fällen.

  • Taira betrat Menecrates cubiculum, schloß hinter sich die die Tür und sagte mit allem Mut, den sie aufbringen konnte und so wie es Morrigan ihr gelehrt hatte auf Latein: "Hier bin ich, Herr."

  • Punkt 1 fiel zu Gunsten der neuen Sklavin aus: Ihr Erscheinen konnte als pünktlich bezeichnet werden. Punkt 2 betraf die Erscheinung. Das Kleid sauber und korrekt, die Haare konnten gewaschen sein, auf alle Fälle sahen sie frisiert aus. Viel würde am heutigen Abend nicht geklärt werden können, weil Taira erst die Sprache erlernen musste, aber vielleicht klappte die Verständigung per Handzeichen.


    Der Anfang stellte keine Schwierigkeit dar: Menecrates winkte Taira mit der Hand heran. Er wollte sich vom Geruch des Körpers und der Sauberkeit von Haut und Nägeln überzeugen. Danach beschrieb er in der Luft einen Kreis, weil er auch die Rückansicht betrachten wollte.


    Er hob die Hand zum Mund und deutete das Kippen eines imaginären Bechers an, danach wies er auf das Bett und klopfte die Luft. Ob sie Letzteres verstehen würde, blieb abzuwarten. Er wollte sich mit ihr schnellstmöglich unterhalten können, weswegen er den Händler aus Mogontiacum gleich morgen einen prall gefüllten Geldbeutel anbieten würde.

  • Menecrates gab Taira ein Zeichen, was nur heissen konnte sie solle nähertreten. Sie ging einige Schritte auf ihn zu und blieb etwa eine Armlänge vor ihm stehen. Dann musste sie ihm ihre Hände vorweisen, die er auf und ab wendete. Ob er schauen wollte, ob sie Arbeiten gewohnt war? Er wäre sicher enttäuscht. Dann musste Taira sich umdrehen, nochmals ... "Hoffentlich findet er nichts auszusetzen!" ging es Taira durch den Sinn. Morrigan hatte anscheinend völlig Recht als sie sagte, dass Menecrates viel Wert auf ihr Äußeres legen würde.


    Dann bedeudete Menecrates Taira er wolle etwas trinken, gefolgt von einigen Handbewegungen, deren Sinn ihr noch nicht klar waren. Egal! Zuerst das Trinken! Taira schaute sich um und entdeckte auf einem Tischchen in einer Zimmerecke etwas, was wie Krüge und Trinkgeschirr aussah. Zügig, doch ohne übertriebene Eile, ging sie hinüber und schaute, was dort zu finden sei. Zunächst zwei Krüge. Einer offensichtlich mit Wein gefüllt, einer mit Wasser. Morrigan hatt gesagt, Menecrates wüsste es zu genießen. Dann war er sicher nicht Dionysius verfallen sondern gehörte zu den Menschen, die ihre Säfte und deren Begierden zu beherrschen wussten. Also würde er wohl verdünnten Wein haben wollen. Ein kleiner Bronzemörser lenkte Tairas Aufmerksamkeit auf ein Döschen, welches daneben stand. Sie öffnete es und fand es gefüllt mit Nelken. Sie hob das Döschen vor ihr Gesicht und fächelte sich mit flacher Hand Luft zu. Die Nelken verströmten ein intensives Aroma, waren als offensichtlich frisch. Sie stellte das Döschen wieder ab, nahm drei Nelken heraus und zerrieb sie grob in dem Mörser. Dann nahm sie einen der bereitliegenden Schöpflöffel und füllte ein Maß des Weines in eine bereitstehende Mischschale. Jetzt die zerstoßenen Nelken hinein ... Taira nahm das Mischgefäß in beide Hände und schwenkte es vorsichtig. Dann stellte sie es wieder ab und füllte mit einem zweiten Schöpflöffel drei Maß Wasser zu dem Wein. Wieder schwenkte sie die Mischschale. Kurz warten, um das Aroma der Nelken in den Wein übergehen zu lassen. Taira nutzte die Zeit, um sich für einen der Trinkbecher zu entscheiden. Sie wählte einen Becher in dunklem Rot mit einem Muster kleiner Noppen, die sich in Wellen um den Becher zogen. Morrigan hatte gesagt, dunkelrotes Geschirr wäre das für Menecrates. Außerdem fand sie, dass das Rot des Bechers gut mit dem Gelb des Weines harmonieren würde. Sie nahm das ebenfalls auf dem Tisch bereitliegende Sieb, hielt es über den Becher und schöpfte den Nelkenwein hinein. Zum Glück blieben alle Nelkenstückchen in dem Sieb hängen, so dass sich das Licht klar und sauber in dem Wein spiegelte. Jetzt den Becher einfach so zu Menecrates hinüberzutragen schien Taira unangemessen. Nach zwei oder drei suchenden Blicken fand sie eine kleine, runde Bronzeplatte. Taira legte sich die Platte auf die Fläche der rechten Hand, stellte den Becher darauf und ging zurück zu Menecrates. So wie sie es zu hause von ihren Sklavinnen erwartet hätte kniete sie sich mit einem Bein auf den Boden, senkte den Blick und bot Menecrates den Becher an.


    Jetzt war für Taira nur noch die Frage zu klären, was das Dritte war, was Menecrates von ihr wollte. Diese Bewegung und das Deuten auf das Bett. Ob er jetzt wollte das sie ... Taira schluckte. Einige Augenblicke Galgenfrist blieben ihr noch bis Menecrates den Becher genommen haben würde ...

  • Hände sagten viel über ihren Besitzer aus. Viel schwerer als diese Aussage wog für Menecrates die Gewissheit, mit akkurat sauberen Händen bedient, gewaschen, massiert und umsorgt zu werden. Zur Reinlichkeit gehörte aber nicht nur saubere, unverletzte und weiche Haut, sondern auch wohl geformte Fingernägel. Sein Blick überprüfte den Zustand von Haut und Nägeln, bevor er sich der optischen Erscheinung zuwandte. Taira schien die Zeichensprache gut zu verstehen, denn sie setzte alle Wünsche ihres Herrn um.
    Während Menecrates seinen Sklaven bei den alltäglichen Abläufen keine Beachtung schenkte, beobachtete er Taira an ihrem Einarbeitungstag auf Schritt und Tritt. Dabei stellte er fest, dass sie die Weinmischung würzte, was ihm zuvor noch nie aufgefallen war. Er schenkte bislang auch den Dosen und Gefäßen in seinem Zimmer keine Aufmerksamkeit, denn über die Verwendung wachten die Sklaven. Als er den Becher gereicht bekam, schwenkte er den Inhalt und nahm einen Atemzug. Er blickte Taira an, bevor er kostete, und weil sie kniete, konnte er bequem ihre Augen betrachten. Er fand nicht Widerspenstiges in ihrem Blick. Ihre Körperhaltung, ihr Gesichtsausdruck, die Mundwinkel sprachen eine willige, fast sanfte Sprache. Taira musste von Sklaven abstammen, schlussfolgerte er, denn neu Versklavte leisteten häufig Widerstand. Er durfte sich also auf geruhsame Abende freuen und beglückwünschte sich nachträglich zu diesem Kauf. Keine Erziehung, kein Anlernen, es lief nahezu perfekt, und der verdünnte Wein schmeckte auch wie immer, vielleicht etwas kräftiger, aber nicht anders.


    "Gut", lobte er. Dann fiel ihm ein, dass Morrigan etwas von einem Arzt als Vater berichtet hatte. Sollte die Sklavenabstammung doch nicht stimmen? Menecrates runzelte die Stirn und wies auf sein Bett, um Taira an den bereits gegebenen Auftrag zu erinnern.


    Er kostete noch einmal den Wein, dann warf er einen Blick auf Tairas Füße, als sie sich erhob. Er wollte herausfinden, wie dick ihre Hornhaut war und sagte "Halt“, als sie mit dem Rücken zu ihm stand.

  • Taira fühlte Menecrates prüfenden Blick auf sich ruhen, als sie ihm den Becher reichte. Sie versuchte, diesem Blick so gut es ging auszuweichen um nicht den Eindruch zu erwecken ihn provozieren zu wollen.


    Dann kostete Menecrates den Wein. Und er spuckte ihn nicht sofort wieder aus! Taira schien also mit ihrer Mischung zumindest nicht völlig falsch gelegen zu habe. Im Gegenteil! Menecrates sagte: "Gut"! Obwohl Taira versuchte, ein möglichst unbewegtes Gesicht zu machen, huschte der Ansatz eines Lächelns über ihre Lippen und durch ihren Blick. Dann legte Menecrates die Stirn in Falten, war unzufrieden! Was hatte Taira jetzt denn falsch gemacht?


    Menecrates zeigte in Richtung seines Bettes. Gütige Isis! Jetzt war es also soweit. Egal, irgendwann musste es ja einmal so kommen, und ob nun heute oder morgen ... Taira stand auf und ging mit zittrigen Schritten auf Menecrates Bett zu. Bevor sie dieses erreicht hatte, hörte sie ihren Herren scharf "Halt!" sagen. Und dieses Wort kannte sie zur Genüge. Sofort blieb Taira stehen und rührte sich nicht mehr. Isis steh mir bei! Was immer jetzt geschehen sollte, es würde geschehen ...

  • Taira stoppte nicht an der Stelle, wo die Sicht für Menecrates ausreichte. Dabei spielte es keine Rolle, ob er zu spät die Anweisung erteilte oder Taira sie verzögert umsetzte. Fakt war, Menecrates‘ Sehkraft reichte zur Beurteilung der Hornhautstärke nicht aus. Er musste sich also bewegen, sah dies aber nicht als ärgerlich an, denn er wollte sich ohnehin zu Bett begeben. Er schloss zu Taira auf, beugte sich leicht nach vorn und musterte ihre Fersen. Was er sah, stimmte ihn froh; der Kauf erwies sich im Nachhinein als gut.


    "Ja, dann geh mal voran", wies Menecrates Taira an, während er selbst den Bettrand anvisierte. Dort angekommen, hob er die Arme an, um Taira das Auskleiden leichter zu machen. Er erwartete von ihr die üblichen Handgriffe und Hilfestellungen wie zukünftig jeden Abend. Mit Ausnahme der Anfangszeit beim Militär gab es immer jemand in seinem Leben, der ihn an- und auskleidete, wusch, umsorgte und sonstige Wünsche entgegennahm, wenn er sie nicht von den Augen ablesen konnte oder sie sich nicht als Routinehandlungen erwiesen.

  • Taira spürte, wie Menecrates von hinten an sie herantrat und sich niederbeugte. Weiter nichts. Nichts! Dann sagte er einen Satz, von dem Taira "Geh voran!" verstand. Sie ging weiter in Richtung Menecrates Bett und sah, wie er selbst dort stehenblieb und leicht die Arme abspreizte. So ähnlich hatte auch Taira immer dagestanden, wenn sie sich entkleiden lassen wollte. Also war das sicher auch Menecrates Wunsch.


    Taira trat seitlich an Menecrates heran. Sie griff den Stoff mit der linken und löste gleichzeitig die Fibel auf seiner Schulter mit der rechten Hand. Der Stoff löste sich von der Schulter und Taira fing ihn auf, um ihn nicht zu Boden gleiten zu lassen. Taira griff die Enden des Tuches mit der Linken und ging um Menecrates Rücken herum auf seine andere Seite. Mit der Rechten, die immernoch die Fibel hielt, fuhr Taira einige Finger breit vor Menecrates Schlüsselbein entlang und nahm sich wieder die vordere Ecke des Tuches. Jetzt konnte sie beide Seiten zu sich herüberziehen, wieder mit einer Hand greifen und die zweite Fibel lösen. Der Stoff fiel von Menecrates Schulter und Taira zog ihn ihn unter seinem Arm und nahm ihn auf. Sie ließ den Stoff und die beiden Fibeln neben sich fallen. Die Fibeln waren sehr einfach gestaltet, klare, gerade Bänder mit zwei erhabenen Streifen über ihre gesamte Länge. Menecrates hätte sicher goldene Punkstücke tragen können, wieso dann diese einfachen Stücke, wo er doch sonst so auf Äußeres bedacht war? Dann ging sie wieder einen kleinen Schritt hinter Menecrates und dort leicht in die Hocke. Taira griff Menecrates Tunika kurz über deren unterem Saum. Im Aufstehen hob sie ihre Arme nach oben und zog Menecrates Tunika damit über dessen Kopf.


    Jetzt stand sie hinter dem bis auf seine Sandalen nackten Menecrates. Sie ging zwei Schritte rückwärts um abzuwarten, was er jetzt von ihr verlangen würde. Ihr Blick glitt über Menecrates Rücken und Beine. Er schien erstaunlich gut erhalten für sein Alter. Die Haut noch ziemlich straff, keine Fettwülste oder schlaff herabhängende Hautfalten. Seine Waden konnten sicher noch manchen Tausendschritt hinter sich bringen. Taira konnte eine gewisse Achtung vor Menecrates nicht verhelen.

  • Für die grundlegenden Handgriffe, die Menecrates erwartete, reichte der bisherige Sprachschatz von Taira in Verbindung mit schneller Auffassungsgabe offensichtlich aus. Das Auskleiden verlief leichthändig, nichts ziepte oder störte, sodass sich bei dem Claudier ein Gefühl der Zufriedenheit und Entspannung einstellte. Er ließ gerne die Seele baumeln nach einem anstrengenden Tag. Vor allem, weil niemand wusste, wie lange noch die Tage und Abende für ihn und seine Männer verhältnismäßig ruhig verlaufen würden. Nutze jeden Tag, so seine Devise. Währenddessen purzelte ein Kleidungsstück nach dem anderen und erst der Stillstand hinter ihm, ließ ihn gedanklich in das Zimmer zurückkommen.


    Er blickte seitlich, um den Grund der Unterbrechung zu erfahren. Offensichtlich wusste die Sklavin nicht weiter, oder sie wartete aus Vorsicht ab. Menecrates wollte eigentlich nur ins Bett. Sein Bad lag hinter ihm, das Abendessen inzwischen auch.


    "Ich weiß nicht, wo die Nachtunika liegt und ich schlafe nicht mehr ohne solche Wäsche", merkte er an. "Außerdem ist das Bettzeug noch nicht aufgeschüttelt." Er wies mit dem Finger auf das Bett. Gedanklich huschte er weiter. Er wollte eigentlich noch herausfinden, wie gut es um die Heilkenntnisse der Arzttochter stand. Doch ob heute oder morgen? Seine Unschlüssigkeit spiegelte sich im Gesichtsausdruck wider.

  • Irgendetwas lief jetzt falsch. Oder gar nicht. Selbst Menecrates stand nun unschlüssig da, nachdem er einige Sätze an Taira gerichtet hatte. Taira hatte folgendes verstanden: Tunika Nacht Bett. Na immerhin. Vielleicht lag sie ja jetzt völlig falsch, aber Menecrates war ... nuja ... nicht mehr jung. Vielleicht frohr er ja nachts genau so wie ihr Vater und wollte etwas zum überziehen für die Nacht haben. Zumal hier in Germanien sicher nicht unvernünftig. Nur sah Taira nichts dergleichen als sie sich suchend umschaute. Wo waren zu Hause die Tuniken gewesen? Ganz klar ... warum sollte es hier anders sein? Taira lief auf eine der Truhen in der Nähe des Bettes zu. Da war alles mögliche drin, nur keine Tunika. In der zweiten Truhe hatte sie mehr Glück und fand einige lange, wollene Tuniken. Sie nahm die oberste davon aus der Truhe, fasste sie an den Schultern und hielt sie vor sich hoch. Auf Latein fragte sie: "Diese, Herr?" Menecrates schien damit nicht unzufrieden zu sein und so raffte Taira die Tunika zusammen und ließ sie über Menecrates Kopf gleiten. Während sie den linken Ärmel anhob, führte sie behutsam seine Hand in Richtung der Ärmelöffnung und durch den Ärmel hindurch. Das schien richtig gewesen zu sein. Als Taira es jetzt mit dem zweiten Arm und dem zweiten Ärmel genau so versuchte, merkte sie, dass sie dabei wesentlich mehr Mühe hatte. Menecrates rechte Schulter widersetzte sich. So vorsichtig es ging, führt sie die Bewegung zu Ende, griff stützend unter Menecrates Ellenbogen und führte diese und seine Hand nach unten. Dann trat sie wieder zwei Schritte zurück.


    In Tairas Kopf arbeitete es. Aus der Bewegung seines Armes heraus war klar zu sehen, dass der Muskel, der zwischen Hals und Schulter verlief, hart wie ein Stock sein musste. Und wer weiß, welche anderen Muskeln da noch mit dabei waren. Es musste Menecrates Schmerzen bereiten, den Arm nach vorn vor die Brust zu führen. Mindestens. Und beim Schlafen störte es mit Sicherheit. Vielleicht hiessen die seltsamen Handbewegungen vorhin ja so etwas, wie das sie diesen Stock zerhacken sollte? Massieren eben. Taira hasste massieren! Es war so sinnlos, weil kurze Zeit später alles wieder war wie zuvor. Da gab es doch Besseres. Allerdings war Menecrates ihr Herr, sie seine Sklavin. Es wäre mehr als anmaßend, etwas zu tun, was er nicht wollte. Aber vielleicht wollte er ja auch etwas ganz anderes und sie lag völlig falsch. Was sollte Taira nur tun? Sie entschloss sich, egal was kommen sollte, Menecrates zu fragen. Morrigan hatte gesagt er wäre ein guter Mensch. So schlimm würde eine Strafe also vielleicht nicht sein.


    Taira schaute Menecrates an, legte ihre linke Hand auf die rechte Schulter und sagte: "Schmerzen da, Herr?" und dachte: "Isis, steh mir bei!"

  • Obwohl sich Menecrates vorgenommen hatte, jede Handlung der neuen Sklavin genau zu verfolgen und zu bewerten, erwischte er sich bereits zum zweiten Mal, dass seine Gedanken abschalteten. Er konnte sich diese Nachlässigkeit nicht anders erklären, als dass Taira umsichtig und zugleich behutsam agierte. Ihre unauffällige, ja sanfte Art erlaubte Entspannung, was der vom Dienst gezeichnete Legat dankbar registrierte. Einzig seine rechte Schulter widersetzte sich, was ihn wieder in die Wirklichkeit holte.


    Aus diesem Grund realisierte er, dass Taira anstatt das Kissen wie gewünscht aufzuschütteln, zwei Schritte zurücktrat. Er runzelte bereits die Stirn, als offensichtlich die Erklärung für dieses Verhalten kam: Die Frage nach seiner Schulter. Überrascht zog Menecrates die Brauen nach oben.


    "Ja", antwortete er verdutzt. Er musste einer Sklavin keine Rede und Antwort stehen, aber er staunte über die richtige Diagnose. Dann versuchte er den Arm in der Schulter kreisen zu lassen, was weder einen Fortschritt bewirkte noch schmerzfrei war. Wieder zeigten sich Furchen auf seiner Stirn.
    "Wenn du ein Rezept dagegen kennst, ernenne ich dich zu meiner persönlichen Zimmersklavin", versprach Menecrates leichtfertig, weil er davon ausging, dass ihm Taira ohnehin nicht verstand und falls doch, keine Abhilfe kannte.

  • Viel zu viel und viel zu komplex war das, was Menecrates jetzt sagte. Aber das erste Wort war "Ja." Also hatte Taira richtig beobachtet. Und nun? Hatte er sie aufgefordert etwas zu machen oder sollte sie ihm vom Leibe bleiben? Oh Aeskleipedios, was sollte Taira jetzt tun? Sie entschied sich dafür alles auf eine Karte zu setzen und das, was sie Aeskleipedios gelobt hatte zu tun – zu helfen!


    Taira stellte sich hinter Menecrates. Da waren seine Wirbel, hier die Muskeln links und rechts davon ... vier schnelle Griffe, links, rechts, links, rechts. Dort war Menecrates Schulterblatt. Den Daumen der Rechten und den Zeigefinger der Linken angesetzt. Eine große, bogenförmige Bewegung, Daumen weg, Zeigefinger herunter, Daumen wieder hin .. Taira spürte, wie das Fleisch unter ihrem Finger quitschend nachgab. Puh ... das war gut gegangen. Noch ein schneller Griff entlang seiner Rippen unter dem Arm hindurch. Jetzt kam der gefährlichere Teil. Taira stellte sich vor Menecrates, hob seinen rechten Unterarm etwas an und ließ ihn auf ihrem, ebenfalls angewinkelten, rechten Unterarm zum Liegen kommen. Sie umfasste Menecrates Oberarm mit der Linken und fuhr mit dem Daumen über seinen Armmuskel. Ein Schritt nach Links spannte seine Schulter. "Bitte vergib, Herr!" Bei diesen Worten schloss sie die Augen in Erwartung der Strafe, die gleich kommen würde und schlug mit der Aussenseite ihrer zur Faust geballten Linken vorsichtig gegen Menecrates Schulter, entspannte sofort seinen Arm und führte dabei quasi nebenbei noch eine Bewegung über seinem hinteren Oberarm aus. Dann liess Menecrates seinen Arm vorsichtig herabgleiten. Tairas Atem ging flach und schnell wie auch ihr Herz schlug in Erwartung der Strafe, die sie jetzt mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen erwartete.

  • Für eine der Sprache nicht mächtige Sklavin zeigte sich Taira sehr verständig. Sie besaß offensichtlich einen wachen Geist. Und sie besaß kundige Hände, was Menecrates zu spüren bekam, als sie plötzlich handelte. Der Claudier kam nicht dazu, ihr zu vermitteln, dass er nicht auf selbstständiges Handeln bei Sklaven stand, wenn er das Objekt der Behandlung darstellte. Ansonsten, das musste er sich eingestehen, zog er die mitdenkenden Sklaven denen vor, die nur stumpf ihre Aufträge abarbeiteten. Und noch etwas musste er eingestehen: Tairas Finger fanden genau die Stellen in seiner Muskulatur, die bei empfangener Massage den größtmöglichen Schmerz verursachten. Sein Gesicht verzog sich und der Atem wechselte von stoßweise zu Luft anhalten. Immerhin, reifte die Erkenntnis, dass Taira genau wusste, was sie tat. Sie musste anatomische und pflegerische Kenntnisse besitzen.


    Wärme entstand in den malträtierten Muskelpartien, die sich gut anfühlte, aber nicht den Schmerz überlagern konnte. Er wollte schon erleichtert aufatmen, als Taira die Arme senkte, doch schneller als er denken konnte, stand sie plötzlich vor ihm. Von der Ungläubigkeit überwältigt, leistete er keinen Widerstand, als sie sich mit seinem Arm befasste. Er grübelte noch über ihre Worte nach, als ihn bereits ihre Faust traf. Ein Laut der Überraschung entfuhr ihm, während er zur Vorsicht rückwärts trat.


    Vor ihm stand eine Sklavin, die eben noch gewalttätig agierte, nun aber wie ein Unschuldslamm wirkte.


    "Was zum Hades sollte das?!", schimpfte Menecrates. Zwischen seinen Brauen entwickelten sich zwei senkrechte Falten, die seinen Unmut bekundeten. In früheren Jahren wäre ihm die Hand ausgerutscht, heute besaß er mehr Kontrolle. Er hasste es, Emotionen zu zeigen. Und trotz der zurückgekehrten Lebensgeister wollte er eigentlich nur zu Bett gehen und schlafen.


    "Fass mich nicht noch einmal an, ohne dass ich es erlaube. Ich werte sonst alles als Angriff." Sicher war sicher, so lange kannte er Taira noch nicht, um beurteilen zu können, ob sie nicht doch mit ihrem Schicksal haderte und es ändern wollte.


    "Und jetzt das Bett aufschütteln", murrte er.

  • Taira duckte sich unwillkürlich etwas zusammen, als die Schimpfkanonade über sie hereinbrach. Doch die erwarteten Schläge blieben aus. Richtig aufatmen konnte sie jedoch nicht. Sie hatte etwas falsch gemacht, das war klar. Aber was? Hatte Menecrates sie doch von sich gewiesen und sie ihn völlig missverstanden. Anscheinend. Nun, mit Aesklaipedios Hilfe würde es spätestens morgen seiner Schulter besser gehen, hoffentlich brachte er das dann aber nicht mit Taira in Verbindung und strafte sie nicht doch noch. So wütend war er ... In was hatte sich Taira jetzt nur hineingeritten!


    Dann war er etwas ruhiger geworden und knurrte nur noch. Er sagte etwas zu ihr und wieder überlief es Taira heiß und kalt gleichzeitig. Sie verstand nur zwei seiner Worte: Jetzt und Bett. Wollte er sie jetzt in seinem Bett haben? Oh Isis ... zögernd ging Taira auf das Bett zu. Ihr Gesicht schien ihr wie Feuer zu brennen. Zitternd stand sie vor Menecrates Bett und starrte es an. Rein aus Reflex und nur um etwas zu tun nahm sie erst das Kissen und dann die Bettdecke und schüttelte sie auf.

  • Jeder Protest, jede Uneinsichtigkeit hätte Menecrates verärgert, so aber nahm Taira die Luft aus der Situation. Ihr erschrockener Gesichtsausdruck besänftigte ihn vollends, zumal er sich endlich zur Ruhe legen wollte. Ob Taira sich dafür eignete, seine ganz persönliche Leibsklavin zu werden, würde er heute nicht mehr entscheiden.
    Ein Gähnen schien das Einstellen der Hirntätigkeit einzuläuten. Kissen und Decke waren aufgeschüttelt, somit hielt den Claudier nichts mehr zurück - dachte er. Aber da stand Taira im Weg. Zwei Atemzüge wartete er noch, dann handelte er: Seine Hände fassten Taira an den Schultern und schoben sie einen Schritt beiseite. Was sie mit ihrer neuen Position anfing, interessierte ihn nicht. Er setzte sich auf die Bettkante, hob die Decke an und verstaute seine Beine darunter. Mit einem Seufzen ließ er sich auf das Kopfkissen sinken.

  • Taira fühle, wie Menecrates ihre Schultern fasste. Jetzt ... dachte sie, jetzt! Aber an Stelle in Richtung des Bettes wurde sie zur Seite geschoben. Weggestellt. Menecrates setzte sich, legte sich auf sein Bett und interessierte sich anscheinend nicht im Geringsten mehr für Taira.


    Sie atmete tief durch. Oh Isis ... So, wie Menecrates da lag, erinnerte er sie an ein Kind. Taira nahm seine Decke und schob sie vorsichtig bis hinauf zu seinen Schultern. Dann trat sie leise einen Schritt zurück. Als Menecrates keinerlei Anzeichen machte sich zu regen oder noch etwas von ihr zu wollen, schlich sie zur Tür, öffnete sie leise und ging hinaus, sie genau so leise wieder hinter sich verschliessend.


    Draussen lehnte sich Taira an die Wand und rutschte zu Boden. Sie umschlang ihre Knie mit den Armen und legte ihre Stirn darauf. Langsam ließ ihr Zittern nach. Sie hatte es geschafft. Hatte es wirklich geschafft. Alles war gut ...


    Nach einer Weile stand Taira auf, und ging, ziemlich fertig von diesem Tag, zum Servitriciuum.

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