Culina |Der Brief

  • Wie eine Irre war ich zu Casa gelaufen. Der Brief! Das war alles, woran ich denken konnte. Eigentlich kamen ja nur Pera oder Gaia in Frage, die den Brief angenommen hatte. Wenn ich viel Glück hatte, dann war es Pera gewesen, die es wahrscheinlich einfach verpeilt hatte, mir den Brief zu geben. Wenn Gaia den Brief entgegengenommen hatte, dann schätzte ich mal, war es reine Bosheit, weswegen sie mir den Brief vorenthielt. Schlimmstenfalls hatte schon Sermo Wind davon bekommen.
    Ich schlug hinter mir die Tür zu, zog meinen Mantel aus und lief sofort in die Küche, wo ich erwartungsgemäß auf Pera traf, die es malwieder nicht geregelt kriegte.
    "Ah, salve Caelyn," sagte sie nebenbei, als sie Herr über das schmutzige Geschirr werden wollte. "Du könntest mir nachher mal helfen!"
    Ich blieb erst malstehen um durchzuatmen. "Ja, mach ich. Hör mal Pera, war gestern Abend zufällig jemand hier, der was für mich abgegeben hat?", fragte ich zögernd. "Einen Brief, oder so was?"
    Pera ließ von dem Tontopf ab, den sie gerade versuchte, sauber zu wischen. "Ein Brief? Nein, nicht das ich wüsste. Von wem ist denn der Brief?" Na, toll! Da hatte ich sie ja jetzt richtig neugierig gemacht! "Och, von einem, den ich kenne." Ich versuchte mich irgendwie rauszureden. Ausgerechnet Pera wollte ich doch nicht auf die Nase binden, von wem der Brief war!

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    Gaia kam mit einem Korb voll Brennholz zur Tür herein. Sie quetsche sich an Caelyns fettem Bauch vorbei - römische Küchen waren in der Regel extrem klein, quasi mit einer Küchenzeile in modernen Ein-Zimmer-Appartments zu vergleichen - wo sie das Holz in den Stauraum unter dem Herd einräumte. "Was hör ich da? Von wem hast du was bekommen?" fragte sie beiläufig, die Ahnungslose mimend. Natürlich hatte sie den Brief entgegen genommen. Sie würde ihn bei der Rückkehr des Dominus diesem sogleich zuschustern und hoffentlich einen ordentlichen Batzen Taschengeldes dafür kassieren. Bis dahin tat sie einfach so, als wäre nichts vorgefallen.




    SKLAVE - GENS QUINTILIA

  • Und wie ich Pera neugierig gemacht hatte! Eigentlich hätte ich ´s mir ja denken können, dass sie sich nicht so einfach abspeisen ließ. Das dreckige Geschirr musste erst mal warten. "Ist er von dem, der dir das Kind gemacht hat?", fragte sie neugierig. Tja, was sollte man darauf antworten? Außer dass ich rot anlief und nur "Öhm…" machte, brachte ich nichts anderes zustande. Oh Mann, wie beneidete ich doch die Leute, die auf so ´ne dämliche Frage gleich ´ne schlagfertige Antwort parat hatten! Ausgerechnet jetzt kreuzte auch noch Peras Schwester Gaia ganz plötzlich auf und quetschte sich demonstrativ an mir vorbei. Diese dämliche Schnepfe! Mit der hatte ich sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen! Ich ahnte ja schon, dass sie den Brief angenommen hatte. Wer denn auch sonst? Wenn es Pera nicht war, dann blieb nur Gaia übrig. Und dass sie jetzt die Ahnungslose spielte, passte irgendwie zu ihr.
    Von beiden Schwestern in die Zange genommen, wusste ich echt nicht, was ich noch sagen sollte. Dafür plapperte Pera aber lustig drauf los. "Sie hat einen Brief gekriegt. Von dem, der ihr das Kind gemacht hat!", behauptete sie einfach mal vorlaut, obwohl sie ich das noch gar nicht bestätigt hatte. Langsam reichte mir das mit diesen beiden blöden Weibern!
    "Ich hab ihn noch nicht gekriegt, weil jemand anders den Brief angenommen hat. Das warst nicht zufällig du, Gaia?", fragte ich und versuchte dabei noch einigermaßen ruhig zu bleiben. "Du hast doch den Brief, oder? Gib ihn mir! Sofort, sonst…" Öhm… ja, richtig, sonst… äh. Keine Ahnung, was sonst war. Verdammt, schlagfertig müsste man sein!

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    Was bildete diese Schnäpfe sich denn ein, sich hier plötzlich so aufzuspielen? Gaia konnte es nicht fassen. "Sonst was?" fragte sie einfach verächtlich, Caelyn von oben bis unten musternd. "Sonst was?" wiederholte sie. "Ich habe überhaupt nichts. Und du bist nur eine jämmerliche Hure, die sich zu jedem Mann ins Bett legt, der ihr ein paar Münzen verspricht." Verächtlich spuckte sie vor Caelyn aus und wandte sich dann von ihr ab, um das Holz weiter einzuräumen. "Dein Herr hat dir wohl nicht beigebracht, was Gehorsam heißt," setzte sie noch hinterher, den Hohn nicht zurückhaltend. Gaia war böse und sie verfluchte Caelyn seit ihrer Ankunft. Dieses Weib, das offensichtlich Dominus Sermos Matratze ersetzte, war in ihren Augen ein Nichts, wobei sie bewusst den Fakt überging, dass sie genauso von ihrem Herrn mißbraucht werden konnte. Jetzt gab es hier nur noch Quintilius Sermo, nicht mehr die Germanica oder Sermos Cousin. Sie alle, die gesamte Sklavenschaft, waren ihm ohne Ausnahme hörig. Selbst Gaia konnte sich da nicht ausschließen.





    SKLAVE - GENS QUINTILIA

  • Dieses miese Dreckstück! Ich hätte ihr die Augen auskratzen können, als sie sich vor mir aufplusterte und "was sonst" geiferte. Nur dumm, dass mir da die richtigen Worte fehlten oder besser noch, der Antrieb, ihr meine Faust in ihre dämliche Fresse zu drücken. Nicht mal, als sie mich Hure nannte. Diese dumme Pute hatte doch überhaupt keine Ahnung!
    Als sie sich umdrehte und sich bückte, um das Brennholz in das dafür vorgesehene Fach zu räumen, geiferte sie immer noch weiter.
    Bisher hatte ich nur dumm und schwerfällig rum gestanden, wie ein begossener Pudel und hatte mir ihre Beleidigungen angehört. Aber jetzt reichte es! Endgültig! Wie von selbst holte mein rechter Fuß aus und trat mit Schmackes in ihren Allerwertesten! Treffer! Ja!!! "Sonst, DAS!" Der Tritt kam so überraschend und heftig, dass Gaia eigentlich nur noch eins übrig blieb: Kopf über in die Holzscheite, die sie so sorgsam im Brennholzfach gestapelt hatte, hineinzukrachen.
    Ich schnaubte noch vor Wut, aber ich spürte schon die Genugtuung, dieser dämlichen Schlampe eins ausgewischt zu haben. Hoffentlich hatte ihr dreckiges Maul auch was abgekriegt!
    Pera hatte wie ein neugieriges Waschweib da gestanden und zugehört. Aber als Gaia zu Boden ging, stürzte sie zu ihrer Schwester, um ihr zu helfen. "Bist du verrückt? Schau, was du gemacht hast! - Geht´s dir gut, Gaia? Du blutest ja!"
    Ja, hoffentlich blutete sie! Das sollte ihr eine Lehre sein.

  • [Blockierte Grafik: http://i687.photobucket.com/albums/vv232/Aine_photos/gaia.jpgGaia


    BÄM! Mit einem Mal bewegten sich die Holzscheite blitzschneel auf Gaia zu, die nur Sekundenbruchteile lang hilfslos mit den Armen wedeln konnte, bevor sie zu Boden ging. Caelyns Tritt hatte sie völlig aus dem Gleichgewicht gebracht und jetzt lag sie mit einigen dicken Schrammen und Beulen auf dem Küchenboden zwischen Rinden, Krümeln, Gemüsefledder und dem einen oder anderen Schabentier. Keuchend und ächzend versuchte sie sich halbwegs aufzurichten, während Pera schon auf sie einredete. "Eh," machte sie, sprachlos und überrumpelt wie sie war. "Ja ja..." meinte sie dann langsam, sich die Kratzer und eine Schürfwunde an der Stirn betastend.





    SKLAVE - GENS QUINTILIA

  • "WAS IST HIER LOS?" donnerte eine den Anwesenden Sklaven wohlbekannte männliche Stimme. Sermo stand mit verschränkten Armen im Türrahmen und besah sich die Szenerie mit kritischem Stirnrunzeln. Er war vor einigen Augenblicken vom Thermenbesuch nach Haus gekommen und wollte sich eigentlich nur einen Augenblick weiter Ruhe gönnen. Und er hatte Durst, weshalb er sich nach einer der Haussklavinnen umgesehen hatte, doch als keine von ihnen in sein Blickfeld geriet, steuerte er gemächlich die Küche an. Bis er Gepolter und Gekeife vernahm und sich entschied ausnahmsweise mal einen Blick in die Domäne der Sklavenschaft zu werfen. Einen Blick in die Küche. Und was er sah, gefiel ihm überhaupt nicht.

  • Tat richtig gut, diese blöde Zicke so zu sehen! Pera übertrieb mal wieder maßlos. Von wegen bluten und so. Gaia hatte sich nur ´ne kleine Schramme an der Stirn geholt. Naja, vielleicht noch ein paar Kratzer. Mehr aber nicht! Und daraus machte sie gleich so ein Theater!


    Die Schadenfreude über Gaias Anblick ließ mich übermütig und unaufmerksam werden, denn sonst hätte ich vielleicht gehört, wie jemand zur Haustür hereingekommen war. "So, du Mistkröte! Und jetzt rück den Brief raus! SOFORT!", rief ich. Aber da hörte ich auch schon besagte wohlbekannte Stimme, die mir einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Scheiße! Wenn das mal nicht Sermo war! Verdammt, wieso war der Kerl schon zu Hause? Ziemlich überfahren starrte ich zur Tür, in deren Rahmen er bereits aufgetaucht war und nicht besonders fröhlich gestimmt aussah.
    Na super! Welch ein Anblick bot sich ihm da! Gaia kroch mehr oder weniger immer noch am Boden herum. Pera kniete neben ihr, um zu helfen. Und ich? Klar, ich war mal wieder die Böse. So sah´s jedenfalls aus. Und da hörte ich es auch schon. Das, was ich eigentlich schon längst erwartet hatte: "Sie war´s! Sie hat angfefangen, Dominus! Und dann hat sie Gaia so arg getreten, dass sie kopfüber in die Holzscheite gefallen ist!", rief Pera ganz eifrig, um den Wissensdurst ihres Dominus zu befriedigen.
    Na los, Caelyn! Sag was! Sag, dass das nicht wahr ist, sagte mir eine innere Stimme immer wieder. Aber auch diesmal fehlten mir da die Worte. Total unbeholfen und ziemlich dämlich wirkend, musste ich ihm vorkommen. Und dann stand ich auch noch mit offenem Mund da. Mir ging nur ein einziger Gedanke durch den Kopf: Der Brief! Wenn Sermo den Brief in die Finger kriegte, dann konnte ich einpacken!

  • "Ein Brief?" fragte Sermo, neugierig geworden wegen Caelyns Bemerkung. Peras Erklärungen ignorierte er weitestgehend. Bis auf die Aussage, dass Caelyn angefangen habe. Er hätte wohl geschmunzelt über das Temperament der Keltin, wäre diese ganze Situation nicht viel zu ärgerlich. Sermo konnte keine Sklavenschaft gebrauchen, die sich gegenseitig an die Gurgel ging. Das würde er sofort unterbinden müssen.
    "Zeig her," befahl er Gaia daraufhin.


    [Blockierte Grafik: http://i687.photobucket.com/albums/vv232/Aine_photos/gaia.jpgGaia


    Die Sklavin erhob sich eilig und drängte sich um Verzeihung bittend an ihrem Herrn vorbei, um irgendwo im Haus ein Versteck aufzusuchen, aus dem sie den Streitgrund hervorholte. Einige Augenblicke, in denen keiner in der Culina ein Wort sprach und in denen Sermo Pera und Caelyn einfach mit Blicken zu durchbohren suchte, kam Gaia zurück und hielt ihrem Herrn den Brief hin. Das Siegel hatte Gaia bereits erbrochen, doch offenbar nichts weiter herausfinden können, da sie des Lesens nicht fähig war.
    Sermo dagegen las das Schriftstück einmal durch, blickte zu Caelyn auf und las das Schreiben dann laut vor.



    Ad
    Caelyn
    Casa Quintilia
    Mogontiacum
    Provincia Germania



    Liebe Caelyn,


    dein Brief ist angekommen. Ich habe viele Neuigkeiten. Tiberia Faustina schenkt mir die Freiheit, wenn ich ein Rennen gewinne und unter der Bedingung, dass ich weiter Rennen für die Purpurea fahre. Ich habe zugestimmt. Dann kann ich in der Zeit, in der keine Rennen stattfinden nach Germanien kommen. Vielleicht habe ich bis dahin das Geld zusammen um dich und unser Kind freizukaufen.
    Mir geht es gut. Tiberia Faustina ist freundlicher zu mir. Es ist anstrengend einer Frau zu gehorchen, ich versuche es. Wie ist es bei dir? Geht es? Wie ist es mit deinem Dominus, wegen unserem Kind?
    Tut er dir was oder dem Kind, bei Bendis und Boreas, ich weiß nicht was ich dann von ihm übrig lasse.


    ich libe liebe dich
    Aretas



    Besonders beim Lesen der letzten Zeilen legte sich Sermos Stirn in tiefe Falten. Der Kerl wollte ihn vermöbeln, wenn er Caelyn etwas tat? Was für ein naiver Wicht. Sermo rollte den Brief zusammen und sah seine Sklavinnen an. "Und wegen so einem Unfug raubt ihr mir die Nerven? Nicht zu fassen." Er schnaubte, zornig geworden über die Sinnlosigkeit dieser ganzen Unruhe. Natürlich interessierte ihn was seine Sklavinnen so trieben, aber Zankerei konnte er nicht dulden. "Pera, schließ' die beiden im Servitricium ein. Sofort!"
    "Herr?" fragte die Angesprochene verständnislos, weil sie nicht gleich begriff. Sie wurde daraufhin aber so derbe von ihrem Herrn angefahren, dass sie schnurstracks aus der Küche stob, um seinen Befehl auszuführen.
    Sermo blieb stehen wo er war und wartete darauf, dass Caelyn und Gaia sich in Bewegung setzten. Ob dies die einzige Strafe war, die die beiden würden einstecken müssen, konnte er noch nicht recht entscheiden. Vielleicht, vielleicht auch nicht...

  • Diese elende Mistkröte war schneller wieder auf den Beinen, als man gucken konnte, dann lief sie davon und kam nach kurzer Zeit wieder mit meinem Brief. Instinktiv wollte ich meine Hand danach ausstrecken. Aber nicht ich, sondern Sermo bekam den Brief. Das würde mir Gaia noch büßen! Und wenn ich ihr sämtliche Haare einzeln herausriss!
    Gaia hatte den Brief schon aufgemacht. Dabei konnte sie doch gar nicht lesen! Am liebsten hätte ich sie auf der Stelle erwürgt!
    Sermo öffnete den Brief, schaute zu mir herüber und begann ihn dann laut vorzulesen. Ich hätte vor Scham im Erdboden versinken können. Doch wenigstens erfuhr ich so, was Aretas mir geschrieben hatte. Nur noch ein gewonnenes Rennen und dann war er frei! Und dann wollte er nach Germanien kommen… Ach wie schön wäre das nur! Das klang fast so, als könne er vielleicht schon nächste Woche hier sein, um mich und unser ungeborenes Kind zu befreien… Aber ich hörte sofort wieder damit auf, mich durch solche Wunschgedanken einlullen zu lassen. Es konnte noch Monate oder sogar Jahre dauern, bis es soweit war. Bis dahin hatte er mich vielleicht längst vergessen. Wenn er erst einmal frei war und ihm die Frauen reihenweise hinterher liefen.
    Sermo hatte zu Ende gelesen. Seine Stirn lag in Falten. Aretas hatte in seinem letzten Satz damit gedroht, Sermo zu verprügeln, wenn er mir oder dem Kind etwas antat. Unter anderen Umständen hätte ich jetzt mal gegrinst, aber das ließ ich besser. Wenn er so guckte, dann war Gefahr in Verzug. Mir war es aber ziemlich schnuppe, was er jetzt mit mir anstellen wollte. Ich kannte jetzt den Inhalt des Briefes. Alles andere war mir egal.
    Dass ich dann am Ende mit Gaia im Servitricium eingesperrt wurde, darauf hätte ich aber gut verzichten können.

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