Eines Nachts in Tillas Kammer..

  • Nach vorne gebeugt, die Arme angewinkelt und den Kopf auf die Arme gebettet, saß Tilla auf einem Dreibein-Schemel am kleinen Tischchen, der nun in ihrer Kammer bei Priscas Zimmer stand. Die Tischplatte war mit allerlei Schriftgut überhäuft, welche Hektor zum gemeinsamen Studieren mitgebracht hatte. An seiner Seite paukte sie die Feinheiten einer majordomus-Stelle und lernte außerdem die Finanzen des Landgutes in Ostia kennen. An letzteren gab es nichts zu bemängeln. Nur die nicht enden wollenden Zahlenkolonnen allerdings machten Tilla zu schaffen und brachten ihren Kopf zum rauchen. Sie hatte schon festgestellt, dass mit Zahlen jonglieren wesentlich schwerer war als Briefe zu schreiben.


    Hektor war schon fort, zurück in den Stall, um nach den Vierbeinern zu sehen. Draußen regnete es wieder einmal, die schweren Tropfen klatschten nur so an den straff gespannten Vorhang. Stumm seufzend wendete Tilla den Kopf und starrte zur Tür. Wegen dem anhaltenden schlechten Wetter konnten sie noch nicht fort. Noch nicht über lavendelgesäumte Felder reiten. Ein dunkler vierbeiniger Schatten schob sich durch den Türspalt und nahm Kurs auf Tillas Pritsche. Mit mehreren Drehungen tretelte Saba die Decke zurecht und liess sich mit einem zufriedenen Maunzen nieder. Tilla grinste die Katze an und belächelte das offenherzige Gähnen der stolzen Katze, die damit ihr prächtiges Gebiß präsentierte. Diese Nacht gab es demnach keine tote und nasse Maus zu entsorgen.


    Der Blick der stummen Sklavin wanderte weiter und landete auf der hölzernen Truhe, welche ihre Habseligkeiten beherbergte. Aus einem Impuls heraus erhob sich Tilla und hockte sich vor die Truhe. Ihre schlanken Finger fanden als allererstes ein fein besticktes Taschentuch. Es war kein gewöhnliches Taschentuch, außerdem barg es viele Erinnerungen. Tilla knüllte es zusammen und sog den Duft mit der Nase sowie zeitgleich geschlossenen Augen ein. Prompt errinnerte sie sich an Appius Aurelius Cotta, Sohn des Decimus Aurelius Galerianus und der Aurelia Camilla sowie dessen Sklaven Maron. Letzterer war längst verstorben. Die Sklavin wusste seit mehreren Tagen über seinen Tod Bescheid. Sie hätte Maron so gerne noch einmal wieder gesehen, aber dies war nicht möglich gewesen, da sie selber sich noch im fernen Ägypten befunden hatte, während er sich in Sizilien befand.


    Tilla hielt die Tränen nicht zurück, die aus ihren Augen rollten und liess die aufsteigende Trauer zu. Es war besser, Tränen und damit verbundene Gefühle zuzulassen als niemals zu weinen und Gefühle zu unterdrücken, hatte Hektor gesagt. Abermals erhob sich Tilla und setzte sich zu Saba auf die Decke. Die Anwesenheit der Katze war mehr als beruhigend und tröstete Tilla damit nicht alleine zu sein, während sie still weinte und zuletzt kräftig ins Taschentuch schneuzte. Hoffentlich hatte sie niemanden geweckt... ihre Beine kribbelten. Tilla hielt es nicht mehr auf der Pritsche neben der inzwischen fest schlafenden Katze aus und ging zur angelehnten Tür, um von dort auf den Flur zu spähen. War noch jemand wach? Das nassgeweinte Taschentuch hielt sie immer noch in ihrer geballten Faust fest.


    Es war nicht weit zu Priscas Kammer, jedoch hatte sie keine Lust die Herrin zu stören. Es konnte ja sein, dass sie bei ihrem Mann war oder der Mann bei ihr. Der Gang war schwach beleuchtet. Hier, nicht weit von diesem Ort hatte Flavia Celerina geschlafen, bevor sie als verheiratete Frau zum Hausherrn gezogen war. Beide waren verstorben und beerdigt worden. Weitere Angehörige der aurelischen Gens waren gestorben. Narcissa war auch tot. Die Katze strich um ihre Beine herum und maunzte leise. Schhhtt... flüsterte Tilla leise und begab sich auf den Gang hinaus. Komm, lass uns ein Glas Milch trinken gehen. Mit hocherhobenen Schwanz stolzierte die Katze voran, drehte sich an der nächsten Ecke nach Tilla um. Ich komme..

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