Ein Nachmittag in den Thermen

  • Obwohl Wahlkampf herrschte, hatte Macer Zeit für einen ausgiebigen Nachmittag in den Thermen gefunden. Die Termine des Vormittags waren erledigt, den Mittag hatte er für kleinere Erledigungen genutzt und für den Abend stand kein großes Abendessen auf dem Programm, so dass er sich seine Zeit frei einteilen konnte. Entspannt war er zu den Thermen geschlendet, hatte ein wenig Sport getrieben, sich massieren lassen und lag nun im lauwarmen Wasserbecken des zweiten Tepidariums und ließ das Geschehen in den Thermen an sich vorüber ziehen.

  • Wiewohl Flavius Flaccus in seiner ersten Zeit in Rom ausschließlich die Bäder der Villa Flavia aufgesucht und die öffentlichen Thermen völlig gemieden hatte, so erkannte er zusehends die vielen Vorteile, die ein regelmäßiger Besuch der Thermen einem aufstrebenden Advocatus und Politiker zu bieten hatte, sodass er nun wenigstens wöchentlich, zuweilen auch öfter, die großen öffentlichen Anlagen aufsuchte, um mit wichtigen Leuten ins Gespräch zu kommen, oder auch einfach vom Volk gesehen zu werden. Und so war auch für diesen Nachmittag ein Besuch in den Thermen des Agrippa eingeplant. Nachdem er sich im apodyterium gänzlich seiner Kleider entledigt hatte, die er natürlich nicht in eine der abschließbaren Wandnischen legte, sondern einem eigens dafür mitgebrachten Sklaven zur Aufbewahrung anvertraute, widmete er ein wenig Zeit dem Sport, um seinen jugendlichen Körper in einer für einen Römer würdigen Form zu halten, ehe er schließlich das im Süden der Anlage gelegene caldarium aufsuchte und sich in einem der in den Apsiden angelegten, mit Marmor ausgekleideten, Becken niederließ, wo ihn schließlich ein Sklave in regelmäßigen Güssen mit dem warmen Wasser überschüttete. Nachdem er einige Zeit lang das Gefühl der völligen Entspannung im warmen Wasser genossen hatte, raffte der Flavier sich schließlich auf, um seinen Badegang in den Tepedarien fortzusetzen. Im zweiten der selben angekommen, erblickte er erfreut seinen ehemaligen Tutor, den Consular Purgitius Macer und formte eine Grußgeste. "Salve clarissimus!", grüßte er den Senator förmlich, aber mit einem freundschaftlichen Lächeln, "Erlaubst du, dass ich mich zu dir lege?"

  • Macers Blick war gerade in eine andere Richtung im Raum geschweift, so dass er seinen ehemaligen Tiro nicht bemerkt hatte, als dieser den Saal betrat. Etwas überrascht blickte er ihn daher an. "Oh, salve! Ja, natürlich, es herrscht freie Platzwahl", scherzte er und machte sich selber nicht ganz so breit, was ihm nicht schwer fiel, da er im Vergleich zu manch anderem Senator ziemlich dünn war. "Wie geht es dir?"

  • Langsam ließ Flaccus sich also neben Macer in das lauwarme Wasser gleiten und genoß kurz das wohlige Gefühl der Wärme, das sich in seinem Körper ausbreitete, ehe er dem Purgitier antwortete: "Ausgezeichnet, danke.", um nach einer weiteren kurzen Verzögerung des Genusses wegen die obligate Gegenfrage anzuschließen: "Ich hoffe auch dir und deiner Gattin geht es gut?" Betrüblicherweise hatte Flaccus die Gattin seines ehemaligen Tutors noch nicht kennengelernt, doch das war ja kein Hindernis, sich höflich auch nach ihrem Befinden zu erkundigen.

  • "Das hört man gerne!", beantwortete Macer die Antwort auf seine Frage, bevor er selbst die höfliche Gegenfrage entgegen nahm. "Ja, wir können nicht klagen. Dass ich wohl schon eine ganze Weile heute Nachmittag hier in den Thermen verbracht habe, ist wohl ein gutes Zeichen, dass es mir kaum besser gehen könnten", zeigte er sich rundum zufrieden. Was nicht unbedingt bedeutete, dass er komplett zufrieden war, aber sein ehemaliger Tiro gehörte nun auch nicht gerade zu den so engen Bekannten, den man gleich sofort sein gesamtes Leid klagte. Zumal Macer ohnehin nicht zu den Leuten gehörte, die gerne jammerten.

  • An der Porta der Casa Purgitia war Avianus wiederum auf die Thermen verwiesen worden, die er mit zwei Sklaven aufsuchte. Der eine Sklave hielt den Brief des Claudius Menecrates fest in der Hand, während der andere Sklaven dafür zuständig war, die Kleidung des Aureliers zu transportieren. So entblöste sich Avianus ebenfalls und lief in den Thermen umher, nach seinem Patronen Ausschau haltend. Da er mit einem Ziel hier war, und nicht nur zur Entspannung, überging er alle anderen Bereiche, bis er am Tepidarium angekommen war und dort Macer ausfindig machte.


    Er kam seinem Patronen näher, dicht gefolgt von seinem Sklaven. "Salve, Patronus", sprach Avianus ihn an, "Entschuldige, dass ich Dich bei Deiner Ruhe störe, aber ich habe eine dringliche Angelegenheit zu bereden."

  • Kaum hatte Macer seinen Satz beendet, war es auch schon dahin mit der Ruhe und ein augenscheinlich etwas erregter Klient stand vor ihm. "Aurelius Avianus, sei mir gegrüßt", wollte er sich mit einem herzlichen Gruß dann aber doch nicht sofort aus der Ruhe bringen lassen. "Du kennst Flavius Flaccus?", stellte er dann kurz seinen Gesprächspartner vor. "Können wir es hier besprechen oder ist es vertraulich?"

  • Avianus schüttelte deutlich den Kopf, um zu signalisieren, dass sein Anliegen nicht sehr vertraulich war. Zumindest hatte er vor dem ihm unbekannten Flavier nichts zu verbergen, weshalb sie auch gut hier bleiben konnten. "Das Geschlecht der Flavier ist mir unverwunderlicherweise bekannt - leider kenne ich Flavius Flaccus nicht, aber das können wir ja ändern", lächelte Avianus die beiden an, "Es geht um Claudius Menecrates und ich bin aufgrund eines seiner letzten Schreiben an mich ein wenig... nun, sagen wir, unbeholfen. Weniger wegen der Thematik des Schreibens an sich aus viel mehr einem anderen Grund. Darf ich mich hinzulegen?" Die Frage stellte er höflichkeitshalber, auch wenn es unwahrscheinlich war, dass Macer ihn so stehen lassen würde.

  • Ehe Flaccus weitersprechen konnte, trat ein Mann hinzu, in dem der Flavier sogleich den Senator Aurelius Avianus erkannte, welchen er von den zahlreichen aurelisch-flavischen Feiern der jüngeren Vergangenheit, wie natürlich auch von den unlängst veranstalteten prächtigen Gladiatorenspielen im Amphitheatrum Flavium wenigstens vom Sehen kannte. Freundlich lächelnd nickte er ihm auf dessen Angebot, den Umstand mangelnder Bekanntschaft zu ändern, zu. Dann allerdings ließ er seinen Blick etwas abschweifen und musterte die umliegenden Männer, die sich größtenteils zu kleineren oder größeren Gruppen zusammengefunden hatten und in angeregte Gespräche verwickelt waren, während der Aurelier die dringliche Angelegenheit zur Sprache brachte.

  • "Nun, es gibt wohl kaum angenehmere Plätze für ein unverbindliches Kennenlernen, als die Thermen", stellte Macer fest und stellte die beiden nochmal gegenseitig kurz durch Namensnennung vor, auch wenn das wohl nicht unbedingt so förmlich nötig gewesen wäre. Dann kam sein Klient auch schon gleich zum Thema. "Ja, sicher, wo für zwei Platz ist, reicht es auch für drei", beantwortete er dann aber erst einmal die andere Frage. Dann kam auch er zum Thema. "Claudius Menecrates? Der ist doch nach Germania abkommandiert, oder nicht? Womit kann er dich von dort aus aus der Fassung bringen?"

  • Avianus ließ sich nicht bitten und stieg somit zu den zwei Herren ins Becken und ließ sich mit einem erleichterten Seufzen in das lauwarme Wasser nieder. Je tiefer sein Körper in das Wasser tauchte, desto mehr bemerkte er, wie sich seine Muskeln entspannten und lockerten und wie schön die Ruhe war.
    "Nun, es ist die Aufmerksamkeit, die er mir seit letzter Zeit entgegen bringt und die angesichts der Umstände derzeit ein wenig verdächtig ist. Vor einer Weile schrieb er mir beispielweise, dass er von Germanien aus miteintscheiden wolle, wer den Salii Palatini beitritt oder eben nicht. Dies war mehr als Forderung denn als Bitte formuliert - es versteht sich von selbst, dass ich dieser Forderung nicht Folge leisten konnte, allein wegen des administrativen Aufwands und weil Stimmrecht bei uns traditionell auch Anwesenheit am Geschehen erfordert."


    Er seufzte erneut, nur dieses Mal ratlos. "Jetzt dieses Schreiben von ihm, in dem er von mir Wissen möchte, ob der Senat im Rahmen der Provinzteilungen beschlossen hat, die Limesgrenzen zu verschieben. Er schrieb recht deutlich, dass eine schnelle Antwort meinerseits für ihn und somit für die Sicherheit des Imperiums von großer Bedeutung wäre. Ich gehe nun von zwei Fakten aus: Wäre dies der Fall, wäre er als Legatus sicherlich informiert worden und das Territorium unseres Reiches hat sich wohl durch die Veränderung der Provinzaufteilung auf organisatorischer Ebene wohl auch nicht verändert. Dies weiß er mit Sicherheit, mehr jedoch frage ich mich, woher diese plötzliche Aufmerksamheit herkommt, wo wir doch nicht wirklich mehr miteinander zu tun hatten, als das ein oder andere Gespräch beim ein oder anderen Abendessen."

  • "In der Tat bemerkenswert", kommentierte Macer die Ausführungen seines Klienten. "Zur Frage der Salier kann ich nichts sagen. Aber die andere Sache ist schon interessant. Es gäbe zweifellos zahlreiche naheliegendere Personen, die er fragen könnte, angefangen beim Statthalter vor Ort über den Consul bis hin zu einer offiziellen Anfrage an Senatsarchiv. Wenn du dich ihm nicht besonders verbunden fühlst, ist es verwunderlich, dass er sich an dich wendet. Offenbar scheint er eurer Bekanntschaft mehr Bedeutung beizumessen", dachte er laut über die Gründe nach. Es drängte sich der Verdacht auf, dass Claudius Menecrates nicht allzu viele Kontakte in Rom hatte, aber Macer wollte darüber nicht laut spekulieren. Stattdessen äußerte er sich lieber zu den Konsequenzen, die sich daraus ergeben konnten. "Wenn du es darauf anlegst, könntest du das sicher zu deinen Gunsten ausnutzen. Er wird dir wohl einen Gefallen schuldig sein, wenn du ihn mit Informationen versorgst. Ob es dir das Wert ist, musst du selber entscheiden." Macer lächelte selbstbewusst, als wollte er betonen, dass Menecrates seinem Klienten von Germania aus wohl kaum einen Gefallen leisten konnte, den er selber nicht von Rom aus unkomplizierter leisten könnte.

  • Avianus rieb sich ob der Überlegungen seines Patronen nachdenklich das Kinn und ließ sich noch ein wenig in das Wasser, um bis zum Hals im Wasser zu sein. Seine Schultern dankten ihm und quittierten die Geste mit Entspannung und Auflockerung! "Nicht, dass ich Claudius Menecrates in seinen Motiven etwas unterstellen möchte", stelle der Aurelier zunächst klar, "Die Fragen, die ich stelle, tauchen überhaupt erst wegen der Hintergründe auf. Sein Neffe hat es neulich nicht in unsere Sodalität geschafft, deshalb vermutete ich einen gewissen Zusammenhang. Denkst du, ich hätte etwas zu verlieren, wenn darauf eingehe?"

  • Auch Macer ließ sich mit der Antwort etwas Zeit, obwohl ihm die Antwort letztlich nicht allzu schwer erschien. "Zu verlieren? Wohl kaum", sagte er dann. "Solange du ihm nur solche Informationen zukommen lässt, die ohnehin jeder weiß, der sich dafür interessiert, wird dir kein Nachteil entstehen. Wie auch immer es im die übrigen Kontakte des Claudiers nach Rom bestellt sein mag, er ist in jedem Fall ein Mann aus besten Kreisen und zweifellos keine Person, deren Kontakt man zur Schonung des eigenen Ansehens meiden sollte."

  • Avianus nickte, denn sein Patron hatte zweifellos recht. Er würde dem Claudier bald antworten, doch er dachte immer noch darüber nach, ob es wohl tatsächlich so war, dass Menecrates ihrer Beziehung zueinander mehr Wert bemaß als er.
    Er ließ einige Momente verstreichen, der Flavier war nicht besonders gesprächig. Da sie nun eh schon hier waren, konnten sie gleich über die Götter und die Welt reden. "Wie sieht es aus, Macer", fragte er, "Wie ist es um deine Karriere bestellt? Strebst du nach dem Consulat noch etwas an?"

  • Fragen wie die gerade gestellte mochte Macer nicht sonderlich, aber er ließ sich nichts anmerken. Stattdessen ließ er sich erneut etwas Zeit mit der Antwort. "Es wäre sicher falsch zu behaupten, ich hätte nun keine Ziele mehr. Es gibt immer Dinge, die man antreben kann. Aber konkrete Pläne habe ich keine. Seit geraumer Zeit trage ich den Gedanken in mir, mich stärker der kultischen Dingen zu widmen, sicher auch etwas anspornt durch Flavius Piso, der ja auch zu meinen Klienten gehört. Aber auch da ist noch nichts spruchreif. Erstmal stehen ein paar Umbauarbeiten an der Casa an und um die Factio kann ich mich auch mehr kümmern als ich es zuletzt getan habe."

  • Flaccus Zurückhaltung in der Unterhaltung lag keineswegs daran, dass er nicht sonderlich gesprächig wäre, ganz im Gegenteil brannte ihn bereits eine Sache regelrecht auf der Zunge, die er unbedingt loswerden wollte, doch hätte er es als überaus unhöflich erachtet, das Gespräch der beiden Senatoren einfach zu unterbrechen. Nun sah er jedoch seine Chance gekommen, und Macer ebnete seinen Worten gleichsam selbst die Bahn. "Wenn wir schon von der Factio sprechen...", schaltete der junge Flavier sich nun auch ins Gespräch ein, an Macer gewandt, "Ich müsste mit dir ein paar Dinge in Bezug auf das Rennen im Hain der Dea Dia am vierten Tag vor den Iunikalenden besprechen. Dürfen wir mit einer Teilnahme der Russata rechnen? Für das Rennen der quadrigae wären zwei Gespanne pro teilnehmender Factio geplant..."

  • Macer blickte den Flavier überrascht und erfreut an, denn von diesem Rennen hatte er bisher nichts gehört. Was möglicherweise ein Zeichen dafür war, dass er sich wirklich wieder mehr um die Factio kümmern sollte. "Selbstverständlich! Wenn wir eingeladen werden, werden wir sicher auch teilnehmen. Am vierten Tag vor den Kalenden des Iuni, sagst du? Ich werde es mir versuchen zu merken. Lass uns aber in jedem Fall bitte eine Einladung zukommen." Aber vielleicht waren andere Mitglieder der Factio auch schon besser informiert gewesen und die Fahrer längst bei den Vorbereitungen. Wobei sie ja ohnehin häufig trainierten und kaum eine besonderen Vorbereitung bedurften.

  • Die Überraschung im Antlitz des Purgitiers, die Flaccus als eine erfreute deutete, schien zu zeigen, dass jener tatsächlich noch nichts von den anstehenden kultischen Rennen vernommen hatte. "Die offizielle Einladung an die Factio wird noch heute aufgesetzt werden.", beeilte sich der junge Flavier also zu versichern. "Aber es freut mich, dass ich schon jetzt prinzipiell mit einer Teilnahme der Roten rechnen kann. Zweifellos werden es großartige Rennen werden, genauso, wie Piso sie bei seinem Amtsantritt als Magister versprochen hat." Die Ehre, die der Familie durch das Magisterium seines Onkels zuteil wurde, erfüllte auch Flaccus mit einem gewissen Maß an Stolz, war doch ihm die durchaus nicht unbedeutende Auftrage übertragen worden, für die Organisation der Rennen Sorge zu tragen.

  • "Ah, die Rennen finden anlässlich des Amtsantritts von Flavius Piso als Magister statt?" fragte Macer noch einmal überflüssigerweise nach. "Umso mehr wird es mir natürlich eine Freude sein, wenn unsere Factio ihm dabei hilft, sein Versprechen wahr zu machen", bekräftigte er noch einmal sein Angebot, dass die Factio Russata dabei sein würde. "Werden alle Factiones eingeladen werden?" erkundigte er sich dann weiter. Etwas Hintergrundinformationen konnten schließlich nicht schaden, wenn man das Rennen vorbereiten wollte.

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