Ein Nachmittag in den Thermen

  • "Die Rennen finden anlässlich der Feierlichkeiten zum Fest der Dea Dia im Arvalenhain statt, so wie jedes Jahr.", erklärte Flaccus und unterdrückte kunstvoll einen verwunderten Unterton in seiner Stimme. "Ich habe bereits mit den meisten Factiones Kontakt aufgenommen, wobei alle mit Ausnahme der Grünen die Teilnahme bestätigt haben.", fuhr er in geschäftsmäßigem Ton fort. Die Rennen zu organisieren hatte sich als ein umfangreicheres Unterfangen herausgestellt, als er zunächst angenommen hatte.

  • Wenn das Rennen offenbar jedes Jahr stattfand, wusste Macer nicht ganz, was der Amtsantritt von Flavius Piso als Magister dann damit zu tun hatte, aber er verzichtete auf eine Nachfrage. "Das wundert mich nicht", fuhr er stattdessen fort. "Von den Grünen war zuletzt wirklich sehr wenig zu hören. Aber auch von der Albata und der Purpurea hörte ich zuletzt weniger. Aber wenn beide schon eine Teilnahme bestätigt haben, dann scheint sich das ja wohl bald zu ändern. Ich bin gespannt, welche Fahrer sie aufbieten und in welcher Form sie sind."

  • Avianus grinste. "Ich wollte auch niemandem Ziellosigkeit unterstellen. Es war nur Neugierde", sagte er gelassen, als sich anschließend der Flavier zu Wort meldete und ein Thema ansprach, bei dem Avianus nicht wirklich etwas zu melden hatte. Denn er war nicht versiert mit den Rennen und ihrer Factiones, verfolgte dies, wenn dann nur am Rande mit. Wahrscheinlich würde Ursus jetzt aufblühen. Doch er schwieg nun, so wie es auch besser war, wenn man nicht wirklich Bescheid wusste.

  • "... ja, es versprechen auf jeden Fall sehr spannende Rennen zu werden.", meinte auch Flaccus auf die Spannung des Purgitiers bezüglich des Aufgebots an Fahrern der Purpurea und Albata. Dann allerdings begann er sich langsam aufzurichten. "Ich danke dir nochmals für deine vorläufige Zusage und werde das offizielle Schreiben an die Factio noch heute aufsetzen lassen.", schloss er das Gespräch nun ab, hatte doch ein etwas abseits stehender Sklave mit einem unscheinbaren Zeichen dem Flavier signalisiert, dass die Zeit zum nächsten Termin bereits knapp wurde. "Meine Herren, ich denke, ich werde mich zum frigidarium aufmachen. Aurelius. Purgitius. Valete bene!" Dem Becken entsteigend nickte er den beiden Senatoren höflich zu, um den Thermenbesuch anschließend zügig zu Ende zu bringen.

  • Macer blieb dagegen noch etwas sitzen, denn wenn er schon Zeit hatte, den Nachmittag ungezwungen in den Thermen zu verbringen, dann wollte er das auch auskosten. "Vale, Flavius", verabschiedete er daher den Flavier, als dieser sich auf den Weg ins Frigidarium begab. Dann wandte er sich wieder an Aurelius Avianus, der während des Gesprächs über Wagenrennen eher still gewesen war. "Wagenrennen sind nicht so sehr dein Thema?" fragte er.

  • "Vale bene", warf er dem Flavier noch hinterher, als dieser aus dem Becken stieg und die beiden Senatoren verließ. Dabei machte sich Avianus den ein oder anderen Gedanken... der Flavier würde mit Sicherheit zu etwas kommen, wenn er dabei blieb und die richtigen Leute kennenlernte.
    Dann stellte sein Patron ihm eine unangenehme Frage. Ja, irgendwie hatten es die unangenehmen Fragen so an sich, dass sie immer an die Person gestellt wurden, die hoffte, dass sie nicht aufkommen würde. "Nicht wirklich", schüttelte er bedauernd den Kopf, "Ich bin eher für Gladiatorenspiele zu begeistern."

  • Macer hatte keineswegs vorgehabt, eine unangenehme Frage zu stellen, sondern einfach nur das Gespräch in Gang zu bringen. Er war in dieser Angelegenheit keineswegs fanatisch oder missionarisch veranlagt, auch wenn er eine eindeutige persönliche Präferenz hatte. "Bei mir ist es genau andersherum", plauderte er daher auch weiter. "Gladiatorenspiele sind sicher ganz nett und gute Kämpfe zweifellos immer sehenswert, aber so richtig begeistern kann ich mich dafür nicht. Ich könnte dir jetzt spontan keine großen Stars unter den Gladiatoren nennen." Bei Wagenlenkern sah es da anders aus.

  • Am Ende war es wohl doch nicht so unangenehm, wie es schien. So wie Avianus kein Rennbegeisterter war, so konnte Macer wohl den Gladiatorenkämpfen nichts abgewinnen. So unterschieden sich ihre Interessen einfach nur. "Stars wechseln auch ständig", sagte Avianus, "Entweder, sie sterben oder sie überleben tatsächlich lange genug, um irgendwann mit dem Kämpfen aufzuhören. Es ist ein ziemliches Wechselspiel. Gewiss ist es bei den Rennen auch so."

  • "Nun, zumindest das Sterben ist bei den Wagenrennen schon eher die Ausnahme", schmunzelte Macer. Zwar wusste er, dass es auch bei den Gladiatorenkämpfen kängst nicht die Regel war, zumindest bei den Profis, da die einfach zu teuer waren, um sie ständig sterben zu lassen, aber trotzdem kam es eben häufiger vor als beim Wagenrennen. Da waren es nämlich immer nur die Unfälle, die für Tote sorgten. "Aber ansonsten hast du natürlich Recht, dass auch bei den Wagenrennen die Stars wechseln. Jeder Fahrer hat irgendwann seine beste Zeit überschritten und macht Platz für jüngere. Wobei es bei den Rennen ja immer zwei Teile gibt, den Fahrer und das Gespann. Der eine Teil ist ohne den anderen meistens nur die Hälfte Wert."

  • Wie es aussah, waren Wagenrennen eine weitaus weniger blutige Sportart als die Gladiatorenspiele. Letztere immerhin boten den Zuschauern genau das, weshalb die meisten auch hingingen, gute Kämpfe und menschliches, sowie tierisches Blut. Ja, der gemeine Pöbel lechzte nunmal nach Blut - bei den Anfängern und "Entbehrlichen" war dies sogar öfter der Fall. Die Profis waren zu teuer und zu beliebt, um einfach zu sterben.
    "Nur dass der Fahrer mit Sicherheit länger mitmacht als sein Gespann. Pferde altern nunmal schnell. Ich kann es mir durchaus vorstellen, dass auch der beste Fahrer bei alten, blinden Gäulen nichts mehr tun kann. Ein Gladiator braucht nur seine Waffen, etwas Geschick und den Wohlwollen der Götter und schon wird er der Aufsteiger schlechthin."

  • "Da hast du wohl recht, das die Pferde betrifft", stimmte Macer zu. Nicht immer war es nur das Alter, das den Pferden zusetzte, sondern auch Verletzungen beim Rennen. Völlig ungefährlich waren diese schließlich auch nicht. Wobei gerade erfahrene Leitpferde viel Wert waren und zuweilen auch noch laufen durften, wenn sie nicht mehr topfit waren. "Wobei ich nicht weiß, wie lange so ein Gladiatoren üblicherweise mithalten kann. Eine kleine, ungünstige Verletzung reicht ja schon, um ihn alt aussehen zu lassen, auch noch in jungen Jahren. Da sind Fahrer weniger anfällig. Außerdem lässt sich ein Gespann vielleicht einfacher trainieren als ein Gladiator." Aber dafür kannte sich Macer eben nicht gut genug mit Gladiatoren aus, um das wirklich beurteilen zu können. Er wusste nur, wie lange es brauchte, bis aus einem Rekruten ein guter Soldat wurde und das konnte schonmal länger dauern.

  • Da hatte Macer wohl oder übel auch recht. Selbst junge Gladiatoren konnte es bei den gefährlichen Kämpfen übel erwischen und wenn ihnen ihr Leben bleib, waren sie oftmals dauerhaft verletzt. Wer dauerhaft verletzt war, kämpfte nicht mehr so glanzvoll und konnte sich schwerer die Gunst der großen Menge in der Arena sichern. "Das würde ich so nicht sagen... zumindest stelle ich mir das nicht trivial vor, einen Wagen zu lenken", wandte Avianus ein, "Vielleicht mag es einfach sein, herumzufahren, doch muss ein Wagenlenker nicht lernen, wie er sich zu verhalten hat, wie er ideal lenkt und wie sich sein Wagen verhält oder wie er seine Gegenstreiter überlistet? Unterscheidet das einen erfolgreichen Fahrer nicht von allen anderen, die das, was sie haben, nicht einsetzen können? Kann ein erfolgreicher Fahrer nicht irgendwann vom Wagen fallen und sich lähmen?" Er hatte ja keine Ahnung von Rennen, aber seine Behauptung schien ihm nur allzu logisch.

  • "Natürlich kann ein Fahrer vom Wagen stürzen und sich verletzen. Hin und wieder kommt das vor", bestätigte Macer die Vermutung des Aureliers. "Aber ansonsten ist es eben immer ein Zusammenspiel von Fahrer und Gespann. Mit einem mäßigen Gespann lernt ein junger Fahrer sehr schnell, aber mit einem gut eingespielten Gespann kann er auch schon frühe Erfolge feiern. Umgekehrt kann ein erfahrener Fahrer auch mit einem weniger gut vorbereiteten Gespann durchaus Erfolg haben, eben indem er seine Erfahrung nutzt. Und ein alter Fahrer, der nicht mehr für ein Rennen taugt, kann trotzdem noch ein Gespann einfahren, um wiederum einem jungen Fahrer den Einstieg zu erleichtern", zählte er dann verschiedene Kombinationen auf. "Ein Gladiator ist dagegen immer auf sich selbst angewiesen, oder nicht?"

  • Das waren nun viele verschiedene Kombinationen, die Avianus nicht erahnt hätte. Aber es war durchaus interessant - Rennen boten möglicherweise viel mehr Möglichkeiten, als er selbst erahnt hätte. So ganz uninteressant schien das also nicht!
    "Manchmal schon, aber nicht zwingend", erklärte Avianus, "Ältere Gladiatoren geben ihr Wissen auch gerne weiter und bereiten die Anfänger vor. Aber im Kampf muss schließlich jeder seine eigenen Erfahrungen machen. Dort hat man den Lehrer nicht mehr."

  • Die Antwort bestätigte, was bisher Macers Eindruck gewesen war. Auch wenn es ihn letztlich nicht gestört hätte, korrigiert zu werden, so freute es ihn dennoch, dass er trotz eher geringem Interesse doch einige richtige Eindrücke vom Leben der Gladiatoren zu haben schien. "Gelegentlich heuern ehemalige Gladiatoren auch als Schwertkampflehrer bei den Legionen an", ergänzte er aus seinem Erfahrungsschatz, auch wenn das mit dem bisherigen Thema des Gesprächs nicht mehr ganz so viel zu tun hatte. Zumal es für ehemalige Wagenlenker keine sinnvolle Verwendung bei der Armee gab.


    Er schwieg eine Weile und bewegte seine Arme langsam durch das Wasser. "Wann gibt es die nächsten großen Gladiatorenkämpfe in Rom?" fragte er dann.

  • Avianus nickte bedächtig. Ja, die Legion war aus militärischer Sicht ein reines Erfolgskonzept und der Neid anderer Völker. Er hätte sich denken können, dass man langfährige, erfahrene Kämpfer brauchte, um diesen Standard zu halten. "Ob es wohl an die Qualität richtiger Ausbilder heranreicht? Was meinst du, Patronus? Kann ein ehemaliger Gladiator einem Offizier das Wasser reichen? Ich meine, von der Kampfkraft her. Unsere Centuriones können etwas mehr, nämlich Disziplin vermitteln. Diese hat uns gebracht, wo wir heute sind." Interessiert sah er den Purgitier an. Der Mann hatte Erfahrung im Militär und würde sich mit der Frage des Aureliers wohl nicht schwer tun!


    "Und die nächsten großen Kämpfe", echote er, "Ich denke mal, das werden meine Spiele sein!*"



    Sim-Off:

    Ich gehe mal von einer Zeitebene vor den Spielen aus. ;)

  • "Natürlich kann ein erfahrener Centurio insgesamt deutlich mehr an einen Rekruten vermitteln, als dies ein Gladiator kann", antwortete Macer völlig überzeugt. "Disziplin im Allgemeinen, das Kämpfen vom Verband, das Reagieren auf Befehle, das Ausblenden des Schlachtgetümmels. Das kann ein Gladiator natürlich alles nicht von sich aus. Dafür ist er eben ein perfekter Kämpfer mit dem Schwert. Er weiß wie man sticht, wie man pariert, wie man ausweicht. Im Kampf in der Arena gibt es noch weniger Pausen als im Kampf in der Linie, so dass er auch viel zu Kraft und Ausdauer beibringen kann. Und außerdem wird mancher Gladiator mehr Kämpfe gefochten haben als ein Centurio."

  • "Dann ist wohl ein Gladiator, der den Schwertkampf lehrt und ein Centurio, der Disziplin beibringt die perfekte Kombination für einen Rekruten", schlussfolgerte Avianus und betrachtete kurz seine Hand. Seine Finger waren vom langen Baden schon verschrubbelt und durchzogen von kleinen Fältchen.
    "Patronus, sofern du mir nichts mehr sagen möchtest, denke ich, ist es Zeit, mich zu verabschieden", erhob sich Avianus.

  • Das angenehme Gespräch endete etwas abrupt, fand Macer und verabschiedete sich von seinem Klienten. "Dann wünsche ich dir noch einen angenehmen Tag, Avianus", verabschiedete er sich und nutzte selber die Gelegenheit, ebenfalls das Becken zu verlassen und in den nächsten Saal der Therme zu wechseln, um seinen eigenen Badegang ebenfalls nicht ins unendliche auszudehnen.

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