[tirocinium] Titus Iunius Priscus

  • Missmutig rückten die Männer noch etwas enger zusammen und bildeten ein fast gleichschenkliges Dreieck ohne Beulen. Doch kaum standen sie einigermaßen in Formation, als der Schrei des centurio über den campus gellte.
    Sofort herrschte wieder leichtes Chaos, keiner wusste recht, von welcher Seite der Angriff kommen sollte. Schließlich drängten die Männer an den Seiten nach vorne und verbreiterten die Formation, richteten die Linien aus und hielten ihre scuta über die vorderste Reihe. "Pilen nach vorne", ging der Ruf nach hinten und das längliche Tier, das sich bildete, hatte mit einem Mal Stacheln, die nach vorne Richtung centurio ragten

  • Die tirones reagierten. Nicht schnell, aber sie reagierten, was immerhin etwas war. Er hatte schon Gruppen erlebt, die sich in diesem fortgeschrittenen Stadium noch einige Wochen unter Gerste setzten. Dass sie die pila gegen ihn richteten, naja, das war in der Situation eben so. Kein Grund sich aufzuregen.


    "Immerhin das habt ihr das erkannt. Ein Keil mit eingelegten pila macht nicht besonders viel Sinn. Aber beim nächsten Mal will ich das ganze gefälligst schneller sehen. Die Reiter werden kaum warten, bis ihr zum Empfang bereit seit."


    "Testudo!"


    der Befehl kam so übergangslos, dass es gleichsam ein Blitz Iuppiters hätte sein können, mitten in einer stürmischen Nacht.


    Die Wechsel zwischen den Formationen wurden immer schneller, nur unterbrochen von den Anschissen des centurios, wenn etwas nicht so schnell lief, wie er es gerne hätte.

  • Langsam kamen die Männer besser zurecht, sie hatten kapiert, dass sie die ganzen Formationen beherrschen mussten, selbst wenn sie gerade nicht auf einen Angriff vorbereitet waren. Das machte die Überlegenheit des römischen Soldaten aus, der nicht nur gut ausgerüstet sondern vor allem diszipliniert und flexibel kämpfen konnte, unter so gut wie allen Bedingungen.


    Und weiter ging es, die zweite Reihe hob ihre Schilde noch etwas an, damit die erste Reihe aufstehen konnte, dann rückten die Seiten in die Mitte und bildeten das Schilddach der Testudo. Diesmal fand sich Priscus eingezwängt in der Mitte wieder, umgeben von Leibern die nach Schweiß, Leder und Wolle rochen.


    Mehrfach wurden die Formationen gewechselt, so schnell, dass die Männer nicht mehr nachdachten sondern nur noch auf die Stimme des centurio hörten und entsprechend reagierten. Nur vereinzelt gab es Ausreißer der Männer.

  • Nach ungezählt vielen Wechseln war der Tag irgendwann zu ende.


    Wie üblich schickte der Trebellier seine tirones noch mal um den Platz.
    "Das ganze zwei Runden um den Platz, anschließend hier antreten!"


    Als die Soldaten wieder angetreten waren, baute er sich feierlich auf und donnerte:
    "Meine Herren! Hiermit habt ihr es geschafft. Ihr habt die Grundausbildung überstanden und gar nicht mal schlecht!"
    Zum ersten Mal erschien sowas wie Stolz auf das Gesicht des centurios zu treten.
    "Die offizielle Ernennung folgt in den nächsten Tagen in offizieller Zeremonie, bis dahin habt ihr dienstfrei! Aber wehe ihr erscheint dann nicht in tiptop Uniform, verstanden?!"



    "Das ganze: Wegtreten!"
    brüllte er ein letztes Mal.

  • Nach den ganzen Wochen waren die Laufrunden schon fast so etwas wie eine Selbstverständlichkeit, es machte den tirones immer weniger Mühe. Alle liefen in einem Haufen, die Soldatenschuhe machten gleichmäßige Geräusche auf dem campus. Tief atmend stellten sie sich wieder in Formation.


    Fast ungläubig hörten sie die Worte des centurio, der ihnen sagte, dass sie ihr tirocinium nun bestanden hätten. Verdutzt sahen sich die Männer an, dann wanderten alle Blicke zurück zum Trebellier. Der Schinder schien zufrieden zu sein, hatte er doch aus einem Haufen hraeculi, homunculi und furciferi eine Einheit gemacht, die nun zumindest den Rohschliff erhalten hatte. Alles weitere würde in den kommenden Wochen noch vor ihnen liegen.
    Beim Befehl zum Wegtreten riefen die tirones wie aus einem Munde "HURRRAAA, HURRRAAA!!!!"


    Gemeinsam marschierten sie zurück ins Lager, Spottlieder singend auf ihren centurio und doch froh, den ersten Teil ihres hoffentlich langen Weges überstanden zu haben.

  • Mit bitter zusammengepressten Lippen hörte er die Spottlieder, aber er konnte nichts dagegen tun. Und wenn so ein verdammter Politiker auf einem Triumpfzug damit klar kam, dann würde doch ein alter Hund von Berufsoffizier, als den er sich selbst sah, erst recht damit klar kommen.
    Also gab es keine Ermahnungen sondern nur einen stummen Blick, bis die tirones im Lager verschwunden waren. Dann wandte er sich ab, nicht Richtung Lager, sondern in Richtung der Stadt. Auch er würde heute feiern. Erstmal mit den Kameraden einen bechern und anschließend weiter mit den Mädels.
    Besonders bei dem Gedanken an letzteres wurde sein Gesicht wieder entspannter...


    ~ finis ~

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