Tiro Faustus Annaeus Milo

  • Irgendwelche Unglücksraben gab es eben immer wieder. Valerian seufzte und schaute sich das Unglück an. Ein Schlag in den Nacken gab es für die Dummheit obendrein. "Wer sagte etwas davon, daß Du das blanke Messer ohne Scheide tragen sollst?", donnerte er ohne großes Mitleid. "Geh zum Valetudinarium und laß das verbinden. Anschließend sehe ich Dich wieder hier, verstanden?" So schlimm sah die Wunde nicht aus, daß der Mann dienstunfähig wäre und vom Laufen konnte er ihn ja befreien.


    Er überprüfte die Versuche der anderen, ihre Waffen zu verbergen, was manche recht gut, andere aber erbärmlich schlecht gemacht hatten. "Das ist gut", lobte er einen und nickte ihm zu. Gerade wollte er einem anderen vorführen, wie er sein Messer unterbringen konnte, als Milo seine Frage stellte. "Das mit dem Messer hast Du gut gelöst", lobte er auch ihn, dann führte er vor, wie man das Gladius unterbrachte und verbarg. "Hier, schau genau zu. Du kannst den Fall der Falten genau ausnutzen. Besonders schnell ziehen ist natürlich kaum möglich. Aber das ist auch eigentlich nicht nötig." Er wandte sich an alle und wies sie an, sich das auch noch einmal anzusehen. "Versucht es!"

  • Der arme Teufel, der das Messer im Fuß hatte, wurde ohne größere Umschweife zum Valetudinarium geschickt. Er humpelte von dannen. Währenddessen schaute sich der Centurio die Versuche der Tirones an, ihre Waffen ordnungsgemäß zu verstauen. Geglückte Versuche bedachte er mit einem Lob, weniger geglückte Versuche wurden getadelt. Was Milo schon jetzt an seinem Ausbilder mochte war die Tatsache, dass er nicht einfach nur wütend wurder, wenn ein Tiro einen Fehler machte, sondern ihm auch gleich zeigte, wie es richtig zu machen war. Das schätzte er sehr an seinem Centurio.
    Milo war froh Lob erhalten zu haben, da er das Messer gut in den Falten der Toga untergebracht hatte. Nachdem der Quintilier ihm gezeigt hatte, wie das Gladius versteckt werden konnte, verschwand auch dies in den Falten der Toga. Nach einigen Versuchen, das Gladius zu ziehen und wieder zu verstecken ging auch dies ganz gut. Und mit ein wenig mehr Übung war es sicherlich auch möglich, das Schwert schneller zu ziehen.

  • Der junge Annaeer zeigte sich geschickt darin, die Waffen ordentlich unterzubringen. Andere taten sich da noch etwas schwerer und brauchten mehr Hilfestellung bei diesem ersten Versuch. Wieder ermahnte Valerian sie dazu, auch außerhalb des Dienstes diese Dinge zu üben. „Der nächste Punkt ist die Rüstung. Ich trage heute ein Kettenhemd. Wer aufmerksam beobachtet, dem wird es auch nicht entgehen. Aus diesem Grund solltet ihr immer überlegen, ob es sinnvoll ist, eines zu tragen. Wollt ihr jemanden beschatten, dann laßt es lieber weg. Gut soweit. Wir machen jetzt mit ein paar Übungen weiter. Das Gladius ist unsere Hauptwaffe, gerade hier in der Stadt. Wer kann mir erklären, um was für eine Waffe es sich beim Gladius handelt? Wie wird damit gekämpft?“

  • Hier und da korrigierte der Quintilier noch den einen oder anderen Tiro bei den Versuchen, richtig die Ausrüstung zu verstauen. Doch bei Milo schien alles in Ordnung zu sein. Zufrieden nahm er dies zur Kenntnis.
    Nachdem diese Übungen zu Ende waren, kam der Centurio in einer kleinen Episode auf ein weiteres Kleidungsstück zu sprechen. Das Kettenhemd war Milo noch gar nicht aufgefallen. Wahrscheinlich war er so damit beschäftigt gewesen, seine Waffen zu verstauen und mit der Toga zu rennen, dass es ihm einfach entgangen war. Trotzdem hörte er sich jetzt Erläuterungen dazu an. Doch ging es fließend weiter zum nächsten Programmpunkt, den Milo nicht genau mitbekam, da er gerade noch mit dem Kettenhemd beschäftigt war und vor sich hinträumte."Das Gladius ist ein Stichschwert, Centurio", schallerte ein Tiro über den Platz. Er stand wohl in den letzten Reihen und musste sich so bemerkbar machen. Milo erschrak ob des Lärms und zuckte unweigerlich zusammen, ein Zeichen dafür, wie abwesend er eigentlich gerade dem Geschehen auf dem Platz war. Obwohl er augenscheinlich die Frage des Centurio nicht mitbekommen hatte, schien es ihm noch wichtig zu ergänzen: "Centurio Quintilius, es dient vornehmlich dazu, seinen Gegner mit gezielten Stichen ins Gesicht oder auf den Oberkörper zu verletzen". Dass er mit dieser Aussage genau die Antwort auf die gestellte Frage gab, wusste er nicht.

  • „So ist es! Es ist eine Stichwaffe! Immer wieder sehe ich Männer damit zuschlagen! Das will ich hier bei euch niemals sehen, sonst lernt ihr mich von meiner ungemütlichen Seite kennen! Und glaubt mir, die habt ihr bis heute noch nicht an mir kennengelernt!“ Er schritt an den Männern vorbei, zupfte hier und da an der Toga, um die verborgene Waffe etwas besser zu verstecken. „Es gibt drei Arten, zuzustechen. Der Stich von rechts, der Stich von oben, der Stich von unten!“ Valerian hatte sein Gladius gezogen und führte die Stiche vor. „Bei den Legionen wird mit dem Scutum gekämpft. Die Stiche gehen rechts am Schild vorbei, von oben über den Schildrand in das Gesicht des Gegners, nach unten auf die Beine. Wir werden das auch noch üben. Denn auch wir kämpfen mit dem Schild, wenn wir es können. Aber wir müssen hier in der Stadt oft genug ohne solchen Schutz auskommen, deshalb werdet ihr die Bewegungsabläufe erst einmal so proben. Dort sind Holzpfähle, sie werden eure Gegner sein. Übungsschwerter liegen schon bereit. Ich möchte sehen, wie ihr ohne Schilde, dafür mit der hinderlichen Toga, zurecht kommt. Morgen wiederholen wir die Übung in voller Rüstung mit den Schilden. Ausführen!“

  • Centurio Quintilius führte vor, wie die Urbaner mit dem Schwert umgehen sollten. Das Scutum würden sie nicht so oft brauchen, dioch war es nicht weniger wichtig auch den Umgang mit diesem zu verinnerlichen. Deshalb hörten die Tirones zu, was ihr Ausbilder zu sagen hatte. Damit es nicht nur Theorie war, wurde das Ganze noch an Übungspfählen trainiert. Nachdem der Centurio seine Ausführungen beendet hatte, wandten sich die Tirones zu den Übungspfählen. Die Bewegungsabläufe nachzuahmen, die ihr Ausbilder vor einigen Augenblicken vorgeführt hatte, erschien Milo nicht schwierig zu sein. Doch die Holzpfähle würden jeden Fehler der Tirones gleich auf diese selbst zurückführen, das wusste Milo und das genau war die Tücke daran. Die Toga war indes eine weitere Herausforderung, denn sie konnte für den Bewegungsablauf hinderlich sein. Milo stand nun vor seinem Holzpfahl und nahm das Übungschwert in die Hand. Er führte den Stich von rechts aus, danach den Stich von oben, wie bei dem ersten Stich ohne Probleme. Schon setzte er an, um den Stich von unten auszuführen, ging dazu ein wenig in die Hocke und verhedderte sich beim Zustechen mit dem Schwert in der Toga, das auch sogleich auf den Boden fiel."So ein Mist aber auch!!!!", murmelte er vor sich hin, nahm das Schwert wieder zur Hand so schnell er konnte und führte nacheinander immer wieder die Stiche aus, bis sie sich eingeprägt hatten. Seine Toga berührte er fortan nicht mehr.

  • „Werft euer Gladius nicht weg!“, schimpfte Valerian, als der erste sein Schwert fallen ließ, nachdem er sich irgendwie verheddert hatte. „Besser eine beschädigte Toga, als eine Klinge zwischen den Rippen! Verliert ihr im Kampf eure Waffe, seid ihr im Nachteil. Sie wiederzuerlangen ist fast unmöglich, dafür ist es sehr wahrscheinlich, daß ihr sterbt. Der nächste, dessen Klinge am Boden landet, putzt zwei Wochen die Latrinen! Ja, meine Freunde! Es ist kein Spaß, die Latrinen zu putzen, ich weiß das wohl. Aber eine verlorene Klinge ist auch kein Spaß!“ Es war ja nicht so, als wäre Milo der einzige gewesen, dem das passiert war.


    Es wurde besser, die jungen Männer fanden sich immer besser mit der Toga zurecht. Trotzdem gab es viele Schwächen. Manche waren arg sparsam mit ihren Bewegungen. Viel Kraft lag nicht mehr darin. „Jeder sucht sich einen Partner. Versucht es gegeneinander. Wer drei Treffer kassiert hat, ist der Verlierer! Kämpft!“ Da sie nichts hatten, womit sie parieren konnten, würde das wohl relativ schnell gehen. Zweck der Übung war auch nur, daß sie sich ein wenig schneller bewegten und dabei merkten, wie sehr die Toga im Weg war, wenn man eigentlich keine Zeit hatte, darauf zu achten.

  • Milo hatte gar nicht bemerkt, dass er nicht der Einzige war, dem das Gladius auf den Boden gefallen war. Doch die Standpauke des Centurios saß. Und Latrinen putzen war für Milo ein Anreiz sich besonders ins Zeug zu legen, denn dazu wollte er es auf keinen Fall kommen lassen. Zugleich ging auch ein Raunen durch die Reihe der Tirones. Das hieß, dass die Bemerkung ihre Schuldigkeit getan hatte. Sicherlich würde niemand mehr so schnell die Klinge auf den Boden fallen lassen. Als nächstes sollten die Tirones Mann gegen Mann kämpfen. Milo rückte seine Toga zurecht, verließ den Holzpfahl und suchte sich einen Gegner. Als er diesen gefunden hatte, stellten sie sich auf und begannen zu kämpfen. Ohne Schild kam es auf Behändigkeit an und die besaß Milo. Doch auch sein Gegenüber machte es ihm nicht leicht. Die Toga war ein Hindernis und beide Kontrahenten steckten Treffer ein, nur weil sie versuchten gleichzeitig auf die Toga und den Gegner zu achten. Milo hatte am Ende knapp die Nase vorn und fügte seinem Gegenüber den dritten Treffer zu.

  • Die Männer gaben sich gleich viel mehr Mühe. Die Drohung des Latrinenputzens wirkte eben doch immer. Valerian erinnerte sich unwillkürlich daran, wie solch eine Strafe für ihn einmal ausgegangen war. Die Narben trug er heute noch auf seinem Rücken, auch wenn sie sehr stark verblaßt waren. Besser, seine Männer erfuhren niemals davon. Er konzentrierte sich wieder auf die Übungen seiner Männer. Sie stellten sich schon gar nicht dumm an. Dafür, daß sie mit dem Gladius noch nicht viel trainiert hatten. Ein Gladius zu Boden fallen sah er tatsächlich nicht mehr. Auch wenn es noch ein paar Verwicklungen mit der einen oder anderen Toga gab. Die Stöße wurden schnell und zielsicher ausgeführt, Ausweichen war schwer und gelang nur selten. Gut so. Sie lernten schnell, worauf es ankam. Valerian klopfte einem der Männer, der gerade knapp gesiegt hatte, auf die Schulter. Es war Annaeus Milo, der ihm schon häufiger positiv aufgefallen war. „Sehr gut, Männer! Die gute Nachricht: die Latrinen bleiben euch erspart! Die schlechte: Alle Verlierer dürfen heute Nachtwache schieben! Schluß für heute! Ihr lauft noch drei Runden um den Platz und tretet morgen wieder in Rüstung, mit Übungsscutum und Übungsgladius an!“ Er befahl ihnen, loszulaufen und überwachte dann noch, ob sie auch wirklich ihre Runden ableisteten.

  • Der Centurio schien den beiden Kontrahenten zugesehen zu haben, denn sobald Milo seinen Gegner besiegt hatte, kam sein Vorgesetzter und klopfte ihm auf die Schulter. Milo war daraufhin sehr stolz, schließlich bekam man für seine Anstrengungen nicht immer eine Belohnung. Milo war froh, dass die Tirones wenigstens heute nicht zum Putzdienst mussten, aber das konnte an einem anderen Tag ihnen natürlich noch blühen. Erleichtert atmete er auf. Ebenso froh war er darüber, dass er heute nicht zum Nachtdienst musste, das war gerade noch einmal gut gegangen, denn er war wirklich knapp davor gewesen, selbst als Verlierer dazustehen. Und außerdem war er erschöpft, da würde ihm ein etwas längerer Schlaf guttun. Drei Runden um den Platz sollten sie noch laufen, dann würde auch ein weiterer Tag der Ausbildung zu Ende sein. Die Tirones setzten sich in Bewegung, um die Runden zu absolvieren, bevor sie den Exerzierplatz in Richtung der Contubernia verließen.


    ************************


    Am nächsten Morgen war Milo wieder zeitig auf den Beinen. Er hatte einen langen ausgiebigen Schlaf genießen können, nachdem er sich zuerst etwas zu Essen gemacht hatte. Seine Zimmergenossen schliefen noch tief und fest. Nach dem Aufwachen ging er zu der Wasserschüssel, spritzte sich etwas frisches Wasser ins Gesicht und machte sich daran die Rüstung anzulegen. Nach dem gestrigen Anlegen der Toga ging das Anlegen der Rüstung besser von der Hand. Als er nach kurzer Zeit in voller Montur war, nahm er noch das Übungsscutum und das Übungsgladius zur Hand und machte sich auf den Weg zum Exerzierplatz. Beim Verlassen des Contuberniums sah er, dass langsam seine Zimmergenossen wach wurden. Wenn sie sich ncht beeilten, kamen sie zu spät. Als Milo sich nun auf dem Exerzierplatz einfand, war er einer der ersten. Ein paar Tirones waren erst anwesend. War vielleicht während der Nachtwache irgendein besonderer Vorfall gemeldet worden, oder warum waren nur so wenige Auszubildenden um diese Uhrzeit da? Oder war es einfach nur die Anstrengung? Bald würde er es hören und so gesellte er sich zu einigen Tirones, die sich zusammengefunden hatten, um auf den Centurio zu warten.

  • Als Valerian am nächsten Morgen den Platz betrat, rannten die letzten seiner Ausbildungsgruppe schnell zu ihren Kameraden, um Aufstellung zu nehmen. So gerade noch rechtzeitig. Valerians Blick war finster, als er herankam. „Salvete, Schlafmützen! Das ist hier kein gemütlicher Veteranenverein, sondern die Grundausbildung! Du, Du und Du“, er deutete auf die letzten drei, die dazu gestoßen waren, „Latrinendienst für drei Tage. Das wird euch helfen, demnächst pünktlicher zu sein.“

    Er schritt die Reihe der jungen Männer ab wie jeden Morgen und kontrollierte die Ausrüstung. Es war wie immer. Einer hatte seine Waffen nicht ordentlich gepflegt, ein anderer hätte einen Lederriemen, der angerissen war, längst austauschen müssen, einem fehlte gar das Halstuch. Nach ein paar geharnischten Verweisen und kleineren Strafen, wandte sich der Centurio dann dem Tagesprogramm zu. „Wir werden uns heute mit Gladius und Scutum befassen. Gestern gab es schon einen Vorgeschmack und heute geht es richtig zur Sache. Die Stiche mit dem Gladius sind die gleichen wie gestern geübt. Nur daß sie nun am Scutum vorbei gehen müssen. Zugleich müßt ihr eure Deckung beachten. Ihr werdet feststellen, daß das Übungsscutum schwerer ist, als das normale. Das ist Absicht! Es stärkt eure Arme und wird euch den Marsch und den Kampf mit dem normalen Scutum sehr erleichtern, auch wenn es euch jetzt als Schinderei vorkommen mag! Wir beginnen mit unseren Übungen wieder an den Pfählen, um die Bewegungsabläufe zu trainieren. Vergeßt das Scutum nicht! Es ist sowohl eure Deckung als auch eine Waffe!“ Er nahm selbst Scutum und Gladius zur Hand, um vorzuführen, wie sie üben sollten. Dann ließ er sie es selbst versuchen.

  • Kurze Zeit nachdem Milo den Exerzierplatz betreten hatte kam auch der Centurio. Der Platz füllte sich langsam. Doch ein paar Nachzügler bekamen von dem Quintilier gleich Latrinendienst aufgebrummt. Insgeheim war Milo erleichtert, für die nächsten Tage war er von diesem schmutzigen Geschäft befreit, wenn nicht doch noch etwas Unvorhergesehenes passierte. Aber die Laune des Centurio schien heute nicht die beste zu sein, zumindest fand Milo dies. Aber er konnte sich natürlich auch irren.
    Nachdem die drei Schlafmützen bestraft worden waren, ging der Quintilier die Reihen ab und korrigierte einige Kleinigkeiten, die er ebenfalls nicht straflos durchgehen ließ. Dann ging es weiter im Ausbildungsrythmus. Nach der Erläuterung und den Vorführungen wandten sich alle Tirones den Pfählen zu. Milo nahm das Scutum richtig in die Hand, zog sein Gladius und führte die Stiche immer und immer wieder um das Scutum herum aus und auf den Pfahl, dabei simulierte er auch immer wieder die Deckung. Es war schon eine Plackerei, doch er ließ sich davon nicht beeindrucken. Über den Platz hallten die Schläge der Gladii gegen die Holzpfähle. *klock, klock, klock*.

  • Am Anfang sah alles sehr gut aus. Die Männer hatten die Bewegungsabläufe ja schon geübt, sie wußten, was sie zu tun hatten. Doch nach einiger Zeit begannen die ersten Arme lahm zu werden. „Scutum höher!“ Das war der häufigste Befehl, den Valerian gab, während er die Reihe abschritt. Er ließ sein vitis auf die Körperstellen der Männer knallen, die mal für einen Augenblick ungeschützt waren und vom Gegner hätten getroffen werden können. Eine Weile ließ er sie so weitermachen, dann gab er den Befehl, aufzuhören. „Verdammt schwer, so ein Scutum, wenn man es lange hochhalten muß, nicht wahr? Genau deswegen werdet ihr hier geschunden! Um es länger auszuhalten, als der Gegner! Und so zu siegen! Paarweise gegeneinander antreten! Wir machen es wie gestern: Wer drei mal getroffen wird, ist der Verlierer! Kämpft!“

  • Der Centurio schaute sich die einzelnen Bewegungsabläufe an. Milos Arm wurde mit der Zeit schwer, das Scutum hatte doch mehr Gewicht, als Milo vorher meinte. Zu allem Überfluss fing der Quintilier nun an, mit seinem vitis die Körperstellen der Tirones zu bearbeiten, die wegen dem Gewicht des Scutum mit der Zeit ungedeckt waren. Milo hörte den vitis auf die Körperstellen knallen, und als der Centurio bei ihm angelangt war, erlitt er das gleiche Schicksal wie seine Kameraden. Mit schmerzverzerrtem Gesicht machte er weiter mit seiner Übung, bis der Quintilier Einhalt gebot. Und welche Schinderei das ist, merkte Milo in Gedanken an und fasste sich an die Stelle, an der er Bekanntschaft mit dem vitis gemacht hatte. Noch immer verspürte er Schmerzen, während er sich nun zum Zweikampf bereit machte. Schnell gesellte sich ein Gegner zu ihm, es war nicht derselbe wie gestern. Der Kampf dauerte etwas länger, die Schinderei wurde mit dem Gladius in der einen und dem Scutum in der anderen immer anstrengender. Schließlich gab es einige Treffer von beiden Seiten, nachdem eine Zeitlang niemand einen Treffer landen konnte. Milos Arm wurde immer schwerer, doch er wollte nicht nachlassen, darüber hinaus musste der Centurio ihn unglücklich mit seinem Stock getroffen haben, denn der Schmerz war immer noch zu spüren. Am Ende seiner Kräfte angelangt stach der Annaer mit seinem Gladius in Richtung Gegner...und traf nur das Scutum. Dabei vernachlässigte er die Deckung etwas, was sein Gegner gleich ausnutzte und ihm den dritten Treffer zufügte. Einerseits war Milo verärgert, dass er nicht gewonnen hatte, andererseits auch froh, dass diese Schinderei wenigstens für einen kurzen Moment vorbei war.

  • Ja, das schmeckte den Jungs gar nicht, daß sie schmerzhaft auf die Lücken in ihrer Verteidigung aufmerksam gemacht wurden. Doch lieber eine kräftige Prellung, als das Leben verlieren. Schweiß floß an jedem Tag, doch an diesem in besonderem Maße. Das war gut so, sie sollten jeden einzelnen ihrer Knochen spüren. Die Zweikämpfe verliefen größtenteils brauchbar. Diejenigen, die zuerst endeten, wurden mit neuer Paarung in einen weiteren Zweikampf geschickt. Bei den anderen reichte schon der eine Kampf, um ihre Kräfte an die Grenze zu bringen, so lange dauerte er. Am Ende gab es wieder Gewinner und Verlierer. „Die Verlierer sind heute dafür zuständig, hier aufzuräumen. Gut. Wir werden mit dem Gladius nun jeden Tag eine Stunde üben. Jetzt möchte ich von euch hören, was der Unterschied zwischen einem Pilum und einer Hasta ist.“

  • Milo war erleichtert, dass der Zweikampf beendet war, er atmete tief durch, doch sogleich kam der Ärger über seine Niederlage wieder durch. Na wunderbar, Extraschicht, dachte er bei sich, doch insgeheim war er froh, dass er nicht Latrinen putzen musste, da war Aufräumen noch das kleinere Übel. Dann ging es wieder an die Theorie. Der Centurio wollte den Untersched zwischen Pilum und Hasta wissen. Beides war Milo ein Begriff, weshalb dies für ihn ein Leichtes war."Centurio Quintilius, ein Pilum ist ein Wurfspeer. Im Unterschied dazu wird eine Hasta als Stichwaffe benutzt.", rief der Annaer über den Exerzierplatz, damit ihn auch jeder verstehen konnte. Ob dem Centurio dies zunächst als Erklärung genügte, würden die Tirones erfahren.

  • „Das ist richtig, Annaeus. Das Pilum ist ein Wurfspeer, der bei den Legionen Einsatz findet. Die Spitze ist sehr lang und aus weichem Metall gefertigt. Warum ist das der Fall? Weiß das jemand von euch?“ Er schaute seine Tirones der Reihe nach prüfend an. Schon um zu sehen, wer wegschaute, um der direkten Ansprache zu entgehen.

  • Centurio Quintilius musterte die Tirones genau, das entging Milo keineswegs. Einige seiner Kameraden schauten weg, anscheinend waren sie sich nicht sicher, warum die Spitze lang und aus Metall war. Milo schaute nicht weg, sondern fixierte seinen Vorgesetzten nahezu, obwohl er doch einen Moment über die Antwort nachdenken musste. Er war sich sicher, die richtige Antwort schon einmal irgendwo aufgeschnappt zu haben. "Die Klinge sollte sich beim Auftreffen auf ein Hindernis, verbiegen, Centurio", antwortete der Annaer nun, "somit ist gewährleistet, dass die Spitze nach Auftreffen auf z.B. ein Scutum nicht mehr aus diesem entfernt werden kann und den Feind somit in seiner Bewegungsfähigkeit einengt und für den Feind auch bein Herausziehen aus seinem Schild unbrauchbar ist", ergänzte der Tiro nun noch.

  • Annaeus wieder einmal. Sehr gut. Der Junge machte sich. Ein paar der anderen sahen so aus, als hätten sie es ebenfalls gewußt. Selbst schuld, wenn sie den Mund nicht aufbekamen. Andere wieder sahen völlig ratlos aus. Die würden niemals mehr sein als einfache Soldaten. Naja, die mußte es ja auch geben. „Genau so ist es. Hier in der Stadt kommt das Pilum nicht zum Einsatz, deshalb werden wir seinen Gebrauch heute nur einmal kurz üben. Es könnte immerhin sein, daß es euch einmal zu den Legionen verschlägt, dann solltet ihr zumindest mal eines in der Hand gehabt haben. Danach werden wir uns der Hasta widmen. Dies hier ist ein Übungspilum. Bei dem wird die Spitze sich nicht verbieten, wir wollen hier keine Materialschlacht veranstalten. Für gewöhnlich kommt diese Waffe aus der Formation heraus zum Einsatz. Dabei werden die Pilae der weiter hinten stehenden Männer nach vorne zur ersten Reihe durchgereicht, die dann in der Lage ist, in relativ schneller Abfolge zu werfen. Wir machen das heute nicht, denn ihr sollt alle zwei Mal werfen. Die Übungswaffen liegen dort bereit.“ Er deutete auf den Rand des Platzes. Er selbst nahm sich auch ein Pilum. Er erinnerte sich noch gut, daß das am Anfang seine schlechteste Waffe gewesen war. Was hatte er trainieren müssen, um endlich vernünftige Ergebnisse zu erzielen! Hoffentlich blamierte er sich heute nicht. „Für einen guten Wurf bedarf es ein wenig Anlauf. Nur ein paar Schritte.“ Auch ein Übungsscutum hatte er in der Hand. Wenn schon, dann sollte es richtig vorgeführt werden. „Achtet darauf, das Pilum von vornherein gut ausgewogen in der Hand zu haben. Ein wenig Anlauf und …. Wurf.“ Es gelang, den Göttern sei Dank! Das Pilum flog in einem schönen Bogen eine anständige Strecke weit und bohrte sich kraftvoll in den Boden. Gut, er hatte auch schon bessere Würfe gemacht. Aber immerhin keine Blamage! „Vergeßt euer Scutum dabei nicht! Jeder nimmt sich zwei Pilae, ihr stellt euch in Reihen von je vier Mann auf und werft zugleich.“ Er gab jeweils den Befehl zum Abwurf und behielt die Männer dabei genau im Blick.

  • Nun war also eine Übung mit dem Pilum an der Reihe. Milo war froh, dass der Centurio immer noch eine Einführung zu den jeweiligen Übungen und Übungswaffen gab, und sie nicht einfach ins kalte Wasser schmiss. Nebenbei erfuhren die Tirones so immer noch etwas aus dem Alltag eines Soldaten. Irgendwann würden sie dies sicherlich am eigenen Leib erfahren, doch schon jetzt war Milo für die Ausführungen dankbar. Sie erleichterten ihm ungemein, ein Gefühl für sein Soldatendasein zu bekommen. Wie immer hörte er aufmerksam zu. Danach suchte er mit seinen Blicken dem Arm des Quintiliers zu folgen, der auf die Übungswaffen deutete. Der Centurio nahm sich selbst ein Übungspilum, machte die Wurfbewegung vor und schleuderte die Waffe von sich. Guter Wurf, dachte Milo und nickte anerkennend, bevor er sich selbst zwei Übungswaffen nahm und sich samt Scutum in einer Reihe aufstellte. Als die vier Tirones an der Reihe waren, zu denen auch Milo gehörte, balancierte er sein Pilum in der Hand aus, nahm einige Schritte Anlauf, was durch das Scutum erheblich erschwert wurde und warf. Der Speer flog in hohem Bogen und bohrte sich in den Boden. Für seinen Geschmack war der Wurf gar nicht so schlecht, doch einer seiner Nebenmänner hatte eine größere Weite erzielt. Milo schaute zu ihm: "Guter Wurf, Quintus", der daraufhin sich mit einem Lächeln bei Milo bedankte. [SIZE=7]"So ein Mist"[/SIZE], ärgerte sich Milo aber insgeheim fast unhörbar, dass er nicht den weitesten Wurf geschafft hatte und stapfte mit dem Fuß auf.

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