Atrium | Vale Virgo!

  • Unter den Augen der tiberischen Ahnen, die aus der Nische des Lararium blickten, würde heute ein denkwürdiger Vorgang seinen Lauf nehmen - eine junge Tiberia würde das Haus verlassen, um in Zukunft den Dienst im Tempel der Vesta zu versehen.


    Man bat den Pontifex, der das Mädchen zu diesem Zweck abholte, daher ins Atrium, während der Ianitor sich eiligst daran machte, Caerilla und die übrigen Hausbewohner aufzutreiben.

  • Uff, man hatte ihn jetzt doch reingeholt. Eigentlich hatte Piso vor der Türe warten wollen, aber man schien es sich nicht zu nehmen lassen, ihn höchstselbst hier hineinzubitten. Na fein. Dann halt so.
    Also folgte er den Anweisungen des Sklaven, erhob sich aus seiner Sänfte, schritt durch die Porta und ins Atrium hinein. Dort ließ er sich auf eine der Liegen nieder, sich irgendwie wie ein Eindringling vorkommend, denn schließlich würde sich nun gleich vor seinen Augen ein Abschied vollziehen. Freilich kein Abschied für immer, Caerellia würde natürlich ihre Gens wieder besuchen gehen können.
    Aber es war ein Abschied vom Leben als Familienmitglied.
    So nahm Piso also auf einer Kline Platz und wartete.

  • Zuerst erschien erstaunlicherweise der langsamste der Bewohner - der alte Tiberier. Mit einem breiten Lächeln kam er auf Piso zu, der scheinbar schon eine ganze Weile warten musste.


    "Flavius, salve! War für ein ruhmreicher Tag für mein Geschlecht!"


    begrüßte er ihn in ehrlicher Freude - eine Vestalin unter seinen Verwandten zu haben war in der Tat ein Umstand, der auch der Familie, aus der sie entstammte, Ehre einbrachte.

  • Als Piso dachte, nun kam gar nichts mehr, nun hatte man ihn vergessen, wurde er eines anderen belehrt. Den Kopf, den kannte er doch!
    “Consular Tiberius, salve!“
    Er lächelte breit und erhob sich aus lauter Respekt für jenen eminenten Staatsmann.
    “Ich freue mich, dich wieder zu sehen. Ich hoffe doch, deinem Bein geht es wieder besser?“, fragte Piso mit ehrlichem Mitgefühl. So ein wehes Bein musste eine scheußliche Sache sein.
    Er kratzte sich am Kopf, und blickte sich um.
    “Eine Ehre, zweifellos. Sie wird es sicher gut haben bei den Vestalinnen.“
    Piso versuchte, sich die Gesichter der Schwestern ins Gedächtnis zu rufen. Da war dieses eine lange Elend, die vergaß man nicht so schnell... und dann die Obervestalin, diese... Pomposia? Und die Uralte. Irgendeine Patrizierin. Mit wüsten Zähnen. Igitt. Und die, die immer so gedankenverloren oder übermüdet schien, und die Piso irgendwie scharf fand. Nun ja. Sicher nicht schöner als seine Frau, nein, nein.
    Die unausgesprochene Frage war nun, wo war die angekündigte Jungfrau?

  • Diese Frage würde schnell beantwortet werden. Sie hatte kalte Füße bekommen, je näher sie den Flavier wähnte, der sie in einen anderen Lebensabschnitt führen würde. Was war schon Familienehre? Sie fühlte sich der kommenden Verantwortung einfach überhaupt nicht gewachsen.
    Im nächsten Moment fühlte sie sich wieder hochgradig geehrt und wollte unbedingt den besten Eindruck hinterlassen. Immerhin würde sie den Kaiser kennenlernen, den größten und wichtigsten Mann des ganzen Imperiums. Bei ihrer Zimmertür angekommen kam dann aber plötzlich wieder die Unsicherheit.
    Und so verbrachte sie mehr als die halbe Wartezeit mit hektischem Hin- und Herüberlegen wie sie nun am Besten zu agieren hatte. Bis Piso schon da war und sie von einer Sklavin informiert wurde. Verdammt! Immerhin war sie schon vestalisch genug um dies nur zu denken, käme sicherlich nicht sonderlich gut es laut herauszuschreien. Ihre Kleider wurden schon zusammengeräumt. Ob der Flavier schon lange wartete? Sie suchte sich die Ziege, die Aretas ihr eigenhändig geschnitzt hatte. Die musste unbedingt mit, sie hing an der Ziege. Warum es ausgerechnet diese Holzfigur war, wusste sie gar nicht genau. Zu ihr hatte sie einen großen Bezug aufgebaut. Sie stopfte diese in einen kleinen Lederbeutel und stürmte dann nach unten. Die Haare waren wenigstens noch ordentlich geflochten und als eine Art Kranz um ihr Haupt gebunden. Auch ihre Kleidung aus natürlichen Farben wirkte zwar schlicht, aber durchaus elegant. So, wie es sich für sie gebührte.
    Etwas außer Atem stürmte sie also in das Gespräch der beiden Männer. Ihr Laufschritt hallte etwas wieder und wurde immer lauter - bis sie vor den beiden stand. Lächeln? Sie war zu sehr aus der Puste, also wurde hieraus eher ein etwas verzerrtes Grinsen. "Entschuldigung... Es tut mir leid. Ich hoffe ich bin nicht zu spät." erklärte sie mit ehrlicher Reue und sah bedauernd zwischen den beiden Senatoren hin- und her. Sie vergewisserte sich mit einem kurzen Griff, ob sie die Ziege noch bei sich hatte. Ja, sie baumelte noch an ihrer Seite.

  • "Oh, meinem Bein geht es...gut."


    erwiderte Durus auf die Frage des Flaviers hin. Natürlich hatte er immer wieder seine Wehwehchen mit dem Bein, aber er wollte es jetzt nicht unbedingt ausbreiten. Glücklicherweise musste er sich auch nicht weiter rechtfertigen, denn schon kam Caerillia angelaufen wie ein kleiner Wirbelwind. Mit einem milden Lächeln tätschelte er dem Mädchen den Kopf, mahnte dann aber


    "Nein, aber wenn du eine Vestalin bist, solltest du vielleicht etwas eher losgehen, sodass du etwas würdevoller auftreten kannst!"

  • Piso nickte, als Durus ihm versicherte, ihm ginge es gut. Ob es wirklich so war? Weiter kommentieren tat er das nicht.
    Dann kam auch schon Caerellia, und Piso lächelte, als er sie sah. Sie war ein wirklich nettes Mädchen. Später, wenn sie größer war, würde sie eine strahlende Schönheit werden, und die Männer Roms würden sich im Bett in den Schlaf weinen ob der Aussicht, dass sie niemals körperliche Gratifikation von ihr erfahren dürften.
    “Salve, Tiberia.“ Seine Stimme klang fröhlich und entspannt, innerlich musste er sich sagen, er freute sich auf Misenum. Er war schon eine Weile nicht mehr dort gewesen.
    “Du bist nicht zu spät. Keine Sorge. Nichts rennt dir davon. Lass dir Zeit, schließlich ist dies dein letzter Tag, da du in dieser Villa lebst.“
    Natürlich würde die Kleine ihre Familie wieder besuchen können. Aber bis dahin würde doch wieder ein wenig Zeit vergehen. Zuerst käme die Reise nach Misenum, dann die Einweisung ins Atrium Vestae... Zeit würde vergehen. Ja, Zeit. Zeit, die Piso froh war, nicht in einem Konvent verbringen zu müssen.

  • Noch immer durchaus schuldbewusst lächelte Caerellia zu Durus auf. Er hatte Recht, sonderlich angemessen war das nicht. Auch für eine Patrizierin nicht, aber für eine Vestalin? Ausgeschlossen. Oder? Na, das alles würde sie ja noch kennenlernen. Und so machte sie sich auch keine weiteren, großen Gedanken und lächelte nur munter weiter. Es war wieder eine Phase der großen Vorfreude eingetreten. "Werde ich selbstverständlich tun, Onkel Manius." bekundete sie sicherheitshalber noch. Vermutlich würde sie dieses Wort doch ein, zwei Mal noch brechen, bis die Routine gefunden war - aber jetzt glaubte sie fest an erfolgreiche Eigenbemühungen.
    Dann wandte sie sich Piso zu. "Ich bin bereit. Ich werde meine Familie ja sehr bald wiedersehen, jetzt bin ich erstmal gespannt auf unseren großen Kaiser!" bekundete sie, mit einem strahlenden Bild vor dem geistigen Auge. Dass ein kranker, etwas verwirrter und wohlmöglich degenerierter Mann auf sie wartete, erahnte sie nicht. Sie gedachte einem strahlenden, kräftigen, großen Mann mit würdevoller Ausstrahlung. Vielleicht ein wenig wie Onkel Manius? Der Abschied jedenfalls aus dieser Villa fiel ihr nicht übermäßig schwer, hatte sie doch ihre Eltern schon vor Monaten verabschieden müssen - und dieser Abschied wog deutlich schwerer für das kleine Mädchen.

  • "Oh, das kannst du sein."


    Dies erinnerte Durus wieder einmal daran, dass der Kaiser in Misenum dahinsiechte, sodass seine Caerellia selbst für die Ernennung zur Vestalin zu ihm kommen musste - es wurde höchste Zeit, diesen Stümper zu beseitigen...


    Nachdem das Mädchen offensichtlich hier war und auch die ersten Sklaven mit Gepäck erschienen, sah er fragend zu allen Anwesenden.


    "Nun, ist alles bereit? Dann geht es wohl ans Abschiednehmen!"

  • Piso wartete noch die Abschiedszeremonien und –rituale, welche in der Gens Tiberia üblich zu sein schienen, ab, und nachdem die Erzählung nun hiermit solchermaßen abgekürzt wurde, nickte er der kleinen Tiberia zu. Ein nettes Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er sprach.
    Nun denn, Tiberia. Komm mit mir. Draußen steht meine Sänfte. Du wirst mit ihr, zusammen mit mir, bis nach Ostia reisen. Dann geht es mit dem Schiff weiter nach Misenum. Ich hoffe, dir wird nicht sehkrank.“
    Er zwinkerte der Kleinen zu, bevor er ihr den Weg in die Sänfte zeigte, wodurch nun das Abenteuer seinen Anfang fand.

  • Ausnahmsweise beneidete Durus das Mädchen nicht, als er an die Seereise nach Misenum dachte. Nun war zwar Sommer und das Meer üblicherweise ruhig - dennoch konnte der Seegang ab und zu etwas härter gehen und das ständige Geschaukle schlug doch auf den Magen.


    Er humpelte auf das Mädchen zu und umarmte es, während er ihr zugleich einen Kuss auf die Wange drückte.


    "Mach unserer Familie Ehre und mögen die Götter mit dir sein!"


    verabschiedete er sich - nicht ohne Stolz, endlich eine junge Tiberia zu den Vestalinnen zählen zu dürfen.

  • Die kleine Tiberia wirkte nicht gerade erpicht, als es ums Abschiednehmen ging. Aber sie hatte schließlich lange genug Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. Mit einem Blick, den wirklich nur Kinder und Hunde wirklich berührend vortragen können, ging sie zu Onkel Manius und drückte sich in einer festen Umarmung an ihn heran. "Mach es gut, Onkel Manius." sagte sie mit trauriger Stimme und strich ihm rührend und kurz übers Haar. "Pass gut auf dich auf, wenn ich fort bin." Auch sie küsste den alten Mann einmal kräftig auf die Wange und nickte tapfer auf seine Worte hin.
    Dass es über die See gehen würde, hörte sie zwar, allerdings nur mit einem halben Ohr. Ihre Aufmerksamkeit galt nun doch dem Abschied, der eine kleine, glitzernde Träne aus ihren Augen löste. Sie konnte den Blick kaum von ihrem Onkel wenden. "Ich werde dich stolz machen, Onkel Manius." versprach sie mit einer tiefen Überzeugung in der Stimme. Sie hatte ihn gar nicht oft gesehen und kannte ihn nichtmal übermäßig gut, wohingegen ihre Eltern ihr unheimlich viel Aufmerksamkeit schenkten. Und doch fühlte er sich väterlicher an, als ihr Vater - ob es an seiner Würde lag? An seinem Alter? Caerellia wusste es nicht. Sie folgte schweigend dem schrulligen Flavier und ließ ihre Hand auf dem Beutel mit dem Spielzeug liegen, während sie in die Sänfte kletterte - und sich gegen Hilfe ausnahmsweise einmal nicht sträubte.

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