• Ankunft in Piräius.


    Gaius Quintilius stand am Bug des einlaufenden Handelsschiffes und betrachtete das näherkommende Ufer. Auf den Kais des Hafens von Piräus herrschte ein lebhaftes Treiben. Matrosen, Händler und Sklaven hasteten von den Schiffen zu den Lagerhäusern und zurück. Lautes Geschrei in allen Sprachen der Welt erfüllte die Luft. Schiffe aus aller Herren Länder legten hier an um ihre Waren auszuladen.


    "Leinen festmachen, Anker fallenlassen!", schallte die Stimme des Kapitäns über das Deck. Mit einem leichten Ruck legte das Schiff an der Kaimauer an. Ein lautes klapper ertönte als die Landungsbrücke heruntergelassen wurde. Ein Beamter der Hafenverwaltung ging an Bord um mit dem Kapitän zu sprechen, während sich bereits Arbeiter versammelten um die Ladung zu löschen.


    "Gaius Quintilius?", wandte sich der Kommandant der Militäreskorte an Gaius, "Die Männer sind abmarschbereit. Wir können von Bord gehen."
    Gaius riss sich von Anblick des Hafens los. "Sehr gut, Gaius Tallius. Gehen wir."
    Als die römische Delegation das Schiff verlassen wollte wurde sie von dem Beamten der Hafenverwaltung aufgehalten.
    "Verzeihung edler Herr. Sei ihr der Gesandte Gaius Quintilius?"
    "Das bin ich.", antwortete Gaius.
    "Soll ich einen Sklaven zur römischen Präfektur schicken um euch anzumelden? Wünscht ihr eine Sänfte um dorthin zu gelangen?"
    "Eine gute Idee. Tut das."
    "Sofort Herr. Wartet bitte einen Moment. Die Sänfte wird sofort hier sein."

  • Die Eskorte wartete gemeinsam mit dem Priester auf die Sänfte der Präfektur und begleitete sie dann langsam durch die Straßen von Piräus. Am Hafen waren unter den vielen Reisenden nicht weiter aufgefallen, aber jetzt blieben auf der Straße immer wieder Leute stehen und schauten ihnen interessiert zu. Es kam hier wohl nicht oft vor, dass eine Sänfte durch die Straßen eskortiert wurde. Priscus und seine Leute schauten sich aufmerksam um, genossen aber hauptsächlich das gute Wetter und die neugierigen Blicke.

  • Als die römische Delegation an der Präfektur eintraf erwartete sie der Präfekt sie bereits.
    Die Legionäre nahmen Haltung an, Gaius verliess die Sänfte und stieg gemessenen Schrittes die Stufen hinauf.


    "Willkommen in Achaia, Gaius Quintilius.", begrüsste ihn der Präfekt.
    "Ich bin Decimus Marcellus, Präfekt Roms für die Stadt Piräuis."
    "Ich danke dir für deinen freundlichen Empfang, Präfekt Marcellus. Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen dich kennenzulernen."
    "Die Ehre ist ganz auf meiner Seite. Wie kann ich dem Sonderbeauftragten des Cultus Deorum behilflich sein?"
    "Zunächst einmal möchte ich dich um ein Nachtlager für mich und meine Eskorte bitten. Da ich beabsichtige morgen nach Olympia weiterzureisen brauche ich ausserdem einen zuverlässigen, ortskundigen Führer und eine Maultiersänfte."
    "Selbstverständlich. Es wird alles wie gewünscht bereitstehen. Wann möchtest du morgen aufbrechen?"
    "So früh wie möglich. Am besten bei Sonnenaufgang." Als die Soldaten dies hörten konnten sie ein leises Seufzen nicht unterdrücken. Gaius unterdrückte ein Grinsen.
    "Bei Sonnenaufgang? Sehr wohl. Ich hoffe aber, dass du dennoch heute abend bei einem Gastmahl in meinem Haus der Ehrengast sein wirst?"
    Gaius unterdrückte ein Seufzen. Dazu hatte er zwar nicht die geringste Lust, aber das war eine Verpflichtung der er sich nicht entziehen konnte.
    "Gerne Präfekt Marcellus. Es wird mir ein Vergnügen sein."

  • Das Gastmahl gab er Eskorte die Möglichkeit, den Aufdenthalt in Piräus mit einem angenehmen Abend zu verbringen. Im Haus des Präfekten war nun wirklich mit keinerlei Gefahr für den Priester zu rechnen. Priscus und seine Männer quartierten sich in einem Nebenraum der Wachstube der Präfektur ein, begleiteten manchmal die Patrouillen der Wachen und planten den Ablauf des nächsten Tages.


    Am nächsten Morgen standen sie früh auf, bereiteten ihr Gepäck vor und warteten auf Gaius Quintilius Taurinius, um die Reise fortzusetzen.

  • Die Sonne ging grade auf als Gaius auf die Treppe der Präfektur trat. Müde rieb er sich die Stirne - das Gastmahl des Präfekten hatte länger gedauert als ihm lieb gewesen war, doch es war unmöglich gewesen sich frühzeitig zu verabschieden.
    Seine Laune besserte sich erheblich, als er sah, dass sowohl die Sänfte als auch der angeforderte Führer an Ort und Stelle waren. Die Militäreskorte war selbstredend vollzählig angetreten und bereit zum Abmarsch. "Sind eben echte römische Legionäre.", dachte Gaius zufrieden. "Und Priscus hat die Burschen gut im Griff."
    Gaius nahm den Gruss der Soldaten mit einem Nicken zur Kenntniss und wandte sich dann dem Führer - einem stämmigen Griechen - zu.
    "Du bist der Führer den ich gewünscht hatte?"
    "Ja, Herr. Mein Name ist Philippos."
    "Gut Philippos. Du weisst was unser Ziel ist?"
    "Ja, Herr. Der Präfekt hat mich genaustens instruiert."
    "Guter Mann! Dann lasst uns aufbrechen."

  • Die kleine Prozession suchte sich ihren Weg durch die Gassen des noch schlafenden Piräus zu einem der Stadttore. Gaius machte es in seiner Sänfte bequem und wollte grade die Augen schliessen, als sie Sänfte plötzlich anhielt.
    "Philippos! Was ist los!", rief Gaius ärgerlich.
    "Das Tor ist noch geschlossen, Herr. Und im Torhaus rührt sich niemand!", antwortete der Grieche.
    "So? Die Tore sollen doch bei Sonnenaufgang geöffnet werden! Schlamperei! Das werden wir ändern. Gaius Tallius!"
    "Ja, Gaius Quintilius?"
    "Gaius Tallius, würdet ihr so freundlich sein und diesen verschlafenen griechischen 'Ordnungshütern' beibringen was Römer unter Pünktlichkeit verstehen? Ihr dürft auch so deutlich und nachdrücklich werden wie ihr wollt."
    Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Legionärs. Ihm war deutlich anzumerken, dass ihm dieser Auftrag ganz gelegen kam.
    "Gerne Gaius Quintilius. Decimus! Lucius! Ihr beide kommt mit! Jetzt räumen wir hier mal auf!"

  • Gaius lehnte sich in seiner Sänfte zurück und lauschte andächtig dem Geschrei aus Richtung des Torhauses. Lateinische Befehle, griechische Flüche, sinnlose Rufe, derbe Fäuste die auf Holz schlagen und zornige Stimmen. Das ganze dauerte nur wenige Minuten, dann war das Geräusch des sich öffnenden Tores zu hören und Priscus Stimme erschallte: "Das Ganze marsch!" Langsam setzte sich der Zug wieder in Bewegung und verlies die Stadt. Beim passieren des Tores erhaschte Gaius einen Blick auf die griechischen Wachen und sah das eine oder andere Veilchen in deren Gesichtern blühen.


    Den Rest des Tages zog die römische Delegation - mit regelmässigen Ruhepausen - durch die griechische Landschaft. Bauernhöfe und kleine Dörfer wechselten sich ab mit Olivenhainen und Weingärten. Gegen Abend nährte sich die Reisegruppe einer kleinen Stadt.
    "Philippos! Geh voraus und besorge uns ein Nachtlager!"
    "Wie Ihr befehlt, Herr!", antwortete der Grieche und eilte davon um seinen Auftrag zu erfüllen.

  • Als die römische Delegation auf dem Marktplatz ankam wartet Philippos bereits auf sie.


    "Ich habe ein Nachtlager in einer guten Herberge besorgt. Bitte folgt mir."


    Neugierig bestaunt von den Bürgern bewegte sich der Zug der Soldaten und der Sänfte durch die Strassen bis zur Herberge. Der Wirt schien überschlug sich fast vor Ehrerbietung und versicherte tausendmal, was es ihm für eine Ehre sein einen solch hochrangigen Gast unter seinem Dach bewirten zu dürfen. Der Anblick eisengepanzerter Soldaten schien ihn zwar etwas zu beunruhigen, aber anscheinend dachte er mehr an das Geld das er an ihrem Durst verdienen konnte als an die Möglichkeit einer von betrunkenen Legionären verwüsteten Schänke.

  • Gaius winkt Priscius zu sich.
    "Ich glaube nicht, dass mir hier wirklich eine Gefahr droht. Es wird wohl genügen heute Nacht einen Soldaten vor meiner Tür zu postieren. Die Männer sollen sich ausruhen und es sich gut gehen lassen. Das war heute ein anstrengender Tag und morgen wird es nicht einfacher werden. Was essen und trinken angeht so kommt der Cultus Deorum dafür auf, aber bitte übertreibt es nicht! Ich muss dem Schatzmeister des Cultus über jede Sesterze Rechenschaft ablegen und diese Kerle sind wirklich knickerig....."
    Priscisu lächelte: "Keine Bange Gaius Quintilius. Ich werde ein Auge auf die Männer haben. Und auf die Finanzen des Cultus Deourm."

  • Gaius (nicht ganz ernstgemeinte) Befürchtungen waren wohl übertrieben gewesen wie er am nächsten Morgen feststellen konnte. Die Legionäre waren frisch und abmarschbereit, die Herberge stand noch und die vom Wirt vorgelegte Rechnung war auch nicht grade schwindelerregend hoch.


    Weiter ging die Reise durch die immer gleiche griechische Landschaft. Hatten die Römer zu Anfang noch aufmerksam und interessiert die fremde Umgebung gemustert, so wurden ihnen die Olivenhaine, Weingärten und immer gleichen Dörfer doch allmächlich langweilig. So war es für alle eine Erleichterung als am Abend des 4 Tages endlich die heiligen Stätten von Olympia in Sicht kamen.


    Gaius befahl Philippos vorauszugehen und sie beim Leiter der römischen Delegation in Olympia anzumelden.

  • Priscus und seine Männer hatten den letzten Abend genauso vorschriftsmäßig verbracht wie alle anderen auch. Nicht unbedingt aus Sorge um die Finanzen des Cultus Deorum, sondern aus Pflichtgefühl. Außerdem konnten sie sich die Folgen ausmalen, wenn es zu einem Zwischenfall gekommen wäre, den sie zu verantworten hätten.
    Sie hatten auch so ihre Freude, die Tage waren trotz der langen Fußmärsche manchmal angenehmer als das Leben im Castellum und die gelegentlichen Begegnungen mit faulen Torwachen oder erschrockenen Gastwirten sorgten für genügend Abwechslung.
    Jetzt in Olympia würde es wieder voller werden, die Zahl der Pilger auf der Straße hatte schon merklich zu genommen.

  • Gaius und seine Gruppe nährten sich dem Haus der römischen Delegation. Hier wurden während der Olympischen Spiele die römischen Teilnehmer untergebrache, in der Zeit zwischen den Spielen diente es römischen Pilgern als Unterkunft wenn sie die heiligen Stätten besuchten.


    Auf den Stufen des Delegationsgebäudes stand ein Mann und sah der Reisegruppe erwartungsvoll entgegen.
    "Salve! Mein Name ist Appius Claudius Nero und ich bin der Verwalter dieses Hauses."
    "Salve Appius Claudius. Ich bin der Victimarius Gaius Quintilius Taurinius, Sonderbeauftrager des Cultus Deorum in Achaia. Ich benötige eine Unterkunft für mich selbst, meine Eskorte und meinen Führer für mehrere Tage."
    Appius Claudius trat respektvoll einen Schritt zurück. "Selbstverständlich, Victimarius. Ihr und eure Männer sollen alles bekommen was ihr benötigt. Wieviele Tage beabsichtigt ihr zu bleiben, wenn ich fragen darf?"
    "Das weiss ich noch nicht. Es hängt vom weiteren Verlauf meiner Mission ab.Ich werde die heiligen Stätten besuchen und einige Gespräche mit den Priestern führen."
    "Natürlich. Schade, dass ihr nicht schon vor einigen Wochen gekommen seid - während der Spiele. Es wäre zwar nicht einfach gewesen eucht unterzubringen, aber glaubt mir, es lohnt sich."
    "Dessen bin ich mir sicher, Appius Claudius, aber meine Mission hätte mir kaum Zeit gelassen mich mit den Spielen zu befassen. Bitte bringt mich jetzt auf mein Zimmer. Ich bin müde und möchte mich gerne erfrischen."
    "Gerne. Folgt mir bitte."


    Schade für die Soldaten, dachte Gaius. In ihrer diensfreien Zeit hätten sie sich bestimmt gerne mal einen Wettkampf im Speerwerfern, ein Wagenrennen oder einen Kampf im Pankration angesehen. So wie die Dinge jetzte stehen wird es wohl langweilig für sie werden.

  • Nachdem Gaius sich eine erholsame Nacht gegönnt und sich mit einem reichhaltigen Frühstück gestärkt hatte, kleidete er sich in seine beste Toga und machte sich auf den Weg in den Zeustempel.


    Als er die gewaltig Halle betrat und zum ersten Mal der Statue des Zeus ansichtig wurde hielt er ergriffen inne. Das Bildnis des Gottes war wirklich ein überwältigender Anblick. Das Weiß der Statue leuchtete im Dunkel des Tempels, das Gold schimmerte im Widerschein der Fackeln und farbige Glasstücke funkelten wie Edelsteine.
    "Wunderbar.", murmelte Gaius leise. Tief bewegt zu er eine Falte seiner Toga über sein Haupt und trat an ein Feuerbecken um seinen mitgebrachten Weihrauch zu opfern und zu beten.


    Erst nachdem er sein Gebet beendet hatte erlaubte er es sich wieder über seine Mission nachzudenken.
    Er musterte die Statue nachdenklich. Sie wirkte gross und massiv. "Diese Statue muss unglaublich schwer sein. Wie soll man so etwas schweres bewegen können?", ging ihm durch den Kopf.
    Ein in der Nähe stehender Zeuspriester bemerkte sein Interesse an der Statue und ging zu Gaius herüber.


    "Willkommen, Römer! Die Statue des Gottes schein dich sehr zu beeindrucken."
    "Das tut sie in der Tat. Phidias muss von den Göttern inspiriert worden sein um so etwa zu schaffen."
    "Zweifellos. Er arbeitete acht Jahre daran und vollendete sie erst kurz vor seinem Tod."
    "Diese Statue muss unglaublich schwer sein. All dieses Gold, der Marmor..."
    Der Priester lächelte leise.
    "Du irrst dich Römer. Was du für Marmor hälst ist Gips über einem Gerüst aus Eisen. Die goldenen Verzierungen bestehen aus hauchdünnem Blattgold. Die Statue ist nicht leicht, aber sie ist längst nicht schwer wie sie aussieht."
    "Genial! Darauf wäre ich nicht gekommen. Ich sehe hier sehr viele Pilger. Dieses Heiligtum muss wohl sehr wichtig für dein Volk sein?"
    "Da ist es. Bei uns Griechen gilt als unglücklich wer stirbt ohne diese Statue einmal gesehen zu haben."
    "Ich verstehe. Aber wenn diese Statue nun einmal zerstört oder geraubt werden sollte...."
    "Das wäre furchtbar. Sollte sie durch ein Erdbeben oder ein Feuer zerstört werden ist es der Wille der Götter und wir müssen uns fügen. Aber wehe dem der mutwillig unser Heiligtum schändet oder unser Volk beraubt. Ganz Hellas würde gegern ihn aufstehen und Rache üben."
    "Ja, das verstehe ich gut. Ich danke dir für deine Freundlichkeit. Lebe wohl."


    Nachdenklich ging Gaius zu seiner Unterkunft zurück. "Das wird schwierig werden. Ich muss einen Brief nach Rom schreiben. Messalina muss davon erfahren."

  • In Olympia war für die Eskorte nur noch wenig zu tun. Eine Fromme Stadt, in der sich höchstens ein paar Taschendiebe über die Geldbeutel der Pliger hermachten. Die Anwesenheit von zwei Legionären in der Nähe des Priesters war da vollkommen ausreichend. In die heiligen Bezirke selber durften sie ohnehin nicht immer mit und die vielen Gespräche, die Gaius Quinitlius Taurinus führte waren auch alles andere als interessant. Zumindest für einen Soldaten.
    Priscus gab immer zwei Soldaten der Eskorte frei, so dass sie sich ein wenig die Stadt ansehen konnten und etwas Erholung hatten.

  • Gaius war nervös. Er hatte seinen Brief an Messalina zwar erst vor einigen Tagen abgeschickt, doch wartete er ungeduldig auf Antwort.
    Immer wieder rechnete er sich vor, dass der Brief unmöglich schon in Rom sein konnte. Und die Antwort würde noch länger dauern. Dennoch hielt er jeden Tag ungeduldig Ausschau nach einem Boten.


    Was wenn das Schiff mit dem Brief untergegangen war? Was wenn der Brief verloren ging? Was wen.....


    Gaius wurde noch nervöser....

  • Nachdenklich liess Gaius den Brief aus Rom sinken. "Woher soll ich diese Informationen bekommen?", dachte er verzweifelt. "Vielleicht kann ich die Priester unauffällig aushorchen. Ich muss es versuchen."


    Gemessenen Schrittes begab sich Gaius zum Tempel des Zeus. Gleich nach dem Eintreten begegnete er dem Priester der ihm schon bei seinem ersten Besuch Auskunft gegeben hatte.


    "Willkommen. Du bist immer noch hier?"
    "Ja, ich bin immer noch fasziniert von eurer herrlichen Statue. Ich wüsst zu gerne wie Phidias sie konstruiert hat. Meint ihr die Baupläne existieren noch?"
    Der alte Priester sah Gaius misstrausich an.
    "Warum willst du das wissen, Römer?", fragte er scharf.
    "Ich interessiere mich für die Baukunst und das Wissen der Alten."
    "So? Du bist also nur ein interessierter Pilger? Du kommst begleitet von Soldaten, der Vorsteher des römischen Hauses tritt dir wie ein Diener seinem Herren gegenüber, du trägst teure Kleidung, Boten gehen zwischen dir und Rom hin und her und du stellst Fragen die sonst niemand stellt. Wer bist du wirklich, Gaius Quintilius?"
    "Hoppla. Diese Priester haben überall ihre Augen. Und im römischen Haus muss jemand geplaudert haben. Diese Sklaven! Stecken überall ihre Nase hinein. Jetzt sind sie mißtrauisch. So bekomme ich nichts heraus.", dachte Gaius erschrocken.
    "Ich sehe, dass ihr gut informiert seid. Seid unbesorgt, ich komme nicht als Feind."
    "Ihr Römer kommt nie als Feinde. Aber Freunde seid ihr deshalb noch lange nicht.", erwiederte der Priester höhnisch. "Du bist hier nicht länger willkommen. Geh jetzt."
    "Rom achtet die Sitten und Wünsche anderer stets. Ich werde gehen. Vorerst."
    Mit diesen Worten drehte sich Gaius auf dem Absatz herum und verliess den Tempel.


    "Mist. Ich muss mir etwas einfallen lassen", grübelter er vor sich hin als er durch die Strassen ging, ohne darauf zu achten wohin ihn sein Weg führte.

  • Für die Eskorte machte es die Sache nicht leicht, dass der Priester nun etwas ziellos durch die Gegend lief. Sonst hatte er immer gesagt, zu welchem Tempel er wolle und er kam auch immer durch die Tür wieder hinaus, durch die er hineingegangen war. Aber jetzt spazierte er kreuz und quer durch die Gegend - mal durch die Stadt, dann wieder zum heiligen Bezirk, ging hier hinein und dort hinaus.
    Zum Glück kannten sich die Legionäre inzwischen ein wenig in der Stadt aus, so dass sie ihm bei seinen planlosen Touren nicht von der Seite wichen, auch wenn er sie gedankenversunken vollkommen ignorierte.

  • "Steh auf, du dreckiges Schwein! Los mach schon, oder du wirst es bereuen!", schallte es plötzlich durch die Luft.
    "Bitte, ich kann nicht mehr!"
    Gaius sah auf. Er befand sich in der Stadt, in der Nähe des Marktplaztes. Ein ungewöhnliches Bild bot sich ihm dar: Eine Reihe von Männern verschiedenen Alters in zerlumpter Kleidung, an Händen und Füssen mit schweren Ketten gefesselt und unter starker Bewachung stand in der Nähe des Brunnens. Ein junger Bursche war völlig erschöpft zusammengebrochen. Ein Aufseher stand breitbeinig über ihm und hob seine Peitsche.
    "Halt! Hört auf!", rief Gaius erbost, "Seht ihr nicht, dass der Mann völlig erschöpft ist?"
    Der Wächter drehte sich um. "Was geht dich das an, Römer? Kümmer dich um deinen eigenen Kram."
    Als er die Legionäre sah, die sich neben Gaius aufbauten und drohend die Hände auf ihre Schwerter legten trat der Aufseher einen Schritt zurück. "Verzeiht meine Grobheit, Herr. Aber diese Männer sind nur Sklaven, schlimmer noch verurteilte Verbrecher. Sie sind auf dem Weg in die Silberminen. Sie sind euer Mitleid nicht wert."
    "Bitte, Herr.", keuchte der Sklave, "Ich habe Durst. Ich kann nicht weiter ohne etwas zu trinken. Habt Erbarmen, Herr."
    "Gib ihm etwas zu trinken.", befahl Gaius einem der Legionäre. "Halt den Mund!", herrschte er den Wächter an, als dieser Einwände machen wollte. "Was hat der Junge verbrochen?"
    "Er ist ein Dieb. Ist in reiche Häuser eingebrochen und hat gestohlen was immer ihm in die Finger kam."
    "Ein Dieb!", dachte Gaius. "Ja, das wäre...."
    Er betrachtet den Jungen, der gierig aus der Feldflasche des Legionärs trank.
    "Was willst du für den Burschen haben?", fragt er den Aufseher.
    "Herr, das geht nicht! Diese Sklaven sind im Besitz des Staates. Ich kann sie nicht verkaufen. Es sind Verbrecher die bestraft werden müssen."
    "Red keinen Unsinn. Ich will diesen Sklaven kaufen. Jetzt und hier. Was willst du haben?"
    "Ich kann keinen von ihnen verkaufen. Sie müssen in die Minen. Wenn einer fehlt werde ich bestraft."
    "Unsinn. Es kann immer einer auf dem Weg gestorben sein. Das kommt bestimmt öfter vor. Also: Wieviel?"
    In dem Aufsehr kämpten Gier und Pflichtbewustsein gegeneinander. Die Gier gewann.
    "500 Drachmen."
    Gaius überlegte: "Das sind etwa 250 Sesterzen. Teuer für einen Sklaven, aber er ist genau das was ich brauche. Sei`s drum..."
    "Einverstanden. Hier nimm.", sagte er ruhig und warf dem Griechen einen Beutel Münzen zu. "Der Sklave ist auf dem Weg gestorben und du hast mich nie gesehen."
    "Keine Ahnung wer ihr seid. Ich kenne keine Römer. Los ihr faulen Hunde! Wir gehen weiter!"


    "Sehr schön,", dachte Gaius als er der weiterziehenden Sklavekarawane nachsah, "vielleicht kann ich meine Mission doch noch erfüllen."

  • Verwirrt und erschöpft folgte der junge Sklave Gaius und seiner Leibwache zum Haus der römischen Delegation. Hier befahl Gaius einem der Haussklaven dem Jungen etwas zu essen und zu trinken zu geben, ihn zu säubern, ihm ein sauberes Gewand zu geben und ihn dann wieder zu ihm zu bringen.
    In der Zwischenzeit legte sich Gaius seinen Plan - der bis dahin nur eine vage Idee war - zurecht.
    Etwa eine Stunde später stand Gaius' neuer Sklave vor ihm. Gewaschen und gesättigt nahm sich der Bursche schon wesentlich manierlicher aus.
    "Wie heisst du, Junge", fragte Gaius freundlich.
    "Antigonos, Herr. Danke, dass ihr mir geholfen habt. Ich hätte den Marsch sicher nicht überlebt und wenn doch wäre ich in den Minen zugrunde gegangen."
    "Du brauchst mir nicht zu danken, Antigonos. Ich habe dich nicht allein aus der Güte meines Herzens gerettet."
    "Das dachte ich mir schon, Herr. Man sagt, ihr Römer tut nichts, was nicht zu eurem Vorteil ist."
    "Ein heller Kopf, wenn auch etwas vorlaut.", dachte Gaius amüsiert.
    "Es steht dir nicht zu über deine Herrschaft zu urteilen! Auch wenn du nicht ganz unrecht hast."
    Antigonos senkte den Kopf: "Jawohl, Herr"
    "Schon gut. Kannst du lesen?"
    "Ja, Herr. Nicht sehr gut, aber ich komme zurecht."
    Gaius war angnehm überrascht. Die Dinge entwickelten sich im Moment zu seiner Zufriedenheit.
    "Sehr gut, Antigonos. Geh jetzt und lass dir vom Verwalter einen Schlafplatz zuweisen. Morgen erfährst du, warum ich dich aus der Sklavenkarawane gekauft habe."


    Antigonos verneigte sich und ging langsam hinaus. Gaius konnte ihm ansehen, dass er nicht ganz davon überzeugt war, dass sein Schicksal sich zum besseren gewendet hatte.

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