Und erneut halfen ihm die Worte seiner Tante und er erkannte erneut, dass er in ihr eine wirkliche Verbündete gefunden hatte, die ihm auch wirklich mit Rat und Tat zur Seite stehen wollte und ihm helfen wollte sein „Problem“ in den Griff zu bekommen. Aber, und das hörte er aus ihren Worten heraus, erwartete sie eine Gegenleistung, nämlich dass er sich möglicherweise eines Tages revanchierte, aber das würde er tun. Er war ihr jetzt schon dankbar und würde ihr auch nie vergessen, was sie für ihn tat. Manch einer hätte ihn wohl endgültig weggesperrt, anders so sie. Er würde sich revanchieren, das hätte er auch ohne vorherige Leistung getan, denn Hilfe für Familienmitglieder war doch Ehrensache.
Dass er jetzt mit all seinen Problemen zu seiner Tante gehen sollte, widerstrebte ihn. Er öffnete sich nur sehr selten, wenn es um private Dinge ging oder gar um seine Eltern, allen voran sein Vater, ein absolutes Tabuthema für ihn. Aber seine Tante bestand darauf. Er wollte sie nicht verlieren, also willigte er gezwungenermaßen ein und versprach, was sie von ihm verlangte. „Ja, ich verspreche es dir.“ Es war viel, was sie von ihm verlangte, aber er würde es tun. Sein Wort, das er gegeben hatte würde er halten. Das Wort eines Helvetiers war schließlich bindend hatte sein Vater immer gesagt.
Allein durfte er also Schwäche zeigen, sagte sie. Das wusste er und tat es ja auch, auch wenn es ihm erst jetzt klar wurde. Vielleicht war die Tatsache dass er nicht mehr das Haus verließ ja gesteuert von seinem Unbewussten, in dem wiederum verinnerlicht war, dass man da draußen nicht schwach sein durfte. Das konnte man sich nicht leisten, denn man musste immer auf seinen Ruf achten. Und da er Senator werden wollte, wäre es gewiss sein Ende, wenn herauskäme, dass er kurze Zeit dem Schwachsinn verfallen war. Vielleicht war es so, vielleicht war es aber auch nur die Angst vor den Menschen gewesen, die ihn nicht mochten oder die ihm misstrauten. Oder die Angst vor der Hexe, die ihn eingeschüchtert hatte.
„Ein weiterer Grund für mich, mich vorerst nicht sehen zu lassen, findest du nicht auch? Ich sehe furchtbar aus.“ , meinte er und das erste Mal seit Langem erschien mal wieder etwas in seinem Gesicht, das wie ein Lächeln aussah. Erst neulich hatte er in einen Spiegel gesehen und war entsetzt über seinen Anblick, jetzt aber nahm er es irgendwie mit Humor. Überhaupt war er schon fast gut gelaunt.
Helvetius Milo
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- Cubiculum
- Faustus Helvetius Milo
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Dass ihre Aussage als Forderung einer Gegenleistung angesehen wurde, ahnte Aviana freilich nicht. Es hätte sie auch verunsichert, war es doch nur ein Angebot, mit dem sie Milo die Situation erleichtern wollte. Ein offenes Ohr hätte Aviana niemals eingefordert, höchstens erbeten. Seine weiteren Worte hingegen brachten Aviana zum Lächeln. Unweigerlich und nicht verhinderbar.
>Fürchterlich siehst du aus. Die Leute würden erzittern.< neckte sie ihn grinsend. Ganz so schlimm war es freilich nicht, aber er hinterließ vermutlich wirklich einen seltsamen Eindruck bei anderen. Mit seinen dunkel unterlegen Augen und dem abwesenden Blick wirkte er auf unbeteiligte vermutlich beinahe wahnsinnig.
>Aber ich denke, das sollten wir in Kauf nehmen. Du brauchst mal wieder etwas Sonne im Gesicht, etwas frischen Wind. Das Leben zieht sonst an dir vorbei. Wie hast du die letzte Zeit eigentlich geschlafen?< erkundigte sie sich. Wie er aussah und auch gelebt hatte, würde es sie nicht verwundern, wenn die Antwort 'Überhaupt nicht' lauten würde. Sie setzte sich aufrecht hin.
>Und nun noch einmal: Gibt es etwas, das du dir wünscht? Ein Festmahl? Ein Ausflug?< erkundigte sie sich, um die Gelegenheit beim Schopf zu packen, ihn in den sprudelnden Strom des Lebens zurückzuziehen. Er sollte ruhig noch Gelegenheiten bekommen, für sich zu sein - die brauchte jeder. Aber nicht wieder zu versumpfen.Sim-Off: Wenn Buchstaben fehlen, nicht wundern. Meine Tastatur an diesem Arbeitsplatz spinnt etwas.
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So lustig es für den Augenblick gewesen war, so bedrückend empfand er sein Aussehen im nächsten Augenblick, nämlich genau in dem Augenblick als seine Tante ihn damit ärgerte. In seinen Augen war dies wieder eine Bestätigung dafür, dass er nicht gemocht wurde und eine Witzfigur war. Er wusste, dass er blass war wie ein Gespenst, dunkle und blutunterlaufene Augen hatte, aber was konnte er denn dafür? Er fühlte sich einen Moment lang zu tief betroffen und beleidigt, verdrängte das Ganze aber wieder, da es nicht mit dem vereinbar war, wie Aviana sich die ganze Zeit über verhielt. Sicher war das Ganze nur ein Scherz gewesen.
Das mit dem ins Leben zurückkehren nahm er zur Kenntnis, wollte vorerst nichts weiter darüber hören, denn gar so weit war er dann doch nicht. Sein Zimmer zu verlassen, sein Ort an dem er sicher war vor der bösen, schlechten Welt sollte er verlassen? Er wusste, dass er es eines Tages wieder machen musste, aber noch nicht jetzt und er würde sich auch nicht zwingen lassen. Daher ging er lieber auf seine Schlaflosigkeit ein. „Naja, kaum bis gar nicht.“ , antwortete er ernst. Seit einiger Zeit schlief er kaum mehr als ein paar Stunden in der Nacht, was wohl auch maßgeblich an seinem Aussehen Schuld hatte und auch an seinem Wohlbefinden. Im Moment fühlte er sich überraschenderweise müde, was wohl daran lag, dass das Gespräch sehr anstrengend für ihn war. Vielleicht würde er heute ja noch richtig fest schlafen können.
Auf die Frage hin was er sich wünschte kam wohl eine Antwort, die seiner Tante gar nicht schmeckte, was er freilich nicht ahnte. „Etwas Zeit für mich, damit ich über das alles nachdenken kann. Und vielleicht irgendein Mittelchen, das macht, dass ich mal wieder eine Nacht durchschlafen kann.“
Er brauchte heute noch Zeit für sich, denn seine Tante hatte ihm gar so viel zum Nachdenken gegeben und dann gab es noch weitere Dinge die er überdenken musste, Dinge die ihm in den letzten Tagen und Wochen logisch erschienen, nun aber absurd wirkten. Sein ganzes Weltbild war im Moment unstimmig und das war verwirrend. Er brauchte die Zeit um in seinem Kopf wieder Ordnung zu schaffen.Sim-Off: Ich werds dir nachsehen, aber nur grade so
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