Egal, wie oft Sextus seine Rede geübt und einstudiert hatte, wie sorgfältig er seine Toga ausgewählt und sich hatte legen lassen, wie sehr er sich schlicht vorbereitet hatte: Er war nicht blauäugig genug, das Problem zu verkennen, vor dem er stand. Hier auf der Rostra eine Rede zu halten vor sämtlichen vorbeiziehenden Bürgern, die es interessieren mochte oder auch nicht, war dabei nicht einmal das Problem. Sextus war weder nervös, was öffentliche Auftritte anging, noch sich seiner Stimme nicht sicher. Seine Lehrer hatten ihn oft und lange genug gequält und geschlagen, auf dass aus ihm ein aufrechter Politiker werden würde, der ohne Probleme vor jeder noch so großen Menschenmasse mit klarer und lauter Stimme rhetorisch perfekt auch noch über die Auswirkungen der diesjährigen Schafskäseproduktion auf die Geburtenrate hätte philosophieren mögen.
Nein, sein Problem war eher inhaltlicher Natur. Das Amtsjahr als Queaestor Urbanus war vorbei, und er hatte nichts Prestigeträchtiges, was er dem Pöbel hätte als besondere Tat verkaufen mögen. Das Amt des Quaestor Urbanus war in erster Linie ein solches, das viel Papyruskram mit sich brachte, noch mehr Verwaltungskram und nur sehr wenig wirkliche Projekte. Und das eine, das er gehabt hatte, das hatte Duccius Vala gelöst, ohne ihn näher daran zu beteiligen. Kurzum: Sextus hatte so gut wie gar nichts in der Hand.
Dass jenes nicht an ihm gelegen hatte, sondern zum einen auf seine Tätigkeit als solches zurückzuführen war, zum anderen darauf, dass sein wichtigster Ansprechpartner, der Curator Viarum, nicht auffindbar war über seine komplette Amtszeit hinweg, das tat nichts zur Sache. Und würde nur nach Jammern und einer Rechtfertigung klingen. Und wenn es eine Grundregel der Politik gab, dann die, dass man sich nie rechtfertigte für die eigenen Taten, da man damit nur Anlass zur Diskussion gab. Man tat die Dinge, die man tat, weil man sie tat und tun konnte. Ende der Begründung.
Jetzt aber, als Sextus sich einen schönen Platz der Rostra gesucht hatte und anfing zu reden, wünschte er sich, er hätte etwas mehr vorzuweisen. Doch das, was er hatte, würde wohl genügen müssen.
“Quirites! Erneut ist ein Jahr vergangen, und ich Sextus Aurelius Lupus, trete vor euch, um Rechenschaft abzulegen für das Jahr, in dem mich der Senat mit der ehrenvollen Aufgabe des Quaestor Urbanus betraut hat. Wie euch sicherlich bekannt ist, umfasst diese ehrenvolle Tätigkeit die Überwachung der Straßen in um und Rom, vor allem jene nach Ostia, von wo täglich all die wichtigen Waren, Lebensmittel und Stoffe gebracht werden, die unsere schöne Stadt zum Leben braucht, nebst all den schönen Dingen wie Elfenbein, Öle und Kunstwerke aus aller Welt, der wertvolle Weihrauch, der die Götter erfreut! So war es meine Aufgabe, einen reibungslosen Ablauf eben jenes für uns maßgeblichen Warenverkehrs zu gewährleisten, als auch Strafen an jene zu verhängen, die durch ihr Tun eben jene Ordnung gefährden. Gleichfalls oblag mir die Aufsicht über die Einhaltung der Reisegesetze.
Ich will euch nicht mit Geschichten über meine Aufsicht über den Warenverkehr und die Karren, die des nachts durch Rom fahren, langweilen, auch wenn ich durch meine Tätigkeit als Quaestor Urbanus meine Kenntnisse über die Wirtschaftsabläufe zu meiner persönlichen Freude vertiefen konnte. Nur soviel sei dazu gesagt, dass der Warentransport reibungslos sichergestellt ist, so dass die Märkte Roms mit all ihrer Pracht all jene Waren anbieten können, die niemand mehr missen mag. So sollen die vollen Märkte, die zufriedenen Reisenden und das funktionierende System für mich und meine Arbeit sprechen, und nicht irgendwelche Geschichten.
Zu guter Letzt möchte ich noch ein paar Worte des Dankes verlieren an all jene, die durch ihrer Hände Arbeit die Versorgung unseres geliebten Roms sicherstellen. Denn schließlich sind es die Händler, die Reisenden und auch ihr, die ihr diese Waren kauft, diejenigen, die meine Arbeit als Quastor Urbanus überhaupt erst möglich gemacht haben. Ich danke euch.“
Und damit war dieser Pflichtauftritt auch absolviert. Und Sextus hoffte, dass es genügt hatte. Im Grunde hatte er ja nichts gesagt.