Macer erwartete den Gast in seinem Arbeitszimmer, in dem er einige Schriften studiert hatte. Nichts wichtiges, aber er konnte ja auch nicht den ganzen Tag die Bauarbeiten an seiner Casa überwachen oder sich auf dem Forum herum treiben. Manchmal musste man auch einfach mal ein wenig Lesen. Vor allem ließ sich damit gut die Zeit zwischen zwei Terminen überbrücken. Entsprechend schnell ließ er die Buchrolle sinken, als der Gast eintrat. "Salve, Decimus Flavus", begrüßte er ihn freundlich. "Nimm' Platz."
[Tablinum] Ein Decimus zu Besuch
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Etwas aufgeregt betrat der Decimer das Arbeitszimmer des Senators. Die Casa war etwas prunkvoller als die eigene, aber es traf weitaus weniger seinen Geschmack als das, was Seiana ausgesucht hatte.
"Salvete Senator Macer. Danke." Er setzte sich wie im geheisen, natürlich hatte er ausnahmsweise eine Toga an, keine Tunika, und war auch besonders gepflegt. -
Macer zog etwas die Augenbraue hoch, als ihn der Besucher gleich mit der freundschaftlich-vertraulichen Anrede nur mit dem Cognomen ansprach, sagte dazu jedoch nichts, sondern verzichtete im Gegenzug lediglich auf ein paar höfliche Einstiegsfloskeln in das Gespräch. "Was führt dich zu mir?", erkundigte er sich stattdessen.
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na das war ja was.. Da hatte der Decimer mal direkt die falsche Ansprache gewählt, aber gut der Senator lies sich nichts anmerken. Also nahm Flavus den Faden wieder auf und versuchte seine vorher überlegten Worte wiederzugeben.
"Nun Senator Purgitius, mein Leben lang wurde ich durch meinen Großvater auf eine Laufbahn im cursus honorum vorbereitet, noch in Hispania bereits. Nun bin ich hier in Rom, am Ziel und am Anfang meiner Karriere, doch einfach in den cursus werde ich nicht kommen. Also dachte ich an eine Anstellung als scriba oder dergleichen bei einem erfolgreichen Mann. Durch ein Gespräch mit Decima Seiana habe ich erfahren dass die eure Karriere dem entspricht was ich mir ebenfalls vorstellen kann. Also dachte ich, ich könnte doch bei dir, Senator, vorsprechen."
Nein, das waren nicht die Worte an die er eigentlich dachte, aber er fand diesen Text ebenfalls nicht schlecht. Nun konnte er nur hoffen. -
Das Anliegen des Decimers entpuppte sich als nicht allzu ungewöhnlich, zumindest in seiner grundsätzlichen Richtung. Macer rekapitulierte, was sein Verwalter nach der Terminvereinbarung bereits über diesen Decimus Flavus herausbekommen hatte und stellte entsprechend seine Fragen. "Dein Großvater hat dich in Hispania also auf den Cursus Honorum vorbereitet. Nun, dass ich einerseits nichts ungewöhnliches, das Großväter solches tun und auch Hispania ist in Verbindung mit der Gens Decima sicher nichts seltenes. Sich in Hispania auf den Cursus Honorum vorzubereiten vielleicht schon, aber jetzt bist du ja hier. Wie lautet denn der Name deines Großvaters und wer ist dein Vater?" war das erste, was er wissen wollte. "Ich verbrachte viele Jahre gemeinsam mit Decimus Meridius, er war auch mein Nachfolger als Statthalter in Germania, aber er stammt nicht aus deiner Familie, nehme ich an?", setzte er hinzu, denn wenn es so wäre, hätte der Decimer ihn zweifellos erwähnt.
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Das waren angenehme Fragen, darauf hatte er natürlich auch Antworten parat, es hahm auch etwas die Nervösität von ihm weg.
"Mein Vater war Gaius Decimus Proximus, ein Soldat im Dienste Roms, Centurio der Legio IX Hisbania bis zu seinem Tot. Mein Großvater war Tiberius Decimus Proximus, Meridius ist nicht direkt mit mir verwandt, nein." Natürlich kannte er Meridius, sein Großvater hatte oft von ihm erzählt, er kannte viele aus seiner Familie nur von Geschichten, aber er kannte sie und deren leistungen. -
Macer nickte langsam, während er diese Informationen aufnahm. "Wie alt bist du?", fragte er dann weiter, denn im Schätzen des Alters war er nicht sonderlich gut. Dabei würde vom Alter durchaus einiges abhängen können, so dass er es lieber genau wusste. "Und du wohnst jetzt hier in Rom? Wie bist du mit Decima Seiana verwandt?" Die zukünftige Ehefrau seines Klienten war sicher keine schlechte Empfehlung und wenn sie den jungen Mann hergeschickt hatte, musste man solche Kontakte natürlich besonders pflegen.
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Auch diese Fragen waren nicht außergewöhnlich, mal von seinen Verhältnissen innerhalb der Familie abgesehen vielleicht, aber immerhin war er Senator, da wollte man eh alles etwas genauer wissen.
"ich bin 16, bald 17 Senator Purgitius. Seiana ist eine Enkelin des Cousins meines Vaters, wir sind also nur entfernte Verwandte, wie die meisten Decimer die in Rom leben. Zur Zeit wohne ich in der Casa der Decima hier in Rom."
Natürlich, es war nichts besonderes, aber immerhin wollte man ja auch wissen mit wem man es zu tun hatte, Flavus kannte ja alles wesentliche über den Senator, der Senator aber rein gar nichts über Flavus. So war es eben am Anfang einer jeden Karriere, erst beantwortete man die Fragen und mit den Jahren wurde man derjenige der die Fragen stellen durfte. -
Die Antwort, insbesondere die das Alter betreffend, entsprach in etwa Macers Erwartungen. "Nun, in diesem Alter wäre dann ja der richtige Zeitpunkt für das Tirocinium Fori gekommen", stellte er fest und zeigte damit die mögliche Alternative zur Anstellung als Scriba auf. Eine Alternative, die zum einen prestigeträchtiger war für beide Seiten und zum anderen für Macer finanziell günstiger, sparte er doch schlicht das Gehalt.
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Nun war Flavus überrascht, an so etwas hatte er nicht zu denken gewagt. Macer sparte so zwar genau das Geld das er brauchte, aber auf der anderen Seite war das natürlich ein deutlicher besserer Schritt in die richtige Richtung.
"An ein Tirocinium Fori hatte ich bisher nicht gedacht, ich hätte auch nicht geglaubt dass man solch eine Chance einem unbekannten jungen Mann wie mir geben würde, nicht bei jemandem wie euch Senator Purgitius."
Das wäre natürlich weitaus angenehmer als ein Posten als scriba, damit öffneten sich Flavus ganz andere Türen, vor allem könnte er im Senat beiwohnen und direkt am Geschehen sein. -
"Nun, du wurdest von deinem Großvater auf den Cursus Honorum vorbereitet, wohnst nun in denselben Haus, in dem schon einige Senatoren gewohnt haben und bist im richtigen Alter", fasst Macer das bisher Gehörte zusammen. "Wenn du nun den nächsten konsequenten Schritt in Richtung Cursus Honorum machen möchtest, dann wäre dieser eben das Tirocinium Fori. Ich kann es dir natürlich nur nahelegen, mehr nicht. Bevorzugst du etwas anderes, ist dies deine freie Entscheidung." Er wollte den jungen Mann ja auch nicht auf eine Spur setzen, die diesem gar nicht gefiel.
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Der Decimer nickte als der Senator sprach, natürlich waren das weiße Worte und auch die richtigen Worte, was nutzte ihm eine Anstellung als Scriba, außer dass er Geld verdienen würde. Er dachte kurz nach, gab dem Senator aber schnell durch seine Mimik zu verstehen was er dachte.
"Senator ich denke dass mich ein tirocinium fori weiterbringen würde als eine Anstellung und es wäre mir eine Ehre diesen Abschnitt meiner Karriere neben Ihnen bestreiten zu dürfen." -
Macer nickte zufrieden, dass der junge Mann ihm zustimmte. "Dann sollten wir schauen, wie wir das sinnvoll hinbekommen. Im Moment bekleide ich kein nennenswertes öffentliches Amt und strebe kurzfristig auch keines an. Du wirst mich zum Senat begleiten, aber für weitere Einblicke in das politische Geschäft müssen wir schauen." Seit die Sache mit den Reisegesetzen und den Senatsferien etwas anders gelaufen war als geplant, hatte Macer auch noch keine neuen politischen Vorhaben aufgegriffen. Was nicht bedeutete, das er nicht schon wieder neue Ideen hatte, welche Aufgaben er sich stellen könnte, bei denen sein neuer Tiro etwas lernen konnte. Vorerst aber wollt er aber erst einmal wissen, wo es anzufangen galt. "Was weißt du denn über die aktuelle politische Lage in Rom?" erkundigte er sich daher.
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Diese Frage, es war klar dass sie kommen würde. Die politische Lage Roms in Worte zu fassen, schwer für jemanden der erst seit kurzem hier lebte, aber Flavus versuchte es. "Nun, der Kaiser wird älter und hat keinen Nachfolger, er lebt recht zurückgezogen und der praefectus urbi nutzt diese Gelegenheiten aus, wie man hört ist der PU ja nicht unumstritten. Die Gesetze zum Reiseverbot der Senatoren machen dies deutlich, man will wohl einen Machtanspruch seitens eines Senators mit Hilfe der Legionen verhindern. Alles in allem eine offensichtlich angespannte Lage."
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Die Antwort fiel nicht unbedingt völlig abwegig aus, aber trotzdem wiegte Macer seinen Kopf leicht unzufrieden hin und her. "Nun, das trifft es in Teilen, aber nicht vollständig. Dass du von den letzten Gesetzesinitiativen des Praefectus Urbi gehört hast, finde ich sehr erfreulich. Das können nicht unbedingt alle jungen Männer in deinem Alter von sich behaupten", lobte er allerdings erst einmal, denn diesen Punkt fand er wirklich lobenswert. "Dass der Praefectus Urbi nicht unumstritten ist, ist auch zweifellos richtig. Manche finden ihn ganz allgemein unsympathisch, andere kritisieren konkretere Aspekte. Dass er die Zurückgezogenheit des Kaisers nutzt ist ebenfalls richtig, aber diese liegt wohl eher an seiner rätselhaften Krankheit als an seinem Alter. Er ist etwa in meinem Alter. Und er hat einen Sohn, der zumindest ein möglicher Nachfolger wäre. Allerdings ist er noch sehr jung, was angesichts des Alters des Kaisers eben nicht überraschend ist", klärte er dann einige Sachverhalte auf.
"Dass die Reiseverbote helfen werden, die Kontakte zwischen Senatoren und Legionen zu minimieren, ist ebenfalls richtig beobachtet", kam Macer dann nochmal auf das Gesetz zurück. "Allerdings ist dies keineswegs so neu, wie es zuweilen dargestellt wird. Auch der vergöttlichte Augustus hatte schon eine solche Regelung erlassen, wobei diese wohl in der letzten Zeit etwas in Vergessenheit geraten ist. Zumal ein Senator ja nunmal auch die meiste Zeit im Senat verbringen und nicht die Provinzen bereisen sollte, nicht wahr?"
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Flavus hörte dem Senator zu und war etwas still, natürlich hatte er Recht und dass der Kaiser keinen Nachfolger hatte war nun auch irgendwie klar, dass er allerdings trotzdem einen Sohn hatte der sehr jung war, nun das war Flavus entweder entgangen oder er hatte nie davon gehört. Richtig zufrieden mit seiner Antwort schien der Senator nicht zu sein, aber sie war eben auch nicht ganz falsch, Flavus verbuchte es trotzdem als Fehler und hoffte der Senator würde das nicht übel nehmen. Aber es folgte ja noch eine Frage an ihn.
"Sicherlich ist die wichtigste Aufgabe des Senates in Rom zu tagen und dort zu debattieren, aber ich denke es sollte den Senatoren auch mal gestattet sein ins Reich zu fahren und sich anzusehen wie die Menschen, die sie ja auch irgendwie vertreten, so leben und was deren Sorgen sind. Natürlich, an deren Sorgen wird nicht jeder Senator denken das zu glauben ist naiv, aber es wäre ein Wunschdenken. Bei manchen Senatoren glaube ich jedoch, dass deren einziger Grund im Senat zu sitzen die eigene Bereicherung ist." -
"Letzteres ist zweifellos richtig beobachtet, aber man sollte immer vorsichtig sein, gegenüber wem man solche starken Sprüche äußert", ermahnte er den jungen Mann. Gegenüber Macer konnte er sowas zwar problemlos äußern, aber nicht jeder Senator wollte sich so etwas von einem fast noch Jugendlichen sagen lassen. "Was das Reisen betrifft, sollte man wohl berücksichtigen, dass der Senat von Rom von seiner historischen Bedeutung her nun einmal auch nichts anderes ist als der Stadtrat von Rom. Zwar urteilen die Statthalter in den Provinzen meistens, indem sie sich an den Gesetzen des Senates orientieren, aber tatsächlich verbindlich sind diese letztlich nur, weil sie Teil eines kaiserlichen Codex sind." Eine Versammlung von Senatoren als Parlament zu verstehen und dieses wiederum als Vertretung des Volkes war schließlich eine Vorstellung, die erst sehr viel später entwickelt werden sollte und die daher auch Macer noch völlig fremd war.
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"Natürlich würde ich diese Worte nicht jedem gegenüber wählen, das erübrigt sich von selbst Senator. Allerdings denke ich dass man mit Ihnen offen und ehrlich reden kann, es gibt Senatoren denen ich diese Eigenschaft sicher nicht zuschreibe." Das mit den Statthaltern war ihm nicht neu, allerdings kam es ihm bisher immer so vor, dass man sich doch sehr an Rom orientierte, war Rom doch mehr als nur eine Stadt von vielen. "Senator Purgitius, aber ist es nicht so dass die meisten Statthalter sich eben an Rom orientieren weil man Rom als Vorbild ansieht? Also kann man doch indirekt davon sprechen dass der Senat Roms als eine Vorbild für andere Städte dienen kann."
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Die Schmeicheleien überhörte Macer routiniert und blieb beim Thema, das sich immerhin zu einer fruchtbaren beziehungsweise gelehrten Diskussion entwickelte. "Das zweifellos. Der Senat von Rom ist ja in seiner Form auch das Vorbild für viele Stadträte. Die Colonien in den Provinzen sind nichts anderes als kleine Abbilder Roms in der Provinz. Aber eben genau deshalb ist ein Senator in Rom kaum für einen Winzer an der Mosella zuständig und müsste sich deshalb dort umsehen. Der Winzer mag beispielsweise auf dem Territorium der Colonia Augusta Treverorum leben und so ist eben jene sein erster Ansprechpartner und der dortige Stadtrat als kleines Abbild des Senates sehr viel eher für ihn verantwortlich als der Senat von Rom. Zumal über dem Stadtrat der Colonia erst einmal der Statthalter käme und dann der Kaiser. Nur in den Provinzen unter der Verwaltung des Senates stünde jener überhaupt in der direkten Linie der Verantwortung." Da gab es wohl in der Vorbereitung auf den Cursus Honorum, die der junge Mann bisher erfahren hatte, wohl noch einige Lücken. Aber gerade wenn man aus der Provinz kam und von Rom träumte, sah man die eine oder andere Sache vielleicht etwas grandioser, als sie bei Licht betrachtet war.
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Flavus lauschte den Worten des Senators, ihm war es ja nicht neu dass die Statthalter eher dem Kaiser als dem Senat unterstanden, aber das widersprach auch nicht seiner Aussage. Warum sollten sich Statthalter in den provinzen nicht etwas an den Entscheidungen des Senats in Rom orientieren? Er wollte aber nicht weiter nachharken, auch wenn es sicher interessant geworden wäre.
"Senator wie steht ihr zu den anderen Senatoren, wo seht ihr schwierige Charaktere? Ich habe bisher nur über wenige Senatoren etwas erfahren können, teilweise auch nichts gutes. Und mit einem Senator selbst habe ich bisher ebenfalls nicht sprechen können."
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