“Chi, chi, huuuuu! Chi, chi, huuu!“
Die Frau saß vor Axilla auf dem warmen Mosaikboden, wie sie selbst auch im Schneidersitz. Die Luft um sie herum war durchwebt von feuchtem, warmen Dampf, der die meisten Geräusche schluckte. Nicht, dass es viele gegeben hätte. In den Thermen war es geradezu beängstigend ruhig. Sicher tuschelten die Damen in den Becken und auf den Bänken miteinander, redeten und tauschten sich aus. Aber leise, kaum mehr als ein Wispern. Vorsichtige Worte hier, gehauchte Andeutungen da, verstohlene Blicke dort. Kein lautes Lachen beim Ballspielen, kein Gekicher in den warmbecken, kein erschrecktes Aufschreien bei den kalten Bädern oder den Sklaven, die einem auf Wunsch einen Eimer kühles Wasser überkippten, damit man sich säubern konnte. Es war einfach leise.
“Chi, chi, huuuu! Chi, chi, huuu!“
Naja, leise bis auf die Hebamme, die hier vor Axilla im Schneidersitz saß und sich beide Hände auf den unteren Bauch presste und meinte, Axilla müsse üben, wie man atmet! Sie atmete ja nur schon ihr ganzes Leben lang, aber anscheinend reichte diese Tatsache nicht aus, um genügend Praxiserfahrung für eine Geburt zu sammeln.
“Nun mach schon, Iunia. Schön in den unteren Bauch atmen und die Atemzüge spüren. Chi, chi, huuuu! Zweimal kurz und schnell, und dann ein langer ganz tief aus der Lunge ausatmen. Chi, chi, huuuu!“
Es muss nicht erwähnt werden, wie dämlich Axilla sich dabei vorkam. “Chi, chi, huuuuuuuuu“, machte sie pflichtschuldig mit und bemühte sich, dabei nicht die Augen zu verdrehen.
“Nein, nein, Herrin. Nicht so gepresst. Ruhiger“, mischte sich jetzt auch Salvia Pulchra ein. Ihr Sohn spielte gerade sehr vergnügt mit einem kleinen Holzpferdchen, das er seiner Mutter immer wieder mit einem “Adda!“ zeigte und daraufhin grinste. Wobei Axilla noch nicht dahintergekommen war, ob das nun soviel wie 'Mutter' oder 'Pferd' heißen sollte, oder auch einfach nur 'Schau mal'.
Axilla sah ihre erwählte Amma einmal beleidigt an. Musste die ihr so in den Rücken fallen? “Aber ich mach doch chi-chi-huuu!“ beschwerte sie sich laut genug, um kurz ein wenig Aufmerksamkeit der anderen Damen im Bad zu haben. Was in dieser gespenstischen Stille aber auch nicht besonders schwer war. Zumal eine schwangere junge Frau mit einem runden Babybauch ohnehin immer einiges an Aufmerksamkeit genoss, die Axilla gar nicht haben wollte. Nicht nur eine Frau hatte sie gefragt, ob sie den Bauch einmal berühren dürfe, als würde das besonders viel Glück bringen. Aber sie schämte sich für diese Kugel, die sie vor sich hertrug, und wünschte sie sich meistens am liebsten einfach weg. Sie wollte ihren flachen Bauch unter den kleinen Brüsten wieder, und nicht diesen Ball da unter den beiden Äpfeln! Natürlich nicht immer. Das Kind bewegte sich jeden Tag in ihr, und da gab es mehr als nur Momente, in denen sie jetzt schon ganz vernarrt in es war und es einfach genoss, dazustehen, eine Hand auf ihren Bauch zu legen und sogar mit dem Kind in ihr zu sprechen, als könne es sie hören. Das war natürlich totaler Mumpitz, das wusste sie selber. Ein Kind lebte erst nach seiner Geburt, davor war es ganz in den Händen der Götter. Und danach auch noch lange Zeit. Aber trotzdem wollte Axilla doch ihre alte Figur möglichst schnell wiederhaben und wünschte sich mit jedem Tag mehr, dass das alles schon vorbei wäre.
“Ja, aber du musst in den Bauch atmen. Damit du deine Wehen wegatmen kannst.“
Die Frau legte ihre Hand ungefragt auf Axillas Bauch und drückte leicht daran herum, wie sie es oft tat. Ihre Hände waren warm und sehr klein. Gar nicht rauh, wie man das bei einer Frau ihres Alters – sie war bestimmt schon 50! - erwarten könnte. Und trotz des Drucks eigentlich ganz angenehm.
“Aber ich atme doch!“
“Dann atme nochmal, diesmal in den Bauch!“ Axilla hatte noch nie eine so resolute und unnachgiebige Frau kennengelernt. Es war ihr total gleichgültig, was die Iunia sagte! Nichts konnte sie aus der Ruhe bringen! Sie war nicht kalt, nicht abweisend, sondern einfach nur... ruhig. Das war unheimlich.
“Chi, chi, huuuuuu! Chi, chi, huuuu!“ atmete Axilla also wieder, strengte sich diesmal besonders an und verkniff sich böse Bemerkungen. Wenngleich sie sich den bösen Blick nicht verkneifen konnte.
Die Frau drückte noch ein wenig an ihr herum, lobte sie, wenn sie ihrer Meinung nach tief genug atmete, oder wies sie an, tiefer zu atmen und sich zu entspannen, was gar nicht so einfach war.
Gegen Gesellschaft habe ich nichts einzuwenden