[Ausbildung] Lucius Artorius Severus

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg "Also gut", begann Optio Quintus Bruttius Structus die nächste Übung. "Das Scutum ist groß genug, um euch ausreichend Schutz vor gegnerischen Schlägen und Stichen zu bieten. In der Schlachtlinie werdet ihr damit einen Wall bilden, den der Feind nicht zu überwinden vermag, wenn ihr euch nicht wie unfähige Weiber anstellt." Kurz funkelte es in Bruttius Structus' Augen, als er an den vergangenen Feldzug gegen die Blemmyer zurückdachte, der seinen Höhepunkt in der Schlacht um diese Oase fand, diese vermaledeite Oase, die sie so dringend erreichen mussten um ihre Wasserschläuche aufzufüllen. Der Optio erinnerte sich noch sehr gut, wie er selbst hinter seinem Scutum Schutz gefunden hatte vor den Klingen und Pfeilspitzen der Wüstenhunde.


    "Der Gladius ist optimal für den Nahkampf auf engem Raum ausgelegt. Ihr führt es stichartig rechts am Scutum vorbei oder über das Scutum von oben herab. So könnt ihr entweder die entblößte Seite eures Gegners oder sein Gesicht treffen. Ich will, dass ihr diese Bewegungen nun laaangsam übt. Immer abwechselnd sticht der eine von euch zu und der andere schützt sich mit dem Scutum. Und wehe, einer von euch Trotteln lässt sich hier direkt ein Auge ausstechen, immerhin sind das nur klobige Holzschwerter." Der Optio warf einen Blick auf die Tirones, die sich bereitmachten und befahl dann: "Ausführen!" Nun schlenderte er zwischen den Paaren umher und besah sich die ersten Versuche.

  • Severus verstand die Fechtweise sofort. Das war schon perfekt aufeinander abgestimmt. Mit Bewunderung für die Perfektion bei der Anwendung der Stoßwaffe versuchte er sein Können, indem er seinen Schild etwas schräg hielt und an der Seite vorbei auf Marcus Aemilius Lepidus einstach. Die ersten Hiebe trafen seinen Kommilitonen hervorragend. Lepidus war noch etwas überrascht, ging aber bald zum Gegenschlag über. Nun mußte Severus hinter seinem Schild in Deckung gehen. Er versuchte den Angriffen Lepidus' hinter seinem Schutz zu entgehen. Doch Lepidus war auch geschickt mit seinem Holzschwert. Severus spürte mehrmals, wie er ihn traf. In einer Schlacht wäre er jetzt wohl übel dran gewesen. Zum Glück war es eine harmlose Übung auf dem Campus. Severus versuchte wiederum oben über die Schildkante hinweg mit dem Schwert auf Kopfhöhe, Lepidus einige Treffer beizubringen. Beide schenkten sich nichts und trafen mehrmals. Obwohl sie sicher noch unbeholfen bei ihren Stichübungen aussahen, fühlte sich Severus sehr wohl dabei, es hatte für ihn ein wenig Wettkampfcharakter. Das lag ihm. Die Waffenübung gefiel Severus.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg "Na, das sieht für's erste ja gar nicht so schlecht aus", bemerkte der Optio. "Wenn es einmal richtig eng wird, könnt ihr auch unter dem Scutum her die ungeschützten Füße eures Gegners treffen. Seid jedoch vorsichtig, denn euch kann es genauso gehen, wenn ihr nicht aufpasst. Seid also immer darauf bedacht, die Bewegungen des Feindes im Auge zu behalten, denn blind hinter dem Scutum Schutz zu suchen hilft euch auch nicht weiter."
    Mit dieser Information ließ Optio Bruttius die Männer noch einige Zeit weiter üben, dann unterbrach er den Übungskämpfe und ließ Wasser herumreichen. Als alle Rekruten versorgt waren, ließ er sie in Linie antreten.
    "Als kleine Verschnaufpause wollen wir jetzt ein bisschen Theorie machen. Wer kann mir denn nun mal genau sagen, wie sich eine Legion zusammensetzt? Welche Einheitengrößen gibt es und wie heißen sie?"
    Er sah sich suchend um und hatte auch gleich seinen Alleswisser im Blick.
    "Tiro Artorius, lass mal hören."

  • Mmmmmh, das war schwer. Ganz sicher war sich Severus nicht, er sammelte aber zusammen, was er wußte und leitete sich den Rest analytisch ab. Laut sprach er: "Jawohl, Optio Bruttius. Die römische Legion setzt sich aus zehn Kohorten zusammen. Jede hat etwa sechs Centurien mit rund 80 Mann. Außer die erste Kohorte, die ist größer. Die Centurien gliedern sich in Contubernia, das sind die kleinsten Einheiten mit acht Mann der Zeltgemeinschaft. Wir gehören zur Cohors II, Centuria II, Contubernium I. Und dann gibt es noch die Kavallerie, die in Turmae gegliedert ist. Das sind nicht mal 130 Mann, also gegenüber den richtigen Legionären gar nicht so viele... Die brauchen wir aber für die Aufklärung und als Melder." Bei den mit amüsantem Unterton vorgetragenen Angaben zu den Eques mit kleinem Seitenhieb auf die Kavallerie machte sich Heiterkeit unter den Rekruten breit. Einer der Kommilitonen mußte dabei laut lachen.

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    "Klingt ja schonmal nicht schlecht", bemerkte der Optio. Der Tiro Artorius hatte die Struktur einer Legion schon ganz gut verstanden. "Aber ein Haufen Milites kann nicht einfach kopflos in den Kampf marschieren. Wie setzt sich denn die Führung des Heeres zusammen? Wer kommandiert diese Vielzahl an Soldaten? Und gibt es auch noch andere Personen, die sich im Dunstkreis einer Legion aufhalten?" Der Optio warf einen allgemeinen fragenden Blick in die Reihen. Es war diesmal nicht konkret Artorius Severus gefragt, aber Bruttius hätte wohl auch nichts dagegen, wenn dieser erneut antwortete.


  • Warum immer Severus? Er hielt sich zurück. Sollten die anderen doch auch mal was dazu sagen. Sein Freund Marcus Aemilius Lepidus wagte sich aus der Deckung, geriet aber bei seinen Ausführungen zum Stab bei den tribuni angusticlavii durcheinander und wurde durch den Optio zu einer Runde um den Campus verdonnert. Jetzt traute sich erst recht keiner mehr vor.
    Der Optio ging die Reihe seiner Rekruten ab. Keiner brachte den Mut zu einer Antwort auf? Der nervöse Tiro, der sie schon über die ganze Ausbildung hinweg immer wieder in Verlegenheit gebracht hatte, wurde durch den Optio prüfend angeschaut und war als nächster dran, bekam aber außer stammelnden und unverständlichen Worten keine Antwort zustande, bemerkte die ungehaltene und zornige Miene seines Ausbilders und war danach völlig verunsichert. Er machte sich dadurch nicht beliebter in den Reihen seiner Kameraden und wohl auch nicht in den Augen des Ausbilders. Auch er wurde unsanft um den Campus geschickt.
    Abermals schaute der Optio ungeduldig in die Runde. Wenn nicht bald etwas geschah, gab es sicher wieder einige Strafrunden um den Exerzierplatz für die ganze Mannschaft. Severus konnte in Strukturen denken und da er aus einer Familie mit langer Militärtradition kam, kannte er ein paar Dinge über die Organisation der Legion. Schließlich faßte sich Severus und entschloß sich zu einer Antwort: "Die Legion wird durch den legatus legioni befehligt. Sein Stellvertreter ist der praefectus castrorum. Das kann jeder Soldat unabhängig vom Stand werden. Mal sehen, ob einer von uns so weit kommen wird. Dann gehören zum Stab noch der tribunus laticlavius aus dem Senatorenstand und mehrere tribuni angusticlavii aus dem Ritterstand, die vom Legionskommandeur Aufgaben zugewiesen bekommen. Zum Stab zählt noch der primus pilus, der ranghöchste Centurio und Chef der ersten Kohorte. Die Kohorten führen die centuriones, jede Kohorte hat mehrere Centurien unter einem Centurio. Der Optio ist sein Stellvertreter und führt im Kampf wie im Lager die unterstellten Soldaten. Und dann gibt es noch den Tross, dem eine ganze Reihe von Leuten außerhalb der Legion angehören können." Severus hoffte, daß der Optio mit dieser Antwort zufrieden war und ihm zusätzliche Runden um den Campus bei der großen Hitze erspart blieben.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg Optio Quintus Bruttius Structus schmunzelte leicht, als der Tiro eine leise Hoffnung auf den Posten des Praefectus Castrorum in seine Antwort mit einfließen ließ.
    "Alles richtig", lobte er dann, als Severus fertig war. "Ergänzend ist jedoch zu sagen, dass nicht nur der Optio euch im Kampf anführt, sondern auch der Centurio. Woran erkennt ihr ihn?" Der Optio pickte sich einen anderen Tiro aus der Reihe, der die korrekte Antwort gab. "An der crista transversa, dem quergestellten Helmbusch, genau", wiederholte Bruttius laut. "Und an der vitis, dem Rebstock, der euch ganz ordentliche blaue Flecken bescheren kann, wenn ihr hier nicht aufmerksam seid." Der Optio grinste verschlagen.


    "Einen speziellen Centurio hat Tiro Artorius jedoch vergessen", rief der Optio Bruttius dann jedoch und warf einen prüfenden Blick auf die Rekruten. "Wer kann mir sagen, um wen es sich dabei handelt?"


    Und dann stellte er noch eine weitere Frage: "Und worum handelt es sich bei den Immunes? Wer sind sie und was für Aufgaben haben sie?" Dabei bemerkte der Optio, dass die Rekruten langsam wieder zu Atem kamen. Es wurde Zeit für weitere Übungen, also würde er nach dieser Frage mit dem Gladius weitermachen.

  • Nachdem Marcus Aemilius Lepidus von seiner Strafrunde zurück war, hörte er bei seiner Ankunft an der Gruppe der Rekruten die Worte des Optio. Es ärgerte ihn, daß seine Antwort falsch war und er sich selbst diese Zusatzübung eingehandelt hatte. Und so wollte er seinen Fehler wieder gut machen und dem Optio zeigen, daß er sehr wohl über die Legion Bescheid wußte. Die Frage des Optio bot ihm eine Gelegenheit dazu: "Die Immunes sind befreit vom Tagesdienst und von schweren Arbeiten. Dafür sind diese Legionäre mit besonderen Aufgaben betraut, zum Beispiel als Bedienmannschaft bei der Artillerie oder bei der Wartung der Waffen oder als Schreiber im Stab oder in den fabrica oder als Sanitäter." Danach schwieg Lepidus, denn er konnte sich nur vorstellen, daß der Optio den primus pilus als besonderen Centurio meinte. Den hatte aber Severus bereits angesprochen. Das hatte aber offensichtlich der Tiro hinter ihm nicht mitbekommen, der nun ermutigt laut ausrief: "Der spezielle Centurio ist der primus pilus als Führer der ersten Kohorte und höchster Centurio. Er zählte zum Stab und bekommt besonders viel Geld für seine Arbeit. Das will ich auch mal werden." Ob er damit richtig lag oder ob der Optio einen anderen Centurio im Auge hatte, wußte Lepidus nicht. Zumindest trug er zur Belustigung bei. Sie würden bald erfahren, wen der Optio meinte.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg Dass der Artorius den Primus Pilus bereits mit aufgezählt hatte, war dem Optio offensichtlich nicht aufgefallen. Daher nickte er zufrieden, als er zwei richtige Antworten bekam.


    "Das klingt ja schon so, als wärt ihr nicht völlig nutzlos", erklärte er mit hochgezogenen Augenbrauen. "Nun gut, dann wollen wir mal mit den Übungen weitermachen. Da ihr ja nun wisst, wie ihr zustechen sollt, müssen wir zusehen, dass ihr Hänflinge auch die nötige Kraft in eure Angriffe setzen könnt. Deshalb wird eurer Programm der nächsten Wochen hauptsächlich eins sein: Kraftarbeit. Wir beginnen damit, das Zustechen an Übungspfählen zu wiederholen." Der Optio zeigte auf den Rand des Campus, wo etliche Holzpfähle in den Boden gerammt worden waren. "Mitkommen! Jeder nimmt Stellung vor einem Pfahl ein und dann zeigt ihr mal, wie viel Kraft ihr wirklich in eure Attacken setzen könnt." Denn dafür waren die Pfähle da. Die Rekruten sollten kraftvolle Stiche üben, ohne ihren Kameraden dabei die Augen zu zerquetschen.


    Als die Männer sich aufgestellt hatten, gab der Optio das Kommando. "Ich zähle an. Milites! Auf mein Kommando! Unus - duo - tres - quattuor - quinque - sex - septem..."
    Der Optio zählte bis zwanzig, dann ließ er die Rekruten im angezählten Takt selbst weitermachen. In Gedanken zählte er bis fünfzig mit. Dabei warf er kritische Blicke auf die Tirones, die sich an den Pfählen abrackerten.

  • Die Waffenübungen gefielen Severus. Er bearbeitete den Pfahl heftig mit seinem Holzschwert und stach mit aller Kraft darauf ein. Das machte ihm Spaß. So etwa hatte er sich die Legion vorgestellt. Nach einiger Zeit fanden seine Hiebe sogar das gewünschte Ziel. Es war halt doch alles eine Übungssache. Im vorgegebenen Takt des Optio traf sein Holzschwert immer wieder den Holzpfahl.
    Dabei merkte er aber auch bald, daß das ganz schön viel Kondition brauchte. Er war die Übung wohl etwas zu stürmisch angegangen. Dennoch stach er immer weiter auf den Holzpfahl vor ihm ein. Allerdings sahen seine Stiche nicht mehr ganz so schwungvoll wie am Anfang aus. Severus kämpfte nach einiger Zeit nicht nur gegen den Pfahl, sondern auch gegen seine stärker werdende Müdigkeit an. Das würde ihm morgen wieder ganz schön zu schaffen machen...

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg "Milites consistite!" befahl der Optio letztlich, als er genug gesehen hatte. Die Rekruten machten ihre Arbeit schon ganz gut, zumindest die meisten. "In aciem venite!" hieß es dann und im folgenden erklärte der Optio Quintus Bruttius Structus: "Da ihr jetzt eure dürren Ärmchen ein wenig mit dem Gladius belastet habt, kommen wir noch einmal zum Scutum zurück." Er ließ seinen prüfenden Blick über die Rekruten schweifen, dann befahl er: "Aber erstmal machen wir eine kurze Pause." Mit einem Grinsen entließ er die Männer, damit sie einen guten Schluck Wasser trinken und einen Augenblick verschnaufen konnten.


    Ein paar Minuten später zitierte der Optio die Tirones dann wieder zu sich und erklärte: "Tirones, nachdem ihr jetzt die Technik des Gladiusstoßes kennen gelernt habt und wisst, wie man den Feind mit dem Scutum abwehrt, möchte ich euch schonmal einen kleinen Einblick geben, wie gut diese Techniken im Kampfgetümmel funktionieren. Ihr bildet jetzt nochmal Paare. Stellt euch hier" - Bruttius Structus legte eine lange dicke Kordel in gerader Linie in den Sand des Campus - "gegenüber von einander auf. Die Übungsgladii braucht ihr jetzt nicht, nur das Scutum."


    Der Optio wartete einen Augenblick, bis sich alle entlang der Linie aufgestellt hatten, dann fuhr er fort. "Sobald ich den Befehl gebe, hebt ihr euer Scutum hoch und drückt so stark wie möglich gegen das Scutum eures Kameraden. Versucht ihn so weit zurückzudrängen, dass ihr es auf seine Seite der Kordel herüberschafft. Wer am häufigsten verliert, läuft fünf Strafrunden um den Campus!"


    Kurz hielt der Optio inne und ließ die Rekruten sich mental auf die Aufgabe vorbereiten. Dann erschall auch schon das Kommando.
    "Scuta sursum! Age!" *



    Sim-Off:

    *Schilde hoch! Los!


  • Die Pause war dringend nötig. Die Übungen am Holzpfahl hatten Severus eine ganze Menge Kraft gekostet. Dabei war er selbst schuld, er war alles zu hastig angegangen. Vor allem das mühsame Einstechen mit dem Schwert in der Hand über dem Kopf war ganz schön ermüdend. Daher war seine Begeisterung über das befohlene Kräftemessen mit dem Scutum eher zurückhaltend, obwohl diese Übung mit Wettkampfcharakter eigentlich sogar Spaß machen konnte. Aber es half ja nichts und so stellte er sich mit seinem Scutum gegenüber seines Freundes Lepidus auf.
    Lepidus hatte sich ja bereits eine gesonderte Strafrunde um den Campus eingehandelt und war keineswegs bereit, noch weitere auf sich zu nehmen. Auf den Befehl des Optio hin ging die Übung los. Da er sich seine Kräfte im Gegensatz zu Severus beim Holzpfahl besser eingeteilt hatte, war Lepidus klar im Vorteil und schob Severus bereits im ersten Anlauf über die Linie. Beim zweiten Versuch hielt Severus kräftig dagegen und konnte sogar Boden in Richtung seines Freundes gutmachen. Als Lepidus sich noch mal gegen den Ansturm von Severus aufbäumte, waren sie wieder an der Ausgangslinie. Jetzt gewann Lepidus die Initiative und schob Severus allmählich zurück bis er wieder über der Linie war. Beim dritten Anlauf krachten die Schilde hart aufeinander. Keiner gab nach. Diesmal schaffte aber Severus den Schritt über die Linie. Allerdings merkte er, daß ihm das Scutum allmählich verdammt schwer wurde. Da ging Lepidus mit einem neuen Versuch gegen seinen ermüdeten Kommilitonen an. Severus stemmte sich mit aller Kraft dagegen. So rangen sie einige Male hin und her.
    Obwohl Severus einige Achtungserfolge erringen konnte, hatte er gegen Lepidus letztlich keine Chance. Nachdem er Severus zum fünften Mal über die Linie gedrückt hatte, gab der Optio, der sie beobachtet und aufgepaßt hatte, unbarmherzig den Befehl zu den angedrohten fünf Strafrunden um den Campus.
    Severus machte sich auf den Weg. Sein schlapper Lauf verriet, daß er die meiste Kraft aufgebraucht hatte. Immerhin fand er sich nicht alleine auf seinen Strafrunden wieder, er drehte im Kreis seiner Kameraden seine Runden, wenn er auch nicht der schnellste war. Das war ihm aber mittlerweile recht egal. Hoffentlich hatte der Ausbildungstag bald ein Ende, Severus war inzwischen ziemlich fertig.


  • Severus hatte sich noch nicht so richtig von den Anstrengungen des letzten Ausbildungstages erholt und war noch völlig mit seinem unangenehmen Muskelkater in den Oberarmen beschäftigt. Jetzt bekam er die Einweisung in eine neue Waffe. Aus der Reihe seiner Kommilitionen wagte sich Aulus Iulius Rufus, ein intelligenter Junge aus Hispania, auf die Frage des Optio hervor: "Das Pilum ist der Wurfspeer der Legion. Der Speer wird aus der Formation auf anstürmende Feinde geschleudert und soll sie dezimieren bevor sie die eigenen Linien erreichen. Beim abgefeuerten Pilum verbiegt sich nach dem Auftreffen die Spitze, so daß der Gegner in jedem Fall ein Problem hat: entweder ist er tot oder er hat den Speer im Schild und kann nicht mehr optimal kämpfen. Außerdem kann er unsere Pila nicht mehr selbst nehmen und gegen die römischen Soldaten einsetzen." Für Severus klang das überzeugend, mal sehen was der Optio dazu meinte. Wahrscheinlich standen jetzt Wurfübungen mit dem Pilum an. Das kam ihm gerade gar nicht gelegen, weil ihm die dafür benötigten Oberarme immer noch zu schaffen machten. Man konnte wohl nicht immer gewinnen...

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg "Verdammt richtig, Tiro! Der Feind ist nach einer ordentlichen Speersalve entweder tot oder schutzlos. Merkt euch das. Das Pilum reduziert den Schwung des Feindes und erleichtert es eurem Gladius, ihn abzustechen, wenn er vor euch steht. Seid also verflucht nochmal aufmerksam und hört auf die Befehle eures Centurios. Wenn es nämlich 'tollite pila' heißt, dann habt ihr keine Zeit mehr für Verschnaufpausen oder Träumereien!"


    Nach dieser kleinen Ansprache zeigte der Optio auf einen Haufen Holzgeräte. "Ihr nehmt euch jetzt je zwei von diesen Übungsspeeren. Die sind ohne Metallspitze, damit ihr euch in eurer Dummheit nicht noch gegenseitig kalt macht. Dann stellt ihr euch in drei Reihen hintereinander auf."


    Kritisch beäugte Bruttius Structus die Rekruten. "Auf mein Kommando wirft die erste Reihe ihren Speer, woraufhin der nachfolgende Mann seinen Speer nach vorn reicht. Der erste Mann wirft auf mein Kommando erneut und so weiter. Ihr werft, bis keine Speere mehr da sind. Verstanden?" Der Optio betete, dass diese Pfeifen seine Anweisungen verstanden hatten.


    Dann wartete er, bis die Rekruten sich Speere geschnappt und aufgestellt hatten.


  • Severus nahm sich einen Übungsspeer und wurde von seinen Kameraden in die erste Reihe gedrückt. Offenbar wollten sich die anderen auch nicht blamieren und erst mal im Hintergrund bleiben. Eigentlich hatte er das gleiche vorgehabt und wollte sich unauffällig nach hinten drängeln, aber irgendwie hatte er schon wieder verloren. Das war wohl nicht sein Tag. So stand Severus nun mit dem Pilum in der Hand in der ersten Reihe der angetretenen Rekruten und wartete auf die Anweisungen des Optio.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg "Also gut", begann Optio Quintus Bruttius Structus, als die Rekruten sich endlich aufgestellt hatten. Sonderlich motiviert zeigten die sich jedenfalls nicht, denn niemand wollte so richtig in der ersten Reihe stehen. Der Optio nahm selbst einen Übungsspeer zur Hand und rief: "Ich führe euch nun erstmal vor, wie ihr am sinnvollsten das Pilum schleudert, also passt gut auf!"


    Sogleich folgte das Kommando, das der Optio sich selbst gab: "Tollite pila!"
    Er hielt den Wurfspeer der Legionen nun über seinen Kopf, die Hand leicht zurückversetzt. Die Beine waren versetzt, die Last auf dem hinteren. So hielt er einen Moment inne, damit die Soldaten es gut sehen konnten.
    "Mittite!"
    Der gesamte Körper ging nach vorne, die Last verlagerte sich auf den vorderen Fuß, am Punkt des größten Schwungs ließ er los und das Pilum surrte durch die Luft bevor es mit einem leichten Krachen im Campusboden zwischen Staub und Grasbüscheln einschlug.


    "Ihr habt gesehen wie das Pilum geschleudert wird, jetzt probiert es selbst aus", kommentierte Bruttius das Geschehen und brüllte dann die Befehle, die die Rekruten gewiss schon nervös erwarteten.


    "Tollite piiilaaaa! ... Mittite!"


  • Das sah bei dem Optio so leicht aus, war aber doch viel schwerer als es aussah. Als Severus in etwa den nötigen Stand mit dem Pilum so einigermaßen gefunden hatte, versuchte er es dem Optio gleich zu tun, die Last nach vorn zu verlagern und sein Pilum möglichst mit dem größten Schwung zu schleudern. Der Speer flog zumindest ein paar Meter, um dann flach auf dem Boden zu landen. So wäre sicher kein Gegner verletzt worden, nicht mal beeindruckt oder verängstigt.
    Eilig nahm er sein Pilum wieder auf und stellte sich hinten an bis er wieder dran war. Diesmal klappte es schon besser, das Pilum flog aber gar nicht weit und krachte nur wenige Meter vor ihm in Boden den.
    Severus übte das noch eine ganze Weile, beim zweiten und dritten Mal flog der Speer schon ganz ordentlich, kam aber nicht weit. Als er bei einigen weiteren Würfen eine andere Haltung ausprobierte, kam das Pilum zwar gefährlich im Boden auf und hätte einem Angreifer sicher zu verstehen gegeben, daß es ab jetzt ungemütlich werden würde, es flog aber nur wenige Meter. Auf die Entfernung wäre jeder Feind bei ihm ehe er sein Schwert gezogen hätte.
    Nach einiger Zeit legte er seine ganze Kraft in den Wurf, wieder kam der Speer flach auf und rutschte schön weit über den Campus. Wie Severus sich auch bemühte, es wollte ihm nicht so richtig gelingen. Seine Kameraden stellten sich da besser an, Lepidus erhielt ein Lob des Optio, weil er sein Pilum beinahe schon formvollendet über den Campus geschleudert hatte. Severus war frustriert. Mit dem Schwert konnte er von Beginn an verhältnismäßig gut umgehen, mit dem Speer so gar nicht, der lag ihm überhaupt nicht.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg Die Rekruten führten die Wurfübungen einige Male aus, bis der Optio genug hatte. "Consistite! Da ihr jetzt alle ein gewisses Gespür für das Pilum bekommen habt, werden wir jetzt mal austesten, ob eure Oberarmmuskeln schon an Kraft gewonnen haben."


    Optio Bruttius grinste verschlagen. "Dort vorn seht ihr ein helles Rechteck auf dem Boden." Er wies auf eine Stelle etwa zehn, zwanzig Schritte von den Soldaten entfernt, wo zuvor ein Bereich mittels heller Wollbänder abgesteckt worden war.
    "Ihr stellt euch nun wieder in Reihen auf und werft auf mein Kommando. Wer das Rechteck nicht trifft, läuft eine Runde um den Campus."


    Der Optio sah die Rekruten eindringlich an und brüllte dann: "Und damit das klar ist: Die nächste Reihe wirft nicht, bevor ich nicht laut und deutlich das Kommando gegeben habe! Wer ohne Befehl das Pilum schleudert, gefährdet seine Kameraden aus der ersten Reihe, die noch ihre Speere zurückholen. Jeder, der so fahrlässig ist, erhält von mir seine gerechte Strafe!" Optio Bruttius hatte keine Lust auf Verwundete, auch wenn sie hier nur mit Übungsspeeren hantierten.


    "Also los. In tres ordines venite!"


    Einen Augenblick wartete der Optio ab, bis sich die Milites hastig in drei Reihen aufgestellt hatten. Dann gab er den Befehl zum Wurf.


    "Tollite pila! ... Mittite!"


    Die Speere flogen und prallten zu Boden. Der Optio sah genau hin.


    "Einsammeln! Meldung machen. Wer hat nicht getroffen?"

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