[Ausbildung] Lucius Artorius Severus

  • Genau das hätte Severus gerne vermieden. Er hatte sich nach unzähligen Versuchen eingestanden, daß er das Pilum nicht so recht beherrschen konnte. Jetzt mußte er ausgerechnet ein bestimmtes Ziel mit der Waffe treffen, die ihm gar nicht lag. Das war heute nun wahrlich nicht sein Tag. Was ihm schon bald nach dem Aufstehen irgendwie klar war, wurde zur sicheren Gewißheit...
    Da Severus in der ersten Reihe stand, war er gleich zu Beginn dran. Auf den Befehl des Optio schleuderte er sein Pilum mit aller Kraft... Sein Speer ging allerdings abermals zu früh zu Boden und schrammte nur über den Boden gleitend noch die äußere Markierung des Zielgebietes. Der Wurf war schon wieder nichts und so mußte er völlig entmutigt dem Optio melden, daß er das Ziel mit seinem Pilum verfehlt hatte.
    Seit den ersten Tagen ihrer Ausbildung war ein nervöser Tiro immer wieder unangenehm aufgefallen und hatte die ganze Truppe mehrmals in arge Verlegenheit gebracht, da alle gemeinsam seine individuellen Fehler ausbaden mußten. Severus und seine Kameraden aus der ersten Reihe kamen gerade mit ihren Speeren aus der Wurfzone zu den übrigen Rekruten zurück und meldeten ihre Ergebnisse, als der nervöse Tiro noch vor einer Antwort des Ausbilders sein Pilum in ihre Richtung schleuderte. Zum Glück hatte er genug Kraft in seinen Wurf gelegt, so daß der Speer über die Köpfe seiner Kameraden hinwegrauschte und hinter ihnen in den Boden krachte. Einige hatten sich angesichts des heranrauschenden Speers auf den Boden geworfen und Deckung gesucht. Immerhin, das Rechteck hatte er getroffen. Aber das war genau der Fall, den der Optio überhaupt nicht haben wollte. Es war jedesmal dasselbe mit dem nervösen Kommilitonen. Severus war stinksauer, nicht nur, daß er sich wegen seines Wurfes auf eine Runde um den Campus einstellen mußte, jetzt gab es bestimmt wieder einen riesigen Ärger, den die ganze Gruppe zu spüren bekam.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg Prüfend ruhte der Blick des Optios auf den Anstrengungen der Rekruten. Die erste Reihe warf und viele schlugen sich ganz gut, einige vermasselten ihre Sache aber auch. Die Tirones, die nicht trafen, meldeten dies dem Optio artig. Bis dahin lief alles gut. Optio Quintus Bruttius Structus wollte schon den Befehl zum Strafrundenlauf geben, als dann plötzlich einer aus der Reihe tanzte.
    "Bona dea..." krächzte der Optio. Er war einen Augenblick lang perplex, dass überhaupt jemand so blöd gewesen war, seine Befehle zu missachten, bevor er sich zusammenreißen konnte. Und dann entdeckte er auch schon, wer der Übeltäter gewesen war.


    "TIRO, VENITE! PRONTO!" brüllte er mit wutverzerrtem Gesicht, wobei er sich energisch zwischen den anderen Rekruten auf den Übeltäter zu durchdrängte.


    "TIRO, WAS HABE ICH GESAGT?" schrie der Optio dann heraus, als der Rekrut angetreten war. Er gab dem armen Kerl keine Zeit zu antworten.
    "NIEMAND. WIRFT. BEVOR. ICH. DAS. KOMMANDO. GEBE. VERDAMMT NOCHMAL!"
    Quintus Bruttius Structus war rot angelaufen vor Zorn. An seiner Stirn pochte eine Ader und auch an seinem Hals sah man das Blut pulsieren.
    "WIE IST DEIN NAME, TIRO?"

  • Offensichtlich erschrocken von seiner eigenen Dummheit, die aber seine Kommilitonen zu ihrem eigenen Leidweisen schon lange nicht mehr überraschen konnte, sah der äußerst nervöse Tiro Optio Quintus Bruttius Structus rasend vor Wut direkt auf sich zu stürmen. Schon beim Anblick des rot angelaufenen, vor Zorn überschäumenden Ausbilders war der Rekrut völlig verzweifelt. Mit tief gesenktem Haupt ließ er die erste Haßtirade über sich ergehen, der Optio gab ihm ohnehin keine Gelegenheit zur Antwort.
    Nachdem sich Severus von dem ersten Schrecken ein wenig erholt hatte, sprach ihn sein Kumpel Lepidus schon an und murmelte ihm leise zu: "Wie kann man so blöd sein? Hier mußt Du sogar auf dem Campus gewaltig aufpassen, sonst wirst Du noch von den eigenen Leuten in der Ausbildung niedergemacht. Es darf nicht wahr sein! Der reißt uns schon wieder rein und lernt einfach nix dazu. Langsam bin ich es leid." Recht hatte er. Mitleid hatte Severus nun wirklich nicht mit ihm.
    Nachdem der Optio seinem ersten Ärger lautstark Luft gemacht hatte, brachte der nervöse Tiro nur sehr kleinlaut stammelnd seinen Namen raus: "...Publius ...Egnatius ...Murcus."
    Er zittert schon, da er sich wohl ausmalen konnte, daß es jetzt richtig dicke für ihn kam. Lepidus und Severus sahen sich innerlich schon weitere unendliche Strafrunden um den Campus laufen und stellten sich bereits auf einen späten Dienstschluß ein.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg
    "SCHNAUZE DA HINTEN!"
    Der Optio würdigte die Schwätzer nur eines kurzen Blickes, bevor er sich wieder seinem Opfer zuwandte.
    "PUBLIUS SCHEISSHAUFIUS MURCUS" schrie der Optio den nervösen Wicht an, um dann ein bisschen weniger brüllend, aber immer noch stocksauer, fortzufahren.
    "Wie kommst du kleiner MISTSACK darauf, meine Befehle zu missachten?! Habe ich nicht GLASKLARE Anweisungen erteilt? WAS geht bitteschön in deinem kleinen SPATZENHIRN vor?!"


    Tief atmete Bruttius durch und fasste sich wieder halbwegs, bis er wieder halbwegs klar denken konnte. Dann erteilte er Anweisungen, die niemanden hier sonderlich erfreuen würden. "Tirones, die Übung ist augenblicklich beendet. Jeder von euch absolviert jetzt vierzig Liegestütze zum Abschluss. Tiro....ARTORIUS! DU zählst mit!" Der Optio hatte einen Augenblick gebraucht, um sich den richtigen Mann auszugucken, bis er den achso klugen Typen aus der ersten Stunde entdeckt hatte. Der würde seinen Spaß haben beim Zählen und gleichzeitigem stemmen.
    "Und du, Tiro Egnatius, wanderst augenblicklich in den Karzer bis der Centurio informiert wurde. Mitkommen."
    Womit er den Tiro am Arm packte und bis zum Lagertor mitschleifte, wo er ihn den Wachen übergab, die ihn einbuchten sollten. Auf dem ganzen Weg über den Campus hatte er ein Ohr auf die Tirones, von denen besagter Artorius hoffentlich bis zum Ende durchzählte, wenn er nicht ebenfalls sein blaues Wunder erleben wollte.

  • Heute war ganz offensichtlich nicht sein Tag! Jetzt mußte Severus nicht nur die 40 zusätzlichen Liegestütze hinter sich bringen, die ihnen ihr nervöser Kamerad Publius Egnatius Murcus durch sein fahrlässiges Verhalten eingehandelt hatte, sondern sollte auch noch für die ganze Gruppe mitzählen. Das war noch viel anstrengender und kostete richtig Luft. Für viel Ärger blieb ihm aber nicht die Zeit, wollte er den ohnehin schon rasend zornigen Optio nicht noch mehr reizen. Also fackelte er nicht lange und begann mit den Liegestützen.
    So machten die Rekruten ihre Liegestützen unter lautem Mitzählen des Artoriers, der sich mehrfach gestraft vorkam: "Kommilitonen. Unus! Duo! Tres! Quattuor! Quinque! Sex! Septem! Octo!...." Bei jeder weiteren Übung fiel es ihm schwerer die Zahlen laut mitzusprechen. Etwa nach 25 Liegestützen ging der Schwung der ganzen Gruppe deutlich verloren und die Abstände zwischen den einzelnen Liegestützen verlängerten sich nun merklich immer zunehmend. Dennoch hielten alle unter großer Anstrengung durch. Der Wutausbruch des Optio hatte die Tirones eng zusammengeschweißt und war Auslöser für die Entwicklung einer Gruppendynamik. Keiner von ihnen wollte die Lage noch verschlimmern und dadurch den Zorn der ganzen Gruppe von ihrem nervösen Egnatier auf sich lenken. Außerdem hofften alle, daß der Optio dann ein Einsehen mit ihnen hatte.
    Bei der endlich letzten Übung rief Severus mit dem Gefühl der Erleichterung nochmals ganz laut aus: "... Quadraginta!"
    Severus hätte viel lieber noch ein paar Versuche mit dem Pilum unternommen. Jetzt war er völlig fertig. Als er nach Luft ringend auf seinem Rücken auf dem Campus lag und einen Moment verschnaufte, dachte er sich: "Wenigstens bekommt der jetzt auch eine ordentliche Strafe und ist im Carcer für einige Zeit aus dem Verkehr gezogen. Da kann er uns erst mal nicht schon wieder reinreiten." Das war zumindest eine beruhigende Aussicht und in gewisser Weise ein Lohn für die Anstrengung. Der Optio hatte einen Störfaktor beseitigt. Aber irgendwann würde er wiederkommen. Hoffentlich erst nach Ende der Grundausbildung.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg Nachdem Optio Quintus Bruttius Structus den Tiro beim Tor abgegeben hatte und sicher sein konnte, dass dieser bei seinem Centurio Aulus Trebellius Posca abgeliefert werden würde, kehrte er zum Campus zurück und bekam dort nach sehr genau mit, wie die verbliebenen Tirones die letzten zehn Liegestütze unter letzter Kraftanstrengung absolvierten.


    "In Ordnung, Tirones", sagte er in etwas versöhnlicherem Ton als zuvor. "Ich denke das war genug für heute. Jetzt gibt's erstmal Feierabend. Morgen früh Antritt zur selben Zeit wie heute. Und wehe einer von euch kommt zu spät!"


    Damit war der Ausbildungstag für heute abgeschlossen und die Rekruten konnten sich auf ihre Stuben zurückziehen. Etwas Ruhe konnte jetzt gewiss nicht schaden.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg Die Tage vergingen und die Tirones übten immer wieder mit Gladius, Scutum und Pilum. Mit jedem Tag erkannte Optio Bruttius leichte Verbesserungen, bei manchen mehr, bei manchen weniger. Zwar musste er natürlich immer wieder den Stock kreisen lassen, aber nicht mehr bei jeder Übung und auch nicht mehr bei jedem der Männer.


    "Heute", begrüßte er die Rekruten an einem weiteren der zahllosen Ausbildungstage, "werde ich euch in der Disziplin unterrichten, die ein römischer Soldat üblicherweise nicht gebraucht. Es geht um das Bogenschießen. Fragt mich nicht, welcher parthische Wurm den Bogen einst erfunden hat, aber unser schlimmster Feind hat den Umgang mit dem Bogen zur Perfektion gebracht. Weil der Bogen eine größere Reichweite hat als der Speer, will ich euch heute in den Grundlagen unterrichten."


    Er wies auf einige Strohballen, die etwas entfernt platzier worden waren. Auf einem Karren lagen dagegen Reflexbögen und Pfeile bereit. "Jeder nimmt sich einen Bogen und drei Pfeile!" befahl der Optio und erläuterte wenig später: "Kann mir jemand sagen, wann ein Legionär einen Bogen benutzt?"


    Der Vorfall mit Tiro Egnatius war nun bereits einige Zeit her und vielleicht schon vergessen.*


    Sim-Off:

    *Was nicht heißt, dass die Bestrafung nicht ausgespielt wird. Ich führe hier dennoch schonmal parallel die Ausbildung weiter fort.
    Ich habe übrigens im ersten Beitrag dieses Thread eine Ausbildungsübersicht eingefügt, wo du deinen aktuellen Stand immer kontrollieren kannst.

  • Seit Tiro Egnatius nicht mehr dabei war, lief die Ausbildung deutlich problemloser ab. Der Optio schien auch allmählich zufriedener mit den Leistungen seiner Schützlinge zu sein. Nachdem sich Severus einen Bogen und drei Pfeile genommen hatte, stellte er sich wieder zurück in die Linie. Die Frage des Optio konnte anscheinend niemand so recht beantworten. Jedenfalls stand er einige Zeit vor seiner schweigenden Gruppe. Irgendwann traute sich Severus dann doch mal vor, Ahnung hatte er nicht wirklich, aber wenn keine Antwort kam, wurden sie bestimmt wieder zu Liegestütze verdonnert: "Der Bogen wird eigentlich nur von den Auxiliareinheiten benutzt. Ein Legionär könnte ihn aber sinnvoll bei der Verteidigung von Befestigungen verwenden, zum Beispiel vom Wachturm aus. Mit dem Bogen kann die erste Welle Angreifer unter Feuer genommen werden, ehe sie auf Reichweite für das Pilum herangekommen sind. So können schon mal einige aufgehalten werden. Ansonsten könnte ihn ein römischer Legionär in Hand nehmen, wenn die gegnerische Stellung überrant, ein zurückgelassener Bogen daliegt und der Feind auf der Flucht ist, um ihn mit der größeren Reichweite beim Rückzug zu bekämpfen. Oder einfach, wenn die Legion auf weitere Entfernung kämpfen soll und die Artillerie nicht eingesetzt wird."

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg "Hmm", brummte der Optio stirnrunzelnd. "Das mit der Verteidigung ist richtig. Im Feld wird der Bogen nur von Hilfstruppen benutzt. Meistens sind das Syrer, die haben das irgendwie ganz gut drauf. Alles andere was du gesagt hast..." Der Optio wollte diesem Alleswisser von einem Artorius eigentlich nicht schon wieder Recht geben, deshalb ließ er es so aussehen, als wäre er nicht ganz zufrieden. "Als Legionäre werdet ihr den Bogen höchstens in die Hand nehmen, wenn ihr euer Lager verteidigen müsst und nicht auf eine ordentliche Anzahl Geschütze oder Hilfstruppen-Bogenschützen zurückgreifen könnt."
    Er holte Luft und begann dann in Lehrermanier vor den Rekruten auf und ab zu laufen. "Denn eines müsst ihr immer wieder verinnerlichen: Die Legion kämpft nicht auf Distanz! Ihr seid Nahkämpfer! Zwar schießt die Artillerie schon vor dem Getümmel tiefe Breschen in die gegnerischen Horden und auch eure Pila werden dem herrannahenden Feind schwer zusetzen. Aber das, worauf eure ganze Ausbildung abzielt, das ist der Kampf Mann gegen Mann mit Gladius und Scutum. Von Angesicht zu Angesicht. Ihr werdet den Atem eures Gegners spüren und sein Gebrüll, seine Flüche und Verwünschen über euch ergehen lassen. Dafür seid ihr hier, dafür bin ich hier."


    Kurz musterte Optio Quintus Bruttius Structus seine Rekruten, bevor er sie wieder ins Hier und Jetzt zurückholte.


    "Jetzt aber wird Bogenschießen gebübt, verdammt nochmal! Jeder stellt sich jetzt gegenüber eines Heuballens und gibt einen ersten Schuss ab. Ich will sehen, wie viel Talent oder rudimentäres Können ihr schon habt! Na los doch!"

  • Bogenschießen? Davon hatte Severus nicht mal den Hauch einer Ahnung. Lepidus hingegen hatte schon mal mit einem Bogen geschossen und zeigte ihm die wesentlichen Griffe. Als Lepidus seinen Bogen spannte, das Ziel visierte und seinen Pfeil abfeuerte, schaute Severus beeindruckt zu. Das würde er wohl mit solcher Perfektion nicht hinkriegen. Der Pfeil traf auch prompt fast mitten in das gewünschte Ziel.
    Jetzt unternahm Severus seinen ersten Versuch. Er versuchte, Lepidus nachzueifern, spannte den Bogen, wobei für ihn bereits fragwürdig war, wie er den Pfeil und den Bogen mit einer Hand gleichzeitig unter Kontrolle halten sollte. Nachdem er den Heuballen anvisiert hatte, ließ er den Pfeil auf das Ziel los. Sein Geschoß sauste auf den Heuballen los, fand seinen Weg aber nicht in das gewünschte Ziel, sondern blieb an der unteren Kante des Heuballens stecken. Zumindest hatte Severus den Heuballen getroffen. Er war mit seinem ersten Versuch einigermaßen zufrieden. Das war natürlich auch eine Frage der Übung.
    Eine andere Frage war, was der Optio davon hielt, der während seiner ersten zaghaften Gehversuche hinter Severus stand und seine Versuche im Bogenschießen äußerst kritisch beobachtete.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg "Hmm", brummte der Optio wiederum stirnrunzelnd. "Das sah ja schon fast ordentlich aus", quittierte er die Leistungen der Rekruten.


    "Tiro Artorius, gib mir deinen Bogen", befahl der Optio daraufhin dem Tiro, der ihm gerade am nächsten stand. Er ließ sich den Reflexbogen des Artoriers angeben und ließ sich zusätzlich von einem anderen Tiro eine handvoll Pfeile anreichen.


    "So, alle mal herschauen!" Quintus Bruttius Structus hob den Reflexbogen in die Höhe und visierte den Heuballen an, der Severus bereits als Ziel gedient hatte. "Wenn ihr den Bogen spannt, achtet darauf euren linken Arm kräftig durchzustrecken. Damit müsst ihr Stabilität erzeugen, um sicher zielen zu können. Wenn der linke Arm zittert, werdet ihr kein Scheuentor treffen!" Daraufhin spannte er den Bogen, hielt ihn einen Augenblick lang wie beschrieben, so dass jeder hinsehen konnte.


    Dann entspannte er sich wieder und erläuterte weiter: "Die Sehne haltet ihr mit Zeige- und Mittelfinger. Zwischen die beiden Finger legt ihr schließlich den Pfeil, bevor ihr den Bogen spannt." Der Optio nahm sich nun einen der Pfeile und legte ihn wie beschrieben an. Dann spannte er erneut den Bogen, wobei der Pfeil gerade anlag. "Achtet auf meine linke Hand. Sie stabilisiert nicht nur den Bogen selbst, sondern auch den Pfeil, der vorne aufliegt."


    Jetzt visierte der Optio wieder den Heuballen an und zog die Sehne bis hinter sein Ohr. Beim Sprechen merkte man ihm nun bereits eine gewisse Anstrengung an. "Wenn ihr volle Kraft in euren Schuss legen wollt, spannt die Sehne voll durch. Eure Muskeln müssen brennen, sonst kommt der Pfeil nicht weit." Er blinzelte die Tirones an und versuchte einen Blick auf ihre Gesichter zu erhaschen. Hoffentlich passten die Pfeifen alle ordentlich auf.


    "Und dann...lasst ihr euren Pfeil losschnellen, auf dass er eures Gegners Rüstung durchschlagen möge!" Gesagt, getan. Der Optio ließ los und der Pfeil zischte - pfeilschnell, wie man so schön sagt - durch die Luft. Mit einem dumpfen Geräusch traf er den Heuballen halbwegs mittig.
    "Ihr seht", fuhr der Optio direkt fort, "dass ich nicht der beste Bogenschütze bin. Aber das muss ich auch nicht sein! Wir sind Legionäre. Merkt euch dies, Männer: Ihr benutzt den Bogen nur im äußersten Notfall. Eure Bestimmung ist der Nahkampf mit Gladius und Scutum."


    Optio Bruttius gab Severus seinen Bogen zurück und klatschte dreimal in die Hände. "Also los, jetzt tut es mir nach. Jeder hat drei Versuche. Achtet nicht so sehr auf das Ergebnis eures Schusses. Ich will, dass ihr erstmal die Technik verinnerlicht."

  • Nachdem die Rekruten nun seit Wochen hauptsächlich vom Optio Quintus Bruttius Structus ausgebildet worden waren, begrüßte sie an diesem Tag ausnahmsweise ihr Centurio Aulus Trebellius Posca höchstpersönlich auf dem Exerzierplatz.


    "Guten Morgen meine Vögelchen", flötete er bestens gelaunt. "Ich habe euch heute in voller Kampfmontur antreten lassen, weil ich euch endlich den Grund für die Exzellenz des Exercitus Romanus beibringen werde: Den Formationskampf!" Mit strahlendem Lächeln sahen Poscas blitzende Schweinsäuglein die Tirones an.
    "Wer von euch Jüngelchen kann mir erklären, was für Formationen die Legion in der Schlacht anwendet?" Fragend suchte sein Blick den Tiro, der sich zuerst meldete.



  • Nachdem er den Bogen wieder zurück erhalten hatte, versuchte Severus die Anweisungen des Optio umzusetzen. Den linken Arm mußte man also durchstrecken. Er hielt den Reflexbogen mit links so fest er konnte. Tatsächlich, das Ziel ließ sich viel besser anvisieren. Nun zog er mit aller Kraft die Sehne mit dem Pfeil nach hinten, so stark, daß er fast Angst hatte, der Bogen würde mit nach hinten gerissen. Das zog ganz ordentlich im Oberarm. Nachdem Severus sein Ziel fixiert hatte, zog er noch mal mit aller Kraft die Sehne nach hinten und ließ dann den Pfeil durch die Luft sausen. Die Erläuterungen seines Ausbilders waren doch sehr hilfreich. Severus hatte zwar den Heuballen getroffen, lag aber immer noch weitab von der Mitte. Immerhin, das schien schon viel besser zu laufen. Beim dritten Schuß traf er dann die Mitte und sogar fast den von ihm gewünschten Punkt. Severus war ganz zufrieden und konnte sich ein breites Lächeln als Ausdruck seines inneren Triumphes nicht verkneifen.

  • Zitat

    Original von Aulus Trebellius Posca

    Zitat


    Nachdem die Rekruten nun seit Wochen hauptsächlich vom Optio Quintus Bruttius Structus ausgebildet worden waren, begrüßte sie an diesem Tag ausnahmsweise ihr Centurio Aulus Trebellius Posca höchstpersönlich auf dem Exerzierplatz.


    "Guten Morgen meine Vögelchen", flötete er bestens gelaunt. "Ich habe euch heute in voller Kampfmontur antreten lassen, weil ich euch endlich den Grund für die Exzellenz des Exercitus Romanus beibringen werde: Den Formationskampf!" Mit strahlendem Lächeln sahen Poscas blitzende Schweinsäuglein die Tirones an.
    "Wer von euch Jüngelchen kann mir erklären, was für Formationen die Legion in der Schlacht anwendet?" Fragend suchte sein Blick den Tiro, der sich zuerst meldete.


    Es mußte ein besonderer Tag sein, wenn der Centurio plötzlich die Ausbildung übernahme. Hoffentlich war das ein gutes Zeichen. Also nun würde die Formationsausbildung beginnen. Auf die Frage nach den Formationen der Legion traute sich abermals zuerst niemand so recht vor. Nach einer Weile traute sich der Hispanier Aulus Iulius Rufus zu einer Antwort vor, er kannte eigentlich nur eine genau: "Die Schildkröten-Formation, Centurio. Die wird zu Verteidigung eingenommen, alle Legionäre schützen sich mit dem Scutum gegenseitig, um Angriffe von allen Seiten abzuwehren."

  • Zitat

    Original von Lucius Artorius Severus
    Nachdem er den Bogen wieder zurück erhalten hatte, versuchte Severus die Anweisungen des Optio umzusetzen. Den linken Arm mußte man also durchstrecken. Er hielt den Reflexbogen mit links so fest er konnte. Tatsächlich, das Ziel ließ sich viel besser anvisieren. Nun zog er mit aller Kraft die Sehne mit dem Pfeil nach hinten, so stark, daß er fast Angst hatte, der Bogen würde mit nach hinten gerissen. Das zog ganz ordentlich im Oberarm. Nachdem Severus sein Ziel fixiert hatte, zog er noch mal mit aller Kraft die Sehne nach hinten und ließ dann den Pfeil durch die Luft sausen. Die Erläuterungen seines Ausbilders waren doch sehr hilfreich. Severus hatte zwar den Heuballen getroffen, lag aber immer noch weitab von der Mitte. Immerhin, das schien schon viel besser zu laufen. Beim dritten Schuß traf er dann die Mitte und sogar fast den von ihm gewünschten Punkt. Severus war ganz zufrieden und konnte sich ein breites Lächeln als Ausdruck seines inneren Triumphes nicht verkneifen.


    http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg Die Tirones wiederholten die allgemeinen Schießübungen noch ein paar mal, dann ließ der Optio sie eine Weile Pause machen. Wenig später befahl er dann:


    "So, damit ihr jetzt auch lernt, wie man einem Gegner wirklich Angst und Schrecken einjagt, machen wir das ganze mal auf mein Kommando. Das heißt, ihr schießt in Salven. Und WEHE einer von euch Pfeifen schießt wieder ohne Befehl!


    Jeder nimmt drei Pfeile. In Reihe aufstellen und auf mein Kommando warten!"


    Der Optio ließ den Rekruten ein paar Augenblicke Zeit sich aufzustellen und alles vorzubereiten, dann brüllte er gut hörbar und in relativ kurzem Abstand dreimal in Folge:


    "Legt an!


    Zielt!


    Feuer!"


  • Alle nahmen sich Bogen und Pfeile und stellten sich wie befohlen in einer Linie auf. Auf den Befehl von Optio Quintus Bruttius Structus hin schossen sie alle ihre Pfeile ab. Das gelang natürlich wegen fehlender Übung noch nicht so recht synchron. Nach mehreren Versuchen durchfuhr den Himmel aber schon eine stattliche Zahl gleichzeitig abgefeuerter Geschosse, die dem Gegner wohl doch etwas Respekt abverlangt hätten. Angesichts des abschreckenden Beispiels von Publius Egnatius Murcus traute sich diesmal zumindest niemand ohne eine Weisung des Ausbilders zu feuern.

  • Zitat

    Original von Lucius Artorius Severus
    Es mußte ein besonderer Tag sein, wenn der Centurio plötzlich die Ausbildung übernahme. Hoffentlich war das ein gutes Zeichen. Also nun würde die Formationsausbildung beginnen. Auf die Frage nach den Formationen der Legion traute sich abermals zuerst niemand so recht vor. Nach einer Weile traute sich der Hispanier Aulus Iulius Rufus zu einer Antwort vor, er kannte eigentlich nur eine genau: "Die Schildkröten-Formation, Centurio. Die wird zu Verteidigung eingenommen, alle Legionäre schützen sich mit dem Scutum gegenseitig, um Angriffe von allen Seiten abzuwehren."


    "Verdammt richtig, die Testudo dient eurem Schutz!" pflichtete Posca bei. Allerdings lächelte er nicht und sah auch nicht zufrieden aus, als er ergänzte: "Aber wogegen schützt sie euch denn überhaupt? Kann die Testudo euch vor jedem Angriff bewahren, der auf euch zu kommt?" Seine Schweinsäuglein blinzelten listig und schienen einen der Rekruten fixiert zu haben. "DU!" brüllte er und zeigte mit seinem Wurstfinger in eine halbwegs genaue Richtung auf einen der Männer.

  • Der Centurio hatte sich mit Faustus Manius Pera genau den richtigen ausgesucht. Er war im Laufe der Ausbildung bislang nicht unbedingt als die hellste Leuchte unter den Rekruten aufgefallen. Obwohl ihn der Centurio nur so in etwa fixierte, fühlte er sich wohl angesprochen. Gleichzeitig fühlte er sich ertappt, da er keinen blassen Schimmer hatte und auch wenig Phantasie mitbrachte, um sich in Ansätzen aus der Affäre zu ziehen. "Die Testudo? ...Weiß nicht, wogegen sie schützt... Woher soll ich das wissen, Centurio?" Das war natürlich nicht die Antwort, die der Centurio hören wollte, aber zumindest ganz offen und ehrlich gesagt.

  • http://www.sai.uni-heidelberg.…vatare/Legionarius009.jpg Noch fünf weitere Male erklang das Kommando.
    "Legt an!


    Zielt!


    Feuer!"


    Und noch fünf weitere Male surrten die gefiederten Geschosse in Salven durch die Luft, schlugen mit dumpfem Geräusch in den Heuballen ein. Dann befahl der Optio eine Pause.


    "Ich glaub mein Schwein pfeift", johlte Optio Quintus Bruttius Strucuts. Die Rekruten hatten doch tatsächlich schneller gelernt, als er erwartet hatte. "Langsam zeigt sich, dass ihr wohl doch nicht völlig unbrauchbar seid!"


    Quintus' eindringlicher Blick traf die jungen Männer.


    "Tirones, fühlt ihr euch bereit, einen Feind im Verteidigungsfall mit dem Bogen in Plutos Reich zu schicken?!"


    Natürlich hatten sie hier nur einen ganz knappen Einblick in die Kunst des Bogenschießens erhalten. Aber der Optio wollte die Rekruten ja auch zu Legionären ausbilden und nicht zu Bogenschützen-Hilfstruppen.

  • "WAS WAR DAS?!?" platzte es aus Posca heraus. Er schnaufte und Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Das war ja wohl die Höhe.


    "Die Testudo schützt euch Waschlappen gegen jedweden verfluchten Feindbeschuss! Hast du gehört, Tiro? BESCHUSS!" Seine Schweinsäuglein fixierten den frechen Tiro gnadenlos. "Und kannst du mir auch sagen, Würstchen, warum das so ist?" Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. War das heute aber auch wieder heiß auf dem Campus...

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