Norditalia | Auf der Suche nach Verbündeten

  • Es hatte eine Weile gedauert, bis die Vorbereitungen für die Reise doch so weit gediehen waren, dass sie hatten aufbrechen können. Einige Tage nach seiner Ankunft hatten Ursus und Sextus erst die Zeit gefunden, noch einmal genauer zu reden, zu viele Dinge hatten sich dazwischen ereignet: Flora lebte und war mit dem Sohn des Tiberiers im Castell angekommen. Wobei Sextus ersterer Tatsache mehr abgewinnen konnte als letzterer. Da Flora ein Kind erwartete, hätten die Aurelier ohne den tiberischen Sprößling Anspruch auf das Vermögen seines Patrons anmelden können. Noch dazu, so sehr Sextus auch den Vorteil einer Märtyrerin erkannte, lag ihm nichts daran, seine Verwandtschaft abgeschlachtet zu wissen. Doch vielleicht würde sich mit etwas Glück noch eine Möglichkeit ergeben, etwaige Ansprüche des Adoptivsohnes von Tiberius Durus anzufechten. Sofern er das kommende überlebte. Und sofern die Aurelii es überlebten.
    Auch Flavius Gracchus war angekommen. Der Flavier hatte seine Familie rechtzeitig aus Rom fortschaffen können, was Sextus auch erleichtert stimmte. Selbst jetzt, wo Nigrina wohl gestorben war – ein Wissen, das Sextus für sich behielt. Seine Frau zu einer Märtyrerin zu machen, dazu würde sich Gelegenheit finden, um so die Flavier an sich zu binden und das Volk noch mehr von der Schuld des Vesculariers zu überzeugen. Bislang allerdings brauchte er die unverbrüchliche Unterstützung der Flavier, die auf Hochzeitsbanden beruhte. Daran jetzt zu rütteln wäre dumm gewesen – sah er auch Vorteile in der Quantität seiner Verbündeten und nicht nur deren Qualität.
    Der Bote mit der Nachricht über seine Frau gehörte zu den weniger positiven Meldungen und hatte eine Reihe an Handlungen erforderlich gemacht, die mehr Sextus' Aufmerksamkeit gefordert hatten und somit seinerseits längere Gespräche verschoben hatten. Nicht zuletzt hatte er aufgrund dessen Nachrichten an eine Vielzahl von Personen geschrieben, in der Hoffnung auf ein positives Echo oder zumindest der Vermeidung weiterer Schwierigkeiten.
    Als sein Vetter und er schließlich die Gelegenheit gefunden hatten, noch einmal über das ein oder andere Thema, das bei Sextus' Ankunft angesprochen war, zu reden, waren einige Tage ins Land gezogen. Reichlich Zeit, in der Sextus auch noch einmal hatte nachdenken können, so dass, als das Thema neuerlich auf den unabwendbaren Botengang zu den Truppen Germanias zu sprechen kam, Sextus diesmal einwilligte, sich auf den Weg zu machen. Nicht, weil er gerne dahin wollte – wer reiste schon gerne? - oder weil er sich in der Verantwortung zu seinem Vetter sah. Es war schlicht, dass er niemanden geeigneteren unter den verbliebenen Möglichkeiten sah. Zumindest niemanden, dem er die Verhandlungen unter den gegebenen Bedingungen vorbehaltlos zutraute. Gracchus war zu flavisch, der Tiberius zu jung und ohne Rückhalt. Abgesehen davon, dass Sextus bei letzterem insistiert hätte, jemand anderen zu schicken, wollte er doch in der vagen Hoffnung auf spätere Partizipation am tiberischen Restvermögen mittels seiner Cousine und ihrem Kind die Möglichkeit ausschließen, dass der Kerl sich einen Namen machte.
    Als Begleitung, um mit dem schwierigen Claudier zu verhandeln, hätte Sextus wiederum wohl auf Flavius Gracchus vertraut, doch hatte sich anderes ergeben.


    Der Vorteil dieser immer neuen Aufschübe lag dafür nun in der Möglichkeit, sich direkt nordwärts wenden zu können, und nicht erst weit in den Westen Italias reisen zu müssen, um an der Küste entlang an den Alpes vorbeizugelangen. Noch war das Frühjahr zwar nicht zu weit vorangeschritten, aber die Pässe sollten den Weg freigegeben haben. Und welcher Monat wäre besser geeignet, um Kriegspläne auf den Weg zu bringen, als der des Mars?
    Ursus hatte Sextus einige Männer als Eskorte mitgegeben. Ihre Gruppe war klein genug, um schnell voran zu kommen, aber groß genug, um nicht aufgehalten zu werden. Oder überfallen. Sextus schätzte den Gedanken sehr, in einem Stück zu dem Annaeer zu gelangen, ohne Zwischenfälle. Aber mehrere gerüstete und bewaffnete Personen schreckten wohl die meisten Räuberbanden ab. Auch Sextus hatte bequeme Reisekleidung gegen eine stärkere Bewehrung getauscht, sicher war sicher. Er wollte nicht offensichtliches Entführungsziel ihrer Gruppe sein, indem er aus der Menge herausstach.


    Der Weg führte also nordwärts. Verona ließen sie rechterhand liegen und wandten sich direkt der Straße nach in Richtung Mediolanum, von wo aus es nach Norden in die Alpes nach Clunia in Raetia gehen sollte, und von dort dann nordwestlich am Lacus Venetus und am Rhenus entlang bis nach Mogontiacum. So zumindest war der Plan. Den Sextus jetzt schon verabscheute, schloss er doch wochenlangen Aufenthalt auf einem Pferderücken ein - etwas, das Sextus für den Rest seines Lebens zu vermeiden gedachte.
    “Was meinst du, Centurio, wie lange, bis wir Gewissheit haben, ob die Pässe passierbar sind oder nicht?“ fragte Sextus den ranghöchsten seiner Reisebegleiter, bei welchem er sich hiermit um Konversation bemühte. Weniger aus Beschäftigungsgründen. Vielmehr wollte er den Mann kennenlernen, wozu die Reisezeit wohl ausreichend Gelegenheit bot, wenn sonst schon wenig positives. Immerhin musste er einschätzen können, inwieweit er vertrauenswürdig war, lag seine Sicherheit und der Verbleib seines Kopfes aus Sextus' Schultern doch maßgeblich in den Händen dieses Mannes, den Ursus zwar als vertrauenswürdig beschrieben hatte, was für Sextus allerdings noch nicht viel heißen musste.

  • Licinus hatte eine verdammt miese Laune.
    Wie sollte er eine solche auch nicht haben
    Das Lager seiner legio war beinahe zu einer Art sicheren Hafens für jene geworden, die der Ursurpator verfolgte. Nach Meldungen, die sie aus Rom erhalten hatten, stand dessen Kaiserproklamation kurz bevor. Die legio würde in naher Zukunft in Gefechtshandlungen verwickelt werden, dass galt ihm als sicher. Und wo war er? nicht da wo er hingehörte, nein, er war auf Reisen. Auf Reisen nach Germanien. Auf Reisen nach Germanien auf einem verfluchten Pferd, durch die verdammten montes Alpes.
    Und dann eine diplomatische Mission. Er sollte herausfinden, wie sich die nördlichen legiones positioniert hatten. Bravo! Wenn sie auf Seite des Vesculariers standen, dann konnte er sich ebenso gut selbst an einen Felsen ketten. Nicht, dass er Angst hatte, nein. Aber solcherlei Missionen, dass war frumentarier-Arbeit, dafür war er nicht geschaffen. Lieber stand er, mit seiner Truppe gegen eine mehrfache Übermacht, als solche Erkundungsmissionen zu unternehmen.
    Er warf einen misstrauischen Blick auf seinen Reisegefährten. Ein patrizier udn Verwandter des legatus. Die Sache war ja nicht schon gefährlich genug, er konnte nur hoffen, dass der Verwandte annähernd so brauchbar war, wie der legatus selbst. Aber er sah da schwarz, zu tief verwurzelt war das Misstrauen der einfachen Soldaten gegenüber den patrizischen tribuni. Insbesondere dem Schwachkopf, der zur Zeit diente. Ihr Götter, war der Kerl inkompetent. Das einzig gute an der Reise, er musste ihn nicht sehen.


    So hätte es noch stundenlang weitergehen können, hätte, ja hätte der Aurelier ihn nicht angesprochen.
    "Verona. Spätestens aber Tridentum."
    Das waren die Warteplätze für die Händler, bevor sie den Zug über die Alpen unternahmen, sobald das ging.
    "Aber eigentlich sollte es schon gehen."
    Ein wenig bekam man mit, wenn man für die Sicherheit des Bezirks indirekt zuständig war. Und nicht erst eine Straße hier geflickt hatte.

  • Der Drang, ein fragendes Gesicht zu machen, wurde von Sextus mit jahrelanger Übung unterdrückt. Eigentlich hatte er gedacht, sie wären an Verona schon vorbei, aber sich die Blöße, diese offensichtliche Fehleinschätzung durch eine Rückfrage offenzulegen, gab sich der Aurelius nicht. Er war Patrizier, Senator, im Moment offizieller Botschafter und Haruspex. Er konnte in die Zukunft sehen, glaubte zumindest die einfache Bevölkerung. Ganze vier Gründe, die ihn für alle anderen allwissend machen mussten. Also wusste er immer, wo man sich befand und was als nächstes zu tun war, selbst wenn er es nicht wusste. Wie jetzt.
    “Wollen wir es hoffen, eine Reise um die Alpes würde unsere Reise erheblich verlängern, und wir haben wahrlich schon genügend Zeit, die wir nicht haben, verplempert.“
    Sextus wusste, er würde den nächsten Vorschlag sicher bereuen. Seine Kehrseite hatte sich trotz der langen Warterei noch nicht wirklich vom letzten Ritt erholt, schien es ihm, denn nach kaum vier Stunden auf einem Pferderücken meinte er bereits wieder, jeden Muskel einzeln zu fühlen, nach einem Tag war er sicher. Wie er sich nach den Wochen der Reise fühlen würde, mochte er sich kaum vorzustellen. Er würde auf jeden Fall im Anschluss wohl wissen, an welchen Körperstellen man alles Hornhaut ausbilden konnte. Eine Frage, der er nie mit praktischer Forschung nachzugehen gedacht hatte.
    “Du bist der militärisch und praktisch Erfahrenere von uns beiden, daher bitte ich um diene Einschätzung: Inwieweit können wir unser Reisetempo steigern und wie ist deine Einschätzung über unsere Möglichkeiten, die Pferde zu wechseln? Ich möchte so bald als möglich in Mogontiacum ankommen, allerdings ist die Strecke lang und meiner Einschätzung nach sind unsere Ressourcen, was die Verfügbarkeit von Wechselpferden bei gleichzeitiger möglichst unauffälliger Reise anbelangt arg begrenzt.“

  • Sim-Off:

    Oh, sorry, deine Wegbeschreibung hab ich überlesen und hab uns dann über den Brenner schicken wollen. Der is wohl einer der ersten freien Pässe damals gewesen.


    Wären sie zu Fuß unterwegs gewesen, so hätte Licinus sagen können, dass sie selbst bei hohem Marschtempo mit 30 Tagen Reise rechnen mussten. Das waren die Entfernungen, die er kannte. Meilenzahlen interessierten ihn nicht, er maß Entfernungen in Marschtagen.
    Aber wie viel schneller waren sie zu Pferde. Doppelt? Dreifach? Oder doch nur anderthalb mal? Er wusste es nicht genau.
    Nehmen wir einmal an, sagte er sich, wir sind zu Pferde doppelt so schnell, als mit Infantrie und Tross. Dann wären wir bei 15 Tagen. Langsam fanden die Gedanken den Weg in seinen Mund anfangs noch leise gegen Ende dann deutlich fester:
    "Wir sind weniger, also keine langen Sammelphasen und kein Lager, nur Posten. Also können wir länger marschieren.
    Zehn bis zwölf Tage ungefähr, würde ich rechnen! Je nach dem, wie gut es über die Alpen geht."

    Wie sehr Pferdewechsel die Reise beschleunigen konnten, wusste er nicht. Er wechselte nie.

  • Sim-Off:

    Kein Thema. Ich bin bei der Wegbeschreibung einfach der Karte im Tabularium gefolgt, im festen Vertrauen darauf, dass die mit Punkten angedeutete Straße nicht nur hervorragend gezeichnet, sondern auch vom Kartenmacher so recherchiert war, ohne selbst zu recherchieren, was da denn nun heutzutage so genau liegt.


    Fast zwei Wochen auf diesem blöden Gaul zu sitzen war keine sehr erquickliche Aussicht. Auch wenn es Sextus so schon fast erwartet hatte, die Strecke bis nach Germania war verdammt lang. Ein Grund mehr, diesen von den Göttern vergessenen Fleck der Erde nicht unbedingt mit großen Sympathien zu beschenken. Nicht, dass es die seitens Sextus jemals besessen hätte oder auch nur die Chance gehabt hätte, selbige je zu erhalten. Außer als Lieferant für Bernstein, Sklaven, Kupfer und Land für gediegene Veteranen oder als Steuereinnahmequelle und Puffer gegen feindliche Volksgruppen sah er in dieser Provinz keinen Nutzen – was allerdings auf die meisten Provinzen so zutraf, die somit allesamt keine Sympathien für sich verbuchen konnten, außer in ihrer Existenz als solches zum Schutz und für den Reichtum des Römischen Reiches und damit letztlich seinem eigenen.
    Noch einmal bereute Sextus die Verknüpfung an Ereignissen, die diese Reise hier notwendig machten. Allerdings war er Realist genug, um ihre Notwendigkeit über persönliche Belange zu stellen und damit die Unbequemlichkeiten notgedrungen in Kauf zu nehmen. Im Endeffekt blieb ihm ohnehin nichts anderes übrig, und sich über unabänderliche Dinge aufzuregen war ineffizient. Sextus hasste Ineffizienz.
    “Gut“, war alles, was er zu den Ausführungen des Centurios zu sagen hatte. Er hatte keine durch Erfahrung qualifizierte Gegenargumentation, mit welcher er zustimmen oder widersprechen hätte können. Und wenn man keine Ahnung hatte, hielt man am besten einfach die Klappe.
    Das Pferd unter ihm lief einen ruckeligen Trab und schüttelte ihn dementsprechend durch. Allerdings konnten sie nicht die gesamte Strecke im Galopp dahinpreschen – und selbst wenn war jener nicht wirklich bequemer, eher noch anstrengender für die Beinmuskulatur. “Solange wir noch auf dieser Seite der Alpes sind, sollte mein Status als Haruspex Pferdewechsel einfach machen. Jenseits des etruskischen Einflussbereiches könnte es sich schwieriger gestalten“, philosophierte er, ohne wirklich ein Gesprächsthema darin zu finden, das ergiebig wäre. Sein Charme hatte in den letzten Wochen wohl arg gelitten, oder aber er fand keinen Bezug, diesen im militärischen Rahmen einzusetzen. Letzteres war sogar recht wahrscheinlich.
    Nach einer Weile des Dahinreitens beschloss er also eine andere Taktik. Eine offensivere, was ihm ein sichereres Grundkapital an Argumentation einbringen sollte. “Wenn du mir die Frage gestattest, Centurio Iulius: Ich hatte Gelegenheit, einige Iulier in Roma kennenzulernen. Bist du zufällig mit ihnen verwandt? Genauer war es ein gewisser Iulius Dives, ein junger Bursche von vielleicht zwanzig Jahren. Und selbstverständlich ist Senator Iulius Centho in Rom kein Unbekannter.“ Vor allem ob dessen Gefolgschaft an Salinator. Doch war die Frage so unschuldig und leichtzüngig von Sextus gestellt, dass man ihm beim besten willen nicht seine wahren Absichten daraufhin wohl unterstellen mochte. Und doch fragte der Aurelius aus einem Grund. Er musste diesem Mann neben sich vertrauen können, dass seine Loyalität gegenüber Aurelius Ursus größer war als eventuelle Loyalitäten zu seinen Verwandten, die bekennende Günstlinge des Usurpators waren. Er wollte sich auf dieser Reise nicht andauernd fragen müssen, ob er mit durchschnittener Kehle im Graben enden würde, weil dieser spezielle Iulius hier die Botschaft nach Germania lieber nicht überbracht wüsste.

  • Sim-Off:

    [SIZE=7]War schon, als es noch die alten Karten gab[/SIZE]


    Licinus drehte erstaunt den Kopf zur Seite, für einen Moment vergaß er sogar, dass sein Hintern schmerzte, obwohl sie noch nicht einmal einen Tag geritten waren. Und auch wenn er nur ungenau die Bedeutung der Haruspices kannte (was er hier mit Sicherheit nicht erwähnen würde), so musste er doch nachfragen:
    "Wie lange, glaubst du, würde es dauern bis es sich herumspricht, dass ein Haruspex in Begleitung eines Trupps Soldaten seine Pferde getauscht hat? Und verlass dich nicht auf Schweigeversprechen."
    Er sah sich bemühsigt, genauer zu erklären, worauf er hinaus wollte und seine Stimme troff vor Sarkasmus "Der Züchter teilt es unter dem Siegel der Verschwiegenheit dem Futterlieferanten mit, der seinem Nachbarn und bald weiß es das ganze Dorf. Natürlich alles unter dem Siegel der Verschwiegenheit.
    Ich denke, dieses Risiko sollten wir lieber nicht eingehen."


    Eien Weile später machte der Patrizier wieder einen Ansatz zur Konversation und sprach ihn auf seine Familie an. Warum diese Zivilisten nicht einfach mal schweigend marschieren konnten? Er erkannte nicht, dass er ausgehorcht werden sollte, da er selbst relativ naiv an die Sache heranging. Wenn der legatus sagte, sie konnten sich vertrauen, dann war das wohl auch so. Dennoch war er sogar für einen Soldaten kurz angebunden, was allerdings auf die mittlerweile heftigen Schmerzen in seinem Hinterteil zurückzuführen war.
    "Mir Iulius Centho stehe ich sporadisch in Briefkontakt, wobei der letzte auch schon wieder ewig her ist. Ein Iulius Dives sagt mir rein gar nichts."
    Zumindest konnte er sich spontan nicht an ihn erinnern. Wie es seinen Verwandten in Rom wohl ging? Wie sie sich in dem bevorstehenden Krieg positionieren würden? Interessanten und schwere Fragen. Sie führten ihm die Härte des Bruderkrieges wiederum vor Augen. Ihm graute vor dem Moment, in dem er sich einem bekannten Gesicht auf dem Schlachtfeld gegenüber sah.

  • Der Tonfall gefiel Sextus nicht wirklich. Natürlich würde das nicht geheim bleiben, wenn sie die Pferde tauschten und er dies aufgrund seines Status' besonders gut machen würden. Allerdings wie wahrscheinlich war es, dass sie unentdeckt blieben, wenn er dies nicht sagte? Ein Trupp Soldaten fiel so oder so auf, und jeder, der danach suchte, würde da Informationen bekommen, bei jedem Haus und jedem Hof, und erst recht bei den Stadtwachen der verschiedenen Städte, die sie zwangsläufig passieren mussten. Jeder Händler, den sie passierten, würde die Nachricht in das nächste Dorf weitertragen, wenn man ihn nur danach fragte. Wollte Licinus die alle einfach umbringen, um ihre Reise geheim zu halten? Amüsanter Gedanke. Eine Blutspur hinter sich herzuziehen wäre vermutlich noch auffälliger.
    “Dieser Logik folgend sollten wir alle Städte meiden und die Pferde gar nicht wechseln. Am besten noch nicht einmal die Straße benutzen“, spöttelte Sextus leicht, ohne wirklich abwertend zu werden. Er brauchte den Mann neben sich noch, er wollte es sich nicht gleich zu Beginn der Reise mit ihm verscherzen. Was auch immer die Not erforderte, war Gesetz. Seine Notlage erforderte es, einen Plebejer und seine Worte zu ertragen, also würde er sich daran halten und seine Laune für die Zeit bis zum hoffentlich erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen für sich behalten. Zumindest weitestgehend. “Letzteres allerdings wird für unser Vorankommen unabänderlich sein. Aber wenn es dich beruhigt, verzichten wir für die beiden Wochen auf sämtliche Annehmlichkeiten und halten uns so bedeckt wie möglich.“ Ein kleines Opfer für Sextus. Ein großes für seinen Hintern. Jener hasste den Gaul unter ihm jetzt schon besonders. Nicht, dass ein anderer unbedingt besser gewesen wäre. Aber zumindest bestand die vage Hoffnung, dass er es wäre.


    Die Ausführungen zur Verwandtschaft des Iuliers waren da schon recht ernüchternd. Sporadischen Kontakt mit Senator Iulius... Sextus beobachtete die Miene des Centurios genau bei dessen Antwort, konnte allerdings keine Anzeichen für zurückgehaltene Gedanken oder ein Erschrecken feststellen. Vielleicht sprach der Mann neben ihm sogar die Wahrheit. Was ihn zwar nicht unbedingt vertrauenswürdiger machte, aber eben auch nicht misstrauenswürdiger. Vielleicht wusste er wirklich nicht, auf welcher Seite sich der Senator wohl positioniert hatte. Und gänzlich fehlender Kontakt zu Iulius Dives bedeutete auch keinen persönlichen Groll gegenüber Sextus, weil dieser den jungen Bengel rausgeschmissen hatte, als der mit seiner lächerlichen Hafenverordnung bei ihm zuhause aufschlug und ihm damit auch noch drohen wollte.
    “Schade, es waren wirklich sehr erquickliche Gespräche“, meinte er halb scherzend, halb ernst. Das Gespräch mit Iulius Dives war auch auf seine eigene Art sehr erquicklich gewesen. Sextus diskutierte gern, vor allen Dingen, wenn er im Recht war. Auch wenn die Gesellschaft und das Thema damals weniger erfreulich waren. Doch da würde sich, sofern das hier alles wirklich sich so wenden sollte, dass er erstens überlebte (was unwahrscheinlich war) und zweitens am Ende auf der Seite der Sieger stand (was noch unwahrscheinlicher war) schon Gelegenheit finden, sich zu revanchieren.


    Sextus überlegte, ob er noch weiter das Gespräch in diese Richtung drängen sollte, aber der Iulius hielt seine Antworten alle sehr vage und knapp, schon seit dem Beginn des Gespräches. Vielleicht würde er im Laufe der zwei Wochen noch etwas auftauen, und Sextus könnte ihn besser aushorchen. Für den Moment schien der Iulius eher abgeneigt, was längere Gespräche anging. Entweder das, oder das Leben als Centurio machte einen wortkarg.
    Also beschloss Sextus, es erst einmal hierbei zu belassen. Sollte der Iulier Bedarf an Konversation verspüren, wusste er, wo er Sextus finden konnte. Für alles weitere hatten sie Zeit. Sextus musste nicht die gesamte Konversation zweier Wochen innerhalb von zweier Stunden abhandeln.

  • Machte der Kerl sich jetzt etwa lustig über ihn?! Licinus biss die Zähne zusammen und schnaubte einmal, was aber im Krach der schlagenden Hufe unterging.
    "Die Straßen werden wir brauchen, aber ansonsten ist das meiner Meinung genau das, was wir tun sollten."
    Und zwar genau deinetwegen. Der Mann sah einfach zu sehr nach einem Patrizier aus, um als Soldat durch zu gehen
    "Dass ein Trupp Kuriere hier geschlossen durchreitet und sich erst nach den Bergen aufteilt ist nichts ungewöhnliches." immerhin lagen sie hier ja an einer der Hauptverkehrsrouten zu den Rheinlegionen, denen in Britannia und sogar jenen an der oberen Donau.
    "Es ist sicherer, weil die Bergvölker es mit dem römischen Frieden nicht immer ganz so genau nehmen.
    Aber wie häufig werden die Leute einen Haruspex zu Gesicht bekommen?"

    Mit Mühe konnte er sich ein oberlehrerhaftes 'Aha!' verkneifen, aber er riss sich zusammen, allmählich bekam er nämlich die Befürchtung, dass er ohnehin zu direkt sprach und der Mann sich angegriffen fühlte.
    "Der Trupp Soldaten wird erst hinter den Bergen bewusst auffallen, ab da sollten wir tatsächlich alle Herbergen und Städte meiden und darauf achten schnell voran zu kommen."


    Anscheinend war die Neugierde des Aureliers damit auch schon befriedigt, einzig der lettze Satz ließ nochmal aufhorchen, aber Licinus vermutete, dass es nur ein höflicher Kommentar war und der Politiker nicht aus seiner Haut heraus konnte. Also schwieg er und konzentrierte sich darauf nicht in laute Schimpfkanonaden gegen Pferde allgemein und das Tier unter ihm im speziellen auszubrechen. Nur ein Kommenatr hüpfte ihm über die Lippen und löste bei den umgebenden Reitern ein Grinsen aus, dass sie aber gekonnt vor dem übellaunigen Offizier verbargen:
    "Wie kann ein Tier, dass aus Heu besteht nur so hart sein?!"

  • Humor war schonmal kein zwingendes Element der funktionierenden Kommandostruktur, wie Sextus gerade vor Augen geführt wurde. Das konnten spaßige Wochen werden, wenn der Iulier immer so bärbeißig war. Andererseits war er auch nicht auf einer Erholungsreise oder einem Triumphzug, und solange er wusste, woran er mit seinen Reisebegleitern war, konnte er wohl auch damit arbeiten. Er hatte einen verlässlichen Griesgram definitiv lieber als ein unwägbar spaßiges Risiko. Zumal er selbst auch nicht zu den Komödianten zählte.
    Sextus verzichtete darauf, den Centurio darauf hinzuweisen, was Haruspices taten oder auch nicht taten, vor allem im padanischen Etrurien, in dem sie sich befanden. Je weiter sie sich vom Padus entfernten, umso geringer wurde freilich der Einfluss der etruskischen Kultur. Allerdings war sie selbstverständlich sowohl den Bergstämmen als auch den Kelten durch die bewegte Vergangenheit dieser Völker mitsamt Eroberungen und Rückeroberungen der Gebiete an diesem wichtigen Fluss – und damit der Handelsschifffahrt – und den vor noch gut fünf Generationen andauernd vorkommenden Grenzverschiebungen sehr gut bekannt. Da war ein herumreisender Haruspex – von denen es viel zu viele gab, gerade diejenigen, die sich selbst nur als solche bezeichneten, aber nie in den Universitäten Etruriens studiert hatten – nicht wirklich etwas auffälliges. Und vermutlich sahen die Menschen von jenen zwei pro Woche. Ein in militärischer Begleitung reisender Haruspex hingegen, der mitsamt eben jener Begleitung die Pferde wechselte, war da gewiss seltener. Seine eigene Anwesenheit bei Bewaffneten war leicht zu erklären durch den Schutz der Gruppe – auch Haruspices waren sterblich und so genau nahmen es die meisten Räuber nicht, ob sie eventuell Götterdiener oder andere überfielen – die Freundlichkeit, die 'zufällig getroffenen Meldereiter' ebenfalls mit frischen Pferden auszustatten wohl weniger. Auch wenn Sextus das nie zugeben würde, in diesem Punkt weniger weit gedacht zu haben wie sein Mitreisender.
    Stattdessen überging er sämtliche Kommentare da einfach fortan schweigend und fügte sich für den Moment. Ganz sicher ergaben sich noch Gelegenheiten, sich selbst als nützlicher zu gerieren und ebenso den Iulius auf seine Stellung und seine Herkunft zu verweisen, ohne dadurch die anstehende Reise zu gefährden.


    Und so ritten sie eine Weile ohne Konversation, ehe der Iulius doch einen Anflug von Humor zeigte und sich über sein Reittier beschwerte. Nun, vielleicht war der Mann doch nicht so nervenaufreibend und abweisend wie gedacht. Sextus zumindest beschränkte sich nicht auf ein kleines Schmunzeln wie die nachfolgenden Reiter, sondern lachte einmal kurz auf, so dass der Iulius es mitbekam. “Dasselbe frage ich mich auch. Wenn du mir einen Vorschlag gestattest, Mars nimmt doch Pferde als Opfertiere an. Sollte er uns sicher bis nach Mogontiacum geleiten, denke ich, dass wir ihm diese trefflichen Reittiere vermachen sollten.“ Zumindest hatte Sextus genau das mit seinem Reituntersatz vor. Das Vieh sollte sich nicht lange daran erfreuen, ihn durchgeschüttelt, wundgerieben und gequält zu haben.


    Sim-Off:

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