[Atrium] Abendlicher Besuch

  • Macer lag gerade mit seiner Frau zu Tisch, als er über die Ankunft des Boten aus Germania informiert wurde. Mit einer Mischung aus Skepsis und Neugier verließ er das Triclinium, um dem Besucher im Atrium gegenüber zu treten. "Salve. Du hast eine Nachricht für mich?", sprach er ihn an und musterte ihn dabei.

  • "Salve. In der Tat, Consular, die habe ich. Dein Klient entrichtet dir Grüße aus Germania. Aufgrund der derzeitigen Lage hält es für sicherer, dir keine Briefe mehr zu schreiben. Er rät auch dir keine Briefe mehr über den Cursus Publicus zu versenden."


    begann Rusticus damit dem Purgitier das zu sagen, was man ihm aufgetragen hatte. Es war wenig genug, denn falls man den Consular jemals verhören sollte, dann war es besser wenn er nicht all zu viel wusste.


    "Um zu deinen Fragen zu kommen, die germanischen Legionen werden Potitius Vescularius Salinator nicht als rechtmäßigen Imperator anerkennen. Dein Klient wird sie gegen den Usurpator ins Feld führen und Appius Cornelius Palma unterstützen."


    kam Rusticus nun zu dem interessanten Teil der Nachricht. Das war onehin das spannendste an der Sache. Bürgerkrieg!


    "Er bittet dich daher ihn aus deinem Patronat zu entlassen, damit seine Taten nicht auf dich zurückfallen. Damit du nicht für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wirst."

  • Macer hatte sich zwar den Siegelring zeigen lassen, den ihm der Bote als Ausweis seines Auftraggebers vorgezeigt hatte, aber abgesichts der Brisanz der Nachricht und der danach vorgetragenen Bitte, reicht ihm das nicht so ohne weiteres. Durchdringend sah er den Mann an. "Interessant. Du verstehst sicher, dass ich diese Nachricht nicht einfach so zur Kenntnis nehme, abnicke und mich wieder zum Essen begebe." Noch einmal sah er den Mann schweigend an. "Wie ist dein Name?"

  • "Selbstverständlich, Consular. Aber in diesen schrecklichen Zeiten, dürften solche Nachrichten auch nicht wirklich ungewöhnlich für dich sein. Allerdings kann ich keine Antwort von dir entgegennehmen, ich habe noch Aufgaben in Rom. Falls du aber die Stadt mit deiner Frau verlassen willst, so hat mich dein Klient beauftragt dir dabei behilflich zu sein. Wenn es das ist, was du willst."


    entgegnete Rusticus dem Purgitier, da das auch die einzigen zwei Dinge waren, die er in seinen Augen wirklich tun konnte. Den durchdringenden Blick begegnete er mit einem nonchalanten Lächeln.


    "Was mich angeht, du kannst mich Titus Saltius Nemo nennen."

  • Die Worte des Mannes wirkten in Macers Ohren nicht unbedingt vertrauensbildend, zumal er bisher nicht einen einzigen Augenblick daran verschwendet hatte, die Stadt zu verlassen. Und selbst wenn er das wollte, würde er dazu sicher eher auf alte Klienten aus seinen aktiven Militärzeiten zurückgreifen als auf einen Mann, von dessen Existenz er vor einer Viertelstunde noch nicht einmal etwas ahnte. Daher ging er auf das Angebot mit keinem Wort ein. "In welchem Verhältnis stehst du zu Annaeus?", erkundigte er sich weiter. "Bist du sein Klient?" Jede kleine Information war wichtig und er wollte nach ihnen Fragen, bevor er zu den großen, viel entscheidenderen Fragen kam.

  • "Ein Patronat? Nein, unser Verhältnis ist weniger förmlich. Er kennt mich und hat mich gebeten einige Aufgaben für zu erledigen. Gegen eine entsprechende Kompensation. Ich bin mir sicher, dass du noch diverse Fragen hast, aber ich bin nicht hier um sie dir zu beantworten. Dein Klient hält es für sicherer, wenn du dich öffentlich von ihm distanzierst, damit du nicht den Zorn des Kaisers auf dich ziehst, da gegen ihn aufbegehren wird. Ich habe dir die Nachricht überbracht, was du daraus machst, ist deine Sache. Also werde ich nun meinen Siegelring nehmen und mich wieder auf den Weg machen."


    Rusticus hatte nicht im geringsten Lust sich von dem Purgitier wie einen Laufburschen ausfragen zu lassen. Zumal er besseres zu tun hatte. Er musste noch einiges Unheil in Rom stiften. Außerdem würde er dem Purgitier keine Träne nachweinen, wenn er den Kerker als entrechteter Peregrinus in Richtung Exil verlassen würde. Der Mann war einfach zu ehrenhaft. So ehrenhaft, dass einen fast schlecht wurde. Das Exil des Purgitiers hätte auch den Vorteil, dass sein Neffe diese holde Jungfer von einem Senatoren als Patron loswurde! Die Idee gefiel ihm, aber das würde nicht unbedingt das Wohlwollen des Annaeers erregen.

  • Macer war reichlich erstaunt, als ihm der mysteriöse Besucher mitteilte, dass er nicht vor hatte, weitere Fragen zu beantworten. Anscheinend war er nicht viel mehr als ein angeheuerter Bote, der gegen Geld einige Nachrichten überbrachte. Da hatte sicher Macer von seinem Klienten schon etwas mehr erwartet, wenn dieser tatsächlich vertrauliche Nachrichten übermitteln wollte, um ihn vor Unheil zu bewahren - wenn dieser Mann hier denn tatsächlich von Annaeus Modestus geschickt worden ist. Macer hatte daran inzwischen einige Zweifel. Noch einmal blickte er den Mann an, dann wandte er sich ab. "Bringt ihn raus", wies er seinen Verwalter an. "Und lasst ihn nicht wieder rein." Einen Augenblick hatte er noch überlegt, ihn verfolgen und den Cohortes Urbanae melden zu lassen, aber das war ihm dann doch zu übereilt. Über die Nachricht musste er noch einmal nachdenken. Wie über so viele weitere Nachrichten in den letzten Tagen und Wochen.

  • Mit einem zufriedenen Grinsen verließ Rusticus die Casa des Purgitiers wieder, denn der selbstgerechte Purgitier war offenbar verstimmt. Er hatte die Aufgabe erfüllt, auch wenn sich der Annaeer sicher einen höflicheren oder servileren Umgang mit seinem Patron gewünscht hatte. Aber das kümmerte Rusticus nicht.

  • In der Zwischenzeit hatte sich auch Albina vom Essen erhoben - was ihr mittlerweile aufgrund des angewachsenen Bauches mitunter schon recht schwer viel - und war ihrem Mann ins Atrium gefolgt, um zu sehen, was dort vor sich ging. Sie sah den Besucher allerdings nur noch von hinten, als dieser aus dem Raum begleitet wurde. Mit gerunzelter Stirn lehnte sie sich in den Eingang, ihre Hand wie so oft mittlerweile oben auf ihrem Bauch abgelegt. "Wer war das?", fragte sie dann interessiert. Es waren schwierige Zeiten, seit dem Tod des Kaisers und Albina, die noch immer nicht über den Tod von Durus und Arvinia hinweg war, sorgte sich ständig. Nicht zuletzt wegen dem Kind, dass sie in sich trug.

  • Macer war in Gedanken noch bei dem Boten, als Albina ihn ansprach. Nachdenklich blickte er sie erst einen Augenblick an, bevor er antwortete. "Ein Bote aus Germania", sagte er dann nur, denn zumindest das hielt er für einigermaßen glaubwürdig.

  • Ein Bote aus Germanien? Vermutlich von einem von Macers Klienten, vermutete Albina. "Gibt es etwas Neues aus dem Norden?", fragte sie dann. Obwohl sich die Frage eigentlich erübrigte. Es würde wohl kaum ein Bote kommen nur um die Nachricht zu überbringen, dass es nichts Neues gab. Sie hoffte nur, dass es nicht noch mehr schlechte Nachrichten waren. Sie hatte das Gefühl seit dem Tod des Kaisers gab es kaum etwas anderes mehr.

  • Noch einmal sah Macer Albina nachdenklich an, bevor er etwas näher an sie heran trat. Er wusste, dass es schon genug schlechte Nachrichten in letzter Zeit gegeben hatte, so dass er ihr jede weitere gerne erspart hätte. Andererseits wollte er sie auch nicht anlügen. Und wiederum andererseits war das, was er zu sagen hatte, nun auch keine völlig neue Erkenntnis und Albina sicher klug genug, das politische Geschehen ohnehin zu verfolgen. "Wenn es stimmt, was der Mann sagte, gibt es Krieg", antwortete Macer schließlich leise. Dass ihn das selber bedrückte, war an seiner Stimme deutlich spürbar.

  • Krieg, hallte es in Albinas Kopf wieder. Seit längerem hatte sie, soweit sie sich erinnern konnte, dieses Wort nicht mehr laut ausgesprochen gehört, auch wenn es dennoch irgendwie überall in der Luft zu hängen schien. Seit dem Tod des Kaisers war alles im Umbruch, alles stand auf der Kippe und wirklich überraschen konnte sie diese Neuigkeit daher nicht mehr. Sie fürchtete sich seit geraumer Zeit davor und seufzte.
    Dies würde kein Krieg werden, über den man in Rom sprach, wie diejenigen, die gewöhnlich in fernen Provinzen geführt wurden. Nein, dieser Krieg um die Macht in Rom, würde auch Rom selbst nicht unberührt lassen. Und gerade jetzt trug sie dieses Kind unter dem Herzen, dass sie sich so lange gewünscht hatte. Sie blickte ihren Gatten an, dem dies scheinbar auch zu schaffen macht, brachte die letzten verbliebenen Zentimeter zwischen ihnen hinter sich und lehnte sich bei ihm an.


    "Was sollen wir nun tun?", fragte sie dann. Die Frage war ungenau, das war ihr bewusst. Aber es gab einfach zu viele Einzelfragen, die in ihrem Kopf herumschwirrten, als dass sie alle auf einmal hätte stellen können. Wie lange würde es noch dauern? Würde der Krieg wirklich bis nach Rom kommen? Das war alles ungewiss. Was sollte sie am besten tun? Immerhin würde das Kind bald kommen. Andererseits war sie mittlerweile auch schon in einem Stadium, indem eine Verlassen Roms kaum mehr möglich war. Und was war mit ihrem Mann? Würde Macer selbst kämpfen müssen? Gewiss. Wäre sie dann allein mit einem Säugling in Rom, während Macer irgendwo um sein Leben kämpfte?


    "Wirst du auf Vescularius Seite kämpfen?", fragte sie dann. Ihr gegenüber hatte Macer noch nicht geäußert, welche der Seiten er für die bessere Wahl hielt. An sich war Vescularius gemäß Testament, sofern nicht gefälscht, rechtmäßig Kaiser. Andererseits, und das war etwas was Albina auch seit längerem beschäftigte, musste es Gründe dafür geben, dass Durus sich das Leben genommen hatte. Ohne reifliche Überlegung hätte er sich an keiner Verschwörung beteiligt. War Salinator doch der Schurke, für den ihr Vetter ihn gehalten haben musste? So viele Fragen, so wenige Antworten.

  • Sanft legte Macer einen Arm um Albina und betrachtete eine Weile ihren ganz schön angewachsenen Bauch, bevor er ihr in die Augen blickte. "Hier in Rom bleiben und nach Kräften dafür sorgen, dass es nicht zu schlim wird", antwortete er dann. "Aber frag' mich nicht, wie das geht", setzte er gleich hinzu. "Dass ich selber kämpfen werde ist unwahrscheinlich. Ich habe kein Kommando und gehöre nicht gerade zum Kreis der Vertrauten des neuen Imperators", erklärte er dann ganz sachlich und schien keinewegs unglücklich über diese Umstände zu sein. Dass Albina mit der Frage nicht nur nach dem Kämpfen, sondern auch nach der Seite gefragt hatte, realisierte er nicht sofort, weil seine Gedanken noch weiter kreisten.

  • Als ihr Mann meinte, dass er allem Anschein nach zumindest nicht selbst würde kämpfen müssen, entspannte sich Albina ein wenig. Zumindest würde er hier sein, bei ihr und ihrem Kind. Wie es schien, stellte er allerdings nicht in Frage, auf wessen Seite er stand. Wie selbstverständlich sprach er vom Imperator. "Also wirst du auf Salinators Seite stehen?", fragte sie daher noch einmal nach und zog eine Augenbraue leicht nach oben, was er jedoch nicht sehen konnte, da er sie überragte und sie sich an ihn gelehnt hatte. Sie selbst hatte leider nicht genug Einblick in das Geschehen, um zweifelsfrei sagen zu können, wer nun eher derjenige war, auf dessen Seite zu stehen es sich lohnte. Und dennoch ... Durus Tod hatte in ihr diese Skepsis dem Vescularier gegenüber zurückgelassen.

  • "Ich weiß es nicht", gab Macer zu, denn es brachte wohl nichts, hier überzeugter zu wirken als er wirklich war. "Er ist dem Testament nach der rechtmäßige Erbe und die Verschwörung gegen Valerianus ist anscheinend tatsächlich keine Erfindung von ihm, sondern eine Tatsache." Anders war zumindest der Brief von Aurelius Lupus nicht zu erklären und auch der Freitod von Tiberius Durus nicht. "Trotzdem gibt das alles keinen Sinn. Warum verschwören sich einige Senatoren gegen den Kaiser und töten ihn und seinen Sohn, wenn doch ausgerechnet der im Senat unbeliebte Salinator der testamentarisch eingesetze Erbe ist? Haben sie gedacht, über einen Nachfolger wird im Senat abgestimmt?! Wollten sie auch Salinator töten oder das Testament fälschen und haben dann die Reihenfolge verwechselt? Das wäre doch völlig albern! Aber umgekehrt wäre es auch völlig verrückt! Wieso sollte sich Durus töten und Aurelius Lupus mir kryptische Briefe schreiben, wenn die Verschwörung nur eine Erfindung von Salinator ist und dieser in Wahrheit hinter dem Tod des Kaisers steckt? Und vollends absurd wird es, wenn wir annehmen würden, dass die Verschwörer den Kaiser töteten, um einen ihnen genehmen, testamentarisch festgelegten Erben an die Macht zu bringen und Salinator dieses Testament gefälscht hätte. Dann stünden sich jetzt Kaisermörder und Testamentsfälscher gegenüber. Wie soll man sich da richtig entscheiden können?"

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!