[Hortus] Cui doluit, meminit. oder: Wer Schmerz erlitten hat, erinnert seiner sich.

  • Albina saß, wie meist, wenn sie ihren Gedanken nachhing, in ihrer Lieblingsecke des Gartens. Und würde ihr jemand dabei zusehen, wüsste er, dass es düstere Gedanken waren. Um sie herum blühte der Frühling in voller Pracht auf und unterstrich damit nur ihre eigene Blüte. Es waren nur noch wenige Wochen bis ihr Kind zur Welt kommen würde, und entsprechend rund wölbte sich ihr Bauch unter der weit geschnittenen Tunika. Doch sie wirkte weniger, wie die meisten hochschwangeren Frauen, die durch gutes Essen und das Glück der Schwangerschaft aufblühten und etwas in die Breite gingen. Albina hatte für das Stadium der Schwangerschaft verhältnismäßig wenig Gewicht zugelegt. Unter ihren Augen, in denen oft ein traurigen Blick lag, machten sich leichte Augenringe bemerkbar - hervorgerufen von dem wenigen Schlaf den sie fand und den vielen schlechten Träumen.


    Sie erinnerte sich noch genau an den Moment, der alles verändert hatte. Der Moment, in dem die Nachricht vom Tod ihres Vetters und ihrer Cousine in der Casa eintraf. Allerdings erinnerte sie sich an wenig danach, weil ihr schwarz vor Augen geworden und sie erst später wieder in ihrem Bett aufgewacht war. Sie hatte tagelang geweint. Doch auch jetzt noch - vier Monate später - war die Trauer nicht gänzlich aus ihr gewichen. Es war das Kind, das in ihr heranwuchs, was sie überhaupt am Leben hielt. Nachdem der Arzt sich durch ihren schlechten Gemütszustand und das wenige Essen, was sie damals herunterbekam, besorgt über das Wohl des Kindes gezeigt hatte, waren wieder Lebensgeister in sie gefahren, die ihr die Kraft gaben, sich einigermaßen zu fassen. Sie aß besser, wenn auch vielleicht nicht so rege, wie sie sollte, ruhte und bewegte sich im richtigen Verhältnis. Alles, was für das Wohl des Kindes von Bedeutung war. Dennoch haderte sie mit ihrem Schicksal. Gerade als sie das Gefühl gehabt hatte, so etwas wie glücklich zu sein - nach all dem Schmerz, den sie nach dem Tode Verres, ihres Vaters und zuletzt von Vitamalacus erlitten hatte.


    Sie verstand noch nicht in Gänze, was eigentlich geschehen war. Ob ihr Vetter oder gar ihre Cousine selbst, in diese leidige Verschwörung verwickelt gewesen waren, oder nicht. Warum sie sich das Leben genommen hatten. Warum sie sie allein hier zurück gelassen hatten. Sie hatte sich selten so allein gefühlt, auch wenn sich ihr Mann sehr um sie bemühte. Sie sollte glücklich sein... sie trug ein Kind unter dem Herzen. Sie war es nicht. Vielmehr plagten sie Fragen nach der Zukunft. Was diese Umwälzungen mit sich bringen würden? Wie sie ihr Kind am besten würde beschützen können? Oder sie haderte damit, weshalb sie gerade jetzt, in dieser unruhigen Zeit, ein Kind auf die Welt bringen musste.
    Die Stirn in Falten gelegt, wie so oft in letzter Zeit, strich sie sich über ihren Bauch, blickte in die Gegend und doch nirgendwohin. Wo sollte das alles bloß hinführen?

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