Es war geschehen, was irgendwann hatte geschehen müssen. Rufus Mutter war der Meinung, er wäre alt genug um zur Schule zu gehen. Vielleicht wollte sie ihn auch einfach nur aus dem Haus haben, denn in letzter Zeit kam er ständig auf dumme Gedanken und hatte sichtlich Spaß daran gefunden den Hausbewohnern den einen oder anderen Streich zu spielen. Seine Motivation und sein Ideenreichtum war scheinbar grenzenlos und auch "Strafe", sofern er überhaupt eine bekam, drosselte seine Begeisterung in keinster Weise. Doch von nun an würde alles anders werden.
Schule. Schule, was war das wohl? Oder besser gesagt wie war es dort. Sicher, seine Mutter und auch Sontje hatten es alles schön geredet. Er würde Kinder in seinem Alter kennen lernen und viele Dinge lernen, wie Lesen und Schreiben. Es würde da ganz schön sein. Gut, Rufus fiel darauf herein und ging wie jedes Kind, das noch nicht mit dem Faktor Schulerfahrung determiniert war, mit einer gewissen Begeisterung am Tag vor seinem Schulbesuch ins Bett und konnte es gar nicht erwarten wieder aufzustehen.
Im Morgengrauen kam das böse Erwachen. Morgengrauen, das war etwas, dass er bisher nur vom Hörensagen kannte. Im Morgengrauen aufzustehen war noch mal etwas ganz anderes. Er hätte noch nicht einmal darüber nachgedacht auch nur in Erwägung zu ziehen, jemals zu dieser Tageszeit auch nur ein Auge auf zu machen. Umso entsetzter war er, als er zu dieser Tageszeit aus dem Schlaf gerissen wurde. Unausgeschlafen und müde war er. Der Tag war schon fast gelaufen, aber noch war die freudige Erwartung auf die Schule da und rettete ihn aus dem ersten Tagestief.
Etwas später, nachdem er über dem Frühstück beinahe eingeschlafen war und auch das Anziehen Ewigkeiten gedauert hatte, fand er sich schließlich mit Brotbeutel und Schreibtafeln vor der Schule wieder. Es war eine etwas bessere Schule, die schon mal nicht in irgendeinem Säulengang untergebracht war. Nein, die Schule war ein eigenes kleines Haus. Aber das war nicht schön. Trist, grau und bedrohlich. Aber gut, es war nur ein Haus. Drinnen würde es bestimmt besser aussehen. Er würde es herausfinden, aber erst musste er sich verabschieden. Etwas das komplett neu für ihn war. Sonst war immer Mama oder Sontje in der Nähe gewesen. Doch jetzt war er ganz auf sich allein gestellt. Es war ungewohnt, aber er würde es ertragen.
Drinnen war es auch nicht schöner. Ein düsterer Vorraum und zwei Zugänge zu anderen Räumen. Aus einem kam dann auch ein Mann. Alt war er, gebückt lief er und die Haare quollen ihm schon aus den Ohren?! Der Lehrer? Oder nur ein Sklave? So gebückt wie er lief musste es wohl ein Sklave sein. Gut, das Gebückt sein war nicht von Nachteil für ihn. Wollte er die Götter preisen oder sich seinem Herrn unterwerfen war der Weg nach unten nicht mehr sonderlich weit.
Mit den Worten "Ah, der Neue" wurde er dann in den anderen Raum getrieben. Getrieben, weil der Alte ihn förmlich hineinschob. Dann verschwand er wieder und Rufus fand sich in einem Raum wieder, in dem viele Bänke standen und schon einige Knaben da waren, die ihn auch gleich eingehend musterten. Rufus schluckte. Neu zu sein war doof, vor allem wenn sich alle schon kannten. Kurz überlegte er, ob er jemanden ansprechen sollte, da kam auch schon ein fetter Junge an, der einen Kopf größer war als er. Er sah so aus, als hätte das Gewicht seiner Wangen das ganze Restgesicht in den Schädel gedrückt. Und sein Haar war fettig und klebte am Schädel. Er war der einzige, der eine Toga trug, aber die strich er auch gleich glatt, vielleicht wischte er auch nur seine fetten Finger ab, und strich sich dann durchs Haar. Dann starrte er Rufus mit seinen Schweinchenaugen an. "Du bist also der Neue, ja?", fragte er und grinste hämisch. Rufus wusste nicht was er tun sollte, also grinste er einfach zurück. "Ach so einer bist du, ja? Bilde dir mal nichts ein, ja?! Du brauchst gar nicht zu denken, dass du etwas Besseres bist oder dass du hier der Beste werden kann. Das bin nämlich ich!", schnaubte der Dicke. Rufus blickte ihn verwundert an. Was hatte denn der für Probleme? Glaubte er denn Masse war gleich Klasse? Rufus dachte bereits nach ihm das zu sagen, aber da kam einer der anderen Jungen herbei. "Ach, Salinator, halt doch dein Maul und lass den Neuen in Ruhe.", meinte der Lockenkopf und der Fette zog abwinkend von dannen. Große Klappe, aber nix dahinter. So war es ja meistens. "Auf den musst du nichts geben. Das ist ein Angeber, den kann eh keiner leiden. Ich bin übrigens Collega. Ich war vor dir der Neue oder besser gesagt letzte Woche.", erklärte ihm der Junge lächelnd und Rufus lächelte zurück. Das war ein guter Kerl, das bemerkte er gleich. "Ich bin Rufus. Sag mal, wie alt seid ihr denn alle? Nicht, dass ich der Jüngste bin." Rufus wollte nicht der Jüngste sein, denn dann war er am Ende der Nahrungskette. Aber er wurde beruhigt. Der Fette war nur ein halbes Jahr älter als er und die anderen waren auch nur zwischen sieben und sechs Jahren alt. Und er war mit seinen sechseinviertel Jahren nicht der Jüngste. Sein Gegenüber war im übrigend er Älteste mit fast schon siebeneindreiviertel. Und der stellte Rufus dann noch die anderen vor und auch die, die noch herein kamen. Auch den armen Kerl, der neben dem Fetten sitzen musste, den wirklich keiner zum Freund haben wollte. Zu Rufus Glück bekam er den freien Platz neben Collega.
Und dann kam der Lehrer. Ein Grieche. So sah er auch aus. Grauer Spitzbart und etwas Kraushaar im Kranz um eine Glatze herum. Auch sein Name war Griechisch. Den Namen konnte Rufus nicht aussprechen. Jedenfalls war er streng und duldete keine Unterhaltung während des Unterrichts und bestrafte fehlende Hausaufgaben mit Stockschlägen. Rufus unterhielt sich trotzdem und erfuhr, dass der Fette der Beste in der Klasse war und deshalb auch unbeliebt. Es dauerte also nicht sehr lange, bis Rufus für sich beschloss weder gut noch schlecht in der Schule zu sein. Streber waren arg unbeliebt und wenn er schlecht war würde er sicher Ärger daheim bekommen.
Und er entschied noch etwas. Schule war ätzend. Irgend so ein Doldi stand vorne und redete die ganze Zeit, was schon ziemlich langweilig war. Und dann erzählte er noch Zeug, dass total unwichtig war und er niemals in seinem Leben brauchen würde. Dies und das und was er von allen neuen Schülern erwartete und solchen Quatsch. Statt Lesen und Schreiben bekamen sie nur einen ewig langweiligen Monolog und das bis zur Mittagspause.
Die war dann wieder recht lustig und Rufus lernte die anderen Schüler besser kennen und spielte mit ihnen. Sie machten die Schule dann doch noch schön und retteten ihm den Tag, der dann doch noch ganz schön zu werden schien.
Auch nach der Mittagspause war es weiter schön, denn dann lehrte der Lehrer endlich etwas sinnvolles und Rufus durfte seine ersten Buchstaben auf seine Schrifttafeln schreiben und war sichtlich stolz darauf, auch wenn ihm der Lehrer einen Klapps auf den Hinterkopf gab, als er zum fünften mal hinereinander das "g" immer noch nicht richtig hinbekam. Aber das würde noch werden, da war er sich sicher.
Und dann, am späten Nachmittag war die Schule aus und er wurde abgeholt und entkam dieser scheußlich-schönen Lehranstalt. Bis zum nächsten Tag.
Der nächste Schritt zum größer werden
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Entgegen aller Befürchtungen hatte sich Rufus an das frühe Aufstehen gewöhnt und hatte mittlerweile auch kein Problem mehr damit aufzustehen ehe die Sonne hoch am Himmel stand und die Mittagszeit einleitete. Nun stand er eben auf wenn die Sonne aufging und ging früher ins Bett, aber das war nicht sonderlich schlimm, schließlich war es Abends eh immer doof und das Licht nicht gut war um noch großartig zu spielen.
Und er hatte sich an die Schule gewöhnt und ging eigentlich weiter gerne dorthin, wenn man mal von der unmenschlichen Folter und Quälerei absah, die dort stattfand. Rufus hatte viele Freunde gefunden und vor allem einen richtig guten Freund, der sogar in seiner Straße wohnte. Daher ging er nun jeden Tag mit seinem neuen Freund Collega zur Schule und wieder zurück. So auch an diesem Tag, der etwas ganz besonderes zu werden schien.
Der Alte stand vor der Klasse und verschränkte wie so oft die Arme hinter dem Rücken und blickte auf seine Schüler herab. Eingehend musterte er sie, als würde er nur einen Grund suchen sie zu tadeln. Dann begann er seinen üblichen Monolog, der allerdings über ein etwas anderes Thema als sonst ging. Sonst stand ja nur Lesen, Schreiben und Rechnen auf dem Plan. Heute Politik.
"Meine lieben Schööler, heute möchte ich mit euch über ein Thema sprechen, dass mir sehr am Herzen liegt und so auch euch. Ich werde euch etwas von unserem heiß geliebten Kaiser erzählen und diesen Verrückten, die es wagen seine Macht anzuzweifeln und sich gegen ihn erheben.", begann er und Rufus begann zu überlegen. Der dicke Mann mit Glatze war doch jetzt der Kaiser und Papa war böse zu ihm gewesen. War der jetzt also ein Verrückter? Oder nur die, die anders gegen ihn waren? Vielleicht würde der Lehrer etwas darüber erzählen. Und das tat er auch. Rufus kam es wie Stunden vor, während sein Lehrer eine feurige Rede hielt. Potius Vescularius Salinator - der Salinator in der Klasse grinste dabei und sein fettes Gesicht glänzte, er fühlte sich nämlich jetzt besonders stolz, weil er hieß wie der Kaiser - war ein guter Kaiser, weil er Plebejer war und auch nach wie vor ein solcher war und sich für die Interessen des Volkes einsetzte. Er war ganz anders als die meisten Kaiser keiner aus der Oberschicht oder dem Adel und verachtete diese. Er würde Rom in eine neue Zeit führen, in der auch der kleine Mann etwas erreichen konnte. Er, der das Volk liebte und zu allen Menschen gut war, die zu ihm standen. Er Salinator war ein leuchtendes Beispiel, dass sich alle Schüler zum Vorbild nehmen sollten.
Umso verachtenswerter waren die, die sich gegen ihn stellten. Das waren die Patrizier und die reichen Bonzen, die degeneriert und verrückt waren. So verrückt, dass sie sich wider der Vernunft verhielten. Sie galt es zu hassen, denn sie stellten sich gegen das Volk und gegen seine Interessen und zuletzt gegen seinen Kaiser! Weitere Parolen und Preisungen der Taten Salinators sowie ein Lebenslauf folgte und die Schüler waren begeistert von den Ausführungen des Lehrers. Am Ende dessen Vortrages priesen sie dann alle lautstark ihren Kaiser! Sie waren überzeugt, dass nur mit ihm eine gute Zukunft möglich war und dass dieser Cornelius das Böse in Person war! Ja, auch Rufus war nun davon überzeugt, dass der dicke Mann mit der Glatze der Gute war und Papa eigentlich selber Schuld war, dass der Kaiser böse auf ihn war. Was Papa genau gemacht hatte wusste er nicht, aber dass Salinator alle Menschen gern hatte und ihnen vertraute und Papa dieses Vertrauen verspielt hatte. Rufus war nicht sonderlich stolz auf seinen Vater, aber er wusste auch, dass der Kaiser ihm sicherlich eines Tages vergeben würde, schließlich stellte sich Papa ja nicht wie diese Verrückten gegen den Kaiser.
Daheim würde er dann mit seiner Mama darüber reden, wie toll der Kaiser doch war und was er alles gemacht hatte. Sicher würde Mama einiges Neues erfahren und den Kaiser dann ebenso toll finden wie er.
Dann, nachdem der Lehrer sich versichert hatte, dass nun eine Schar kaisertreuer Jungen vor ihm saß, entließ der Lehrer seine Schülerschaft zu einer Pause. Der Junge Salinator nutzte diese Pause um gleich zu Rufus, Collega und co. hinüberzudackeln und anzugeben. Er hatte eh keine Freunde und musste daher prahlen, um sich gut zu fühlen; das hatte Rufus schon bei Zeiten durchschaut. "Und? Wie heißt der Kaiser? So wie ich.", meinte Salinator breit grinsend und seine breite Fresse drückte die beiden Fettwangen beiseite. "Hat jemand was gesagt? Ich sehe hier nur ein fettes Schweinchen und das kann wohl kaum reden. Ach, das bist ja du Salinator!", machte sich Collega über ihn lustig und Rufus und der Rest der Schülerschaft begann lautstark zu lachen. "Ach, macht euch doch nicht lustig. Er kann doch nichts dafür, dass die Götter ihn bei der Geburt mit einem Schwein verwechselt haben.", stimmte Rufus grinsend mit ein und konnte beobachten, wie der fettige Kopf rot wurde und die Schweinchenaugen ihn böse anflunkerten. "Das nimmst du zurück, sonst..." "Sonst was? Willst du ihn auffressen?", übernahm Collega und stellte sich vor Rufus. Er spielte ja gerne mal die Rolle des Älteren und Größeren, auch wenn Rufus Salinator gerade am Liebsten so gegenüber gestanden hätte. Er hatte keine Furcht. "Sonst mach ich euch fertig!", drohte der Dicke und erhob drohend seinen Finger, erntete aber sogleich wieder nur Spott und Gelächter von der Klasse. Tiefst beleidigt wackelte er dann wieder davon und Rufus ließ sich mit Collega für ihren Triumph feiern.
Die Pause dümpelte dann noch ein wenig dahin und Rufus keilte sich ein wenig mit einem seiner Freund bis der Lehrer wieder hereintrat und etwas erregt wirkte. Neben ihm erschien ein grinsender Salinator. Allen war sofort klar, dass er gepetzt hatte. Wieder einmal war klar, warum ihn alle hassten! "Quintilius! Ab in die Ecke da!", befahl der Lehrer und wies auf seine Ecke. Rufus zuckte nur mit den Schultern und tat wie gehießen. Ihm doch egal, wenn er in der Ecke stehen musste. Das war es wert gewesen. Dachte er zumindest, denn als er am Lehrer vorbeiging bekam er noch einen kräftigen Stockhieb auf den Hintern. Kurz stöhnte er auf und hörte wie Salinator leise kicherte. Den Hintern reibend kam er dann in der Ecke an und bekam noch mit, wie Collega die selbe Strafe erhielt und in einer anderen Ecke unterkam. So war das doch immer. Wenn es um Salinator ging, dan duldete der Lehrer nichts. Er war eben nicht nur der Streber und die Petze sondern auch der Lehrerliebling.Lange dauerte es nicht, dann wurden Rufus und Collega begnadigt und durften wieder am Unterricht teilnehmen und öde Rechenaufgaben machen und ab und zu Salinators triumphierende Blicke ertragen, aber das würde er noch bereuen!
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