[CAMERA] Ausbildung - Messalina

  • "Wieso? Ich weiß es nicht..."


    antwortete Occia, die sich wenig für Wirtschaften und Politik interessierte - wozu auch, als Frau konnte sie daran sowieso kaum teilnehmen, selbst wenn sie sui iuris war.


    "Frauen dürfen schon Geschäfte machen, aber niemand, der im Cultus Deorum, in der Verwaltung oder beim Militär arbeitet und nicht zumindest Eques ist. Damit wollen die Senatoren wohl verhindern, dass jemand das staatliche Gehalt einstreicht und sich doch nur um seine Betriebe kümmert, verstehst du?"


    erklärte sie dann, um den Zorn ihrer Schülerin etwas zu dämpfen.

  • Das Soldaten keine Geschäfte führen sollen war klar, die hatten doch sowieso keine Zeit, außerdem wohnten sie in den Kasernen oder waren im Felde, von daher war es ihnen bestimmt nicht möglich gewesen, sich um ihre Betriebe zu kümmern. Außer jemand würde Fahnenflucht begehen.


    "Verstehe ich nicht! Nicht mit dieser Begründung! Die Senatoren wollen verhindern, dass jemand das staatliche Geld einstreicht? Verdient nicht ein Eques mehr als ein schlichter Bürger?" Also ihr Onkel Serapio verdiente sich eine goldene Nase - und das als Soldat! Messalina kam nicht auf die Idee, dass eventuell jemand, der einen Ritterposten besetzte, es gar nicht nötig hatte, sich um seine Betriebe zu kümmern, weil er so viel mehr verdiente, dass diese kleinen Erträge unwichtig wurden im Gegensatz zu jemanden der sich hauptsächlich vom Einkommen des Betriebes ernährte.


    "Also die Familie Decima hat Sklaven, die sich um die Betriebe kümmern!" Na ja, Messalina beruhigte sich langsam. "Ungerecht das Ganze! So!" Nun war sie bereit das Thema zu wechseln. Sie war zur Ausbildung anwesend und nicht zur einer politischen Debatte.

  • Die Ausbilderin lächelte milde über so viel gerechten Zorn.


    "Wenn du ein bisschen älter bist, kannst du dich ja dafür einsetzen!"


    Eine Zwölfjährige besaß vermutlich selbst als Vestalin nicht genügend Einfluss, um da etwas zu unternehmen. Jetzt musste sie aber erst einmal lernen, was man als Vestalin wissen musste.


    "Aber zurück zu unserem Dienst. Kennst du die Bestandteile der Tracht einer Vestalin?"

  • Oh ja, wenn sie älter ist würde sie für die Rechte der Vestalinnen kämpfen, traurig nur, dass die derzeitigen alten Vestalinnen keine eigene Interesse hatten.


    Was trugen die Vestalinnen? Diese Frage sollte ganz einfach zu beantworten sein, sie musste sich nur anschauen oder an den Tag ihrer Captio denken, da wurde sie komplett eingekleidet. Sie fing mit dem Kopfteil an.


    "Wir tragen eine Infula, ist eine weiße priesterliche Kopfbinde, manchmal auch aus weißen und roten gedrehten Fäden Wollbinde, ähnliches eines Diadems, von der zu beiden Seiten Schlaufen, die Vittae, herabhängen, welche die Kopfbinde binden.


    Darüber tragen wir das Suffibulum, ein weißes, purpusverbrämtes, rechteckiges Tuch, das stets bei Opfer getragen wird und mit einer Fibel zusammengehalten wird. Ja, damit es sich nicht löst!" Das war bei ihr besonders wichtig, da sie ständig mit ihrem Kopf in Bewegung war und teils so geschwind, dass nicht gefestigte Elemente ihrer Frisur herab fielen. Nysa hatte geschickte Hände dafür die Frisur den richtigen Halt zu geben, ohne dass sie zu leblos wirkte.


    Sie ging ihren Körper weiter hinab. "Dann tragen wir eine Stola, darüber die Carbasus, ist ein Leinengewebe, ähnlich ein Velum, Schleier."


    Ach ja, die Schuhe fehlten noch, sie gehören zwar nicht zur Tracht, aber ohne welche, hätte sie mit ihren nackten Füßen über jede Art von Boden betreten müssen. "Unsere Fußbekleidung gehört nicht zur eigentlichen Tracht, also ich trage gerade Schuhe aus weichen Leder, sie schwiegen sich gut an meine kleinen Füße an. Kann ich dir nur empfehlen." Da sie saß, hebte sie kurz ihre beiden Beine und die Füße nach vorne gestreckt, machte anschließend eine Kreisbewegung, dann einmal vor und einmal zurück, damit Occia sie betrachten konnte.
    "Siehst du?"

  • Die Papirierin nickte langsam - für sie war die Frage nicht ganz so absonderlich, denn man musste die Dinge ja auch benennen können. Und im Atrium verzichteten die meisten Vestalinnen auch auf einen Teil ihrer Tracht - sie waren ja nicht cotidie feriatus wie der Flamen Dialis.


    "Zu bemerken wäre noch, dass wir keine Schminke oder Schmuck tragen dürfen. Und unser Haar normalerweise kurz tragen."


    Sie fuhr sich durch das kurze Haar. Dann lächelte sie.


    "Wir müssen ja sowieso keinen Mann beeindrucken - aber gehen wir weiter. Welche Aufgaben haben wir? Das Hüten des Herdfeuers hatten wir ja schon, aber was kommt hinzu?"

  • Zum Glück, normalerweise, es gab aber auch Vestalinnen die langes Haar trugen und Messalina würde eine weitere sein, die es tat. Eigentlich hätte ihr Haar bei ihrer captio abgeschnitten und an der arbor capillata, einem Lotusbaum, aufgehängt werden müssen. So sie aber ihr Haar weiter wachsen ließ, aktuell wie sie letztens bei der Parade feststellen musste, bis zum ersten Lendenwirbel. Gepflegt wurden die Haare von ihrer Sklavin Nysa. Sollte Messalina je in verantwortungsvolle Position kommen, würde sie die alten Traditionen wieder einführen und auf die Rechte seit König Numa Pompilius pochen.


    Sie setzte ihre Beine samt Füßen ab und lächelte Occia entgegen.
    "Genau, Männer sind blöd!", schoss aus ihr heraus. Die waren ja auch die Senatoren. Kein Wunder, dass nichts Sinnvolles zustande kam.


    Sie grinste anschließend.
    "Ja, du hast Recht! Dann hätten wir wohl wenig zu tun und faul sind wir gar nicht, im Gegenteil. Zum Beispiel halten wir auch Wache über die Sacra, heilige Gegenstände werden im Tempel aufbewahrt. Apropos Tempel, wir haben ihn täglich zu reinigen, das Aedes Vestae muss täglich mit Wasser aus der Quelle der Egeria besprengt und gereinigt werden." Sie hoffte, nicht zu weit im Unterricht vorgegriffen zu haben. "Ebenso stellen wir Kultmittel her, eines davon die mola salsa, das Opferschrott wird für öffentliche Opfer verwendet." Kurze Pause. "Weitere Kultmittel sind auch muries und suffimenta." Sie ging nicht weiter auf die Kultmittel ein wie zum Beispiel das Verfahren war. "Die Vestalinnen sind auch an den Festen beteiligt wie bei Parentalia, Lupercalia, Fordicidia, Parilia, Argei, Consualia, Opiconsivia, Fest der Bona Dia und vorallem auch unser eigenes wichtiges Fest Vestalia! Ah, nicht zu vergessen den Herd am ersten Martius neu zu entfachen. "


    "Und dann haben wir auch noch administrative Aufgaben wie Testament-Entgegennahme und deren Aufbewahrung, ebenso Bussen für Grabschändungen einzufordern." Das Letzte wurde von einem Antescholarii virginum des Atrium Vestae durchgeführt, die Vestalinnen hatten aber die Aufsicht und waren letztlich verantwortlich.


    "Wir nehmen auch an verschiedene Vota teil."

  • Die Bemerkung über Männer ließ Occia wieder lächeln - Messalina war noch zu jung, um Interesse an Jünglingen zu haben. Aber die Zeit der Anfechtung würde auch noch für sie kommen... falls sie nicht andere Vorlieben entwickeln würde, wie es manchmal bei den abstinenten Jungfrauen entstand...


    "Sehr richtig."


    kommentierte sie dann aber zufrieden und ein wenig beeindruckt, dass so ein junges Mädchen ihre Sinne so beisammen hatte. Blieb noch ihre Standard-Warnung vor den schrecklichen Folgen der Pflichtvergessenheit:


    "Aber das Herdfeuer ist das wichtigste - wenn es erlischt, wird die Verantwortliche vom Pontifex Maximus persönlich ausgepeitscht.


    Dann kommen wir noch einmal zu den allgemeinen Dingen der römischen Religion zurück. Weißt du, was unseren Staatskult von den Religionen des Ostens und den Geheimkulten unterscheidet?"


    Letztere waren ja immer mehr auf dem Vormarsch leider!

  • Oh…Ausgepeitscht zu werden, dass wollte Messalina sicherlich nicht, somit sie stets versuchen wird, dass das Feuer bloß nicht ausging, außer zum ersten März, wenn es neu entfacht wird.


    "Ähm ja… meine Eltern meinten, ich sollte mich nicht um dieses Gesindel Gedanken machen, die verdienen keine Aufmerksamkeit! Daher haben sie mich über solche Abnormität nicht unterrichtet. Meine Mutter ist sogar einmal in Wut geraten, als ich doch nachgefragt habe, eine Vase ist anschließend geflogen. Wir mögen einfach keine Christen oder Juden! Doch hat mich Vestalin Milicha aufgeklärt, gezwungenermaßen, da ich eigentlich weiterhin kein Interesse habe, über diese zu reden."


    Messalina hoffte inständig, dass das Thema nur kurz angerissen würde, da sie es nicht für wichtig hielt, sondern sogar für Schwachsinnig. Da war ja gar der Dreck auf den Straßen wichtiger.


    "Aber nun gut, werde ich versuchen mein Bestes zu geben. Aber ganz ohne Wertung wird dies nicht geschehen. Ich kann nicht einfach so tun, als würde es mir Freude machen, über diese zu sprechen. Wir Römer beten eine Vielzahl von Göttern an, die östlichen Religionen hingegen sind sich uneins, einige wie die Zoroastrianer, die Cybelekulte und die Mithraisten beten einen Gott an. Die spinnen doch." Warf sie kurz ein. "Entschuldigung, aber ich möchte einfach nicht darüber sprechen…" Doch sie machte weiter, um auch diesem unangenehmen Punkt abzuschließen. "Schlimmer sind nur die Juden und Christen, die gehören ausgepeitscht! Die nämlich komplett unsere Kulte ablehnen und einen einzigen Gott anbeten, und dass auf allen vieren… flehen und bitten, aber ohne etwas zu geben. Das widerspricht sich und ist doch total daneben, Götter und Menschen haben einen Pakt geschlossen, und beide geben! "

  • Wieder amüsierte Messalina mit ihrem Verhalten ihre Lehrerin. Offensichtlich zog Vesta auf magische Weise die intolerantesten und verstocktesten Exemplare altrömischer Religion und Tugend an. Schon die Claudierin war völlig außer sich geraten über die östlichen Kulte, ihre jetzige Schülerin tat es ihr gleich. Dabei wurde Magna Mater im ganzen Imperium, bis in den hohen Norden hinein verehrt - und auf den Palatin.


    "Das ist richtig, natürlich ist es völlig lächerlich, vor den Göttern herumzukriechen und um die eigene Unwürdigkeit zu wetteifern. Dennoch scheint das vielen Menschen zu gefallen, auch hier in Rom.


    Und sie haben auch Dinge mit uns gemeinsam: sie wie wir opfern unseren Göttern, sie wie wir glauben an Wirkmächte, die wir nicht ganz in der Hand haben. Und Kybele akzeptiert beispielsweise auch weitere Götter neben sich - Attis und Bacchus zumindest.


    Aber natürlich gibt es auch gravierende Unterschiede, die diese Religionen ein bisschen seltsam aussehen lassen: die Unterwürfigkeit ist eine Sache, vor allem aber die Einmischung der Götter in das ganze Leben. Unsere Götter haben, wie du schon sagst, einen Vertrag mit uns. Wir halten die kultischen Vorschriften ein, sie gewähren uns Heil. Was wir daneben tun, ist den Göttern ebenso egal, wie uns die Bettgeschichten eines Iuppiter oder die Eifersüchteleien einer Iuno egal sind.


    Wie unser Leben gelingen kann, sagt uns die Philosophie und die Mos Maiorum, keine göttlichen Offenbarungen und religiösen Gesetze, wie etwa bei den Juden. Und das ist auch das Schöne an unseren Göttern: sie gewähren uns im Alltag Freiheiten und schränken uns nicht ein!"


    erklärte sie dann.

  • "Ja, aber der Kybele-Kult beschränkt sich trotzdem somit nur auf drei! Unsere Trias besteht ebenso aus drei Göttern, trotzdem haben viele weitere Götter neben ihnen Platz! Wieso sollte Iuppiter seine Geschwister, Kinder… ausgrenzen? Hatte nicht jeder eine wichtige Aufgabe zu tun?" Sagte sie voller Inbrunst und verteidigte somit ihren Glauben vehement. "Kybele vereint Himmel und Unterwelt, helle und dunkele Eigenschaften in einem. Haben nicht die Götter unterschiedliche Aufgaben? Opfern wir nicht deshalb manche weiße, andere schwarze oder rote Tiere?"


    Messalina stand kurz auf… "Ich sage doch, die spinnen. Die sollten alle eingesperrt werden!" … um sich dann wieder zu setzen. "Nach der Auffassung der Christen, die sich ihrem einzigen Gott unterwerfen, müssten sie auch gegen die Sklaverei sein oder? Die meinen doch, jeder sei gleich in Gottes Augen. Wie geht das? Es gibt Menschen, die sind geboren um zu führen, andere um zu dienen oder?"

  • Langsam wurde es Occia ein bisschen zu viel der Erregung - woher kam nur immer dieser ganze Hass gegen andere Religionsgemeinschaften? Es mochte viele Spinner geben,


    "Nichtsdestotrotz ist Magna Mater eine Göttin, die die Res Publica schützt und von ihr verehrt wird. Und auch bei uns ist es nicht immer so ganz klar mit den Zuständigkeiten: Zwar nehmen wir an, dass der Gott, den die Griechen Ares nennen, in Wahrheit unser Mars ist, doch lassen sich die Götter nicht immer ganz sicher zuordnen. Mars ist ja auch ein Gott der Felder, was Ares nicht ist. Vielleicht würden die Griechen auch den Kopf schütteln, wenn jemand behaupten würde, der Kriegsgott sei zugleich für das Wachstum zuständig - das scheint sich ja ebenfalls auszuschließen.


    Blieben noch die Christen und Juden.


    "Und was Christen und Juden betrifft: Auch sie halten meines Wissens nach Sklaven - auch wenn ich keinen persönlich kenne. Wie genau sie sich all das vorstellen, ist aber unwichtig - vermutlich ist es in weiten Teilen tatsächlich absurd.


    Nichtsdestotrotz bleibt eines festzuhalten: Wir Römer respektieren die Götter anderer Völker. Es ist auch logisch, dass sie existieren, denn sonst würde man sie ja kaum über Jahrhunderte hinweg verehren. Allerdings gehen wir davon aus, dass sie sie anders benennen, ebenso wie sie alle anderen Dinge in ihrer Sprache bezeichnen. Ares ist Mars, Belenus ist Apollon, der Gott der Juden ist Iuppiter und so weiter. Die anderen Völker mögen andere Traditionen der Verehrung haben, aber solange sie sich auch unserer Form der Verehrung nicht prinzipiell verschließen, akzeptieren wir sie. Manchmal machen wir sogar Ausnahmen davon, etwa in Bezug auf die Juden - aber hier haben wir ja auch nur eine unbedeutende Minderheit, genau wie die Christen."


    So eine absurde Religion würde sich ohnehin nie durchsetzen!


    "Wir müssen uns aber nicht damit befassen, denn wir leben zeit unseres Dienstes hier in Rom und verehren unsere Götter nach römischer Tradition. Und von einer germanischen Vesta habe ich sowieso noch nie gehört."


    Da die Germanen in Hütten und Höhlen hausten, war die Vorstellung eines Vesta-Kultes auch irgendwie seltsam und ließ die Vestalin ein bisschen lächeln.

  • "Ja, ja… das mag so sein und was die Griechen meinen, interessiert mich ebenso wenig. Wir sind Römer! Ja, Mars ist neben Kriegsgott, der Gott der Felder, - nach dem Tod entsteht Leben neu! So denke ich, sollte es sein und nicht nur Zerstörung, ohne jeglichen Neuanfang. Auch wenn die Götter teils dem Ebenbild der griechischen Götter sind, sollten wir stur die römischen Sitten und Statuten, die uns das Collegium Pontificum vorgibt, verfolgen. Denn das römische Imperium hat doch bisher Beistand von den Göttern empfangen oder sind die Griechen die Herrscher über die ganze Welt? Wir wollen es doch nicht gefährden?"


    Messalina wurde aus ihrer Ausbilderin nicht schlau, zum einen hat sie Verständnis für die Sitten anderer Gläubiger, zum anderen scheint sie selbst gegen ihnen etwas zu haben. Messalina war ebenso der Meinung, dass es sich nicht gehörte als Vestalin so zu denken, denn die Vestalinnen vertreten nun mal die römischen Götter und stehen sowieso mit einem Bein vor einem ira deorum.


    "Sind die Christen nicht selbst Sklaven ihres, ach so tollen, Gottes? Er allein gibt ihnen vor, was zu tun ist!" Christen, Juden oder wie die sich alle nennen, die sollten mal Messalina über dem Weg laufen, dann ist nichts mit Nächstenliebe. "Es wäre mir ganz Recht, wenn wir über etwas anderes sprechen. Ich möchte nämlich heute Abend beruhig einschlafen können, schon schlimm genug, dass wir mit den Christen Haus an Haus leben müssen! Ein Glück sind wir im Atrium davor verschont!" Also sollten sich zukünftig die Zustrittsregeln ändern, eines würde trotzdem nicht passieren, dass solchem Gesindel Eintritt gewährt wird. Bei der Anspielung mit der germanischen Vesta, musste Messalina schmunzeln, winzig war das nämlich schon. Germanen, Germanen… ich lach mich schlapp.... mehr als einen haarigen Körper hatten sie doch nicht zu bieten.

  • Zwar wollte Messalina nicht mehr weiter diskutieren, aber für Occia war es doch wichtig, das Verhältnis zu den anderen Göttern zu regeln - allein schon, um Gefahren für die Pax Deorum zu vermeiden.


    "Naja, eine gewisse Macht scheint Apollon schon über uns zu haben - wieso sonst konnten die besiegten Griechen unsere Kultur bezwingen? Griechische Bauweise, griechische Lyrik und Rhetorik, griechische Theater, und und und? In den schönen Künsten, wie mir scheint, können wir einiges von den Griechen lernen.


    Was du zu den anderen Göttern lernen musst, ist folgendes: So wie jeder Ort seine Laren hat, die ihn beherrschen, so hat auch jedes Land und jedes Volk seine Götter, die sie beherrschen. Es mag sein, dass es dieselben sind wie die unsrigen, aber dennoch gefällt es ihnen scheinbar in anderen Ländern, auf andere Weise verehrt zu werden.


    Wir konnten die Welt erobern, weil unsere Götter die Mächtigsten sind - aber auch, weil wir Rücksicht auf die Götter der Besiegten genommen haben. Wir erlauben, dass sie verehrt werden und verehren sie nicht selten sogar selbst - wie Magna Mater, Apollon und viele weitere. Unsere Götter dulden sie neben sich, also sollten auch wir dies tun, solange sie dasselbe mit unseren Göttern tun."


    Dies war die Philosophie, der die Papirierin folgte und mit der Rom immer gut gefahren war.


    "Aber nun genug davon. Wir haben schon einen Punkt gestreift, der für unseren Kult von besonderer Wichtigkeit ist: die Pax Deorum. Was weißt du darüber?"

  • Sie versuchte die Ausführung von Occia aufmerksam zu folgen, doch sie schweifte teils ab. Sie vertrat eben eine andere Ansicht und diese war so fest verharrt, dass sie keine anderen zuließ, egal wie richtig oder falsch sie waren. Trotzdem wäre es falsch gewesen Occia weiterhin zu widersprechen, sie lehrte Messalina und Messalina wollte ebenso ein gutes „Zeugnis“ ablegen, ob sie später das tat was man ihr unterrichtet hatte, stand auf einem ganz anderen Papier. "Öhm, ja." Erwiderte sie überraschend. Hatte wohl Occia ihre Unkonzentriertheit bemerkt. "Pax allgemein bedeutet Frieden. Zum Beispiel gibt es das Pax Augusta, die Friedenzeit seit Beginn Augustus, daher feiern wir auch das Ara Pacis Augustae, durch den Senat gewidmet, dass er uns durch die Siege über Hispania und Gallien Frieden brachte. Der Altar soll Frieden und Wohlstand für das Imperium darstellen, Pax Romana, sehr grob gesagt Occia." Schließlich wurde nach dem Pax Deorum gefragt. "Pax Deorum bedeutet Friedenzustand oder aber auch gnädige Hilfsbereitschaft, ist das Gegenstück zu ira deorum dem göttlichen Zorn. Das Pax Deorum kann gestört werden, zum Beispiel durch rituelle Fehler wie falsches Opfertier, Nachlässigkeit wie Abweichung vom eigentlichen Opferverlauf oder Übertretungen wie eine schwangere Priesterin, die das Opfer durchführt, gestört werden. Dann kann es wie gesagt passieren, dass das ira deorum eintritt und Zeichen wie Omen, Prodigium erscheinen, gar Kriege verloren werden können. Man kann aber das Pax Deorum wiederherstellen (pacem oder veniam deum impetrare), dafür ist es aber notwendig zu wissen, welche Fehler oder Vergehen begannen wurden, welche Gottheit beleidigt wurde, um dann die Weise zu erkennen wie sie versöhnt werden kann. Zum Beispiel wurden die gemeldeten Zeichen von den Magistraten dem Senat vorgetragen, der sie verwerfen oder als Prodigien annehmen und ihre Sühneriten befehlen konnten. Dies geschah gewöhnlich auf Grund von Gutachten der Pontifices, den quindecimiviri sacris faciundis und den haruspices. Die Entsühnungsriten wurden als rituelle Reinigung von den Priestern und-oder den Magistraten vollzogen, manchmal unter Beteiligung des Volkes.
    Somit war es die Aufgabe im Bereich der Staatsreligion der sacerdotes populi Romani (alle Priester) und Magistrate, durch die korrekte Durchführung bzw. Beibehaltung der vorgeschriebenen Kulthandlungen und Gebote (wie auch Keuchheitsgebot der Vestalinnen) für die dauernde Erhaltung dieses Zustandes zu sorgen."

  • "Das wurde es nicht nur, sondern wird es immer noch. Erst vor ein paar Jahren gab es eines. Aber sonst ist alles richtig."


    Eigentlich konnte sie wirklich nichts hinzufügen, denn die Antwort war umfassend genug für den Anfang. Also besser weiter - und zwar zu einem Thema, das wohl jedem Römer zumindest entfernt bekannt war:


    "Wie du schon sagtest, spielen Opfer bei der Wahrung der Pax Deorum eine wichtige Rolle. Was gibt es dabei zu beachten?"

  • Dass vor einigen Jahren ein Sühneopfer stattfand konnte sie wirklich nicht erahnen, sie zog erst einige Jahre später nach Rom. In Genua erhielt man recht wenig Auskunft über die Metropole. Zumal Messalina in einem Alter war, dass ihr das Spielen mit ihrem Holzpferd Coco viel wichtiger war als irgendwelche Opferhandlungen.


    Apropos Opferhandlung, fragte Occia nach, natürlich hatte Messalina mehr Interesse daran als zu Zeiten ihrer Kindheit.


    Einige Dinge die sie nun nannte, hatte sie bereits erwähnt, aber Wiederholungen erleichterten das Einprägen, somit einer besseren Merkfähigkeit. "Vorab sollte derjenige den richtigen Gott oder die richtige Göttin wählen, es macht nämlich keinen Sinn einen der Gottheiten zu erwählen, der einer ganz anderen Aufgabe zugeschrieben ist. Wenn das geschehen ist, muss der jeweilige Tempel oder Altar aufgesucht werden, denn der Ort muss sakralrechtlich als Opfer-Stätte ausgewiesen sein. Weiter erfolgt die Auswahl der Opfergaben, zu unterscheiden sind unblutige Opfer und blutige Opfer, manche der Götter wie Flora opfert man unblutige Opfer wie Kekse, andere wiederrum zum Beispiel Iuppiter blutige Opfer. Es kann aber auch in Kombination von beidem vorkommen. Sollte es ein blutiges Opfer sein, dann muss grundsätzlich zum einen das Geschlecht beachtet werden, weibliche Tiere für Göttinnen, männliche Tiere für Götter. Doch gibt es Abweichungen, zum Beispiel wird Gott Vedovus eine weibliche Ziege geopfert. Ich denke, dass beruft sich auf die Gegensätzlichkeit, da Vedovus als Anti-Iuppiter gilt. Zum anderen die Farbe des Tieres, weiße Tiere für die oberirdische Gottheit, schwarze Tiere für die Götter der Unterwelt, zu bedenken ist aber, dass auch im Einzelfall abgewichen wird, die Natur des jeweiligen Gottes kann ausschlaggebend sein, zum Beispiel ein rotes Tier für den Gott Robigus, der ja vor Getreidebrand abwehren soll. Dann ist auf jeden Fall zu beachten, dass manche Tiere bestimmten Gottheiten vorbehalten sind, zum Beispiel die Stiere für die Götter Mars, Neptun,… . Auch sollten die Opfergaben angemessen sein, also Abhängig von dem Wunsch der geäußert werden soll. Aber auch die Rangfolge der Gottheiten untereinander sollte beachtet werden, nicht das bei einer gemeinsamen Opferzeremonie, ein niedriger Gott mehr Aufmerksamkeit bekommt als zum Beispiel Iuppiter. Weiter gibt es auch Beschränkungen wer eigentlich am Opfer teilnehmen darf, bei manchen Opfern ist die Anwesenheit von Frauen, Sklaven und so weiter nicht gestattet. Beim Opferverlauf selbst muss man sich vorher rein Waschen wie auch das Opfertier selbst, das dann mit Molsa Salsa bestrichen wird. Beim ganzen Ablauf ist Stille zu halten, um irgendwelchen Lärm zu unterdrücken, spielen Musikanten, weil sonst schlimmstenfalls dies als schlechten Omen gilt. Erst erfolgen das Gebet und dann das Trankopfer, mit der anschließenden Tötung des Tieres und der Eingeweideschau. Das benötigte Fleisch wird der Gottheit dargebracht, der Rest wird von den Teilnehmern verspeist.


    Es muss einfach der strenge Ablauf und deren Vorgaben eingehalten werden, wobei rituelle Fehler durch Wiederholungen des gesamten Rituals behoben werden können."

  • "Sehr richtig."


    stellte Occia fest und nickte. Sie hatte es tatsächlich mit einer sehr erfahrenen Schülerin zu tun. So blieb es ihr schlicht, weiter nachzufragen.


    "Welche Helfer haben wir denn dann für ein Staatsopfer?"


    Hier gab es einen wichtigen Unterschied zwischen Staats- und Privatopfern - letztere hatten ja meist einen x-beliebigen Sklaven oder andere Haushaltsmitglieder als Helfer.

  • Messalina war sich unsicher, meinte Occia lediglich ein Staatsopfer im Bezug auf die Vestalinnen oder ein Staatsopfer allgemein. Occia sprach nämlich von "wir". Cultus deorum oder virgo vestalis? Daher versuchte Messalina einen Mittelweg zu finden.


    "Es gibt zwei Arten von Staatsopfer, die sacra publica oder die sacra popularia. Der einzige Unterschied ist, ob die Bevölkerung dran beteiligt ist oder eben nicht. Welche Helfer beteiligt sind ergeben sich aus dem jeweiligen Anlass. Zum Beispiel fordicidia sind die pontifices, unsere virgo vestalis maxima, aber nicht die restlichen Vestalinnen, auf jeden Fall nicht in Person und die curiones beteiligt, jeder von denen hat eine bestimmte Aufgabe zu erledigen. Hingegen bei consualia nur wir Vestalinnen und der flamen quirinalis beteiligt sind. Bei einer vota für die res publica, sagen wir die muncupatio , diverse Priester und die Konsuln. Oder bei Argei die Vestalinnen, pontifices, Prätoren und sogar ausgewählte Bürger." Weitere Beispiel hatte sie nicht genannt, denn Occia wusste ihrer Meinung nach sowieso bestes darüber Bescheid. "Auf jeden Fall sind situationsabhängig Priester wie die Vestalinnen, flamen, rex sacrorum, Magistrate und so weiter beteiligt. Eine explizite Antwort kann ich dir nicht geben.


    Eine Ausnahme gibt es wohl doch, Occia.", lächelte sie. "Wir die Vestalinnen sind fast immer daran beteiligt, da wir die mola salsa herstellen und diese für jedes blutige Opfer verwendet wird."

  • Die Papirierin hörte zu, wobei sie etwas belustigt wirkte - das lag allerdings nicht daran, dass ihre Discipula etwas Absurdes oder Falsches erzählte, sondern vielmehr daran, dass ihre Frage offensichtlich zu einfach gewesen war.


    "Oh, das ist alles richtig. Ich meinte allerdings eher die Ministri. Also welche Arten von Ministri bei Staatsopfern auftreten und welche Aufgaben sie wahrnehmen."

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!