Termin mit dem Procurator

  • Hätte er gewusst, was sich hinter den Kulissen abgespielt hatte, wäre er wohl noch entschlossener in Richtung der Therme marschiert. So schritt er mit der üblich selbstsicheren Haltung die Straße entlang und ließ sich von den vielen Gedanken, die ihm im Kopf umherrschwirrten, nichts anmerken. An jenem Tage war er um Mittag mit dem Procurator ab epistulis verabredet, um über seine Einstellung als Primicerius in der kaiserlichen Kanzlei zu sprechen. Auf ein Antwortschreiben seines Patrons auf seinen Brief hin, hatte er vergeblich gewartet. Dass dieser in der Zwischenzeit einen anderen, wohl um einiges effektiveren Weg gewählt hatte, wusste der Fabier in diesem Moment noch nicht.


    Nachdem er die Therme erreicht hatte, traf er die üblichen Vorbereitungen und machte sich dann auf den Weg in Richtung caldarium. Nebenbei erkundigte er sich noch bei einem der Angestellten nach dem Procurator, der sich nach Auskunft seines Sekretärs ja überlicherweise um diese Zeit hier aufhielt. Zielstrebig schritt der Fabier dann auf diesen zu, der ihn ja sicherlich bereits erwartete. "Salve, Procurator. Mein Name ist Cnaeus Fabius Torquatus - darf ich mich hinzugesellen?", grüßte er höflich und setzte ein freundlich-entschlossenes Lächeln auf, ohne künstlich und übertrieben zu wirken.

  • Der Procurator lag im Wasser des lauwarmen Bades und döste ein bisschen, als Fabius Torquatus ihn ansprach. Für einen Moment konnte er ihn nicht so recht einordnen, dann erinnerte er sich an das Gespräch mit der Iunierin. "Fabius, natürlich." Er rutschte eine Handbreit, um dem Bittsteller klar zu machen, dass er sich neben ihn setzen konnte.




  • Mit einem dankenden Nicken ließ sich Cnaeus neben dem Procurator im Wasser nieder. Die freundliche Begrüßung implizierte ja eigentlich, dass der Beamte seiner Bewerbung eher wohlwollend gegenüberstand. Nichtsdestotrotz war dem Fabier bewusst, dass er den Procurator erst noch von seinem Talent überzeugen musste. "Es freut mich, dass du Zeit für mein Anliegen gefunden hast, Procurator." Cnaeus wusste nicht, inwieweit der Sekretär seinen Arbeitgeber über die Absichten des Fabiers aufgeklärt hatte - geschweige denn wusste er, dass er mit Iunia Axillas Fürsprache schon Rückenwind bei seinem Unterfangen hatte. Aus diesen Gründen wollte er den Procurator nochmal in Gänze über seine Situation unterrichten: "Ich möchte mich gerne als Primicerius ab epistulis in deiner Abteilung bewerben. An der Schola Atheniensis habe ich den Cursus Res Vulgares abgeschlossen, sowie das Examen Primum an der Academia Militaris, was mich vor allem für militärische Sachfragen qualifiziert. Das ist auch der Grund dafür, warum ich mich für einen Posten in deiner Abteilung im besonderen Maße eigne", umriss Cnaeus zunächst grob seine Kompetenzen. Bevor er auf weiteres einging wollte er allerdings nun dem Procurator Zeit geben zu kommentieren.

  • Der Procurator hörte aufmerksam zu und erinnerte sich dank der Kurzvorstellung tatsächlich wieder etwas detaillierter - der Fabier war ein Freund von Pompeius Imperiosus und ein Klient von Purgitius Macer. Zwei gute Referenzen! "Deine Qualifikation ist beachtlich und deine Kontakte gut. Daher würde ich dich gern einstellen, allerdings habe ich im Moment keine Stelle als Primicerius frei. Wärst du auch bereit, vorerst nur als Notarius für mich zu arbeiten?"




  • Cnaeus war bereits kurz davor dem Beamten die Hand zu schütteln, um das Arbeitsverhältnis zu besiegeln, als dieser sein Wohlwollen aussprach. Als der Procurator dann aber die Bedingung zur Anstellung aussprach, entglitten dem Fabier beinahe die Gesichtszüge. "Als Notarius?", hinterfragte Torquatus ungläubig. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein! "Mein Vater, Quintus Fabius Vibulanus, ist ein verdienter Ritter Roms. Den Posten des Notarius darf sogar ein ehemaliger Sklave ausfüllen", stellte der Fabier entsetzt fest und beugte sich dabei leicht nach vorne. Unmittelbar danach schnaufte er allerdings kurz durch und lehnte sich entspannt zurück - sich dem Beamten zu stark zu nähern war für sein Unterfangen sicherlich nicht förderlich, nicht dass dieser seine Gestik noch falsch interpretierte. Aufgegeben hatte er allerdings noch nicht, seinen Wunschposten noch auf diplomatischem Wege zu erhalten. "Senator Macer ist einer der bekanntesten und einflussreichsten Männer Roms. Welches Licht würde es auf ihn werfen, wenn einer seiner Klienten auf seine Empfehlung hin den niedersten Posten erhalten würde, den die Kanzlei bieten kann? Wäre es nicht möglich, die Kapazitäten in deiner Abteilung über das normale Maß hinaus zu erweitern? Zumindest für einen bestimmten Zeitraum." Immerhin hatte der Procurator von Torquatus' 'beachtlichen Referenzen' und 'guten Kontakten' gesprochen. "Ich bin mir sicher, dass ich dich nicht enttäuschen werde - geschweige denn deine Bemühungen zu einem späteren Zeitpunkt vergessen würde, Procurator."

  • "Notarius in der kaiserlichen Kanzlei ist kein niederer Posten, bei Hercules! Du sollst ja nicht als Kopist arbeiten!" gab der Procurator zurück. Ganz offensichtlich gefiel ihm die despektierliche Behandlung der Kanzlei überhaupt nicht! "Und ich kann nicht einfach so viele Primicerii einstellen, wie ich will! Abgesehen von der vorhandenen Arbeit gibt es auch finanzielle Grenzen! Was soll der Kaiser denn denken, wenn ich sein Geld dafür verprasse, eine Stelle ohne Nutzen zu schaffen?" wandte er deshalb noch zusätzlich ein.




  • Cnaeus musste feststellen, dass seine Argumente bei einem altgedienten Beamten nichts bewirken konnten. Auf der anderen Seite war der Fabier von dieser Stelle abhängig, um seine finanzielle Situation endlich aufbessern zu können. Die Kanzlei bot die besten finanziellen Perspektiven, wenn Cnaeus alsbald eine Erhebung in den Ritterstand bewirken wollte. Er musste die Anstellung als Notarius annehmen - wenngleich er versuchte, dies gegenüber dem Procurator zu verbergen. Abhängigkeit vom Gutdünken einer weiteren Person war nicht das, was für seinen Aufstieg förderlich war. "Nun gut, ich verstehe deinen Standpunkt, Procurator", versuchte Torquatus nun mit einem diplomatischen Tonfall zu beschwichtigen. "Wenn das so ist, werde ich dein Angebot annehmen. Ich werde Notarius in deiner Abteilung, Procurator." Cnaeus hoffte nur, dass der Beamte sein Wort halten würde und sich tatsächlich dafür einsetzen würde, ihn alsbald zum Primicerius zu befördern. Das Gehalt als Notarius war zwar nicht schlecht, doch reichte es bei Weitem nicht aus, um das nötige Vermögen für eine Erhebung in den Ritterstand anzuhäufen.

  • Na also! "Gut, dann erwarte ich dich morgen in der Kanzlei! Erscheine zur 2. Stunde in meinem Officium!" sagte er und erhob sich aus dem Wasser. "Ich lasse mich jetzt massieren. Vale!" Damit ging der ältliche Mann davon.




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