Salutatio

  • So ganz recht wusste Victor tatsächlich nicht, wo er hin musste. Auch wenn er schon mal Klient eines amtierenden Imperator Caesar Augustus gewesen war, hatte der doch nicht allzu viel auf Salutationes gegeben. So zumindest war der Eindruck des Octaviers gewesen, der tatsächlich nie in der Domus Augustana gewesen war, um diese Pflicht eines Klienten zu erfüllen. Allerdings hatte der jetzige Kaiser ja schon als Praefectus Urbi klar gemacht, dass er zumindest an dieser Tradition durchaus Gefallen fand.


    Also war er jetzt hier und wenn Victor es sich recht überlegte, war es sogar das erste Mal, seit der Trauerfeier für Divus Iulianus, dass er wieder in diesen Gemäuern war. Den Gedanken schob er allerdings zur Seite und fragte sich stattdessen lieber, ob er in diesem Officium überhaupt richtig war... irgendwie fehlte ein klassisches Atrium. Nunja, im schlimmsten Fall würde schon irgendwann ein Palastsklave über ihn stolpern und an den richtigeren Ort weisen können. Und das war ja wohl auch eine der Pflichten eines Klienten: Auf den Patron zu warten...

  • Potitus kam zufällig gerade in diesem Augenblick aus seinem Officium und sah seinen ungebetenen Gast ein wenig verwirrt an. "Octavius, was machst denn du hier?" fragte er ihn und strich sich über die blankpolierte Glatze.

  • Angesichts des irritierten Gesichtsausdrucks des Salinator, vermutete Victor mal auf Anhieb, dass er an Ort und Stelle nicht so ganz richtig war. Nichtsdestotrotz hob der Octavier aber eine Hand zum Gruß... ging ja eigentlich auch eher um die symbolische Bedeutung überhaupt zur Salutatio dagewesen zu sein und wenn der Kaiser weiter keine Zeit hatte, würde Victor halt gleich wieder gehen.


    "Salve, Imperator Caesar Augustus! Ich wollte dir meine Aufwartung als dein Klient machen, nachdem ich wieder genesen und in Rom bin. Es will mir aber scheinen, dass ich für deine Salutatio hätte an einen anderen Ort verwiesen werden müssen..."

  • Potitus zog die Tür auf und bedeutete dem Octavier, einzutreten. "Eigentlich empfange ich meine Klienten zusammen in der Aula Regia, aber wenn du schon da bist... Komm 'rein!" Er ging zu seiner Kline, die inmitten des Raumes thronte, während ein Scriba, der bisher hinter der Tür verborgen gewesen war, sich ans Schreibpult setzte. Für Victor standen einige vergoldete Schemel bereit.


    "Wie geht es dir? Ist deine Krankheit endlich besiegt?" begann der Kaiser dann das Gespräch.

  • "Ich werde es mir merken, mein Kaiser. Für das nächste Mal." Kurzzeitig setzte Victor ein kleines, schiefes Lächeln auf, bevor er dann die Einladung des Salinator einzutreten natürlich nicht ausschlug, sondern durch die Tür schritt und das Officium betrat. "Danke dir, Imperator."


    Ein wenig verwundert war der Octavier dann doch schon über den Anblick einer Kline in einem Arbeitszimmer, aber das ließ er natürlich unkommentiert. Wenn der Patron gerne im Liegen arbeitete bzw. arbeiten ließ, so war das seine Sache. Das konnte man sich zum Glück recht schnell einreden. Nachdem Salinator ihm einen Schemel anbot, nahm Victor also darauf Platz, ehe er sich wieder an den Kaiser wandte.


    "Danke der Nachfrage, mein Kaiser. Mir geht es soweit tadellos und ich bin wieder voll einsatzfähig. Ich hoffe du hast dich hier im Palast auch schon gut eingelebt?" Ob es ihm gut ging, fragte der Octavier jetzt nicht im Gegenzug. Ein heraufziehender Bürgerkrieg konnte wohl auch jedem Imperator Caesar Augustus die Laune verderben und die Galle hochtreiben.

  • Potitus grinste. Seine Salutatio fand nicht täglich statt, dafür hatten weder er, noch seine Klienten ausreichend Zeit! Aber es würde sicher wieder einmal eine kommen!


    Der Kaiser hievte sich auf seine Kline und machte sich darauf breit, dann antwortete er "Natürlich! Ich frage mich zwar manchmal, ob ich mich nicht verlaufen habe, aber es gibt ja genügend kaiserliche Sklaven, die mich auf den richtigen Weg zurückbringen können!"

  • Ein bisschen was hatte der Imperator ja von einem Mastschwein, wie er sich so auf seine Kline wälzte. Ein Wunder, dass das Möbelstück nicht unter Salinator alleine ächzend zusammenbrach. Der Gedanke war zwar gerade unpassend, aber er brachte Victor auf eine Idee, was er dem Kaiser bei seinem nächsten Geburtstag als Präsent würde überreichen können. Eine massivgoldene Kline wäre kitschig, geschmacklos und praktisch... also genau so was, was der werte Patron zu lieben schien. Allerdings war jetzt erstmal ein Gespräch zu führen, weshalb sich der Octavier wieder auf eben jenes zu konzentrieren versuchte, während er gleichzeitig nach einer bequemen Sitzposition suchte.


    "Ähem... nunja, zumindest kannst du jeden Tag im Palast mit der Vorfreude leben, vielleicht etwas neues darin zu entdecken." Womöglich fand Salinator noch irgendwann die geheimnisvolle Verwaltungsabteilung, die der göttliche Augustus gegründet haben sollte, von der man aber nie wieder was gehört hat. Zumindest hatte Victor die Geschichte mal von einigen Palastschreibern gehört, als er hier noch öfters ein und aus gegangen war. "Nun, um deine Zeit aber nicht mit allzu viel Belanglosigkeiten zu stehlen, mein Kaiser, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um dir persönlich zu deiner Erhebung zum Imperator Caesar Augustus zu gratulieren. Ich muss mich natürlich auch entschuldigen, dass ich dies zu tun nicht schon früher vermochte, aber sei dir versichert, mein Kaiser: Ich stehe treu zu dir. Und nachdem ich jetzt wieder genesen bin, stehe ich dir vollumfänglich für Rat und Tat zur Verfügung, Patron."

  • Potitus grinste. "Danke!" Glückwünsche nahm er immer gern im Empfang! Und glücklicherweise hatte er sich auch für das großmütige Angebot Victors Vorüberlegungen getroffen! "Ausgezeichnet! Wie sieht es mit deiner Gesundheit aus? Bist du wieder voll und für jeden Posten einsatzfähig?" Immerhin war er regelmäßig und längere Zeit krank! Wenn er also noch ein bisschen geschwächt war, war das gut verständlich!

  • Wie? Ein Danke? Vom Imperator, nein besser noch vom Salinator höchstpersönlich? Einen Moment lang fragte sich Victor wirklich, ob er sich gerade verhört hatte. Dann fiel ihm aber auf, dass er ja nur dem Ego seines Patrons geschmeichelt hatte. Da war es eigentlich eher überraschend, dass der Vescularier nicht schnurrte wie eine Katze... eine sehr dicke Katze, allerdings. Ein amüsanter Gedanke, den der Octavier aber wie einige andere zuvor auch schon, erst einmal zur Seite schob. Schließlich hatte er noch eine Frage zu beantworten.


    "Mein Kaiser, ich kann leider nicht in die Zukunft sehen um zu sehen, was diese bereit hält, aber ich würde jetzt noch nicht hier vor dir stehen," oder vielmehr sitzen, aber man musste ja nicht zu kleinlich bei der Wortwahl sein. "wenn ich nicht voll genesen wäre und dir in jeder Position dienen könnte, die dir genehm wäre." Auch wenn es unglücklicherweise nicht das erste Mal war, dass er so etwas Ähnliches sagen musste, meinte er es auch dieses Mal so und sprach im Brustton der Überzeugung. Allerdings hoffte Victor schon, dass sein Patron seine Worte nicht allzu... frei interpretierte. Um den ganzen Tag schwere Sachen von A nach B zu schleppen war er dann doch bald zu alt und ein wenig... überqualifiziert.

  • Potitus legte den Kopf schief. Er selbst wäre auch dann zum Kaiser gepilgert, wenn man ihn zu ihm hätte tragen müssen! Aber gut, immerhin konnte er Victor wieder zu allem gebrauchen! Und da hatte er auch schon etwas vorbereitet! "Nungut, ich brauche tatsächlich jemanden, für eine Aufgabe, bei der du ein bisschen unterwegs sein würdest!" Er machte eine kleine Kunstpause. "Ein Curator Rei Publicae für Italia! Der alte sitzt leider im Gefängnis der Praetorianer und irgendjemand müsste den Italikern ein bisschen auf die Finger sehen. Und du hast du Erfahrung mit Verwaltung, nicht wahr?"

  • Curator Rei Publicae? Nicht das sich Victor verschluckt hätte, als sein Patron diesen Posten erwähnte. Er hatte auch schon davon gehört, dass Vinicius Lucianus im Kerker saß. Etwas was Victor, abseits aller möglicherweise berechtigten Anschuldigungen gegen den Vinicier, durchaus bedauerlich fand. Mit Lucianus war er immer zurande gekommen, jetzt seinen Posten unter gerade diesen Umständen zu erben war... leicht unangenehm. Trotzdem zögerte Victor nur unmerklich bevor Salinator antwortete. "In der Tat, mein Kaiser, mit der Verwaltung bin ich vertraut." Dann lehnte sich Victor ein wenig auf seinem Schemel vor. Curator für Italia war mehr als er befürchtet hatte, aber auch weniger, als er insgeheim erhofft hatte. Nicht das er vorgehabt hätte, dies seinem Patron mehr als indirekt mitzuteilen. Eine Diskussion lohnte ja eh nicht mit dem Vescularier, wenn der erstmal eine Entscheidung getroffen hatte. "Wenn du der Meinung bist, dass ich dir in diesen schwierigen Zeiten als italischer Curator am Besten dienen kann, so werde ich das mit aller Kraft tun, mein Patron."

  • Potitus nickte. "Sehr gut! Wir haben im Moment ein kleines Getreideproblem in Rom! Wie man hört, gibt es in Nord-Italia noch Vorräte! Zu organisieren, dass wir von dort ein bisschen Nachschub bekommen, wäre deine erste Aufgabe! Sprich dich dazu mit dem Officium a rationibus ab!" erklärte der Kaiser sogleich den Auftrag.

  • Das mit dem Getreideproblem hatte Victor schon gehört, auch wenn er selbst noch nichts davon merkte. Allerdings war es ja nur natürlich, dass es Probleme gab, wenn ein Drittel der Getreideversorgung der urbs aeterna plötzlich ausfiel. Da würde der Beitrag aus den norditalischen Gebieten wohl nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein, wenn überhaupt. Aber Rom ging ja bekanntermaßen immer vor.


    War natürlich toll gleich mit so einer Krise in das Amt zu stolpern, aber der Mensch wuchs ja schließlich an seinen Aufgaben. "Natürlich, mein Kaiser. Ich werde mich darum kümmern." Dann schoss Victor allerdings eine Frage durch den Kopf, die er bei Gelegenheit sowieso seinem Patron stellen wollte und die ihn als italischer Curator auch verwaltungstechnisch betreffen könnte. "Darf ich da auch gleich fragen, ob du vorhast noch neue Legionen auf italischem Gebiet auszuheben?"

  • Potitus legte den Kopf schief. An diese Möglichkeit hatte es bisher ja noch gar nicht gedacht! Und es war eine hervorragende Idee, gerade wenn Modestus es tatsächlich bis nach Italia schaffen sollte! Auch wenn es unpopulär sein würde... "Das ist eine Option, allerdings möchte ich sie im Moment noch nicht nutzen!" antwortete er deshalb. Er würde einmal mit seinem Beraterstab sprechen müssen!

  • Ergeben nickte Victor mit dem Kopf, als Salinator seinen Vorschlag zwar nicht rundheraus ablehnte, aber auf die lange Bank schob. Wobei ergeben nicht so ganz das richtige Wort war. Vielleicht konnte man es resigniert nennen. Allerdings war sich der Octavier bewusst, dass Salinator selbst genug Erfahrung beim Militär gesammelt hatte, dass er wissen musste, wie lange die Aufstellung einer kampfkräftigen Legion dauerte. Es war ja auch nicht so, als ob Victor zum engsten Beraterkreis des Imperators gehörte und seine Pflicht hatte er als Klient ja wohl getan, wenn er seinem Patron einen Vorschlag unterbreitete. Davon hatte er im Übrigen noch einen, den er noch an den Vescularier herantragen wollte.


    "Darf ich dich auf noch eine Option aufmerksam machen, mein Kaiser, die deinen... Ruf betrifft?" Die Frage war eher rhetorischer Natur, weshalb sich Victor nur ein wenig aufrichtete und dann weitersprach. "Auch wenn ich sie für absolut lächerlich halte, sind mir selbst im Krankenbett auf dem Lande einige Gerüchte zu Ohren gekommen, in denen behauptet wurde, dass du für die Ermordung des Valerianus verantwortlich bist. Ich hielte es für hilfreich, wenn der Senat mit deiner ausdrücklichen Zustimmung eine consecratio des verstorbenen Imperator Caesar Augustus und seiner Familie beschließe. Wer könnte ernsthaft glauben, dass ein Mörder die Apotheose seiner Opfer ermöglicht? Zumal es den Gegnern deiner Herrschaft vielleicht zu denken gäbe, wenn sie es sind die den Mörder eines Gottes unterstützen."

  • Potitus rieb sich das Doppelkinn. Die Divination für Valerianus? Er hatte gar nicht gewusst, dass der Kaiser so schrecklich beliebt gewesen war! Andererseits war die Argumentation nicht schlecht! "Da fällt mir ein, dass ich meinen eigenen Vater zum Gott erheben sollte! Er war immerhin ein fleißiger und ordentlicher Mann und hat einen ganz gut geratenen Sohn hervorgebracht!"

  • Warum überraschte ihn die Idee des Salinator bloß nicht. Wobei eigentlich war Victor schon überrascht. Allerdings eher darüber, dass sein Patron, erst einmal auf die Idee gebracht, nicht gleich überlegte sich selbst zu Lebzeiten zum Gott ernennen zu lassen. Wäre er ja auch nicht der erste Kaiser gewesen. Eine Vergöttlichung des Vaters des Imperators war da ja fast noch harmlos, trotzdem hielt Victor den Zeitpunkt dafür leicht... unglücklich. "Nun, mein Kaiser, ich bin mir sicher er hätte diese Erhebung für seine Leistungen durchaus verdient." Auch wenn sich der Octavier sicher war, nicht mal den Namen von dem Mann zu kennen. "Aber wäre es nicht vielleicht klüger, damit bis nach der Niederschlagung der aktuellen Revolte zu warten? Es könnte etwas eitel wirken..."

  • Potitus grinste. "Ach Octavius, du bist ein alter Spielverderber!" Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Aber wahrscheinlich hast du Recht. Lassen wir das mit den Vergöttlichungen bis nach dem Aufstand!" Wegen Valerianus würde er allerdings noch einmal nachdenken müssen! Vielleicht stärkte das tatsächlich seine Legitimität!

  • Nach kurzer Bedenkzeit zog es Victor vor, nicht auf den Vorwurf des Salinator einzugehen ein Spielverderber zu sein. Irgendjemand hatte ihn mal im Senat als Verwaltungshengst bezeichnet und wenn man aus so unterschiedlichen Ecken als Langweiler angesehen wurde, hielt man sich wohl besser nicht für eine verkannte Stimmungsballista. So neigte der Octavier nur kurz und erleichtert den Kopf, bevor er etwas auf des Imperators Entschluss erwiderte. "Wie du wünscht, mein Kaiser. Um deine Zeit nicht weiter in Anspruch zu nehmen, würde ich mich dann jetzt auch um mein neues Amt kümmern, sofern du auch keine weiteren Aufträge für mich hast?"

  • Potitus legte den Kopf schief. "Nein. Oder doch! Bereite die Municipia darauf vor, dass wir vielleicht bald wieder Gebrauch von der Wehrpflicht machen müssen! Krieg zieht auf! Und vergiss die Sache mit dem Getreide nicht!" Das war vorerst alles!


    Der Kaiser verabschiedete sich und wandte sich anderen Aufgaben zu.

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