Abendessen mit speziellen Gästen

  • Das Triclinum war bereits vorbereitet als Ich eintrat, man könnte meinen dieses Ereignis sei seit Monaten geplant gewesen so wie es hier nun aussah, vorallem die Sitzordnung war natürlich schwierig gewesen, aber auch das hatten die Sklaven ausgezeichnet gelöst ... weder meine liebste Gattin noch die Decima würden sich so direkt berühren können ohne zuerst an mir vorbei zu müssen. Wobei ich immernoch davon überzeugt war das die Decima sich wie üblich beherrschen würde und das Axilla es in meiner und Atticus Gegenwart ebenfalls tun würde ...


    Doch schon wenige Minuten später wurde ich eines besseren belehrt, als ein stark eingeschüchterter Sklave mir von Axillas Unpässlichkeit berichtete ... das war nun natürlich die Katastrophe schlechthin und Inc machte mich auf zu ihrem Officium um eventuell noch das schlimmste abzuwenden ...

  • Seiana ließ sich von den pompeischen Sklaven ins Haus geleiten, und während ihre Begleiter irgendwo in den Tiefen der pompeischen Casa verschwanden, wurde sie zum Triclinium gebracht. Wo sie den Hausherrn antraf – den sie allerdings nur flüchtig zu Gesicht bekam, weil er gerade schon wieder am Gehen war. Vermutlich doch noch etwas zu tun, schätzte sie, während sie im Triclinium zu warten begann, dass der Pompeius wieder auftauchte. Oder, noch besser, die Iunia. Seiana war wirklich nicht scharf darauf, Axilla noch mal zu begegnen, nicht nach dem Schlag, den sie ihr verpasst hatte, und nicht nach den Unterstellungen, der Verleumdung, den Beleidigungen. Nicht nach dieser Feindseligkeit, die ihr bei ihrem letzten Besuch hier entgegen geschlagen war. Sie wusste noch nicht einmal, warum Axilla so feindselig gewesen war. Wie sie auf die Idee kam, sie würde sich mit Seneca nur ihre Langeweile vertreiben, oder mit ihm spielen, oder was auch immer es genau gewesen war, was sie ihr da vorgeworfen hatte. Und wie sie darauf kam ihr zu unterstellen, sie würde ihren Mann gleich mit mehreren anderen betrügen. Ausgerechnet sie, Seiana, die seit ihrer Kindheit ihr Leben damit verbracht hatte, das zu tun, was richtig war, und tugendhaft, und ehrbar – auch wenn es ihr in den letzten Jahren mehr und mehr um den Schein nach außen gegangen war, den es zu wahren galt. Und sie hatte das perfektioniert, nicht nur ihre Fassade nach außen, auch ihr Verhalten. Sie hatte sich kaum je einen Fehltritt geleistet, und die wenigen, die es gab, waren nie bekannt geworden – bis auf diesen jetzt, der auch nie bekannt geworden wäre, wenn Seneca nicht geredet hätte. Ihr Ruf in Rom könnte nicht tadelloser sein, sah man mal davon ab, dass sie sitzen gelassen worden war von ihrem Langzeit-Verlobten, und dass sie zu lange unverheiratet gewesen war – und natürlich davon, dass sie wohl als gefühlloser Eisklotz verschrien war.


    Nein, so unbedingt mit der Iunia reden wollte Seiana nicht. Aber es ging nicht um sie, es ging um Seneca, und um seinetwillen war sie hier. Und so schlecht konnten die Chancen doch gar nicht stehen, wenn man von ihrem letzten missglückten Treffen absah. Sie war über ihren Schatten gesprungen und hatte Axilla von einer freien Mitarbeiterin, die ab und zu einen Artikel geschrieben hatte, zur Subauctrix gemacht. Sie hatte sich danach stets professionell verhalten gegenüber der Iunia. Natürlich war sie kühl gewesen und distanziert, aber das war Seiana bei jedem – genau wie sie zu jedem, einschließlich Axilla, fair war. Welche Vergangenheit die Iunia und sie teilten, dass sie nie wirklich warm geworden war mit ihrer Lectrix, hatte Seiana sich nie anmerken lassen, und sie hatte schon gar nicht zugelassen, dass es ihre Zusammenarbeit beeinflusste. Weswegen sie die Iunia dann auch zur Lectrix befördert hatte. Und bei Axilla schien es auch so angekommen zu sein, dass sie die Vergangenheit einfach nur ruhen lassen wollte – warum sonst hatte sie ihr Katander gebracht, als Salinator wenigstens Archias' Sklaven freigegeben hatte? An jenem Tag hatten sie sich sogar ein wenig unterhalten, über die üblichen höflichen, aber knappen Wortwechsel hinaus, Seiana hatte von ihrem Bruder gesprochen, das wusste sie noch, weil sie damals so in Sorge gewesen war um Faustus, der irgendwo in der Wüste unterwegs gewesen war auf seinem letzten Feldzug, und sie mal wieder nicht gewusst hatte, ob er lebend zurückkommen würde... Nach all dem, was sie sich in den letzten Jahren an professioneller Zusammenarbeit aufgebaut hatten, musste es doch möglich sein, mit der Iunia jetzt vernünftig zu reden, auch wenn es für Seiana sowohl nach dem verbalen als auch dem physischen Angriff erneut einen Sprung über ihren Schatten abverlangte. Aber es ging nicht um sie. Sondern um Seneca. Also wartete sie geduldig darauf, dass sich jemand im Triclinium blicken ließ.

  • Eine gehetzte Miene aufgesetzt, getragen wie eine geschnitzte Maske, betrat ich den Raum ... sah mich gespielt hektisch um und machte dann die Decima aus als habe ich sie bereits seit langem gesucht ...


    "Ah Decima Seiana nehme ich an. Es tut mir schrecklich leid das ich dich erst jetzt persöhnlich begrüssen kann. Doch kurz vor deinem Eintreffen erreichte mich ein Bote aus der Kanzlei mit einer Nachricht des Kaisers. Ich fürchte ich werde unser gemeinsames Abendessen verschieben müssen!"


    Log ich das sich die Balken bogen und hoffte das meine erprobte Miene dem Auge der Decima standhielt ...

  • Es dauerte. Und dauerte. Und dauerte noch länger. Seiana hatte Geduld, hatte sich über lange Jahre hinweg eine sehr ausdauernde Geduld angewöhnt – aber das hieß nicht, dass sie gerne wartete, schon gar nicht grundlos. Und dass sie hier warten gelassen wurde, obwohl sie eingeladen worden war – und das noch sehr spontan –, grenzte an Unverschämtheit.


    Als dann endlich der Hausherr auftauchte, machte er einen durchaus abgehetzten Eindruck... aber was er sagte, klang in Seianas Ohren verdächtig nach einer Ausrede. Kurz vor ihrem Eintreffen also war der Bote gekommen? Warum hatte der Pompeius sie dann überhaupt eingeladen, wenn er zu dem Zeitpunkt schon die Botschaft des Kaisers gehabt haben musste? Und dass er sie nicht wieder zu erkennen schien, obwohl sie schon einmal – wenn auch vor Jahren – in diesem Haus zum Essen gewesen war, trug nicht unbedingt dazu bei, dass sie geneigter war ihm zu glauben. Allerdings ließ sie sich davon nichts anmerken. Sie lächelte nur ihr übliches, höflich-kühles Lächeln, das sie jedem in solchen Situationen schenkte. „Wie bedauerlich, Procurator. Deine Einladung war sehr spontan, dennoch habe ich mich darauf gefreut, den Abend mit dir und deiner Frau verbringen zu können“, erwiderte sie ruhig. „Natürlich hat ein Ruf des Kaisers Vorrang. Allerdings bin ich ursprünglich ohnehin gekommen, um mit deiner Frau sprechen. Kann sie mich kurz empfangen?“

  • Ich schüttelte den Kopf in gespielter Traurigkeit, so wie ich stets Senatoren vertröstet hatte wenn einer der Procuratoren mal einen freien Nachmittag hatte haben wollen ... mittlerweile schickte ich sie natürlich einfach selbst weg immerhin war es ja jetzt meine Kanzlei ...


    "Ich fürchte nein, wie du dir sicher vorstellen kannst zürnt sie mir nun ob der Absage und dementsprechend ist sie wohl bereits zu Bett gegangen! Ich fürchte wir werden auch dieses Gespräch auf ein andermal verschieben müssen!"


    Ich redete mit meiner versöhnlichen Stimme so als ob ich der Decima gerade eine wirklich gute Alternative geboten hätte, was natürlich überhauptnicht der Fall war ... Ich begann mich bereits Richtung Ausgang zu warten wo bereits ein Sklave auf mich wartete in Begleitung des Sklaven der Decima, man hatte ihm noch ein kleines "Lunchpaket" mit auf den Weg gegeben, der Mann schien aber auch gut und gerne für zwei essen zu können ... so wie der aussah ...

  • Zu Bett gegangen. Um diese Uhrzeit. Die Iunia hatte sich erst vor kurzem aus der Acta verabschiedet, es war erst früher Abend, die Sonne würde noch einige Stunden lang nicht untergehen – ganz sicher noch keine Zeit, zu der eine erwachsene Frau zu Bett ging. Und es hatte hier ganz offensichtlich noch niemand zu Abend gegessen. Sie stand hier im Triclinium, das hervorragend hergerichtet war, nicht nur für eine Cena der Familie des Hauses, sondern eindeutig für Besuch. Und seit wann konnte eine Frau nicht mit einer anderen zu Abend essen, nur weil ihr Mann plötzlich weg gerufen wurde und sie alleine waren? Das war absolut lächerlich.


    Seiana begann sich ernsthaft in Betracht zu ziehen, beleidigt zu sein. Hielt der Procurator sie etwa für so dumm, dass sie ihm diese bescheuerte Ausrede abnahm? Nein. Sicher tat er nicht, beantwortete sie lautlos ihre eigene Frage. Er wollte sie nur einfach los werden, und sie idealerweise brüskieren auf eine Art, die gerade so noch keine offene Beleidigung darstellte... auf die sie also kaum reagieren konnte, wenn nicht sie diejenige sein wollte, die einen Streit begann. Und dann wagte er es auch noch, noch bevor sie überhaupt antwortete, sich schon in Richtung Tür zu bewegen. Sie begann zu verstehen, warum Faustus so ablehnend gegenüber dem Pompeius eingestellt war... andererseits war sie sich sehr sicher, dass das hier nicht auf seinem Mist gewachsen war. Sie hatte mit dem Procurator nichts zu tun, weder positiv noch negativ. Es gab keinen Grund, warum er sie nun plötzlich hinaus komplimentierte, noch dazu wo er sie gerade erst eingeladen hatte, und das mit Freuden, wenn sie sich richtig an die Worte des Ianitors erinnerte. Kein Grund. Keine Verbindung. Außer der Iunia. Der wiederum traute Seiana alles zu, gerade nach ihrem letzten Treffen, auch wenn sie wirklich die Hoffnung gehabt hatte, Seneca hätte etwas erreichen können, eine Hoffnung, die sich gerade zu zerschlagen schien... was die Iunia als Mitwisserin gerade wieder höchst gefährlich machte. Seiana hätte nur nicht unbedingt erwartet, dass der Pompeius derart nach der Pfeife seiner Frau tanzte.


    „Zu Bett gegangen. Um diese Tageszeit“, erwiderte sie allerdings nur, mit einem Lächeln, freundlich und eisig zugleich, während ihrem Tonfall eine feine Ironie zu entnehmen war. Sollte der Procurator ruhig merken, dass sie ihm kein Wort glaubte. „Das Schlafbedürfnis der Lectrix scheint sehr ausgeprägt zu sein. Vielleicht überanstrengt sie ja die Tätigkeit in der Acta, ich sollte das beizeiten einmal prüfen.“ Sie ging zur Tür, wo einer ihrer Sklaven bereits wartete – mit einem Päckchen in der Hand, das eindeutig nicht von ihr war. „Das wird nicht nötig sein.“ Mit einer Kopfbewegung wies sie den Sklaven an, das Päckchen weiter zu reichen an einen der Haussklaven, bevor sie sich noch einmal an den Pompeius wandte. „Ich wünsche dir noch einen angenehmen Abend, Procurator.“ Mit diesen Worten verließ sie das Triclinium noch vor ihm, und nur kurze Zeit später auch die Casa.

  • Das war ja prima gelaufen, aber wie zum Teufel hatte ich es fertig gebracht eine so dermassen bescheuerte Ausrede auszuplaudern ohne mich selbst dafür auszulachen ... warum hatte ich nicht einfach mit der Decima gegessen ... warum hatte ich nicht selbst entschieden das meine Frau auf dem Zimmer blieb damit sie mir und der Zukunft meiner Gens nicht im Weg war ???


    Ich realisierte etwa zwei Stunden zu spät das ich in Axillas Nähe dazu zu neigen schien unlogische Entscheidungen zu treffen, ein gutes Verhältnis zur Decima hätte eventuell einen Pfad zu ihrem Bruder und dessen simplem Verstand eröffnet, vielleicht sogar eine Möglichkeit der Einflussnahme generiert die unabhängig von meinem Patron funktionieren konnte.
    Ich war blindlings in eine Fehde gestolpert, vom neutralen Aussenseiter zum Mittelsmann geworden. Dies würde sicher noch das ein oder andere Nachspiel haben ...

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