Sie hatten wieder die alte Maga vom Tiberufer gerufen. Sie war alt und gebeugt, bewegte sich nur langsam, ihr Rücken war gekrümmt. Aber noch immer waren ihre altersfleckigen Hände ruhig, als sie nach und nach die Utensilien auf dem bereitgestellten Tisch ausbreitete. Eine Holzschale, schon schwarz von der Tinte, die so oft hier hereingegeben wurde, einige Nadeln aus Bein, spitz und ebenfalls so schwarz wie die Finger der alten Frau. Kein Wasser der Welt würde diese Tinte ihr jemals wieder von den Fingern waschen, ebensowenig wie die Zeichen, die sie mit den Nadeln und einem winzigen Hammer in das Fleisch ihrer Kunden malte.
Die Sonne war nur noch wenige Handbreit über dem Horizont, bis die Arbeit der Frau beendet wäre, wäre es tiefe Nacht. Aber das machte nichts. Nachdem Kieran seinen ersten Kampf erfolgreich bestritten hatte und seine Wunden von den beiden Ärzten des Ludus gesäubert, genäht und verbunden worden waren, hatte der Director beschlossen, ihn als Gladiator zu kennzeichnen. Und so standen und saßen die Gladiatoren und die Doctores in der Nähe, genossen den freien Abend und warteten darauf, einen neuen Bruder in ihren Reihen bald begrüßen zu dürfen.
Das alte Weib bedeutete Kieran, sich auf eine Holzbank zu setzen, während sie sich auf dem Schemel davor mit müden, alten Knochen niederließ. Ihre Haut war runzlig, ihr Gesicht dadurch irgendwie nicht mehr alt, sondern zeitlos geworden. Ihr weißes Haar hing in wilden Strähnen herab, durch das man die Kopfhaut sehen konnte. Überall hatte sie kleine Knöchelchen oder Federn von Vögeln eingeflochten. Kein Wunder, dass man von ihr sagte, sie könne zaubern.
Mit einer warmen Hand fuhr sie über Kierans Unterarm, wo das Zeichen hinkommen sollte. Sie griff nach einer langen, spitzen Knochennadel und tippte sie in die schwarze Tinte. “Nicht wegziehen“ krächzte sie fast wie ein Rabe, ehe sie sich an ihr Werk machte, Stich für Stich.