Zwiegespräch mit einem Patrizier

  • Man geleitete den Tiberier durch die Gänge der Regia bis zu den Räumen, die den Pontifices vorbehalten waren. An einem Tisch, der eindeutig für mehrere Personen gedacht war, saß Duilius Verius und wartete bereits auf ihn. Nachdem der Bote den Mann zum Termin angemeldet hatte, lächelte der Duilier leicht und bot Tiberius Lepidus mit einer Handbewegung einen Platz an.
    “Salve, Tiberius. Setz dich doch.“ Er wartete, bis der Mann seiner Aufforderung nachgekommen war. Platzauswahl herrschte ja reichlich. Selbst wenn das Collegium momentan zusammentrat, blieben erschreckend viele Plätze leer. Ein Großteil der Sitze war ehemals mit Patriziern besetzt gewesen, die nun entweder verbannt, geflohen (oder beides) oder tot waren, und auch, wenn sie versucht hatten, das Collegium durch Cooptation wieder aufzufüllen, gab es einfach nicht genug Männer, die auch bereit waren, sich kooptieren zu lassen angesichts der jetzigen Umstände, und die, die es waren, waren großteils nicht geeignet oder hatten nicht ausreichend Vorbildung und Kenntnisse.
    “Du möchtest dich also in den Dienst der Götter stellen?“ begann der Mann die Fragerunde auch sehr offen, um dem Tiberier die Gelegenheit zu geben, ein wenig mehr zu Beginn zu erzählen, so er denn wollte.

  • Irgendwie wirkte alles so ruhig und erhaben. Ob dies die tatsächlich Atmosphäre dieser Gänge waren oder ob der Tiberier nur alles um sich herum ausblendete, konnte er im Nachhinein nicht wirklich sagen. Als er dann aber endlich im entsprechenden Raum angekommen war, atmete er noch einmal ein wenig durch, nur ganz leicht, kaum auffällig. Schließlich musste er sich in seiner ganzen patrizischen Würde zeigen und die duldete eben kein Verhalten, welches Unsicherheit ausstrahlte. Der große Tisch, der so verlassen schien, weil nur eine Person an ihm Platz nahm, hatte nun Lepidus Aufmerksamkeit. Er befolgte die Aufforderung des Duilius und setzte sich auf einen der freien Plätze, recht nah an Duilius. "Salve, Pontifex.", grüßte er ihn noch zurück, während er sich bereits ausmalte, was nun folgen würde. Und dann kam auch schon die erste Frage, eine Art rhetorische Frage, da der Mann das Anliegen des Tiberius ja schon längst kannte. So hätte als Antwort sicherlich auch ein einfaches 'Ja' gereicht, aber meist wurde dies dann doch als Unhöflichkeit aufgefasst. In anderer Gesellschaft wäre es für Lepidus wohl typisch gehen, darauf mit Ironie zu antworten, in etwa 'Nein, natürlich nicht, ich hab mich in der Tür geirrt'. Jener schlechte Humor, der so eigentümlich war für seinen Charakter. Aber hier war natürlich alles ganz anders. Hier saß ein ehrenwerter Mann vor ihm und Lepidus wollte etwas von diesem. In diesem Fall musste er schon etwas mehr von sich preis geben.


    "So ist es. Ich wünsche den Göttern zu dienen. Als frommer Mann, der schon große kostspielige Opferungen zu Ehren der Götter durchgeführt hat, sehe ich mich nun auch im innersten bewegt als Priester mein Leben den Göttern zu widmen und hoffe, dass ein frommer Patrizier auch benötigt wird." Sein letzter Satz kam fast einer Frage gleich, er blieb jedoch bei dieser recht indirekten Formulierung, denn diese Art von Gesprächen glichen meist eher einem Verhör als einer gleichrangigen Unterhaltung. Unterwürfig ließ man sämtliche Fragen über einen ergehen, ehe man selbst vielleicht aufgefordert wurde eine Frage zu stellen oder auch nicht.

  • Ziemlich genau wurde der Tiberier taxiert, als er sich setzte und zu sprechen anfing. “Sicher, sicher doch. Ich habe deinem Schreiben auch entnommen, dass du gerne einfacher Aedituus für Apollo werden möchtest. Das wundert mich ein wenig.“ Duilius Verius legte ein wenig den Kopf schief und gab sich betont freundlich, als er den Tiberier leicht anlächelte. “Wenn ich sonst ein Schreiben von einem Patrizier in Händen halte, bittet er üblicherweise um die Berufung in ein Collegium. Beispielsweise die Septemviri. Wie kommt es, dass deine Wünsche da so viel bescheidener sind?“
    Natürlich konnte sich herumgesprochen haben, dass Duilius ebenfalls auf der Liste von Salinators Günstlingen zu finden war. Er war Plebejer und hatte in den letzten Jahren schon häufig im Sinne des jetzigen Imperators die Diskussionen im Collegium gelenkt. Und nun, nachdem fast alle Patrizier aus dem Collegium auf die ein oder andere Art entfernt waren, hatte seine Stimme sehr viel Gewicht im Gremium. Da lag der Schluss nicht allzu fern, dass ein junger Patrizier da lieber tief stapelte, noch dazu bei diesem Familiennamen.

  • Etwas verblüfft schien der Tiberier, als er die Worte des Duilius Verius hören musste. Es schien als würde das Gespräch sogleich eine merkwürdige Wendung nehmen. Nun, genau genommen war die Bezeichnung 'Wendung' hier wohl falsch, denn das Gespräch hatte ja noch überhaupt keine Zeit sich in irgendeine Richtung zu entwickeln. In seinem Brief jedenfalls, war tatsächlich nicht die Rede davon, dass er Aedituus werden möchte; er erwähnte immerhin einen Verwandten, der einst Aedituus war, aber explizit, dass Lepidus einer werden wollte, war darin nicht zu erlesen. Für einen Moment war sich Lepidus unsicher, was er geschrieben hatte und musste seine eigenen Zeilen noch einmal überdenken, schließlich hatte er sie ja nicht zur Hand, aber Lepidus schien sich dann doch recht sicher, dass er dergleichen nicht zu Papier gebracht haben konnte. "Nun, von einem Wunsch Aedituus zu werden, ist in meinem schreiben - so glaube ich - nichts zu lesen. Vielmehr betonte ich Apollon dienen zu wollen, wenn ich einen Wunsch äußern könnte. Dies kann ein Aedituus, aber ebenso ist dies beispielsweise eine Pflicht des Collegiums der Quindecimviri... aber darüber muss ich dich sicher nicht aufklären." Nun, zumindest hoffte das der Tiberier. Wer wusste schon, welche Leute dieser Bürgerkrieg in welche Position gespült hatte. Lepidus bemühte sich immerhin grundsätzlich jedes Wort mit einem Lächeln der Zurückhaltung zu sprechen, stark darauf bedacht, dass sich die Worte nicht in irgendeiner Weise anmaßend anhören würden. Durfte er dem Mann überhaupt in irgendeiner Weise, auch wenn sie sehr sanft war, unterstellen, dass er sich geirrt hatte? "Der Grund, weshalb ich nicht explizit um einen Platz in einem Collegium bat, ist jener, dass ich, wie ich es auch in meinem Brief offenbarte, mein Schicksal verantwortungsvoll in die Hände des Collegiums lege, um dort eingesetzt zu werden, wo ich am dienlichsten für die Götter erscheine. Sicher bin ich für einiges mehr und für anderes weniger geeignet, aber dafür sitzen wir hier ja auch sicherlich zusammen, eben um dies festzustellen." Schließlich hatte der Tiberier keinen Einblick, wie die derzeitige personelle Lage war. Sich für ein Collegium zu bewerben, wo möglicherweise ohnehin schon alle Plätze in zufriedenstellender Weise besetzt waren, hätte wohl keinen Sinn ergeben. Gleichsam unterstrich dies wohl seine Bescheidenheit, die er allerdings unter scharfen Kompromissen mit seiner gewohnten Verhaltensweisen an den Tag legen musste. "Noch dazu sind mir auch ohnehin einige Stellen in Ermangelung des entsprechenden Ordos verwehrt. Das patrizische Blut allein qualifiziert heute ja leider nicht mehr für alles." Letzteres musste der Tiberier bitterlich feststellen. Womöglich konnte ihm Duilius ja etwas sagen, was er noch nicht wusste und vielleicht war Lepidus auch, was die Collegien anging, falsch informiert. Für den Moment konnte das der Tiberier kaum feststellen.


    Edit: Kleine Anpassungen.

  • Jetzt kam man dem Kern der Sache schon näher. Dem Mann fehlte also der Ordo, um sich für die Collegia zu qualifizieren. Das war in der Tat ein Hindernis, vor allem gekoppelt mit dem Namen Tiberius.
    “Da hast du recht. Heutzutage muss man sich auch als Patrizier seine Würde erst noch verdienen“, gab Duilius ein wenig frostig zum besten. Er teilte diesbezüglich durchaus die Haltung seines großen Gönners, des jetzigen Kaisers, dass den Patriziern ohnehin schon viel zu viel zugestanden worden war über die Jahrhunderte, und das faule Pack sich durchaus mal etwas verdienen könnte. “Und ich nehme an, dein Patron hat bereits vergeblich versucht, dir denselben durch Bittgesuche oder ein paar wohlplatzierte Geschenke zu besorgen?“ Nur, weil er Patrizier nicht mochte, hieß das ja nicht, dass er deren Geld nicht annehmen würde. Ebenso wie Vescularius Salinator, der nach wie vor besser zuhörte, je mehr man ihm sein Zuhören vergoldete.

  • Die Würde verdienen? Als Patrizier besaß man diese Würde bereits von Geburt. Dies war auch die Einstellung des Tiberiers, denn nicht umsonst wurde seine Familie einst geadelt, wenn sie sich nicht durch große Taten ausgezeichnet hätte. Das Denken vom Einzelnen Individuum war ihm eigentlich fremd. Die Taten seiner Ahnen, waren auch die seinen und seine Taten wiederum die ihren, alles war in einem Kontext zu sehen. So verstand er es und so leitete er seine Privilegierung ab.


    Dann auch noch die Rede vom Patron. Seit er in Rom war, wer hätte da schon sein Patron sein können? Macer? Politisch wohl zu neutral, um ihn bei Salinator den Ordo zu verschaffen, zumindest war dies sein Eindruck nach ihrem ersten Gespräch. Victor? Ein treuer Anhänger des Vesculariers, nur leider konnte sich Lepdius diesem bisher kaum annähern. Abgesehen davon, dass er sich derzeit kaum vorstellen konnte, vom Patrizier-Kritiker schlechthin (und dies war wohl noch die sanfteste Formulierung) in den Ordo Senatorius versetzt zu werden. Aber über all das zu schwadronieren erschien Lepidus als sinnlos, weshalb er die Frage mit einem einfachen "Nun, ich arbeite daran..." beantwortete.

  • Der kleine Hinweis war vielleicht doch zu subtil gewesen. Oder aber der Tiberier wollte nicht auf das kleine Bestechungsspielchen eingehen. Oder er hatte kein Geld, was durchaus auch sein konnte. “Sag, inwieweit bist du mit Tiberius Durus verwandt?“ lag bei diesem Gedankengang die Frage nicht fern. Dessen Besitz war schließlich beschlagnahmt worden, immerhin hatte der Mann den geliebten Kaiser Valerianus heimtückisch ermordet! Da konnte es gut möglich sein, dass deshalb das nötige Geld und auch der nötige Einfluss für den Ordo Senatorius fehlte.
    Abgesehen davon musste Duilius diese Frage ohnehin stellen. Er wollte nicht unbedingt den verschollenen Sohn des Tiberiers hier vor sich sitzen haben und ihm in ein Amt verhelfen, was dann sein Gönner ihm negativ auslegen könnte. Seine Position war zwar gefestigt, aber noch nicht so lange, als dass nicht jemand mit ein bisschen Sagen seinen Stuhl zum wackeln bringen könnte. Und Duilius wollte vor dem neuen Kaiser möglichst gut dastehen.

  • Das Verhör nahm seinen Lauf. "Tiberius Durus?", wiederholte er noch einmal den Namen des früheren Senators. Bereits als Lepidus den Brief an das Collegium schrieb, hatte er sich viele Gedanken um diesen Namen gemacht. Natürlich musste er an dieser Stelle auf ihn angesprochen werden, schließlich war dieser ganze Ort auch so etwas wie seine Wirkungsstätte. So wie in seinem Brief, so setzte er auch hier seine Verleugnungs-Strategie fort. "Ein entfernter Verwandter von mir, in der Tat. Cousin dritten Grades oder so etwas in der Art. Ich habe den Mann kaum gekannt." Sämtliche Spekulationen um Durus ließ er außen vor, Lepidus musste sich ja nicht rechtfertigen, ahnte allerdings bereits, dass ihm dies noch Schwierigkeiten bereiten konnte. Jede Nähe zu Durus könnte in der jetzigen Situation gefährlich sein und seine eigene Zukunft gefährden. Egal, was er tat, er musste unbedingt jede Verbindung zu ihm bestreiten, ihn zur Not sogar als Schande der Tiberier bezeichnen. All dies hatte er schon einmal tun müssen und keine Skrupel es wieder zu tun. Blieb nur die Frage, ob Duilius weiter nachhaken würde. Dass Lepidus ein unmoralisches Angebot vorgesetzt bekam, erschloss sich ihm in der Tat nicht, wie sollte es auch? Er hatte keinerlei Erfahrungen mit solchen Spielereien und die Politik (Die Lehrmeisterin solcher Spielchen) war noch weit weg von ihm.

  • Ganz scharf beobachtete Duilius Verius sein Gegenüber und versuchte, den Wahrheitsgehalt dieser Aussage abzuschätzen. Er hatte nur leider keine Ahnung, ob sie denn tatsächlich wahr war, dazu kannte er die tiberische Familiengeschichte schlicht zu wenig, und auch die Erkundigungen, die er im Vorfeld dieser Besprechung eingezogen hatte, waren bestenfalls uninformativ gewesen.
    Andererseits... dem Mann vor ihm fehlte ohnehin der entsprechende Ordo für die höheren Kollegien, und da er offenbar auch keinen einflussreichen Patron hatte, dem Duilius auf den Togasaum mit seinen Entscheidungen treten könnte, war er hier in einer sehr bequemen Position. Dass der Tiberier ihn auch nicht zu bestechen versuchte, sondern brav alles über sich ergehen ließ, ohne Einwände vorzubringen, machte die Sache im Grunde sogar sehr einfach.
    “Nun, da dir der nötige Ordo fehlt, kann ich dich wirklich in keines der Kollegien berufen, denn diese stehen wirklich nur jenen Männern offen, die den entsprechenden Einfluss für sich gelten machen können und die aus einer ansprechenden Familie kommen. Einzig die Pontifices minores stünden noch allen anderen Bürgern offen, allerdings werden diese Plätze ausschließlich an lang verdiente Mitglieder aus den Reihen der Aeditui vergeben, als besondere Würdigung ihrer bisherigen Verdienste.“
    Duilius Verius machte eine bedauernde Geste mit seinen Händen, als könne er da rein gar nichts daran ändern. “Von daher kann ich dir tatsächlich nur den Posten eines Aedituus anbieten, wobei ich hierbei natürlich auch deinem Wunsch, Apollo zu dienen, entsprechen kann. Sollte sich dein Ordo ändern, kann man das natürlich auch ändern und dich in eins der Kollegien dann später berufen, aber im Moment, fürchte ich, sind dir alle anderen Möglichkeiten verwehrt.“
    Ein wenig Selbstzufriedenheit konnte Duilius wohl nicht verheimlichen. Es war eine perfekte Lösung, die sicher auch Vescularius Salinator gefallen würde: Ein Patrizier auf einem kleinen Posten, noch dazu ein Tiberier! Und keiner konnte von ihm behaupten, er hätte den Mann nicht dennoch fair behandelt. Allerdings war hier die Gesetzeslage doch sehr eindeutig.

  • Der Tiberier atmete deutlich bemerkbar aus, als Duilius Verius wieder mit etwas völlig anderem anfing. Für einen Moment stockte ihm wohl mächtig der Atem. Seine Erleichterung, dass das Thema Durus so schnell beendet wurde, konnte er so nur schwer verbergen, auch wenn er es natürlich versuchte, indem er gleich wieder eine normale Atemfrequenz einnahm und dazu ein überaus interessiertes Gesicht machte, als sein gegenüber fortfuhr. Fast hätte er jedoch den Inhalt der Worte des Duilius verpasst, doch was verstand reichte, um ein wenig skeptisch dreinzublicken. Nun, ein Aedituus sollte er nun also tatsächlich werden? Beim Gedanken daran, dass diese Aufgabe normalerweise von Sklaven und Freigelassenen erfüllt wird, konnte sein stolzes Patrizierherz durchaus zu bluten anfangen, allerdings gab es in der Vergangenheit immer mal wieder Ausnahmen, nicht zuletzt in seiner eigenen Familie, wie er ja auch in seinem Schreiben selbst mitteilte. Und die Tatsache, dass Duilius die Pontifices minores erwähnte, sollte womöglich schon eine Aussicht auf die Zukunft darstellen.


    Als Quindecimviri hätte er sich zwar sicherlich auch hervorragend gemacht, aber womöglich konnte ein Mann in seiner Position unter den derzeitigen Verhältnissen nicht mehr erreichen. Er hatte wohl schon Glück, wenn er überhaupt irgendwo unterkommen konnte. Dass Duilius allerdings so auf den Ordo pochte, verwirrte ihn so manches Mal. "Ich frage tatsächlich nur aus purer Neugier und verzeih mir bitte sogleich meine Unwissenheit: Aber war nicht gar auch nur die Ritterschaft die Voraussetzung für so manchen Priesterposten und wurden nicht schon des Öfteren Patrizier auf die Posten von Rittern erhoben? Ein Mann aus meinem Stand müsste über so etwas sicher besser Bescheid wissen, aber sagen wir doch einfach, dass ich heute nicht ganz auf der Höhe bin und die Informationen sich für meine Zukunft und meinen weiteren Werdegang im Dienste der Götter als nützlich erweisen würden." Der Tiberier hatte es sich nun tatsächlich herausgenommen selbst eine Frage zu stellen, noch dazu eine recht einfältige. Bisher schien Duilius allerdings recht umgänglich, weshalb Lepidus wohl glaubte seine passive Haltung für einen Moment aufgeben zu können.

  • Duilius Verius stutzte kurz. “Ritterschaft? Natürlich ist sie auch eine Zugangsmöglichkeit, und was heißt dabei 'nur Ritterschaft'? Die meisten Ritter haben in ihrem Leben weit mehr geleistet für das Imperium, als ein ganzes Bündel Senatoren es jemals tun wird, und noch dazu haben sie sich ihren Stand erarbeitet und nicht ererbt!“ Naja, die meisten von ihnen. Einige wurden auch zu Rittern erhoben, eben weil der Vater auch schon Ritter war und den Ritterring mit seinem Tod gern übergeben wollte. Oder weil ein Verwandter beim Kaiser dafür gebettelt hatte, um irgendwelche Familientraditionen aufrecht zu erhalten. So oder so wurde aber der Ritterstand nicht so vererbt wie der Ordo Senatorius, und nur Sohn oder Enkel eines Ritters zu sein brachte einem absolut nichts, nur die Erhebung in den Ritterstand durch den Kaiser brachte den passenden Zugang zu Ämtern.
    “Aber als Patrizier steht dir das sowieso nicht wirklich offen. Der Ordo Equestris ist aus dem Plebejerstand erwachsen durch die Ständekämpfe, eben um ein Gegengewicht zum Patriziat zu bilden. Ein Patricius als Ritter... nein, so ein Kuriosum wäre mir neu. Ich wüsste nicht, wann der Kaiser da zuletzt einen Patrizier in diesen Stand erhoben hätte, oder ob überhaupt.“
    Wenn Duilius Verius darüber nachdachte, konnte er sich das gar nicht so recht vorstellen. Es gab ja durchaus gewichtige Gründe, warum Angehörige des Ordo Senatorius und Patrizier dieselben Einschränkungen hinzunehmen hatten, was ihre Vermögensgenerierung anging. Im Grunde war der Ordo Senatorius da den alten Sitten und Gebräuchen der Patrizier angepasst worden, so dass auch Nicht-Patrizier sich wie solche zu verhalten hatten, indem sie Erträge nur aus ihren Ländereien und den Dingen, die darauf wuchsen, zogen, und nicht aus irgendwelchen Handelsgeschäften. Jetzt einen Patrizier zum Ritter zu machen – die eben diese Lücke füllten und handelten und reisten und eben nicht auf die Erträge des Landes beschränkt waren – das würde diese Sitten ad absurdum führen und mit jahrhundertealten Traditionen brechen. Und wenn die Römer eines beachteten, dann eben diese Traditionen, sinnig oder unsinnig.
    “Aber ja, Rittern stehen auch die meisten collegialen Ämter zu, so sie sich um jene bemühen, ausgenommen die der drei großen Flamines.“


    Duilius betrachtete den Tiberier noch einmal etwas skeptischer. War das mit dem Ritterstand nun eine ernste Frage gewesen, oder hatte er ihn nur testen wollen? Oder fragte der Bursche für einen Freund und war nur treudoof vorausgelaufen? Duilius wusste es nicht. “Also, soll ich dich dann zum Aedituus ernennen? Der Tempel des Apollo könnte ein wenig mehr Zuwendung sicher vertragen.“

  • "Oho", dachte sich der Tiberier, wie er so auf seinem Platze saß. Gleich ein ganzer Vortrag über den Ordo Equester. Darauf hatte er es nun wahrlich nicht abgesehen und Ritter wollte er erst recht nicht werden. Da hatte Duilius zweifellos recht. Aber in seiner Frage ging es ja auch dann tatsächlich darum, ob ein Patrizier auf den Posten eines Ritters erhoben werden könnte, was soviel heißt, dass für einen Posten, wofür der Ritterstand erforderlich wäre, ein Patrizier diesen Ritterstand natürlich nicht brauchen würde, um ihn besetzen zu können, da seine adlige Herkunft als Voraussetzung für solche "Ritterposten" ausreichend wäre. Möglicherweise verleitete auch das Wort 'erhoben' zu missverständnissen. Wie dem auch sei, dies müsste wohl eines Tages mal im stillen Kämmerlein in Erfahrung gebracht werden, hier bei einer Art Bewerbungsgespräch war es wohl kaum angemessen. Für den Moment tat er so, als wäre er mit der Antwort zufrieden. So kam dann der Tiberier auf die Frage seines Einsatzes als Aedituus zurück. Auch hier hatte er sich fest vorgenommen, die Nerven des Duilius ein wenig zu strapazieren. Dies alles natürlich nur zum Wohle der Götter.


    "Über eine Ernennung zum Aedituus würde ich mich selbstverständlich freuen. Nur über den Dienstort müssen wir womöglich noch einmal reden. Du weißt wahrscheinlich so gut wie ich, dass das Ansehen eines Aedituus..." Und sei dies meist das Ansehen von Sklaven und Freigelassenen "...vom Tempel abhängt, in dem er eingesetzt wird. Nun gehe ich glaube ich nicht zu weit, wenn ich sage, dass Apollon ein wichtiger Gott ist, aber sich nicht der größten Beliebtheit in Rom erfreut." Einst scheiterte Augustus mit seiner apollinischen Politik die Bürger für Apollon zu begeistern. Er selbst hätte ihn wohl zu einer Gottheit der Trias erhoben, doch dieses Ziel konnte wohl selbst ein so großer Mann wie dieser nicht erreichen. Abgesehen davon, dass Lepidus die Unattraktivität des Apollon bei einer Prozession im Namen der Societas Claudiana et Iuliana noch leibhaftig und trauriger weise zu spüren bekommen würde. "Also wäre es wahrscheinlich meiner patrizischen Herkunft am angemessensten, wenn ich in einem wahrhaft bedeutenden, wenn nicht gar dem bedeutendsten Tempel in Rom dienen würde... dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus." Zweifellos könnte er sich dann, um die Göttertrias kümmern und womöglich sogar mit wahrlich bedeutenden Persönlichkeiten verkehren, die in diesem Tempel große und kostspielige Opfer darbrachten. Somit wäre es womöglich auch zu verkraften als adliger auf der Stelle eines Aedituus zu sitzen.

  • Diesen Patriziern konnte man es auch nicht recht machen! Da schrieb der Junge erst von Apollo und wollte nun doch zur Göttertrias. Aber gut, Duilius wollte da nicht lang rumlamentieren, ihm war es Sieg genug, einen Patrizier als Aedituus zu sehen und nicht demnächst als Kollegen, mit dem er sich wieder rumärgern musste. Gerade war es trotz der gähnenden Lehre im Collegium Pontificum auch schön ruhig, weil so ziemlich alle Halbmond-Träger geflohen oder tot oder schlicht ersetzt worden waren. Zumindest im religiösen Sektor hatte die Herrschaft von Vescularius Salinator eindeutig zu einer Stärkung des Plebejer-Standes geführt.
    “Ja, die Göttertrias kann sicher auch etwas mehr Zuwendung vertragen. Wobei du dann natürlich allen drei Gottheiten dieselbe Aufmerksamkeit zuteil werden lassen musst, nicht nur Iuppiter! Aber ich werde dann alles weitere veranlassen, und du meldest dich in drei Tagen im Tempel zu deinem Dienst.“
    Duilius machte sich eine kleine Notiz auf einer Wachstafel, dass er den Tiberier noch ernennen musste und dem Capitolinum zugeordnet hatte. “Von meiner Seite aus wäre das alles. Wenn du noch Fragen hast...?“

  • Zum Glück gab es da keinen Einspruch gegenüber dieser kurzfristigen Entscheidung. Der Tiberier war aber froh, sie getroffen zu haben und damit durchgekommen zu sein. Naja, zumindest ein kleiner Erfolg. Mit der Tatsache allen drei Göttern zu dienen, hatte er wahrlich kein Problem. Im Gegenteil, umso besser war es für ihn. "Mein Dank sei dir gewiss. Ich denke, ich werde der Aufgabe gewachsen sein der gesamten Trias zu dienen. Fragen habe ich tatsächlich ebenfalls keine mehr." Letzteres hörte Duilius inzwischen sicherlich gern. "Mir bleibt nur noch zu sagen, dass ich mich auf meinen kommenden Dienst freue." In drei Tagen ging es also los. Nun, wenigstens musste er jetzt nicht mehr in seiner Villa schmoren und sich die Zeit mit Büchern vertreiben. Sein junger Geist war auch noch viel schade für ein solches Leben.

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