Rein und wieder raus ...

  • Die Stunde null rückte immer Näher. Dies wurde Titus umso bewusster, als Dragonum seine Ansprache hielt. Sie war gut, das gab Titus unumwunden zu, doch zu solch Begeisterungsstürmen wie viele seiner Kameraden ließ er sich nicht hinreißen. Er sah die ganze Angelegenheit einfach viel pragmatischer:


    Wie oft hatte schon Bürgerkrieg geherrscht im Imperium. Jeder der Beteiligten tat es nicht für das Imperium, tat es nicht für das Volk oder sonst etwas gemeinnütziges. Nein, die Kontrahenten stritten sich meist einfach um Geld, Macht und Einfluss. Wer von beiden nun log, ob Salinator oder Palma, das war Titus eigentlich egal. Im Normalfall lag die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte. Der einzige unumstößliche Fakt, war die Tatsache das sie gegen andere Römer, gegen Brüder in den Krieg zogen und Römer töteten. Traurig aber wahr.


    Egal wer am Ende dieses Bürgerkrieges an der Spitze des Imperiums stand, für Titus würde sich nichts ändern. Er würde weiterhin Soldat sein, weiterhin seine paar Sesterzen verdienen und weiterhin dort hin gehen wo man ihn hinschickte. Immer vorausgesetzt, dass er diesen Krieg auch überlebte.


    Titus blickte sich in den Reihen seiner Kameraden um. Einige waren wirklich euphorisch, blickten schon beinahe voller Hass auf das was nun kommen mochte. Andere waren nervös, bekamen die Ansprache des Befehlshabers kaum mit und machten sich beinahe in die Hose. Andere wiederum hielten es wie Titus und waren eher pragmatisch und dachten sich Hauptsache überleben. Zumindestens hatte Titus nun ein gutes Gefühl was ihren Befehlshaber anging. Er schien ein erfahrener Mann zu sein, der wusste was er tat.

  • Etwas befremdlich wirkte es auf Coriolan, dass einige nicht mit voller Stimme jubelten und damit dem Praefectus zeigten, dass er sich auf sie verlassen konnte. Nein, in Gedanken versinken konnte Gnaeus nicht wirklich, zumindest nicht über Politik. Die Fronten waren eingentlich ganz klar in seinen Augen, da gab es kaum etwas daran zu rütteln. Lediglich die Sorge um das eigene Leben konnte einen wirklich zu schaffen machen, doch diese Bedenken schrie er am besten in genau solchen Augenblicken einfach hinweg. Er ließ sich anstacheln, auf das er wahrhaft kämpfen würde, zumal er ja ohnehin gar keine andere Wahl hatte. Also warum nicht genauso gut mit wehenden Fahnen untergehen? Oder, im optimalen Fall, sogar triumphal wieder aus der Schlacht zurückkehren.


    Auch Flavus war wohl nicht in dieser ganz euphorischen Stimme, aber der war in der Tat mehr ein Nachdenker. Bei Gelegenheit musste er mal mit ihm darüber sprechen, auch wenn es jetzt wohl vorerste nicht mehr allzu viele Gelegenheiten dafür geben würde. Es hieß halt dann doch überleben, wenn aus sämtlichen in die Zukunft gerichteten Plänen noch etwas werden sollte.

  • Langsam ebbten die Begeisterungsstürme wieder ab. Wieder zog etwas Ruhe, nein schon beinahe eine gespenstische Stille auf. Titus sah sich um. Er sah viele junge Gesichter. Die Jugendhaftigkeit würden sie aber heute wohl alle verlieren. Er erinnerte sich an einen alten Veteranen, welchen er in seiner Zeit in Alexandria kennengelernt hatte. Dieser hatte ihm oft erzählt:


    "Mein lieber Flavus, hör mir zu. Der exercitus romanus, ein wohl klingender Name. Deine Legion ist dein Zuhause, deine Centurie deine Familie und dein Contubernium deine engsten Freunde. Der exercitus kann dir viel bieten. Aber er kann dir auch viel nehmen. Die erste Schlacht, das vergisst du nie. Junge Männer ziehen unbeschwert, ja euphorisch in den Krieg, kommen aber verändert zurück. Der Krieg verändert Männer. Entweder bricht er dich oder du wirst stärker. Jedenfalls ändert er dich. Du bist nicht mehr der, der du vor dem Krieg warst. Einen Mann mit der eigenen Hand töten, das ist nicht einfach. Doch wenn du in einer Schlacht bist, dann erlangt dein Instinkt die Oberhand. Es ist ganz einfach: Töten, oder getötet werden. Jeder Mann wird sich für Ersteres entscheiden. Schlussendlich ist es aber das beste Leben das wir als einfache Männer führen können. Wenn du Rom dienst, dann dient Rom auch dir."



    Damals hatte Titus diese Worte noch als Spinnerei, vielleicht Propaganda abgetan. Heut an diesem Tag, in diesem Moment allerdings ergaben die Worte des Mannes nun nach Jahren Sinn für Titus. Er musste schmunzeln und sah dabei auf den Boden.


    Langsam schnitten die Schulterriemen das Marschgepäck ins Fleisch. Um etwas Entlastung zu schaffen machte Titus einen leichten Sprung, damit das Gewicht etwas nachließ. Dabei verschob er die Riemen auf eine bisher weniger belastete Stelle. Lange würde es wohl nicht mehr dauern und sie zogen in die Schlacht. Ein ungutes Gefühl, welches sich komischerweise mit etwas Vorfreude mischte, beschlich Titus. Noch mehr musste er jetzt über die Worte des Veteranen schmunzeln, welcher ihm dies vorausgesagt hatte.


    Hoffentlich ging es bald los, damit diese unsägliche Warterei ein Ende nahm. Diese setzte ihm langsam aber sicher mehr zu, als die Möglchkeite heute zu sterben......

  • Die Ansprache des Praefecten ließ keine Zweifel daran für was und wen wir in den Kampf zogen. Für Rom und den Kaiser, auf den wir unseren Schwur geleistet hatten, von dem wir bezahlt wurden und gegen den man bis jetzt keine eindeutigen Beweise vorgebracht hatte, nicht der rechtmäßige Kaiser zu sein. Ich stimmte mit in den Chor ein, zog meinen Gladius und stieß ihn in die Luft, meinen Ruf zu untermauern.


    Meine Gedanken unterdessen kreisten immer wieder um Palma und seine Botschaft. Diesen halbherzigen Versuch uns auf seine Seite zu ziehen.
    Palma hatte nichts vorzuweisen, um den Praefectus davon zu überzeugen, dass er auf der falschen Seite stand. Ein Brief ein formloser nichts sagender Brief. Ist das die Art und Weise eines rechtmäßigen Kaisers? Warum hatte Palma keine Abordnung von Offizieren geschickt? War sein Vorhaben doch nicht so ehrenhaft wie er vorgab? Alles Fragen die unbeantwortet blieben.


    Dragonum hatte die Legion eingeschworen. Die classis stand zu ihrem Schwur Rom zu verteidigen. Im Flottenstützpunkt wurde ebenfalls Kampfbereitschaft hergestellt. Alle Schiffe wurden winterfest gemacht. Bis zum Frühjahr war die See zu unruhig um auf Fahrt zu gehen. Die Mannschaften wurden ausgerüstet und waren für einen Kampf zu Land bereit.

  • Die Spannung war unerträglich, besonders als die Jubelarien langsam ihr Ende nahmen und endlich so etwas wie Stille eintrat. Die Ruhe vor dem Sturm? Was ging wohl all diesen Soldaten durch den Kopf. Das heißt: den Soldaten und den Tirones, denn eigentlich konnte man letztere ja noch nicht zu ersteren zählen, obwohl Coriolan natürlich schon das Gefühl hatte, er hätte eine ziemlich anstrengende Grundausbildung in Ostia genossen und konnte sich auch kaum vorstellen, dass da noch so viel kommen würde. Immerhin war er ja jetzt auch schon seit einer ganzen Weile in der Classis. Vielleicht immer noch ein Vorteil, weil er dann im Grunde nicht mitkämpfen musste? Wer schickte schon Tirones in die Schlacht? Nein, es würde sicher bei logistischen Aufgaben bleiben, ging es ihm die ganze Zeit durch den Kopf. So verzweifelt wie die Lage vielleicht auch immer war, die römische Kampfweise hatte auch immer etwas mit Ordnung zu tun und da mussten eben die kämpfen, die auch den entsprechenden Dienstgrad hatten. Ja, beruhigt konnte Coriolan ausatmen, denn als Tiro würde er sicher nicht sterben. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die richtigen Soldaten in der Classis die Schlacht verlieren sollten, so wäre sicherlich alles schon so weit entschieden, dass er sich in Ruhe ergeben konnte, wenn die feindlichen Truppen vorrückten. Im Grunde alles ganz einfach und offensichtlich. Das machte ihm dann sogleich auch wieder Mut und vielleicht war es auch Schicksal, dass er in diesem Krieg doch nur ein Rekrut warn und nicht mehr.

  • Die Jubelrufe verebbten allmählich, sodass ein jeder wieder der Tatsache ins Auge blicken musste, sich bald den ruchlosen Verrätern gegenüber zu stehen. Dieser Kampf wird die Zukunft Roms ausmachen und wenn ich meinen Beitrag leisten kann, das Land und den rechtmäßigen König, sowie die Bürger Roms zu schützen, dann werde ich das unter Einsatz meines Lebens tun.
    Hätte mich jemand gefragt: "Hast du dich mit deinem vielleicht schon bald eintretenden Tod abgefunden?", wäre meine Antwort ein simples, aber eindeutiges "Nein!" wohingegen die Frage, ob ich mein Frieden mit mir selber und Gott, vor der Schlacht schließen werde, mit einem klaren "Ja!" zu beantworten wäre, immerhin weiß niemand wie sich eine Schlacht entwickelt, auch wenn man dessen Verlauf in geplante Richtungen lenken kann.

  • Die Anspannung war deutlich zu spüren. Adrenalin stieg langsam in Titus auf, auch wenn es vermutlich noch zu früh war. Das seltsame Bauchgefühl welches er ohnehin schon hatte wurde nun immer stärker und kamen schon beinahe Krämpfen gleich. Das Gewicht des Gepäcks wog immer schwerer, er trippelte nervös von einem Bein aufs andere. Mit Gedanken die in die Ferne schweiften versuchte er sich abzulenken: Ein schöner Olivenhain, die Sonne ging gerade am Horizont unter und ein rötlich schimmerndes Licht legt sich über die Olivenbäume. Doch Titus gelang es nicht diese schöne Illusion lange aufrecht zu erhalten. Schon bald darauf schlug wieder die brutale Gegenwart und nahe Zukunft durch.


    Gedanklich spielte er nun wieder alle Bewegungsabläufe durch, welche ihm und den Anderen von Palmidis eingebläut worden war. Deckung, Angriff, Ausfall. Alles eine Frage der Konzentration und der Ausdauer. Titus streckte seine Hände ein wenig nach vorne von sich. Er betrachtete den Handrücken und seine Fingerknöchel. Waren diese Hände dazu da Leben zu nehmen? Er konnte sich die Frage selber nicht beantworten. Aber eines war sicher. Er durfte wenn es soweit war nicht zögern, denn das konnte seinen Tod bedeuten. Er nahm sich insgeheim deutlich vor, dass er wenn es soweit sein sollte nicht derjenige war, welcher sein Leben verlor. Wenn dann sollte es der Feind sein.


    Titus zog sein Gladius leicht aus der Scheide und betrachtete das bland polierte Schwert. Es würde also heute das erste mal sein, dass dieses Schwert in der Hand des Flavus Blut sehen würde. Es war seine Feuertaufe......

  • Dragonum nickte zufrieden, die Männer waren bereit auszuziehen um Palma und seinem Haufen das Fürchten zu lehren ... Ein Wink seitens des Flottenkommandanten setzte den Tross in Bewegung und der Heerwurm der Classis machte sich auf den Weg ...


    Späher hatten berichtet das Palma bereits bis nach Misenum vorgerückt sei so das die ursprüngliche Strategie wohl nichtmehr durchführbar war, wer hätte gedacht das Palma zu Fuß schneller war als geübte Segelmannschaften zu Wasser und das auch noch auf eine fast doppelt so lange Strecke ... ein solcher Gewaltmarsch musste den Senator einiges an Truppen gekostet haben, aber das konnte für Dragonum ja nur gut sein, immerhin war seine ursprüngliche Sorge ja gewesen das der Senator versuchen würde sie zu umgehen um ungehindert nach Rom vorzustoßen, aber wie es schien wollte der Senator diese Schlacht ebenfalls ... fragte sich nur wieso ... aber darüber wollte sich Dragonum erst später Gedanken machen, ausweichen konnte er der Schlacht ja nun ohnehin nichtmehr ohne seine Ehre einzubüßen ... also ging es nach Südosten!

  • "Endlich"


    entfuhr es Titus, als sie in Marsch gesetzt wurden. Diese elende Warterei hatte ihm schon langsam aufs Gemüt geschlagen. Er war es ohnehin bisher noch nicht gewohnt gewesen, auf Befehle zu warten. Obwohl das Ganze noch nicht wirklich lange gedauert hatte, so kam es Titus doch wie eine kleine Ewigkeit vor.


    Titus schob das Gladius wieder zurück in die Scheide und setzte punktgenau mit dem linken Fuß in die Marschformation ein. Wie weit würden sie wohl Marschieren? Wo würden sie den Feind stellen? Würden sie zahlenmäßig überlegen sein? War der Feind müde oder ausgeruht? Alle Gedanken kreisten um das Unausweichliche.


    Dies würde also nun seine erste Schlacht werden. Hoffentlich nicht die letzte. Er hatte noch einiges vor in seinem Leben und wollte nicht jetzt schon den Tod finden. Dazu war er nun wirklich eindeutig zu jung. Aber diesen Gedanken würden auf der gegenüberliegenden Seit wohl auch so einige junge römische Bürger haben.

  • Gebellte Befehle, hastig ausgeführt. Ein falsch gelegtes Seil, gegenseitige Beschimpfungen. Der kurze markige Zwischenruf des Trierarchus und die Arbeiten werden unter leisem Fluchen fortgesetzt. Proviant musste geladen werden. Die Legionäre bezogen ihre Plätze. Das Schiff war nach 3 Stunden fertig zum Auslaufen. Die Meldung ging an den Praefectus. Unter den Seeleuten hatte das Ziel ihrer Fahrt die gemacht. Sie sollten zur Abordnung ihrer Flotte vor Alexandria.

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