Rebellische Gastfreundschaft - die Zelle des Titus Decimus Varenus

  • Die Zelle, die man dem Primicerius aus decimischen Hause zuteilte, bot den absolut rudimentärsten Komfort, den man einer Gefängniszelle zuschreiben konnte. Zwar schlief der Gefangene nicht auf blankem Stroh, aber die Pritsche hatte schon deutlich bessere Tage gesehen und war wohl von Jahr zu Jahr aus den 'besseren' Zellen hierhergewandert. Der Schemel, auf dem man das Essen einnehmen konnte, hatte nurnoch zwei Beine und war behelfsmäßig an die Wand gelehnt worden um das fehlende Dritte auszugleichen. Und dann gab es noch einen Pott, den man mit viel Fantasie als Nachttopf bezeichnen konnte, sowie ein uraltes von zig Schichten Rus beschichtetes Talglicht, das den fensterlosen Raum in ein schumriges Halblicht tauchte.
    Auch diese Zelle war in so marodem Zustand, dass im Mauerwerk zahlreiche kleinere Löcher und Ritzen waren, durch die man mit den Zellennachbarn sprechen konnte. Wenn man wollte.

  • Es verging fast ein ganzer Tag bis Titus zum ersten Mal nach der Knüppelattacke seine Augen halb öffnete und die Umgebung wahr nahm, dass er sich nicht mehr in der Casa befand, sondern in seinem sehr, sehr dunklen, feuchtanfühlenden Raum. Die Umsicht fiel ihm schwer, jede doch so unnötige Bewegung vermied er, der Schmerz war einfach zu groß. Sodass er starr auf die Decke blickte und sich einige Gedanken machte. Gedanken über sein weiteres Leben, seiner Frau, seiner Kindern, seiner Gens... aber auch das Gesicht des Schlägers schwirrte ihm durch den Kopf. Wütend versuchte er eine Faust zu ballen, vergebens. Keine Kraft, keine Regung, kaum Blut floss noch durch seine Adern, vielmehr haftete es an seiner Kleidung und tröpfelte zu Boden. Nur die Gedanken blieben ihm vorerst...


    Würde er jemals erfahren, dass die wahren Täter wie Iulius, sein Patron Pompeius, die tatsächlich Befehle erteilten, das Schwert aus dem Schacht zogen, im übertragenden Sinne, zugeschworen davon kamen gar keine einzigen Kratzer erlitten. Dann würde sich sein Hass gegen sie richten, diese Personen in seiner Wertigkeit ganz ins Negative fallen. Das Bann zu seinem Patron wäre gelöst.

  • http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/y-diverse/15.jpg "Frühstück!", trällerte der übliche Küchensklave, als man ihn in die Zelle des Neuzugangs einließ, und stellte einen Teller mit Brot, Oliven und einem Becher Wasser auf dem Schemel ab, penibel darauf achtgebend, dass dieser nicht von der Wand wegrutschte und seine schön auf dem Teller drapierte Mahlzeit auf dem Boden landete.
    "Wohl bekommt's.", lächelte der Sklave und nickte dem Gefangenen aufmunternd zu. Fast mütterlich hielt er Wache darüber, ob seine Schützlinge auch vernünftig aßen, wenn sie hier schon so im finsteren hockten.

  • Kaum geschlafen, todmüde... ach wenn es nur das gewesen wäre, aber nein, auch noch übel riechend, zerzauste Haare, blutbefleckte Kleidung lag er so da. Die Worte des Sklaven hatte er nur Vage mitbekommen, weiterhin taten viel zu sehr seine Glieder weh und erst die Ohren, als wäre jedes der beiden Trommelfelle zerplatzt. Die Knüppelattacke hatte wohl einige Dellen am Schädel hinterlassen und das Gehirn in Richtung Ohrmuscheln gedrückt, so zumindest fühlte es sich an.


    Sehr sehr langsam regte sich Titus Richtung sogenanntes Frühstück, dass man dieses wenige minderwertige Zeug da auf dem Teller so nennen konnte, war schon eine Beleidigung höchstens Grades, als ob ein Decimer nichts besseres gewohnt war. Titus dreht sich somit wieder langsam um. "Wein.", sagte er mit sarkastischen Unterton etwas lauter Richtung Küchensklave.

  • http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/y-diverse/15.jpg "Den gibt es leider nicht.", murrte der Sklave enttäuscht, die ablehnende Haltung des Insassen gegenüber dem Essen deutlich missbilligend. Sowieso ging jeder Sarkasmus und jede Ironie an dem Sklaven verloren: "Ich könnte allerdings etwas Wasser organisieren... vielleicht sogar etwas Posca, je nachdem was die im Lager an Essig da haben."
    Ein weiterer aufmunternder Blick in Richtung Essen ging wohl verloren, also versuchte er es nochmal ausdrücklich mit Worten: "Du musst essen, sonst wirst du schwach und krank werden. Und der Koch hat sich ganz besondere Mühe gegeben, da bin ich mir sicher!"

  • Verwirrt blickte er zu der ihm zugewandten Wand. Brachte der Sklave nicht gerade einen Becher Wasser? Oder Waren es einfach die Nachwirkungen einer schweren Gehirnerschütterung, dass es sich Titus einbildete einen Becher Wasser zu sehen, was letztendlich nur eine Sinnestäuschung gar Fata Morgana war? Rätselhaft und ohne sich nochmals zu vergewissern blieb er regungslos liegend. "Gerne!", antwortete er leicht hustend. Das Essig sollte den üblen Geschmack übertünchen, hoffentlich!


    Denn wenn er keinen Schluck genommen hatte, stellte er sich vor, dass das Wasser ungenießbar schmecken musste, vielleicht sogar Raten-Kot beigemixt war. Zumindest hatte er von solchen Geschichten gehört, ohne dies jedoch zu prüfen, nahm er es als gegeben an. Immerhin war er bisher nie selbst Gast einer Celle gewesen. Vor allem in einer Celle in einer Castra. In der Castra als er vor sehr langer Zeit seinen Vetter Serapio besuchte, der Titus eine Anstellung zu verschaffen versuchte. Bei diesem Gespräch versprach Titus ihm hochheilig nie in einer solchen Celle zu landen, und nun? Versprechen geboren? Unschuldig war er! Zu unrecht eingesperrt! Willkür!


    Zu der ausdrücklichen Bitte selbst: …"Aha!… Und mit alle Lieber [SIZE=7]darauf gespuckt[/SIZE]… Wenn du die Celle öffnest, überlege ich es mir eventuell mit dem Essen."

  • http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/y-diverse/15.jpg "Aber natürlich werde ich die Zelle aufmachen...", antwortete der Sklave ziemlich perplex, "..ich muss hier ja immerhin auch noch raus. Ich nehme mir ja gerne die Zeit, um mit den Insassen etwas zu sprechen, aber es warten da ja auch noch andere auf mich. Also ewig kann ich nicht bleiben, jaja... und der einzige Weg hieraus geht ja wohl durch die Tür. Die geschlossen wohl kaum passierbar sein dürfte, jaja. Also... guten Hunger!"

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/10.jpg Es quietschte laut als die Bolzen des Türschlosses zurückgeschoben wurden, und ein lautes Knarzen war zu hören als die Tür aufgestoßen wurde. Hinter ihr stand einer der Wachsoldaten, der im schummrigen Halblicht des Ganges und in der Finsternis der Zelle eher als Schatten denn als Mensch wahrzunehmen war.
    "AUFSTEHEN!", bellte er sogleich los, "Du ziehst um... scheint fast so, als hätte jemand ein gutes Wort für dich eingelegt."
    Sobald der Decimus die Zelle verlassen hatte wurde er grob nach vorne gestoßen und den Gang in Richtung Ausgang geführt... allerdings nicht bis zu dessen Ende, sondern einige Schritte davon entfernt in eine andere Zelle. Mit besserem Bett, sauberem Zustands und vor allen Dingen: mit (freilich vergittertem) Fenster.

  • Titus war durch die ständige Dunkelheit, die schlechte Ernährung, den Schmerzen, vor allem der Einsamkeit ganz mürbe geworden. Ein Vernehmer hätte sein leichtes Spiel gehabt, keine Gegenwehr seitens Titus wäre zu erwarten gewesen. Jedes ach so kleine Geheimnis hätte er preisgegeben. Egal ob Schandtaten über seinen Patron, der Decimers oder gar seiner eigenen Familie. Für einen Familienmenschen war es die größte Qual allein ohne lediglich Kontakt zu seinen Geliebten zu sein. So kauerte er meistens in der Ecke und versuchte mit geschlossenen Augen eine Situation der Nähe im übertragenden Sinne herzustellen, doch die Schmerzen an einem Kopf unterbrachen ihm ständig, seine Bemühungen waren vergebens. Er biss sich immer als Bestrafung in seinem linken Unter- und Oberarm, dabei schlug er mit den Kopf erst leicht aber steigend gegen die Zellenwand, bis der Schmerz unerträglich war. Paradox das Ganze, denn er verursachte sein eigenes Leiden.


    Als die Tür quietschte, sich öffnete und ein Soldat hereintrat versuchte er mit den Fingerkuppen durch die Wand einen Tunnel zu graben, bei der Aktion riss er sich vom rechten Mittelfinger den Nagel ab, doch dieser Schmerz war nichts gegen den seelischen Leid den er zu ertragen hatte, so dass er von dem Umstand nichts mitbekam.


    Die letzten Worte bekam er nicht mit, so auch nicht, dass er wohl gute Chance hatte aus dem Gefängnis demnächst zu kommen. Apathisch wirkend stand er auf und lies sich in die andere Zelle verlegen. Auf dem kurzen Weg zur neuen Unterkunft sah er in einer anderen Zelle seine Frau Esquilina stehend, die heftig aus dem Unterleib blutete und sich mit beiden Händen das Blut über das Gesicht schmierte und anschließend nach seiner Hand griff. Als Titus zugreifen wollte wurde er vom Wachsoldaten nach vorne gestoßen, als er sich wieder umdrehte war sie verschwunden. Alles Einbildung nicht mehr oder weniger war es. Er betrat die Zelle und lies sich ins Bett fallen, einige Tränen kullerten hinab auf das frische saubere Bett.

  • Auch in der Castra blieb man nicht vor Neuigkeiten verschont, zu erfahren welche Ereignisse Rom betrafen. Es sprach sich also herum, dass der neue Imperator Palma in Kürze eintreffen sollte, um seinen rechtmäßigen oder unrechtmäßigen wie auch immer Thron zu besteigen. Dieser Imperator wie auch jeder andere brauchte gute Beamte, denn ohne diese würde auch ein solcher nicht leicht regieren können. Sodass man auf Varenus zurückgreifen müsste, doch ob Titus dafür bereit war, das stand noch nicht fest. Zumindest in der jetzigen Verfassung würde er zu ungern den Paladin betreten. Die Wut die er in sich trug machte auch nicht vor einem Palma halt.

  • Die Wunden waren geheilt, die Schmerzen kaum noch spürbar... Tage, Wochen vergingen. Ohne lediglichen Besuch. Ohne Nachricht. Ohne ausreichendes Sonnenlicht. Ohne Freigang. Ohne Wein. Nur eine ständige Sicht auf eine dunkle dreckige Wand. Überall wo man hinsah Steine über Steine. Gezählt hatte er diese, immer und immer wieder. Wie sehr fehlte ihm das tatsächlich Zählen von Sesterzen, den Klang in seinen Ohren, wenn sie zu Türmchen gestapelt wurden. Wie verrückt musste man sein, um in so einer Lage an die Arbeit zu denken. Eine Arbeit die ihm diesen Umstande brachte.


    "DU da!", schrie er. Einer würde sich schon angesprochen fühlen.

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/10.jpg Tat es auch, wenn er auch nicht unbedingt gutgelaunter Natur war. Es dauerte eine Weile bis die beiden Wachen im Gang ausgeknobelt hatten wer nun zu dem Schreihals marschieren durfte.. wenn es auch nicht darum ging dessen Wünsche zu erfüllen, sondern nur sicherzustellen, ob dieser nicht verreckte (was recht ungünstig wäre).


    "Was?", blaffte die Wache recht ungehalten, als sie erkannte dass dem Mann offensichtlich nichts fehlte, den er durch das Guckloch der Tür anstarrte.

  • Körperlich gut erholt, seelisch weiterhin in der Enge getrieben, traute er seinen Ohren nicht. 'frei'... Ein Wort das mehr als denn je an Bedeutung gewonnen hat. Er wusste nun die Freiheit zu schätzen. Eine Freiheit die jeder erfahren sollte, unabhängig davon ob Römer oder nicht. Wirkten doch seine Handlungen gegenüber Sklaven oft das Gegenteilige. Konnte er nun gut den verstorbenen Flavus verstehen. Ebenso wäre es nach der neuen Erkenntnis zwischen ihm und ihn damals nicht zum Streit gekommen. Ruhe in Frieden.


    Titus stand auf, strich seine Tunika glatt und folgte dem Legionär möglichst schnell in die Freiheit. Ohne Halt und Rückschau eilte er zum Tor und verlies die Castra in Richtung zu Hause.

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