Melina folgte gedankenverloren mit den Fingerspitzen den Kreisen und Wellen des fein verarbeiteten Metalls, die sich in einem faszinierenden Tanz miteinander verwoben und so ein Bild malten. Ein Bild von einem schlanken Körper, verschnörkelten Fühlern und breiten Flügeln. Die kleinen Rillen, die in das Metall gestanzt waren und dem Schmetterling somit mehr Plastizität verliehen, kitzelten leicht an Melinas Fingerkuppe. „Das ist eine hübsche Spange, Domina.“ bemerkte Nitetis an ihrer Seite. Melina konnte nicht verhindern, dass sie kurz zusammenzuckte. Sie war so in ihre Betrachtung vertieft gewesen, dass sie alles um sich herum vergessen hatte. Einen winzigen Augenblick überlegte sie, ihre Sklavin zurechtzuweisen, unterließ es aber dann. Das hätte nur bedeutet, den schönen Tag mit etwas Unschönem wie einem Tadel zu zerstören – und das wegen einer Lappalie. „Ja, das ist sie.“ bestätigte sie deshalb nur und riss ihren Blick schließlich von der Spange los.
„Drei Denarii für eine solche Schönheit wie dich, die fast eine von Venus' eigenen Töchtern sein könnte.“ säuselte der Händler. Melina hob den Blick und musterte den alten Mann, dessen Gesicht aussah wie eine vertrocknete Pflaume. Seine weißen Haare standen wirr vom Kopf ab und seine Kleidung schien auch schon bessere Tage gesehen zu haben. Nur die Augen wirkten wach und aufmerksam … eine Mahnung an alle, die dazu neigten den Alten unterschätzen zu wollen. Melina schürzte die Lippen. „Drei Denarii? Auch wenn du dich vortrefflich auf Komplimente verstehst, wissen wir doch beide, dass diese Spange niemals drei Denarii wert ist!“ Das zuvorkommende Lächeln des Händlers wurde eine Nuance weniger strahlend. „Einen Denarius vielleicht ...“ Die Mundwinkel sackten nach unten und Melina hatte den Eindruck, dass die ledrige Haut des Händlers einen etwas bleicheren Farbton annahm. „Ein Denarius!?! Domina, du willst mich wohl ruinieren! Das ist allerbeste Handarbeit! Die drei Denarii sind ein Freundschaftspreis, den ich einer weniger lieblichen Kundin kaum gewähren würde!“
Melina konnte nicht verhehlen, dass die Worte des Händlers Eindruck hinterließen und sie sich zumindest ein klein wenig geschmeichelt fühlte. Ihr Blick glitt über die Auslage auf dem Tisch vor ihr, die sich relativ spärlich ausmachte. Aber da unterschied sich dieser Stand kaum von den anderen Marktständen. Der Krieg hatte auch hier seine Spuren hinterlassen, und Melina konnte froh sein, dass überhaupt ein Schmuckhändler seine Ware feilbot. Die Schmetterlingsspange wirkte neben dem übrigen Tand tatsächlich wie ein kleines Kunstwerk. Das war wohl auch der Grund, warum sie Melinas Aufmerksamkeit erregt hatte. „Nun gut …“ lenkte sie ein. „Zwei Denarii will ich dir dafür geben.“ „Zwei Denarii und zwei Sesterzen.“ hielt der Händler dagegen. „Und damit treibe ich mich noch selbst in den Ruin.“ Melina lächelte. Irgendwie mochte sie den Mann – und sie konnte nicht umhin, ihn in gewisser Weise zu bewundern. Es musste schwierig sein, in diesen Tagen Luxusartikel wie Schmuck unter das Volk zu bringen. Sie selbst war auch nur deshalb losgezogen, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten hatte zu Hause.
„Gib dem Mann das Geld.“ wies sie Nitetis an. Die Ägypterin begann daraufhin im Geldbeutel zu kramen und die Münzen herauszufischen. „Oder warte … gib ihm seine drei Denarii.“ Der Händler, der begonnen hatte, die Spange in einem Stück Stoff einzuwickeln, blickte sichtbar überrascht auf. Nitetis hielt ebenfalls inne und runzelte ungläubig die Stirn. „Domina …?“ „Tu, was ich dir sage.“ meinte Melina streng und wartete bis Geld und Spange die Besitzer gewechselt hatten. Mit den überschwänglichen besten Wünschen des Händlers ausgestattet, die sich auch auf Melinas Kinder und Kindeskinder erstreckten, setze die Octavia ihren Weg fort.
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