Salutationes für den Hausherrn

  • “Das wäre dann in der Tat ein Grund mehr, den Kaiser von deiner Eignung für das Collegium Pontificum zu überzeugen“ schloss Sextus also diesen Punkt. Bis diese sogenannte Agenda spruchreif wäre, würde wohl in der Tat noch einiges an Zeit ins Land ziehen. Da galt es zunächst naheliegendere Ziele zu erreichen.


    Welche sie allerdings auch nun fürs erste besprochen hatten. Zumindest gab es von Sextus' Seite aus nichts mehr, was er seinem Klienten unbedingt aufbürden wollte. Bezüglich seiner noch ausstehenden Gespräche mit den Flaviern wegen der Rückabwicklung von Nigrinas Mitgift musste der Tiberier nicht im Bilde sein. Und auch Sextus' Überlegungen über mögliche neue Eheallianzen war etwas, das er für sich selbst überlegen musste und ganz sicher nicht mit einem Klienten zu erörtern gedachte. Abgesehen davon, dass Lepidus ihm wohl weder bezüglich der Flavier noch bezüglich seiner Heiratsgedanken weiterhelfen könnte, selbst wenn er wohl wollte.


    “Von meiner Seite aus ist alles besprochen. Daher bleibt mir nur, dir für deinen Besuch zu danken und die Unterstützung bei den Factiones.“ Den meisten siener Klienten hatte Sextus zum Abschluss noch angeboten, ein paar Brotmarken mitzunehmen, alllerdings entfiel so eine Großzügigkeitsgeste bei einem anderen Patrizier wohl, da sie andernfalls wohl als Beleidigung aufgefasst werden könnte. “Vale bene, Tiberius.“

  • Mit ein wenig Erleichterung sah der Tiberier dem Ende des Gesprächs entgegen. Nicht, dass er sich nicht gern mit dem Senator unterhielt, denn er konnte ja auch sehr zufrieden sowohl mit Verlauf, als auch Ergebnis sein, aber lange Gespräche raubten dem Tiberier manchmal viel zu viel Kraft. Darüber hinaus musste er mit der Packung an Aufgaben, die noch vor ihm standen, mit seiner Zeit sehr gut haushalten. Sowohl mit den offiziellen, was die Factio angeht, als auch mit der vollständigen Ausarbeitung seines religiösen Programmes. Tja, und wenn er nicht ganz unvorbereitet in die Audienz mit dem Kaiser gehen würde, wäre das sicherlich auch sehr hilfreich. Dennoch bemühte er sich nicht allzu gestresst und übermotiviert zu wirken. Das ziemt sich kaum und passte auch nicht zu dem Selbstbild, welches der Tiberier von sich hatte. "Ich danke auch", gab er nur lakonisch zurück mit einem zufriedenen Lächeln. "Vale Bene, Senator." Über Brotmarken hätte er sich sicherlich gefreut. Natürlich nicht über das Brot, sondern über den offensichtlichen Witz, aber der Aurelier war sicher nicht der humorvollste Charakter. Von daher hätte den Tiberier eine solche Aktion sicherlich überrascht. Ruhig und gelassen verließ er das Anwesen seines Patrons, nur um anschließend noch einmal tief durchzuatmen, als ihn niemand wichtiges mehr sehen konnte. "Wer hätte vor einem Jahr noch gedacht, dass ein Tiberier jemals wieder vor einem Kaiser stehen würde? 'Lebend' - wohlgemerkt", ging es ihm durch den Kopf, worauf er schelmisch lachen musste.

  • Wie bereits in seinem Schreiben angekündigt, so erschien der Tiberier auch tatsächlich zu den Salutationes. Die Kandidatur würde wohl das Hauptthema werden, wobei der Tiberier ebenso noch mit weiteren Punkten zu den bevorstehenden Spielen rechnete. In seinem Kopf geisterte derzeit aber wohl vor allem ersteres. Der Patron und Senator war ja ohnehin die beste Ansprechstation, wenn es darum ging, wie die Wahl auch ein Erfolg werden und wie der Tiberier sich am besten vorbereiten konnte.

  • Auch dieses Mal war die Prozedur nicht viel anders als bei anderen Salutationes: Man bekam ein Getränk angeboten, eine Kleinigkeit zu essen und musste etwas warten. Dieses Mal aber nicht so lang wie das letzte Mal, denn schon nach kurzer Zeit wurde Tiberius Lepidus vorgewunken ins Tablinum, wo auch schon der Hausherr auf ihn wartete.
    “Ah, Tiberius. Was führt dich heute zu mir?“ begann Sextus mit den üblichen Floskeln des Gesprächsbeginnes, um seinem Klienten erst einmal die Möglichkeit zu geben, seine Anliegen vorzubringen. Immerhin war es auch die Pflicht eines Patrones, sich diese Anliegen anzuhören, und nicht nur eigene Arbeit so günstig zu deligieren zu können.
    Und vielleicht die ein oder andere Anmerkung zu machen. Beispielsweise zu bestimmten Briefen, die vor einigen Tagen in seiner Tageskorrespondenz gelandet waren und zu welchen Sextus definitiv noch etwas anmerken wollte.

  • Was den Tiberier zu ihm führte? In Anbetracht seiner Vorankündigung hielt er das für eine höchst deplatzierte Frage. Die Evidenz seines Anliegens trat ja bereits deutlich hervor. Doch in Anbetracht des Klienten-Abarbeitens geriet man sich nur allzu leicht in einen Floskel-Modus, was er seinem Patron letztlich auch gar nicht verübeln konnte. "Salve, Senator. Nun, wie ich dir bereits schriftlich mitteilte, kandidiere ich nun für das Vigintivirat. Ich hoffe, das Schreiben hat dich auch erreicht? Du kannst dir natürlich vorstellen, dass ich mit großer Spannung auf den Einstieg in den Cursus Honorum blicke. Derzeit bereite ich mich auf meine Rede vor dem Senat vor. Gerne hätte ich deshalb erfragt, ob du vielleicht als jemand der diese Prozedere schon mehrfach hinter sich gebracht hat, den ein oder anderen Hinweis für mich hättest, wie ich die Senatoren von mir am besten überzeugen kann. Nicht zuletzt würde ich mich natürlich freuen, wenn du dich bei deinen senatorischen Freunden für mich einsetzen könntest."

  • “Ja, ich habe dein Schreiben erhalten und auch mit Interesse gelesen und werde auf die darin von dir vorgetragenen Dinge später auch eingehen“, bestätigte Sextus zunächst, ehe er sich der Beantwortung der eigentlich wichtigeren Frage widmete. Immerhin war das Vigintivirat der Einstieg in die politische Laufbahn, und damit der Weg zu mehr Einfluss seines Klienten und damit letztlich auch ihm selbst. Und zumindest letzterer lag Sextus ernsthaft am Herzen.
    “Die Senatoren einzig und allein in einer Rede zu überzeugen, ist nicht einfach. Ich habe es damals als sehr nützlich empfunden, mit dem ein oder anderen Senator auch vor der Wahl noch zu sprechen und da persönlich um ein wohlwollendes Gehör zu bitten. Insbesondere böten sich so vor allem alteingesessene Senatoren an, wie Purgitius, Vinicius und – wenngleich ehemaliger Klient des Usurpators – Octavius. Als Patrizier pflegst du wahrscheinlich ohnehin ein angemessenes Verhältnis zur Gens Flavia, sonst bietet sich dort natürlich auch ein Gespräch an.
    In der Senatsrede selbst solltest du nicht zu viel versprechen. Es ist ein politisches Einstiegsamt, kein Consulat. Niemand erwartet von einem Vigintivir irgendwelche Gesetzesvorschläge, vor allem, da er ohnehin bei selbigen kein Mitentscheidungsrecht hätte und es als anmaßend gelten könnte.
    Allerdings solltest du deine bisherigen Dienste durchaus betonen. Von dir gestaltete Feiertage beispielsweise, dein Engagement im religiösen Bereich – allerdings ohne allzu sehr ins Detail zu gehen. Die meisten Senatoren empfinden dieses Thema leider als sehr trocken. Dann solltest du unbedingt erwähnen, dass du neben deinen Aufgaben als Vigintivir mithilfst, munera für Tiberius Lepidus auszurichten. Betone ruhig ein wenig die Tradition und die Ehre hierbei.
    Wenn du sonstige Aufgaben bereits erledigt hast, Erfahrungen in der Verwaltung, ein tirocinium fori oder dergleichen, sollte jenes auch erwähnt sein. Rede ruhig ausführlich und fülle die Zeit, die dir für deine Rede gegeben wird. Solange du mit deinen Worten nicht bei Romulus und Remus zu erzählen beginnst, solltest du in deiner Eingangsrede am besten gleich die möglichen Fragen zu dir beantworten, ehe sie gestellt werden.
    Vielleicht wäre in diesem Zusammenhang auch das ein oder andere Wort der Erklärung gut, weshalb du in den vergangenen Kriegstagen in Rom verweiltest.“

  • Gedanklich machte sich der Tiberier die eine oder andere Notiz. Nein, eigentlich sogar mehr als das, denn die Hinweise waren tatsächlich überaus nützlich. Auf einiges davon wäre er wahrlich noch nicht gekommen. "Meinst du wirklich, es wäre klug, meine Anwesenheit hier in Rom in den letzten Jahren wirklich noch extra zu begründen? Sicher habe ich mir keinesfalls etwas vorzuwerfen, doch stelle ich mir vor, dass es wahrscheinlich nach einer Selbstrechtfertigung klingt, die ich ohne Not anbringe und damit wiederum als hätte ich mir irgendetwas vorzuwerfen." Über diesen Punkt war sich Lepidus wahrlich nicht ganz sicher. Einerseits war es natürlich gut, Fragen erst gar nicht aufkommen zu lassen, indem man die Antworten schon vorwegnahm, allerdings würden sich die Senatoren doch sicherlich fragen, weshalb dieser oder jener Punkt seinen Platz in der Rede finden musste. "Vielleicht wäre in diesem Falle doch klüger auf eine Frage zu warten. Entweder ein Senator erachtet es als wichtig und fragt, dann kann ich darauf ohne Probleme eingehen oder niemand fragt und dann wird das Thema nicht als wichtig erachtet." Den Rest würde er ohne Probleme beherzigen können. Wahrscheinlich war es wirklich besser, als Kandidat für das Viginitivirat nicht als großer Reformer aufzutreten. Gerade Lepidus neigte ja gern zu großspurigem Reden. Für dieses Amt war es sicher nicht gerade angemessen und auch für die Senatoren war es sicherlich das unwichtigste Amt. Viel eher interessierten sie sich wohl für die Wahlen zu den höheren Ämtern.


    "Auch bei einigen Senatoren würde ich gern noch vorsprechen. Zu Senator Purgitius hatte ich bisher immer ein gutes Verhältnis. Octavius kenne ich immerhin." Entsprechende Gespräche sollten sich hoffentlich in der Knappheit der Zeit noch einleiten lassen. Auch gegenüber dem Consular Vinicius würde sich möglicherweise bald ein vielversprechender Kontakt herstellen lassen. "Ich habe es leider immer bedauert, dass ich mit meiner Person bisher noch keine engeren Verbindungen zu den Flaviern knüpfen konnte." Außer einem sehr sympathischen Flavier, der allerdings selbst noch sehr jung war und seinen Aufstieg plante. "Vielleicht könntest du mich ja in einem Schreiben bei Senator Flavius ankündigen und empfehlen, damit ich nicht ganz ohne Referenz dort erscheine? Ansonsten werde ich mir natürlich auch deine übrigen guten Ratschläge zu Herzen nehmen."

  • Natürlich verstand Sextus die Bedenken des Tiberiers bezüglich seiner Anwesenheit in Rom. Es hatte schon einen seltsamen Beigeschmack, dass der junge Mann hier in dem Haus weiterhin gewohnt hatte, in dem der Rest seiner Familie regelrecht niedergemetzelt worden war. Genaues wusste ja keiner, aber die Gerüchte gingen von einem einfachen Selbstmord der in der Villa Anwesenden zum damaligen Zeitpunkt bis hin zu einem wilden Gefecht mit Salinators Skythen, die selbst eine junge Tiberia, deren Namen Sextus schon lange wieder vergessen hatte, zerhackstückelt und ins Impluvium geworfen haben sollen. Die Wahrheit lag vermutlich irgendwo dazwischen.
    “Ich meinte nicht, dass du dich rechtfertigen sollst. Das sicher nicht. Aber gar nichts zu dem Thema zu sagen bedeutet gleichfalls auch, dass die Senatoren sich ihren Teil darüber denken.
    An deiner reinen Anwesenheit ist aber nichts verwerfliches zu finden, sofern du es auch gut verkaufst. Du könntest beispielsweise sagen...“
    Sextus überlegte einen Moment, wie man derlei am besten in weiche Worte verpackte, die niemand zu anstößig finden würde. Trotz der Gewalt und es Terrors des Usurpators verblieb ich in Rom, wo ich gemeinsam mit so vielen anderen die Schrecken des Bürgerkrieges, der hoffentlich bald vergessen sein wird, erlebt habe. Dabei sah ich es als meine Pflicht als Patrizier, nicht nur den Namen und das Ansehen meiner Familie zu bewahren, sondern in diesen schweren Zeiten dem Volk als Vorbild zu dienen und es in Zeiten der Entbehrung durch Brotspenden und andere meinem Stand angemessene Wohltätigkeiten zu unterstützen. … Vielleicht nicht ganz so voluminös vorgetragen. Aber ich denke, du verstehst den Kern des Vorschlages.“
    Natürlich konnte der Tiberier den Vorschlag auch ignorieren und das tun, was er für das Beste hielt. Immerhin war es auch er, der gewählt werden wollte. An einem Satz mehr oder weniger würde die Wahl vermutlich ohnehin nicht hängen. Allerdings fand Sextus die Variante mit ein paar Worten über erlittene Entbehrungen und geteiltes Leid nicht gänzlich fehl am Platz.


    Als das Gespräch auf die Flavier schließlich kam, nickte Sextus bedächtig. “Ich muss mit Senator Flavius ohnehin zeitnah selbst ein Gespräch suchen. Wie du vielleicht weißt, hat sich meine Frau Flavia Nigrina zu der Zeit, in der ich unter er Proskription des Usurpators stand, von mir scheiden lassen. Vor einer erneuten Eheschließung meinerseits werde ich also evenuelle Missverständnisse hier noch ausräumen, um die langjährigen guten Beziehungen unserer beider Gentes fortzuführen.“ Sextus war nicht wütend auf Nigrina und auch nicht auf die Flavier. Sie hatte getan, was sie für das beste hielt – auch wenn das Sextus zweitem Sohn (und er war überzeugt, das Kind wäre ein solcher geworden) das Leben gekostet hatte, ehe jenes angefangen hatte. Jetzt aber musste Nigrina mit den Konsequenzen ihres Handelns leben. Fernab von Rom und dem Luxus, den sie so geschätzt hatte. Und Sextus hatte Kapazitäten für friedlichen Machtgewinn durch Heirat gewonnen. Nun mussten also lediglich die Flavier davon überzeugt werden, dass er tatsächlich nicht grollte und die guten Beziehungen mit lebendem Ankerpunkt in seinem Sohn Lucius aufrecht zu erhalten gedachte. Das, und die kleine Sache der Rückzahlung der Mitgift.
    “Daher kann ich ihm dein Kommen ankündigen und dir dahingehend den Weg etwas auch ebnen. Dabei fällt mir aber ein: Für welches Amt bei den Vigintiviren hast du dich denn im Speziellen beworben?“

  • Eine nette Formulierung, dachte sich der Tiberier, der das jedoch noch etwas anders formulieren musste, wenn es mit dem Rest seiner Rede in Einklang zu bringen war. Des Weiteren wusste er nicht, ob er sich als Wohltäter aufspielen sollte. Immerhin, es war eine schöne Lüge. "Ja, Senator. Eine gute Idee. Ich denke, ich werde versuchen eine Formulierung zu finden, die in etwa in diese Richtung geht." Das Wichtigste war wohl die Subtilität. Denn in dieser Art kam es nicht so rüber, als wenn die Anwesenheit in Rom tatsächlich thematisiert werden würde bzw., dass sie der eigentliche Gegenstand des Gesagten wäre. Stattdessen wirkt es wie eine weitere Betonung der guten Eigenschaften des Lepidus, die gleichsam auch einen Hinweis auf seine Anwesenheit in Rom beinhaltete.


    Die genauen Umstände der flavisch-aurelischen Beziehungen erschlossen sich dem Tiberier zwar noch nicht, doch er wusste sehr wohl rudimentär aus den bisherigen Gesprächen, dass der Aurelier verheiratet war und dass die Herrschaft des Salinator auch dort seine Wunden geschlagen hatte. "Was genau ist denn aus deiner ehemaligen Frau geworden? Hast du sie seit Ende des Krieges wiedergesehen?", fragte er neugierig nach, auch um ein wenig mehr die Beziehungen der Gentes zu verstehen. "Und ist eine neue Ehefrau bereits in Sicht?" Vielleicht wurde es ja auch deshalb gerade akut seine Verhältnisse zu klären. In jedem Fall hätte er natürlich gern als erstes gewusst, wen sein Patron den ehelichen würde. Erstens war es ein netter Tratsch, den er dann wieder mit seiner Schwester führen konnte. Zweitens musste er früh genug erfahren, welche Art von politischen Möglichkeiten sich der Aurelier wohl durch eine erneute Hochzeit zu eröffnen sprach. Interessant war es allemal und auch wenn der Tiberier wohl diesmal noch keine so ausgeprägten Antworten erhalten würde, so konnte er dadurch immerhin sein Interesse bekunden.


    In letzter Zeit sprach fast jeder davon, dass man sich für ein spezielles Amt innerhalb des Viginitivirats bewerben konnte. Sicher war das meist nur ein sprachliches Missverständnis, zu welchem der Aufbau des Vigintivirats sicher einlud. Doch gesetzlich konnte man sich für keines der Einzel-Kollegien bewerben. Das Recht einen Wunsch zu äußern war schon etwas anderes, als sich auf das spezielle Amt direkt zu bewerben. Der Tiberier machte sich aber natürlich um diesen Wunsch Gedanken und würde diesen auch im Senat so vortragen. "Ich habe mir sehr lange Gedanken darum gemacht, für welches Amt ich mich empfehlen möchte. Ich habe beim Consul meine Eignung sowohl für die Tresviri capitales als auch für die Decemviri geäußert, wobei ich den Tresviri nicht nur aus Eignung, sondern auch aus persönlichem Wunsch meinen Vorzug gegeben habe. Ich bin mir bewusst, dass die Arbeit der Decemviri angesehener ist und man ginge wohl fehl, wenn man über mich sagen würde, dass mir dieses Ansehen nicht gut stünde. Im Gegenteil, die Arbeit als Decemvir wäre mir sehr lieb." Die anderen Kollegien schloss er dagegen weniger aufgrund des Ansehens aus, sondern, weil er während seiner einjährigen Amtszeit auch etwas Anspruchsvolles zu tun haben wollte. Die Münzmeister schienen ihm da beispielsweise wenig attraktiv. "Doch ich denke auch ein wenig strategisch, denn ich glaube, dass ein Patrizier, der sich für die Tresviri bewirbt einfach deutlich mehr Eindruck macht. In Anbetracht der Tatsache, dass ich noch recht unbekannt bin und mir den Ordo Senatorius erst erarbeiten musste, glaube ich, dass ich halbwegs etwas Besonderes bieten muss, um meine Wahl sicherzustellen." Ganz abgesehen davon, dass die Tresviri nun nicht gerade unehrenhaft waren. Welches Amt innerhalb des Cursus Honorum war das schon? Er hätte wohl nur mit mehr Standesgenossen zu tun und sicher könnte er auch seine persönlichen Eitelkeiten in einem anderen Amt besser befriedigen, doch all das musste nun einmal zurückstehen, wenn es darum ging, gewählt zu werden und dafür nahm er auch dies in Kauf.

  • Was aus Nigrina wurde? “Soweit ich erfahren habe, hatte sie eine kurze Ehe mit einem von Vescularius' Günstlingen. Ein Fürstensohn irgendwo aus dem Osten, der aber im Laufe des Bürgerkrieges verstarb. Was weiter aus ihr wurde, weiß ich nicht.“ Um der Wahrheit die Ehre zu geben, interessierte es Sextus noch nicht einmal wirklich. Die Ehe mit Nigrina war sicherlich sehr angenehm gewesen und sie hatten viele Gemeinsamkeiten gehabt. Allerdings war dies eine politische Ehe, wie auch seine nächste Ehe eine solche sein würde. Da gab es für ihn keinen Grund, um Nigria als Person zu trauern.
    “Im Moment stehe ich in Verhandlungen mit der ein oder anderen etruskischen Familie und strebe eine Ehe für die nächsten fünf bis zehn Jahre zunächst einmal an. Meine Bindungen dorthin zu stärken angesichts meiner Berufung zum Haruspex Primus erscheint mir ratsam. Allerdings stehe ich auch anderen Angeboten bislang noch offen gegenüber, bis es endgültig entschieden ist.“ Und bis er mit den Flaviern gesprochen hatte. Davor etwas gänzlich fest zu machen, könnte später zu ungewollten Verwicklungen führen.


    Bei der Ämterwahl konnte Sextus im Grunde nur Nicken. Tresvir Capitalis. Gefängnisse, Todesurteile... dafür hatte er sich nie so recht erwärmen können. Nicht, dass er Skrupel hatte. Aber warum sich selbst die Hände schmutzig machen, wenn man Leute dafür auch bezahlen konnte? So viel Eifer, sich selbst mit Dreck und Blut zu beschmieren, hatte Sextus nie gehabt. Das war ihm einfach zu... direkt.
    Wenn aber sein Klient sich damit anfreunden konnte, würde er ihm nicht im Wege stehen. “Deine Wahl ist sicherlich eine ehrenvolle. Und dein Stand ist sicher auch dafür angemessen, diese Aufgabe mit der nötigen Strenge auszufüllen. Ich selbst war bei den decemviri, so wie es damals auch meinem Wunsch entsprach. Doch natürlich unterstütze ich auch deinen Wunsch, zu den tresviri capitales berufen zu werden.“


    Soviel also zum Anliegen des Tiberiers bezüglich seiner Wahl. Nun also konnte Sextus auf den weiteren Inhalt des Schreibens eingehen. “Du erwähntest in deinem Schreiben noch einige andere Punkte, über die ich gerne mit dir sprechen möchte“, eröffnete er also die 'Rückrunde' ihres kleinen Gespräches.

  • Wieder hatte er ein wenig mehr über seinen Patron erfahren. Die Idee eine Ehe mit einer Etuskerin einzugehen, war in seiner Position naheliegend. "Meinen Glückwunsch zum Amt des Haruspex Primus", sprach der Tiberier schmeichlerisch, denn diese Nachricht hatte ihn noch nicht erreicht, auch wenn sich diese Entwicklung sicherlich abzeichnete.


    Zufrieden war Lepidus vor allem darüber, dass er seine Entscheidung für die Tresviri capitales keinerlei Rechtfertigung mehr bedurfte. Er hatte sich bereits auf ein erneutes kleines Wortgefecht eingestellt, welches sicherlich ähnlich verlaufen wäre, wie einst jenes über die Auguren und die Haruspices. Wenn er dieses Amt als zu unwürdig empfunden hätte, hätte er Lepidus sicherlich zu einem anderen gedrängt. Die Abmachung, die er mit seinem iulischen Freunde traf, wäre dann auch hinüber. Für einen Augenblick dachte er auch noch darüber nach, ob er Dives nun noch einmal erwähnen sollte, um vielleicht doch noch die aurelische Zustimmung zu dessen Kandidatur zu erhalten. Doch in Anbetracht des Themenwechsels und der bisher noch recht guten Stimmung des Gespräch, wollte er diese nicht unnötig nach unten ziehen, zumal Dives in seinen Ausführungen so ziemlich alles getan hatte, dieses Unternehmen als praktisch unmöglich zu verklären. So blieb Lepidus in dieser Hinsicht stumm und ging ebenfalls zu den Factiones über.


    "Richtig, ich erwähnte meine bisherigen Fortschritte bei den Factiones. Von der Aurata konnte ich mir inzwischen selbst ein Bild machen und bin zuversichtlich, dass sie an den Spielen teilnehmen wird. Bei der Veneta kann man ähnliches sagen. Die restlichen Factiones, bei denen ich anfragen sollte, scheinen derzeit noch nicht wieder richtig zu laufen", wiederholte er so einigermaßen Grob den Inhalt seines Zwischenberichts und ließ Platz für die Fragen, die der Aurelier eventuell dazu hatte.

  • Eigentlich hatte Sextus eher Punkte ansprechen wollen, aber sein Klient fuhr sogleich fort und brachte das Gespräch zunächst auf die Spiele. Da dies aber ohnehin einer der Punkte war, die er anzusprechen gedachte, zog er diesen folglich einfach vor. “Das ist erfreulich. Die Russata wird ebenfalls teilnehmen. Die weiteren Factiones sind in der Tat etwas... ruhiger. Vielleicht wird ein öffentlicher Aushang ein bis zwei Wochen vor den Spielen sie noch zu einer eigenen Anmeldung verleiten. Ansonsten wird es wohl ein überschaubares Rennen. Wobei ich, so die Factiones die nötigen Fahrer habe, im Falle eines kleinen Rennfeldes auch zwei Aurigae wohl pro Factio zulassen würde. Zumindest fiele mir kein Grund ein, es in dem Falle nicht zu tun.


    Bezüglich der Aurata im Speziellen aber erwähntest du noch andere Dinge, die ich gerne mit dir besprechen würde. Zunächst einmal die Frage bezüglich meines Vetters: Ich kann dir hierzu versichern, dass er stets im Sinne der Factio gehandelt hätte und daher sicher nicht Gram wäre, wenn jemand den Vorsitz der Factio übernähme, der dieses Amt aktiv ausfüllen kann. Zumal er ja auch neu gewählt werden kann, sollte er vorzeitig genesen, da dieses Amt ja nicht mit einer bestimmten Laufzeit fest verbunden ist.“ Dieses war der leichtere Teil.


    “Allerdings möchte ich noch eine andere Sache ansprechen. Du erwähntest einen Decimus in deinem Schreiben. Wie nahe stehst du ihm?“

  • Ein Rennen mit etwa drei Factiones musste nun tatsächlich nichts schlimmes sein. Es konnten eben nicht alle zu jeder Zeit teilnehmen und bei der langen Inaktivität, die einige Factiones vorzuweisen hatten, war es auch vielleicht nicht so wahrscheinlich, dass noch viele Anhänger übrigblieben, die dann den Spielen fernbleiben würden. Von daher konnte der Tiberier das Gesagte nur mit einem Nicken quittieren. Der nächste Punkt war sehr hilfreich für den Aufbau der Aurata. "Ich denke, es ist eine vernünftige Entscheidung. Wohl ist es sicherlich in deines Vetters Interesse, dass die Aurata weiterhin handlungsfähig ist und in der Tat: Sollte er eines Tages zurückkehren und mit seiner ganzen Erfahrung die Factio erneut leiten wollen, so hätte er dabei meine vollste Unterstützung." Das ging in der Tat alles reibungsloser, als es der Tiberier erwartet hätte. Über den nächsten Punkt war er allerdings durchaus überrascht. Den Namen des Decimers hatte er mehr nebenbei in seinem Bericht erwähnt. Doch so gedankenlos, wie er in letzter Zeit mit selbigem verkehrte, konnte Lepidus natürlich nun wie Schuppen von den Augen fallen, dass seine Verbindung zu jenem womöglich gewisse Schwierigkeiten mit sich brachte.

    "In der Tat, sein Name ist Marcus Decimus Aquila und wir hatten bisher nur am Rande miteinander zu tun."
    Als Freund konnte er den Decimer sicherlich (noch) nicht bezeichnen, auch wenn Lepidus dem sehr tüchtig wirkenden Mann schon einiges abgewinnen konnte. In Anbetracht der misstrauisch wirkenden Nachfrage nach ihm, hätte Lepidus auch tunlichst vermieden ein solches Wort an dieser Stelle zu verwenden. Letztlich war es aber auch wahrheitsgemäß so, dass der Decimer und er lediglich geschäftlich bei der Aurata und im Prinzip ebenso geschäftlich beim Treffen mit dem Duccier zu tun hatten. "Er ist in etwa in meinem Alter und wie so viele Decimer in der Vergangenheit, so ist auch er ein Mitglied der Aurata, weshalb wir zwangsläufig miteinander zu tun haben. Ich kannte ihn allerdings schon vor der Aurata. Er ist nämlich der Tiro des Senators Duccius Vala, mit dem ich vor nicht allzu langer Zeit ein Treffen hatte, wie ich dir einst mitteilte." Damit hatte der Tiberier mit den wesentlichen Informationen herausgerückt, allerdings vermied er Nachfrage á la "Weshalb fragst du?" oder "Was ist mit ihm?". Lepidus wollte das ganze lieber nüchtern herunterspielen und keine große Sache daraus machen.

  • Ruhig hörte sich Sextus die Erklärung an. Im Grunde klang es nach rein oberflächlicher und sachbezogener Bekanntschaft. Aber Sextus war dereinst auch jung gewesen, und obwohl er nie etwas wie Herzlichkeit besessen hatte, kannte er dieses Prinzip unter jungen Menschen, aus solchen Bekanntschaften nur allzu leichtfertig Freundschaften erwachsen zu lassen, und hier wollte und musste er seinen Klienten warnen, ehe dies der Fall wäre.


    “Meine Gedanken bezüglich Senator Duccius habe ich dir bereits mitgeteilt. Und auch an dieser Stelle fürchte ich, muss ich dich über einige Zusammenhänge aufklären.


    Einst waren die Decimi und die Aurelii einander... nun, nicht in Freundschaft verbunden, aber zumindest in wohlwollender Bekanntschaft zueinander. Senator Decimus Livianus war ja ein bekennender Gegner des späteren Usurpators. Nur haben seine Kinder und nächsten Verwandten dieses Erbe aufs schändlichste verraten und verdreht. Sein Adoptivsohn hat in seiner Rolle als Praefectus Praetorio nichts unterlassen, um die Ehre namhafter Familien zu demontieren, auch unter Zuhilfenahme seiner leiblichen Schwester und deren Stellung in der Acta. Ich nehme an, die Lügengeschichten sind dir wohl zeitnah damals zu Ohren gekommen, ebenso wie die Konsequenz der Hinrichtung Consular Vinicius' Lucianus.
    Was dir nicht zu Ohren gekommen sein wird, ist wohl die Hausdurchsuchung der Villa Aurelia, bei der unsere Sklaven gefoltert wurden und meine Cousine Prisca nicht – wie es ihrem Stand entsprochen hätte – einfach unter Hausarrest gestellt worden ist oder auch in der Castra Praetoria oder an einem vergleichbaren Ort als Geißel genommen worden wäre. Nein, als wäre der Verrat an den vorgegebenen Idealen seines Vaters nicht genug hat der Decimus entgegen jeden Anstandes meine Cousine verschleppt und mit auf den Feldzug geführt, trotz aller Gefahren einer einzelnen, wehrlosen Frau unter so vielen Männern. Es kam im Grunde einem Wunder gleich, dass ich sie nach der Schlacht gefunden habe und schlimmeres verhindern konnte. Denn, wie du dir vorstellen kannst, waren die Männer im Siegesrausch, und du kannst dir sicher ebenso ausmalen, was mit ihr passiert wäre, hätte ich sie nicht rechtzeitig gefunden und in meine persönliche Obhut nehmen können.“
    Vermutlich hätte dieser unfähige Soldat sie geschändet, nachdem er sie so abgefüllt hatte. Wahrscheinlich hätte er sie anschließend mit seiner gesamten Centurie geteilt, und wenn Prisca hieran nicht gestorben wäre, hätte einer der Soldaten es ihr vermutlich abgenommen, um später nicht durch eine unliebsame Zeugenaussage in Schwierigkeiten zu geraten.
    “Dieses Verhalten ist unentschuldbar, zeigt aber im Grunde nur den gesamten Abgrund auf, der sich bei dieser Gens auftut: Entweder, sie sind absolut zerstritten in Uneinigkeit – was dann bedeutet, dass sie unzuverlässige Partner sind und man nicht mit der Gens als solches Verbindungen eingehen kann, was sie nach allgemeinem Verständnis nicht besser macht als Barbaren vor den Toren.
    Oder aber ihre Loyalität ist derart wankelmütig, dass sie sich immer der scheinbar stärksten Fraktion verschreiben und ihre Treue mit dem Wind wechseln. In diesem Falle sind sie noch weniger vertrauenswürdig.


    Und solange, bis oben genannte Sachlage nicht ausgesühnt ist und klar wird, ob dies ein Fehlverhalten der Gens ist oder doch nur einem kranken Geist entsprungen ist, sehe ich keine Grundlage für ein vernünftiges Miteinander mit den Decimi und missbillige allzu enge Verflechtungen.“
    Auch wenn Sextus äußerlich gefasst und ruhig blieb, da ihm emotionale Ausbrüche nicht lagen, mochte man sehr wohl erahnen, dass er tiefen Groll wegen Priscas Entführung hegte.

  • Ah, doch nicht abgeschmettert. Der Aurelier hatte sich wohl bereits fest vorgenommen auch nur den Anflug einer möglichen Verbindung von Lepidus mit dem Decimer erst einmal mit einer gehörigen Skepsis zu versehen. Abgesehen davon waren einige der entsprechenden Hintergrundinformationen natürlich äußerst nützlich. "Ich selbst kann natürlich nur mit Vorsicht auf einen Decimer blicken, wie du dir sicherlich denken kannst. Allein die viele Verleumdungen gegenüber Durus, die durch den Gardepräfekt Decimus Serapio in der Acta veröffentlich wurden, sind Warnung genug. Seine sogenannten 'Ermittlungen' zeugten leider nur von einer Treue zum Vescularier, die kaum entschuldbar ist. Wer einen Tiberier als Verschwörer und Kaisermörder bezeichnet, der kann unmöglich mit Wohlwollen rechnen. Selbstverständlich bin ich also stets auf der Hut, wenn ich den Namen Decimus vernehme." Diese Klarstellung war sicherlich überflüssig, weil nur allzu offensichtlich. Immerhin teilten die Tiberier die Last der Beschuldigungen und willkürlichen Hausdurchsuchungen ebenso wie die Aurelier. Nur dass die Tiberier auch noch einen prominenten Todesfall zu verzeichnen hatten. Eine Verschleppung einer Patrizierin, sei es auch mit einem "Beinahe-Herumgereiche" unter den Soldaten konnte es damit kaum aufnehmen, weshalb Lepidus zwar ein anteilsvolles Gesicht machte, aber mehr dazu auch nicht. "Du magst demzufolge auch mit deiner eigenen kritischen Sicht auf die Decimer recht haben und ich teile diese weitestgehend, allerdings halte ich den Umgang mit Decimus Aquila nach wie vor für sinnvoll. Bisher ist mir nur seine Nähe zu Decimus Livianus bekannt, jemanden der, wie du selbst sagtest, ein früher Gegner des Usurpators war. Es wird sich zeigen, wie sehr er noch zu jener Verwandtschaft steht, die sich weitaus mehr hat zu Schulden kommen lassen. Bis dahin bin ich pragmatisch und suche weder enge Verflechtung noch feindselige Distanz." Das trug der Tiberier ebenso nüchtern vor. Mehr Feinde konnte er für den Moment ohnehin nicht gebrauchen und er glaubte auch nicht, dass die Stellung der Decimer nachhaltig geschädigt sein würde. Ihr Ansehen würden sie wohl langfristig auch jenseits dieser Wunden, die geschlagen wurden, behalten. "Ich suche mir meine Freunde in jedem Fall sehr genau aus, was mich an sich gleich dazu führt, zu fragen, wie du es denn mit anderen Gentes hältst, die sich durch ihre Anhängerschaft zum Usurpator in Verruf gebracht haben? Zweifellos gibt es dort Leute, die man meiden sollte, wenn man beispielsweise an die Iulier denkt, die von der Herrschaft des Vesculariers sehr profitiert haben. Ich betrachte jene mit teilweise Abscheu und Argwohn, doch immerhin pflege ich zumindest zu einem iulischen Abkömmling ein sehr gutes Verhältnis, der sich der Nähe zum Vescularier zumindest im Rahme seiner Möglichkeiten weitgehend entziehen konnte. Sollte deine Missbilligung enger Verflechtungen die Iulier womöglich ebenso treffen wie dies bei den Decimern der Fall ist, so müsste ich dich hier wohl davon überzeugen, dass ein 'vernünftiges Miteinander' mit Einzelnen zumindest möglich ist." Lepidus war recht gespannt, ob die vorher getätigten Aussagen auch andere Gentes umfassen könnten. Gerade seine Verbindung zu einem Iulier könnte demnach doch einmal wieder zu einem echten Streitthema werden. Allerdings lagen die Fälle ja durchaus anders, wenn es um Decimer und Iulier ging, so zumindest die Einschätzung des Tiberiers.

  • Pragmatismus konnte Sextus verstehen, sogar gutheißen. Pragmatische Menschen waren verlässlichere politische Partner, da diese Politik auch verstanden und Äußerungen auf diesem Feld nicht persönlich zu nehmen pflegten. Was sie natürlich zu schwierigeren Verhandlungsgegnern machte, da nur Menschen, die sich persönlich angegriffen fühlten, zu dummen Äußerungen und Gefühlsausbrüchen neigten.
    Und so nickte er zu den Ausführungen des Tiberiers. Dass dieser den Decimer nutzte und in seiner Position nicht so gefestigt war, hier möglichen Nutzen auszuschließen, die diese Verbindung ihm bringen würde. Wäre diese kleine, unverzeihliche Episode des Wortbruches, Verrates und der Entführung nicht gewesen, hätte er noch nicht einmal irgendein Problem mit auch nur einem der Decimer. Bis die Sache aber aus der Welt war – was aus Sextus Sicht idealerweise den Tod des Protagonisten dieser Posse bedeutete – wünschte er sich auch bei seinen Klienten keine allzu engen Bindungen, vor allem an das engere Umfeld des Mannes, der ihn durch seine Taten beleidigt hatte. Nachdem der Tiberier ihm nun aber eben jenes versichert hatte und auch gute Argumente für seine eigene Vorsicht genannt hatte, hatte er kein Grund, das weiter zu vertiefen.


    Die Frage seines Klienten war da ohnehin etwas ablenkend, und irgendwie auch amüsant, dass er gerade die Iulii ansprach. “Den anderen Gentes kann man bestenfalls Opportunismus vorwerfen und das Eingehen einer Wette mit für sie ungünstigem Ausgang. Gegen Opportunismus an sich ist nichts einzuwenden, solange er gewissen Maßstäben der Treue folgt. Ich hege keinen Groll gegen die Octavii, Pompeii, und auch die Iulii nicht.“ In denen hatte auch keiner gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Und – was für Sextus in der Tat wichtiger war – seine Cousine entführt.
    “Und da du letztere explizit ansprichst: In einem Wort zusammengefasst halte ich sie für bedeutungslos. Mitunter sticht einer von ihnen mal etwas heraus, erliegt dann aber üblicherweise in der ein oder anderen Form einem Größenwahn und einem Rausch der vermeintlichen Macht. Man mag es ihnen verzeihen, immerhin liegen ihre Wurzeln im peregrinen Bereich, oder auch dem von diversen Liberti. Nicht zu verwechseln mit ihren patrizischen Namensvettern, denen auch die einstige Augusta entstammte.
    Üblicherweise genügt es, ihnen mitunter die Bedeutung von wirklicher Macht, begründet aus Name und Familie, vor Augen zu führen, dass sie sich an ihre Stellung erinnern. Daher sehe ich auf politischer Ebene keinen Grund für Bündnisse. Allerdings sehe ich auch keine zwingenden Gründe, sie momentan vor den Kopf zu stoßen. Oder dich von deiner Bekanntschaft abzubringen.“
    Sextus winkte das Thema somit verbal ab. Aus seiner Sicht gab es nur einfach keinen Grund, sich mehr als nötig mit den Iulii zu beschäftigen. Oder über sie näher Gedanken zu machen.

  • ...'solange er gewissen Maßstäben der Treue folgt'. Eine Formulierung in Bezug auf Opportunismus, die man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen musste. Viele hätten das sicher sehr schnell als Widerspruch charakterisiert, doch in den Ohren eines politisch wahrlich flexiblen vorteilssuchenden Patriziers war dies sogar eine höchst logische Aussage. "Es freut mich zu hören, dass du das so siehst. Wollen wir hoffen, dass meine Bekanntschaft nicht ebenso einem gewissen Größenwahn verfällt. Doch deine Warnung wird mir da gewiss die nötige Vorsicht abringen, um mich dem dann notfalls noch rechtzeitig entziehen zu können, ohne Schaden zu nehmen." Der Iulier wirkte derzeit noch relativ unverdächtig, eines Tages auf eine solche Spur zu kommen. Doch wahrscheinlich waren gerade diejenigen, von denen man es nicht auf Anhieb vermutete, die allerschlimmsten. "Indes möchte ich dir den Namen gar nicht verheimlichen, wohlwissend, dass du ihn auch bereits kennst. Es handelt sich um Marcus Iulius Dives, den du wohl einst in Ostia unter nicht ganz so glücklichen Umständen kennengelernt hast." Dieses - nunja - 'Geheule', welches der Iulier vor kurzem noch in den Thermen über seinen Patron verbreitete, klang dem Tiberier noch gut in den Ohren. Manchmal brauchte man wohl einfach ein dickeres Fell, als ein Wolf. "Er kandidiert ebenfalls für das Viginitivirat und auch, wenn ich dich womöglich kaum davon überzeugen kann, ihm seine Stimme zu geben, so kann ich dich vielleicht wenigstens darum bitten, es ihm im Senat nicht allzu schwer zu machen." Dass dies Lupus dann auch tatsächlich - aufgrund welcher Motivation auch immer - nicht tun würde, konnte der Iulier wohl schon als Erfolg verbuchen. "Er scheint einer den wenigen zu sein, die in ihrer Familie herausstechen. Betrachtet man seine Leistungen und seinen scharfen Verstand, so könnte man schnell auf die Idee kommen, dass er nicht so recht in diese plebejischen Iulier passt und doch fast eher bei den Caesares aufgehoben wäre. Lediglich das Schicksal hat es wohl anders gewollt. Ich denke, ich habe in ihn nicht den schlechtesten Verbündeten und du kannst meiner Prognose Glauben schenken, wenn ich dir sage, dass er unter der Senatorenschaft in einem atemberaubenden Tempo bekannt und beliebt sein wird. Nicht zuletzt versprach er mir gleich selbst seine guten Kontakte zu nutzen, um meine Wahl zu befördern, dem ich nur allzu bereitwillig zustimmen konnte." Vielleicht war dies auch eine kleine Anregung für den Aurelier seine Meinung über Dives ein wenig zu korrigieren, auch wenn er seinen Patron nicht für den gnädigsten hielt, der früher wahrgenommene Verfehlungen eines Menschen - berechtigt oder nicht - so leicht vergessen würde.


    "Aber entschuldige, falls ich etwas weit abgeschweift bin. Ich denke, wir hatten unseren Ausgangspunkt noch bei den Factiones. Gibt es da noch etwas zu besprechen oder etwas, was ich im Hinblick auf die munera noch für dich tun kann?" Lepidus musste sich selbst erst einmal wieder ordnen. Über Aquila und die Kooperation, die er mit diesem in der Aurata einging, waren sie wohl etwas intensiver ins Gespräch über einzelne Gentes und Bürgerkriegsverhältnisse geraten.

  • Jetzt war doch eine der seltenen Gelegenheiten, wo Sextus beinahe so etwas wie lachen musste. Beinahe. Allerdings zeigte das Lächeln auf seinem Gesicht doch deutlichst amüsierte Züge, als sein Klient ausgerechnet mit diesem Namen um die Ecke kam.
    “Ich weiß nicht, was du über diese kleine Geschichte gehört hast. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass meine Antwort darauf gleich zu einer solchen Reaktion seitens des Iulius führt“, bemerkte Sextus noch immer sichtlich erheitert über die Konstellation.
    Er winkte die Sache mit einer Handbewegung halb ab, denn aus seiner Sicht war das ganze nun etwas gewesen, was an und für sich abgeschlossen war. Aber scheinbar hatte der Tiberius da eine ganz andere Geschichte zu hören bekommen. “Um dich aufzuklären, der Iulius kam eines Tages hier nach Rom und wollte eine Hafengebühr für Ostia erheben und hatte dabei haufenweise Fehler gemacht, die ich ihm erst berichtigen musste, obgleich er eigentlich der Magistrat war. Ein Schiff, das er in Rechnung stellen wollte, hatte nur denselben Namen wie eines meines Großvetters, das schon vor über zehn Jahren gesunken war. Ein weiteres war in der Erbmasse eines Toten, und diese zahlen beim besten Willen keine Steuern mehr. Auch wenn das wohl für jeden Stadthaushalt praktisch wäre, jene post mortem noch mit Gebühren zu malträtieren. Und am Ende war sein Erhebungsdatum noch völlig falsch, da er das falsche Gültigkeitsdatum verwendet hatte. Als ich ihn darüber aufgeklärt habe, hat der gute Iulius seine Zunge verschluckt und ist beleidigt gegangen, ohne etwas zu erwidern.
    Als er dann während der Belagerung vor den Toren Roms aufgetaucht ist und sich dort wichtig machen wollte – oder anders gesagt, Opportunismus gegen seine Gens ergriffen hat - habe ich ihn als Iulius verhaften lassen. Damit er ein paar Tage über Machtpositionen und Familientreue nachdenkt.“
    Sextus zuckte leichthin die Schultern. Er hatte nicht angenommen, dass Cornelius Palma alle Iulii oder überhaupt alle einstigen Gegner hinrichten lassen würde. “Außerdem entsprach dieses Vorgehen dem Befehl von Flaminius, ranghohe oder wichtige Mitglieder mit Vescularius verbündeter Gentes erst einmal festzusetzen. Tribun Proximus wurde wenig später ebenfalls inhaftiert. Nur Senator Iulius war wie vom Erdboden verschluckt.“ Noch ein gleichgültiges Schulterzucken.
    “Von daher muss sich dein Bekannter da keine Sorgen machen. Zwar hat auch er ganz eindeutig den halbperegrinen Hang zu Größenwahn, aber solange er diesen im Griff behält und zukünftig seine Arbeit vernünftig erledigt, hat er von mir nichts zu befürchten.“
    Soviel zur Aufklärung und den Iulii als solchen und Dives im Besonderen.


    “Bezüglich der munera dauert doch alles erheblich länger, als ich gedacht hatte. Daher wäre für mich das wichtigste noch immer die Rückmeldung der Factiones und ob diese auch gegebenenfalls mit zwei Fahrern starten könnten. Ich hoffe auf ein Feld von wenigstens sechs Gespannen.“

  • Es war natürlich immer ganz nett dem Patron gute Laune zu verschaffen. Mit dieser Geschichte hatte es Lepidus offenbar getan. Hatte er das Gerede über den Iulier gerade noch mit einem recht ernsten Ton vorgetragen, so konnte der Tiberier nun natürlich ebenfalls lockerer damit umgehen. Lepidus dachte eigentlich sogar, dass in Lupus so etwas wie Verstimmung bei der Erwähnung von Dives auftauchen würde, doch offenbar war alles nur halb so schlimm, wie es der Iulier vor kurzem noch geschildert hatte. Jetzt, wo auch der Aurelier die Geschichte der beiden erzählte, konnte er ja gut vergleichen, wie die beiden diese Sache wohl gesehen habe. Vieles war Lepidus bereits bekannt, doch wirkte all dies in den Worten des Aureliers irgendwie gar nicht so wild. In diesem Moment mochte er nicht ausschließen, dass sein Freund ein wenig übertrieben hatte, aber er wusste natürlich gleichsam, dass sein Patron durchaus den Charakter hatte, jemand anderen verbal in den Boden zu stampfen, wenn er erst einmal Lust dazu hatte. Von daher war das Empfinden des Iuliers vielleicht durchaus richtig. Und wer verbrachte schon gern Zeit im Cacer? "Diese Angelegenheiten hat er mir tatsächlich ebenfalls geschildert, nur klang es in seinen Worten alles deutlich dramatischer. Du hattest schließlich gute Gründe in den jeweiligen Situationen entsprechend zu handeln und wenn der Iulier vielleicht einmal mit etwas Abstand darauf blicken wird, hat er sicherlich auch keinen Grund mehr allzu gekränkt zu sein." Lepidus lächelte und nahm jedenfalls positiv zur Kenntnis, dass seine Verbindung zu Dives hier nicht zum Streifall werden würde. Alles andere käme ihm auch wahrlich nicht gelegen, nur dass er wohl zukünftig mehr auf Anzeichen eines aufsteigenden 'Gößenwahns' beim Iulier achten müsste. Sollte dieser eines Tages damit zugrunde gehen, würde Lepidus sich wohl nur ungern mitziehen lassen.


    "Sechs Gespanne sollten möglich sein. Mit Veneta, Aurata und Russata hätten wir wohl genug. Vielleicht wäre es ja sogar denkbar das Fahrerfeld pro Factio auf drei aufzustocken. Ansonsten würde ich noch einmal ein Schriftstück an alle Factiones aufsetzen, sobald wir einen konkreten Termin benennen können. Diesen schicken wir dann mit einer letzten Aufforderung noch die entsprechenden zwei Fahrer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu benennen, sollten die Factiones vielleicht doch noch intakt sein und ein Interesse an einer Teilnahme bekunden wollen. Aber ansonsten werden wir wohl erst einmal damit leben müssen." Soviel zu dem, was der Tiberier in dieser Angelegenheit noch unternehmen würde. Weiter hatte er wohl nichts mehr vorzutragen.

  • Gekränkt? Der Iulius war wegen dieser Sache ernsthaft gekränkt? Oh hehre Eitelkeit, wenn Sextus jedes Mal persönlich gekränkt gewesen wäre, wenn er irgendwo ein 'nein' zu hören bekam, hätte er mit viel Gram durch die Welt zu gehen. Und wäre in der Politik definitiv falsch aufgehoben, da man dort weit öfter ein 'nein' hörte, als auch nur ein 'vielleicht' (was in der Übersetzung auch nein bedeutete). Da wegen irgendwelcher Äußerungen persönlich gekränkt zu sein, wäre der Gesundheit definitiv nicht zuträglich. Abgesehen davon, dass man sich so weit mehr Gedanken um irgendwelche Hintergedanken des Gegenübers beständig machte, die so in den allermeisten Fällen nicht einmal ansatzweise vorhanden waren. Das lenkte von den eigentlichen Sachverhalten ungemein ab.
    Sextus speicherte diese kleine Information über den Iulius, die seinem Klienten so nebenbei herausgerutscht war, ohne sich seinen Gedankengang dazu anmerken zu lassen. Er tat es nur mit einem politiker-lächelndem “Vielleicht“ letztendlich ab.


    Überhaupt war die Planung dieser vermaledeiten munera weit dringlicher. Und zeitraubender. “Ich denke, diese Vorgehensweise ist in der Tat die beste. Ich fürchte, wir müssen den Termin noch etwas verschieben, vorrangig muss auch deine Erhebung in dein Wunschamt zunächst sein. Und gerade als Verwandten von Tiberius Durus würde ich dich gerne auch in die Präsentation der Spiele mit einbinden, was meiner Ansicht nach vorteilhafter ist, wenn du dein Amt bekleidest.“

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!