Kandidatur zum Cursus Honorum [10/13] - Lucius Tiberius Lepidus


  • Marcus Cuspius Rusticus


    Der amtierende Consul Cuspius Rusticus rief die Kandidaten der kommenden Wahlen anhand einer wunderbar, weil alphabetisch geordneten Liste auf.


    Bei 'T' las er: “Lucius Tiberius Lepidus – er kandidiert als Vigintivir!“











  • Da war er... der Aufruf. Da der Tiberier nicht gerade am Anfang der alphabetischen Liste des Consuls stand, musste Lepidus sich eine Weile gedulden, bis er an die Reihe kam. Im Moment seines Aufrufs begann das Herz höher zu schlagen, der Puls verhielt sich unruhig, die Hände wurden schweißig. Als er sich zur Rede anschickte, konnte er kaum noch wahrnehmen, was um ihn herum geschah, stattdessen ging ihm erneut durch den Kopf, dass sich sein Hals am Morgen etwas rau angefühlt hatte. Da war er nun umgeben, von all diesen Männern, die bereits gestandene Persönlichkeiten waren, denen das Feld der Politik zur alltäglichen Praxis geworden war. In diesen Hallen konnte man sich nur klein fühlen. Wo war der arrogante und selbstsichere Patrizier? Wo war das herablassende gebaren? All das Unbekümmerte seines Charakters? Nichts davon blieb übrig in Anbetracht der hohen Herren, die alle über ihm standen. Ja, es war dem Tiberier nun einmal schon immer eigen, dass er gern rücksichtslos und ohne Kompromisse gegenüber denen auftrat, die unter ihm standen, doch wenn er mit Menschen sprach, die auch nur ein paar Stufen über ihm standen, so blieb fast nur noch reine Unterwerfung übrig. Diesmal konzentrierte sich dies auch noch durch eine große Masse dieser Leute in einem einzigen Raum. Was würde ihn davon abhalten, hier völlig unterzugehen und all seine Schwächen freimütig zu offenbaren? Dies konnte nur die einzige Macht, die über allem anderen stand: Die Macht der Götter! "Minerva, steh mir bei!", sprach er in sich hinein und erinnerte sich an das Opfer, welches er ihr speziell für diesen Augenblick darbrachte. In seiner Vorstellungswelt sah er auch Tiberinus, wie er all seine Sorgen in einem gewaltigen Strom hinwegspülte und Iuppiter und Iuno blickten auf ihn herab, wie ein sorgenvolles Ehepaar, um ihren Schützling zu stützen. Es gab nur eines, was ihm die Unsicherheit gegenüber den Senatoren nehmen konnte: Es waren die Götter, die er an seiner Seite wusste, als er seine ersten Worte innerhalb des Senates sprach.


    "Patres conscripti! Es ist mir eine große Ehre in diesem würdevollen Ort zu euch sprechen zu dürfen." Erhobenen Kinns stand der Tiberier da, in seiner prächtigen weißen toga candida, die er so stolz war anzuziehen und die er am Morgen unzählige Male hatte richten lassen, ohne dass ihm das Ergebnis letztlich wirklich gefiel. "Mein Name ist Lucius Tiberius Lepidus und einige von euch werden sich sicherlich noch einige meiner Verwandten erinnern, die einst ebenfalls hier in diesen Hallen tagten. Sei dies mein Onkel, der Senator Publius Tiberius Maximus oder mein ehrwürdiger Vetter, der Consular Manius Tiberius Durus. Es ist jene Tradition von Tiberiern, die mich heute hierher geführt hat und mich den Einstieg in den Cursus Honorum suchen lässt. Ich möchte in die Fußstapfen derer treten, die großes für Rom geleistet haben und die stets zum Wohle des Reichs bereit waren selbst ihr eigenes Leben zu geben..." Dies konnte natürlich auf unterschiedliche Weise verstanden werden, wie der Tiberier sich dachte. Je nachdem, wie man es hören wollte, betonte es einfach nur schlicht die Aufopferungsbereitschaft der Tiberier oder spielte in gewissermaßen auf den immer noch recht ungeklärten Tod des Tiberius Durus an. "Doch was vermag ich in das Amt einzubringen, außer verwandtschaftlichen Referenzen? Nachdem ich in Achaia meine grundlegende Ausbildung genoss und nach Rom zurückkehrte, trieb mich auch immer wieder meine Wissbegierde in die Schola Atheniensis, wo mir für besondere Leistungen bei der Absolvierung des Cursus de rebus vulgaribus sowie für die Absolvierung eines höherstufigen Continuus jeweils eine Diploma verliehen wurde. Auch verstehe ich mich in Rechtsangelegenheiten, welche ich durch den Cursus Iuris nachweisen kann. Darüber hinaus diente ich den Göttern in vielfacher Hinsicht. Erwähnenswert ist meine Mitgliedschaft in der Societas Claudiana et Iuliana sowie meine inzwischen langjährige Tätigkeit als Aedtiuus unserer heiligsten Stätte, dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus. Meine Referenzen für meine Fähigkeit zur sorgsamen Organisation sind durch diverse Prozessionen und Privatopfer sowie dem ersten großen Staatsopfer, welches unser großartiger und einzig wahrer Imperator leitete, hinreichend dokumentiert." Mögen Divus Augustus und Apollon sich des Tiberiers erinnern, als er ihnen einen besonderen Ehrentag bereitete. Besonders Apollon sollte doch den ein oder anderen Pfeil auf eventuelle Zweifel der Senatoren abfeuern, auf dass sie sich in Luft auflösten. Soll sich auch Iuppiter an das kürzlich stattgefundene Staatsopfer erinnern. Auch wenn er einige der Senatoren nicht bei diesem Staatsopfer gesehen hatte, so glaubte der Tiberier dennoch, sich mit seiner pietas hervortun zu können. "Nicht zuletzt habe ich durch meinen Patron, den Senator Sextus Aurelius Lupus, sehr viel über die Politik lernen können und mir eine sehr gute Vorbereitung auf den Einstieg in den Cursus Honorum bieten können. Die politische Laufbahn ist ohnehin die natürliche Tätigkeit meines Standes und insbesondere meiner Familie. Meine bisherige religiöse Beschäftigung mag dafür nur zuträglich sein, denn..." Ein lautes räuspern erfüllte den Senat, das Kratzen in des Tiberiers Hals erwies sich in der Tat als sehr hinderlich für eine so lange Rede. Und dies auch noch gerade dann, als die Pointe kommen sollte! Schändlich diese Schwäche. Ach, hätte er doch wirklich Apollon noch um Gesundheit gebeten, ging es ihm erneut durch den Kopf, nachdem er schon bei Tagesanbruch darüber sinnierte... Doch es musste natürlich weitergehen und so setzte er mit der Wiederholung des 'denn' wieder ein. "...denn der politische Dienst für Rom und der Dienst an den Göttern gehören untrennbar zusammen! Nur in der stetigen Ehrung des Göttlichen, der Wahrung der Pax Deorum und der gleichsamen Erfüllung der politischen Aufgaben kann Rom weiter wachsen und gedeihen..." Wieder räusperte sich Lepidus für einen etwas längeren Moment. Sogar ein leichtes Husten war zu vernehmen. Oh, wie er alle Menschen in diesem Augenblick verachtete, seien es die Senatoren, die in ihrem Hören der Rede gestört wurden, seien es die vielen anderen Kandidaten, die ihre Rede aus einem Guss und fehlerfrei halten konnten. Wie erbärmlich waren seine Unterbrechungen der Rede nun! Vielleicht wandelte der Tiberier aufgrund dessen seine Rede etwas stärker ab, als geplant und schlug einen Ton an, der etwas patriotischer war, sehr stark auf den Bürgerkrieg Bezug nahm und stellenweise noch persönlicher wurde: "Denn wir sahen alle, welches Unheil Menschen anrichteten, die sich als Feinde der Götter herausstellen und sich gleichsam als politische Führer gerieren! Welches unbeschreibliche Leid musste Rom erdulden? Trotz der Gefahr, die meiner Familie in Rom drohte, trotz all der Schrecken, die durch Vescularius Usurpator verbreitet wurden, blieb ich in Rom und pflegte die heilige Stätte der Trias als einfacher Aedituus und opferte den Göttern, damit sie Gerechtigkeit walten ließen! Als Patrizier war es meine Pflicht Vorbild für andere zu sein und den Göttern zu bezeugen, dass Rom nicht aus Frevlern besteht, wie diesem niederträchtigen Usurpator! Wir mussten alle viel unternehmen, große Anstrengungen walten lassen, uns mutig gegen den Kriegstreiber stellen und die Pax Deorum wiederherstellen. So führten die Götter dem Usurpator der gerechten Strafe zu!" Verdammt wurde er durch sie, wie es auch in Rom kursierte. Damit hoffte, der Tiberier Empfehlungen seines Patrons gefolgt zu sein und seinen Verbleib in Rom angemessen thematisiert sowie die Notwendigkeit aufgezeigt zu haben, weshalb gerade Männer wie er mit ausreichend pietes in diesen Zeiten Ämter innerhalb des Cursus Honorum bekleiden sollten.


    "Somit möchte ich es ganz so handhaben, wie mein verstorbener Vetter, Tiberius Durus, der es verstand sich hingebungsvoll den Göttern zu widmen und gleichsam jedes Amt innerhalb des Cursus Honorum mit großem Pflichtgefühl zu bekleiden. Meine Präferenz liegt bei den Tresviri capitales, weil ich durch meine Beschäftigungen mit Strafangelegenheiten während des Cursus Iuris dafür gewisse Qualitäten mitbringe. Allerdings werde ich selbstverständlich in Achtung der Weisheit des Senats ebenso jedes andere Amt mit größter Motivation bekleiden" Ob er sich nun lieber für die Tresviri capitales entscheiden sollte oder doch eher für die Decemviri, darüber hatte er sich lange den Kopf zerbrochen. Doch letztlich war es wohl tatsächlich die bessere Entscheidung, sich in dieser Frage klar zu positionieren, wie ihm dies auch ein guter Freund riet.


    Nun war es tatsächlich geschafft. Nicht ganz einwandfrei und etwas anders, als es Lepidus geplant hatte, aber immerhin lag die Sache nun hinter ihm. Egal, was nun passierte, der Anfang war gemacht. "Werte Senatoren. Ich danke, dass ihr mir zugehört habt."

  • Gelangweilt verfolgte Furinanus aus der Riege der Consulare die Rede. Niedrige Ämter wie jenes waren zwar Voraussetzung und ein erstes Sprungbrett für eine erfolgreiche politische Laufbahn, sein Interesse war jedoch recht peripher. Der Name seines guten Freundes ließ ihn jedoch aufblicken. Schreckliche Umstände, unter welchen Manius starb. Er fühlte sich diesem stets freundschaftlich verbunden und ein Patrizier mehr im Senat würde das Gefüge wieder einrenken, welches die tollwütige Schneise des Usurpators hinein gerissen hatte. Viele patrizische Senatoren ließen ihr Leben.


    "Eine gute Rede, Lucius Tiberius. Den Göttern zu dienen sollte, nach einer so gottlosen Zeit, unser hehrstes Anliegen sein. Du sollst dich prüfen können und daher hast du meine Stimme, junger Tiberius!", rief er dann aus, nachdem sich das Gemurmel ein wenig gelichtet hatte.


    :app:

  • Sehr schön, sehr schön. Sextus hörte sich die Rede seines Klienten an und nickte dann und wann zu dem ein oder anderen Punkt. Natürlich hatte der Tiberius den ein oder anderen Punkt nicht angesprochen. Allerdings war die Rede auch hinlänglich umfangreich und alles in allem wohl strukturiert, so dass Sextus über das Nichtbeachten der ein oder anderen Anmerkung aus ihrem Gespräch nicht wirklich enttäuscht war.
    Nachdem Flavius Furianus also ebenfalls ein Lob aussprach, erhob sich auch Sextus als schon angesprochener Patron, um seinem Klienten seine Unterstützung auch verbal zu gewähren.
    “Senatoren! Als mein Klient Tiberius Lepidus zu mir kam, um mit mir über seine Kandidatur hier und heute zu sprechen, war ich hoch erfreut. Trotz seiner Jugend ist er ein zielstrebiger und gewissenhafter Mann, der mit großem Pflichteifer jeder Aufgabe bislang nachgekommen ist. Ich bin sicher, dass er ebenso großen Eifer auch in einem Vigintivirat zeigen wird und so das ehrenvolle Erbe anderer großer Männer mit dem Namen Tiberius antreten wird.
    Ich gebe ihm meine Stimme und ich bitte euch, dasselbe zu tun.“

  • Aelius Quarto erhob sich etwas mühsam von seinem Platz. Das Alter machte dem greisen Consular sichtlich zu schaffen. Er maß den Kandidaten mit prüfendem Blick und fuhr sich in gespielter Nachdenklichkeit über den Bart.


    “Lucius Tiberius... ähm... Lepidus. Ich habe dir gut zugehört und muss sagen... also... deine Bescheidenheit und deine Frömmigkeit haben mich sehr beeindruck. Ich rechne es einem Mann hoch an, wenn er sich um den Frieden mit den Göttern bemüht. Oh ja, den Frieden und die Eintracht... ähm...“


    Ein kurzer Seitenblick unterbrach seine Rede. Er galt Aurelius Lupus.


    “Und ich bin mir sicher, dass du viel von deinem Patron gelernt hast. Obwohl, ich muss gestehen...“, kurz geriet Quarto ins Stocken. War das Absicht oder hatte er den Faden verloren? Dann: “Nein, ich kann mich an keine politischen Großtaten des Haruspex Primus erinnern. Womit hat er ein gutes Beispiel abgegeben, von dem man lernen konnte, als Senator und seit er nach Rom zurückgekehrt ist? Ich weiß es nicht. Und davor? Nun, wann wurde unserer junger Kollege ein Mitglied des hohen Hauses? War es nicht erst kurz nach dem Tod meines Bruders, des Imperators Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus? Da kam dann bald der Bürgerkrieg und es galt Schlachten zu schlagen, ich sehe das ein.“


    Nach diesen Worten, die man vielleicht eher als Angriff auf den Aurelier werten konnte, widmete sich der Consular wieder ganz dem Kandidaten.


    “Wie dem auch sei: du warst hier! Das, ähm, sagtest du doch, ja? War es nicht schwer, einerseits den Frieden der Götter zu erbitten und andererseits zu sehen, dass sie sich zweifellos von Rom abgewandt hatten? Waren wir nicht von ihnen verlassen? Waren wir nicht alle verflucht? Und musstest du nicht fürchten, dass es nur dem Unrecht dient, wenn du deinen Dienst gut verrichtest, hier, in Rom? Es waren schwierige Zeiten, komplizierte, nicht wahr? Schwer für uns alle, ob wir nun gingen oder blieben.“

  • Sehr erleichtert registrierte der Tiberier, dass seine Rede offenbar ein wenig Gefallen fand. Ob die Zustimmung des Conular Flavius etwas mit seinen Gespräch mit Gracchus zu tun hatte, konnte er in diesem Augenblick noch nicht erahnen. Umso schöner natürlich, wenn ein Senator sich allein durch die Rede eine Meinung bilden konnte und nicht durch ewiges Abtasten im Vorfeld bereits bearbeitet wurde. So blieben die Worte innerhalb des Senates nicht nur bloße Formalität. Auch über die Worte seines Patrons freute er sich selbstverständlich. Lepidus war sich wohl bewusst, dass er einiges aus ihren Absprachen nicht erwähnte. Dies traf teilweise auf Hinweise des Aureliers zu, die der Tiberier schlicht als nicht notwendig erachtete, während andere Dinge durch seine Verunsicherung durch die Halsschmerzen unter den Tisch fielen.


    Nun aber musste er wirklich wieder aufmerksam sein, denn ein greiser Senator sollte sich erheben und ihm tatsächlich eine Frage stellen. Wohl wussten nur die Götter, wie lange dieser Mann schon auf diesen Bänken saß, von denen er sich nun mühsam erhoben hatte. Nach dem anfänglichen Lob, war Tiberius sichtlich irritiert, dass der Mann nun über seinen Patron sprach und dass so umfangreich, dass er gar nicht wusste, ob sich Lupus nun selbst für irgendetwas zu rechtfertigen hatte. Lepidus beschloss es bei einer kurzen offensichtlichen, ja geradezu banalen Bemerkung zu belassen, obwohl er sich diese im Grunde auch hätte sparen können, da es ja keine direkte Frage an ihn gab. "Mein hochgeschätzter Patron ist ein Mitglied des Senats und hat den Teil des Cursus Honorum bereits durchlaufen, der für meine Person noch vor mir liegt. An der Tatsache, dass es ihm möglich ist, einen Einsteiger wie mich mit seiner Erfahrung zu lehren, sehe ich deshalb wenig Zweifel." Ohnehin wusste er nicht so recht, welche politischen Großtaten erwartet wurden. Auch im Kriege war der politische Verstand stets gefragt und im Kriege hatte sich Lupus schließlich verdient gemacht, was aber wohl allgemein bekannt war. Leider war es ja darüber hinaus auch nicht für jeden möglich, einen Consular als Patron zu haben. Dass jemand der zum Senator Roms geworden war, trotz seiner relativ kurzen Zeit im Senat, ihn dennoch viel lehren konnte, das verstand sich seiner Ansicht nach von selbst. Nun kam er aber zur eigentlich Frage, die ohnehin wohl deutlich wichtiger war als der Seitenhieb, der mit den vorherigen Worten offensichtlich erfolgte. Er musste sich zuvor räuspern. Auch die folgenden längeren Worte gingen nicht ohne eine hin und wieder stattfindende temporäre Befreiung vom Kratzen im Halse einher.


    "Das ist korrekt, ich blieb in Rom. Ob es schwer war, den Frieden der Götter zu erbitten, während wir sahen, dass sie sich von uns abwandten? Nein, das war es nicht! Denn wenn wir die Gunst der Götter verlieren, so kann die Antwort nicht lauten, dass wir uns gleichsam von ihnen abwenden. Wie viel mehr Chaos wäre entstanden, wie lange hätte der Krieg wohl noch angehalten, wenn wir uns nicht aufgemacht hätten, die Gunst der Götter wiederzuerlangen? Verlassen hatten sie uns vielleicht, doch wir haben geschafft, dass sie zu uns zurückkehrten und dafür waren auch Anstrengungen derjenigen notwendig, die hier in Rom verblieben. Ich selbst hatte nie zu befürchten, dass ich dem Unrecht diene, denn ich diente einzig den Göttern. Und ja, ich kann dich mit deinen Worten nur bestätigen. Es waren schwere Zeiten für uns alle, ob wir blieben oder gingen. Während meine Person sich stetiger Schikanierungen hier in Rom aussetzen lassen musste, hatten diejenigen, die verbannt wurden oder auf militärischem Wege gegen den Usurpator zu Felde zogen oder ein völlig anderes verworrenes Schicksal ereilte, wiederum andere Bürden auf sich zu nehmen - ganz zu schweigen von denen, die für Rom gestorben sind. Ich stelle mein Schicksal nicht als fürchterlicher dar, als dasjenige von anderen. Bewusst wählte ich in meiner Rede deshalb auch das 'Wir', um die kollektiven Anstrengungen zu unterstreichen, die nötig waren, um diese schweren Zeiten zu überwinden. Mein bescheidener Anteil war es jedoch, das Heim der göttlichen Trias zu pflegen und die Götter zu ehren und ich weiß heute mehr denn je, dass ich gut daran tat."

  • “Eine gute Antwort, Lucius Tiberius Lepidus. Ich begrüße es ausdrücklich, dass du die Gemeinschaft betonst und von 'Wir' sprichst. Aber mir zeigt der heutige Tag überdeutlich, hier in der Curia Iulia, dass die Krise noch lange nicht überwunden ist. Ich fürchte, dass die aufgerissenen Gräben sehr tief sind. Vielleicht haben wir den Frieden der Götter noch nicht wiedererlangt.“


    Quarto machte ein demonstrativ trauriges Gesicht.


    Dann straffte er sich jedoch, zumindest so weit es ging, und wandte sich erneut dem Kandidaten zu.
    “Du hast mehrfach deine juristischen Kenntnisse betont. Konntest du sie bereits praktisch anwenden, in einem Prozess, als Ankläger oder Verteidiger? Oder beschränken sich deine Kenntnisse bislang auf das Theoretische?“

  • In der Tat waren es sehr melancholische Töne, die hier angeschlagen wurden. Lepidus selbst machte natürlich auch ein sehr ernstes schweres Gesicht. Nicht nur weil es der Situation wohl angemessen war, sondern, weil es ja durchaus Vertrauen schaffte, wenn man sein Gegenüber spiegelte, in diesem Fall natürlich den Consular Quarto. "Leider sind meine Kenntnisse tatsächlich stärker theoretischer Natur. Auch wenn ich das ein oder andere Mal eine Rechtsberatung gab und mich in der Scholae gern mit den Gesetzen auseinandersetzte, so war es mir noch nicht vergönnt, an einem Prozess als Akteur aufzutreten. Allerdings wirft auch hier wieder die Vergangenheit ihren langen Schatten auf unsere Gegenwart, denn in den Jahren der Unrechts-Herrschaft schien sich unsere Justiz mehr durch die Organisation von Schauprozessen auszuzeichnen, die nicht dem Finden der Wahrheit dienten. Ich hätte Iustitia gespottet, wenn ich an einem solchen Prozess teilgenommen hätte, wo doch das Ergebnis stets bereits feststand und meine praktischen Kenntnisse hätten davon ebenso wenig profitiert." Da musste er wohl sicher nicht noch extra den Prozess gegen Vincicius Lucianus erwähnen, der ein bloßer Witz war. Überhaupt geisterte das Schicksal dieses Mannes an jenem Tage durch die Curia Iulia. Darüber hinaus war der Vescularier für seine Günstlingspolitik bekannt und da konnte man sehr leicht zu dem Schluss gelangen, dass die unter ihm ernannten Praetoren nicht unbedingt dafür bekannt sein mussten, die Justiz auf eine gerechte Art und Weise zu gestalten. "Da aber ein bestandener Cursus Iuris, anders als beispielsweise für das Amt des Praetors, keine gesetzliche Voraussetzung für das Viginitivirat im Allgemeinen und den Tresviri capitales im Speziellen ist, so denke ich, dass ich über sehr gute - wenn auch vor allem theoretische - Voraussetzungen verfüge, die es mir leichter machen werden in das mögliche Amt einzusteigen, als es womöglich bei Kandidaten der Fall ist, die diese theoretischen Kenntnisse nicht mitbringen." Lepidus glaubte nicht, dass es unbedingt Standard bei früheren Kandidaturen war, dass man dieses Wissen in das Amt mit einbrachte, von daher hoffte er, den Senatoren schon etwas Neues bieten zu können. Allerdings war er sich sehr wohl bewusst, dass dies zwar ein netter Bonus war, den er da hatte, aber wahrscheinlich auch nicht mehr. Andernfalls wäre der Cursus Iuris sicher gesetzlich für dieses Amt festgeschrieben worden. Da dem nicht so war, konnten die Senatoren sicher auch mit Leuten leben, die keinerlei Erfahrung mit dem Recht hatten, weshalb das alles für Lepidus nicht nur vorteilhaft sein musste.

  • “Natürlich, du stehst ja auch erst am Anfang deiner Karriere im Cursus Honorum und wirst gewiss noch Gelegenheit haben, praktische Erfahrungen zu sammeln. Ich danke dir für deine Antworten.“
    Quarto nickte dem Kandidaten noch einmal zu. Dann ließ er sich wieder auf seinem Platz nieder.

  • Wie bei den Kandidaten zuvor war Vala auch bei dem Tiberier nur beiläufig interessiert, immerhin hatte er zuvor Gelegenheit bekommen sich ein Bild von dem Aspiraten zu machen und auf dieser Grundlage im Vergleich zu anderen Kandidaten die bei ihm vorstellig geworden sind seine Entscheidung bereits gefällt. Dass der Junge kein nennenswertes Tirocinium vorzuweisen hatte war in Valas Augen ein klarer Makel, der sein politisches Profil dadurch zu schärfen suchte, indem er sich nach außen als konservativer gab als er wirklich war. Einerseits hatte der Krieg natürlich einiges an Gelegenheiten verpuffen lassen, eben eine außerordentliche Situation unter der man gewissen Ausnahmen zumindest kurzzeitig eine Chance geben konnte... andererseits hatte der junge Decimus es auch geschafft in der kurzen Zeit zwischen seiner Einreise aus Hispania und seiner Kandidatur ein Tirocinium zu absolvieren. Warum also nicht der Tiberier? Dass der Iulier es nicht gemacht hatte konnte dieser zwar wortreich so drehen und wenden wie er wollte, aber letztlich war klar, dass der Iulier einfach früher noch keine Ahnung gehabt hatte ob und wie man sich vernünftig auf den Cursus Honorum der Senatoren vorbereitete... der Tiberius, aus traditionell konservativeren da panisch gegen den eigenen Bedeutungsverlust ankämpfenden Kreisen stammend, hätte da durchaus mehr leisten können.


    Als der junge Tiberier sich also, wie zu erwarten ebenso eloquent und rhetorisch begabt wie die anderen Kandidaten, vorstellte und Lob und Fragen entgegennahm, stand Vala letztlich vor der Frage ob er sich jetzt tatsächlich dazu motivieren konnte sich ebenfalls für den Kandidaten auszusprechen, schließlich gehörte dieser irgendwie 'zum anderen Lager', war mit einer von Valas frühen Hassfiguren verwandt und... und... und.
    Und dann stand Vala doch auf: "Wie zu erwarten hat sich der Tiberius hier gekonnt in Worten verkauft und einen guten Ausblick auf das gegeben, was er seiner Jugend wegen noch nicht zu leisten vermochte, aber eben sicherlich in seiner weiteren Laufbahn leisten wird. Ich unterstütze dementsprechend seine Kandidatur." Womit Vala recht deutlich machte, dass er auch gewisse Erwartungen an den Vigintivir-in-spe stellte, schließlich gehörte dieses Amt zusammen mit dem Tribunat zu den Aussiebe-Ämtern in welchem ein junger Aspirant zeigen musste aus welchem Holz er geschnitzt war. Warum er sich letztlich doch gegen all die Gründe entschieden hatte, den Tiberius hier in die Mangel zu nehmen wie der Aelius es bereits angedeutet hatte? Nachdem er sich gesetzt hatte, musste Vala darüber nicht nur einen Moment nachdenken... um schließlich zum Schluss zu kommen, dass er ideologische Grabenkämpfe und politische Kleinigkeiten einfach satt hatte. Sollten anderen sich an diesen aufreiben... Vala verschrieb sich hier einem Realo-Pragmatismus, und der beinhaltete: wenn der Junge was taugt, warum nicht?

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