http://farm1.staticflickr.com/6/5522582_042183cc45_n.jpg Es war kein gemütlicher Tag am Mare Tyrrhenum, der Wind peitschte das Meer in sattem Wellengang in Richtung Küste und an den Wellenbrechern vor Hafeneinfahrten der Porti Ostiensis brachen sich immer wieder große Gischtfontänen in die Luft empor. Der Herbst hatte das Mare Nostrum und Italia mittlerweile immer stärker im Griff, und mit jedem Tag der verstrich, ohne dass die Segel der Getreideflotte aus Alexandria am Horizont sichtbar wurden, stieg die Nervosität der Verantwortlichen in Ostia und in Rom.
Als dann endlich die Nachricht aus Rhegium eintraf, dass man die Getreideflotte gesichtet hatte, fiel so einigen Männern ein riesiger Stein vom Herzen, immerhin war mit dem Eintreffen der Flotte nicht unbedingt wenig verknüpft. Vier Tage später stand Vala auf einem Pier in Ostia und starrte zusammen mit dem Praefectus Portus auf die doch beträchtliche Zahl an Segeln, die sich sicherheitshalber in einiger Entfernung zur Küste an dieser entlangschlängelten.
"Ich habe sechsunddreissig gezählt...", rief einer der Stadtdiener auf, der mit im Pulk der Würdenträger stand die direkt mit dem Interims-Curator-Annonae-und-eigentlich-Aedil-seienden Vala das Eintreffen der Flotte erwarteten.
"Siebenunddreißig...", wandte ein anderer ein, nur um von noch einem anderen unterboten zu werden: "Ich zweiunddreißig!"
"Sind das genug?", brummte Vala zum Praefectus, der seiner italischen Natur bereits im Herbstmantel auf dem Pier stand während der Germane sich immernoch mit einer dicken Wolltunika zufrieden gab.
"Je nachdem was für Schiffe es sind... ich konnte bisher zwanzig größere Corbitae zählen, das ist schon ordentlich, aber auch nicht viel mehr als wir normalerweise aus Alexandria bekommen.", fiel die doch recht nüchterne Einschätzung des Hafenvorstehers aus, "Je nachdem wie groß die anderen sind, könnte das ein bequemer Winter werden. Könnte."
"Dann hoffen wir, dass es das auch wird...", nickte Vala zwangsläufig optimistisch und wandte sich zusammen mit den anderen ab, um abseits des Windes bei einem Glas warmem Gewürzwein das letztliche Eintreffen der Schiffe abzuwarten, die immerhin noch eine oder zwei Stunden von Ostia entfernt waren.
Des Windes wegen war es dann doch nur eine Stunde, als die Delegation wieder auf dem Pier stand unde beobachtete wie die Ruder des ersten Schiffs, einer Liburne der Classis Alexandria, eingezogen wurden und Hafenarbeiter mit viel Mühe das Schiff per Seil an das Pier heranzogen. Kaum war es nahe genug ran, sprang auch schon ein jüngerer Mann von dem Schiff und steuerte zielgerade auf den Pulk der Verwaltungsfritzen zu.
"Salvete, ich bin Titus Vescularius Silo.", stellte sich der Mann vor und grinste schief als mehrere der Würdenträger zusammenzuckten, "Keine Sorge, ich bin nicht mit ihm verwandt. Wir haben nur rein zufällig den gleichen Gentilnamen... man kann sagen, dass es wohl als Pech zu betrachten ist. Aber wie dem auch sei: ich bin der Beauftragte des Praefectus Aegypti Annaeus, und da sind wir! Mit wem habe ich die Ehre? Wer von euch ist der Curator Annonae?"
"Der wäre ich...", gab Vala sich zu erkennen, "...obwohl es derzeit noch keinen Curator Annonae gibt, und auch der Praefectus Aegypti ist mittlerweile ein anderer. Ich bin Titus Duccius Vala, Aedilis Plebis und damit in Abwesenheit eines Curators für die Cura Annonae zuständig."
"DER Titus Duccius Vala?", zog der junge Vescularius die Augen auf und staunte Vala an, "Der aus Aegyptus... also Germania.. aber der in Aegyptus.. naja, das mit der Erhebung und so."
"Der Titus Duccius Vala.", beantwortete Vala die Frage nonchalant, der die offensichtliche Begeisterung des Mannes nicht ganz teilen konnte, "Und ich war das kleinste Rädchen im damaligen Geschehen. Aber genug dessen... wieviel bringt ihr uns?"
"Wir sind mit zwanzig großen Corbitae, zweiundzwanzig mittleren und vierzehn kleinen losgezogen...", sprach der junge Vescularius und zückte eine Tabulae hervor, "Wir sind in einen Sturm geraten, in welchem wir sieben Schiffe verloren haben. Von zweien wissen wir sicher, dass sie auf dem Grund des Meeres liegen, die anderen fünf sind bisher verschollen und treffen so Neptun will später ein."
"Tacheles, Junge..", stieß der Praefectus Portus los, "Sag an, wieviel habt ihr?"
"Da ich genug Zeit hatte das auszurechnen..", murmelte der junge Mann und zog gedankenverloren mit dem rechten Zeigefinger über die Tabula, "..ah, hier ist es ja... summa summarum in etwa eine Million und Neunhunderttausend Amphora."
"Bona Dea!", stöhnte einer der Mitarbeiter bei der schier ungeheuerlichen Zahl aus, was vom erstaunten Gemurmel anderer Männer noch unterstrichen wurde.
"Soviel ist das garnicht.", wandte Vala mit grüblerischem Blick ein, "Eine Amphora fasst etwas mehr als ein Talent an Getreide. Und die Getreidespeicher Roms, die auf das Fassungsvermögen des Bedarfs der Bevölkerung von einem Jahr ausgelegt sind, fassen etwa sieben Millionen Amphoren, acht, wenn man den Getreidespeicher hinzuzählt der abgebrannt ist und wieder aufgebaut wird. Das bedeutet..."
"Dass wir gerade genug Getreide für den Winter haben, vielleicht etwas länger...", vervollständigte der Hafenvorsteher den Satz, "..das ist nicht genug bis zur nächsten Erntezeit. Wie sieht es aus, kommt da noch mehr?"
"Die kaiserlichen Getreidespeicher in Alexandria sind leer.", antwortete der junge Vescularius mit hilflosem Blick, "Die Poleis haben ja aufgrund gewisser Abmachungen mehr für sich behalten als sie geliefert haben."
"Achja, das...", murrte Vala und strich sich durch den Bart, indem sich viele kleine Tropfen Salzwasser von der ständig herbeifliegenden Gischt sammelten, "Gut, fahrt fort wie gehabt. Das wird uns zumindest über den Winter retten, bis dahin dürften wir uns schon was neues überlegt haben."
"Sehr wohl, Aedilis.", sprach der Hafenvorsteher und wandte sich im gleichen Augenblick seinen Männern zu, um die möglichst schnelle Entladung der ersten Corbita zu lancieren, damit die anderen Schiffe so schnell wie möglich ihre Ladung loswerden konnten. Vala hatte sich schon abgewendet und schritt mit nachdenklichem Blick zurück zu seinem Reittier, um sich schnellstens auf den Weg zurück nach Rom zu machen. Den Kopf zerbrechen konnte er sich auch später.
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